TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/23 W254 2237790-1

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Veröffentlicht am 23.09.2021
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Entscheidungsdatum

23.09.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art140 Abs7
PrivSchG §5 Abs1 litd
PrivSchG §5 Abs4

Spruch


W254 2237790-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch Kunz Wallentin Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid der Bildungsdirektion Wien vom 13.10.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der beschwerdeführende Verein zeigte am 23.09.2020 die Verwendung von XXXX als Lehrerin an der Privatschule „ XXXX “ an.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid untersagte die Bildungsdirektion für Wien gemäß § 5 Abs. 1 lit. d i.V.m. Abs. 4 Privatschulgesetz (PrivSchG) die Verwendung von XXXX als Lehrerin an der Privatschule „ XXXX “ (Spruchpunkt I.) und erteilte keine Nachsicht vom Erfordnernis der österreichischen Staatsbürgerschaft (Spruchpunkt II.), weil für sie kein geeigneter Nachweis über die erforderlichen Sprachkenntnisse auf dem Referenzniveau C1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER) in der deutschen Sprache erbracht worden sei und sich die übrigen sogenannten internationalen Privatschulen, auf die im Zusatz zu § 5 Abs. 1 lit. d PrivSchG gemäß § 1 Z 2 Ausländerbeschäftigungsverordnung (AuslBVO) abgestellt würde, von der hier betreffenden Privatschule insofern unterscheiden würden, als sie keine konfessionellen Schulen seien.

3. Dagegen erhob der beschwerdeführende Verein die vorliegende Beschwerde.

4. Mit Beschluss vom 26.01.2021, W254 2237790-1/2Z, beantragte das Bundesverwaltungsgericht beim Verfassungsgerichtshof, § 5 Abs. 1 lit. d, Abs. 1 zweiter und dritter Satz und Abs. 4 PrivSchG, BGBl. 244/1962 i.d.F. BGBl. I 35/2019 als verfassungswidrig und § 1 Z 2 AuslBVO, BGBl. 609/1990, i.d.F. BGBl. II 263/2019 wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben.

5. Mit Erkenntnis vom 17.06.2021, G 391/2020-15 ua., erkannte der Verfassungsgerichtshof u.a., dass § 5 Abs. 4 PrivSchG i.d.F. BGBl. I Nr. 35/2019 als verfassungswidrig aufgehoben werde und diese Aufhebung mit Ablauf des 30. 06.2022 in Kraft trete.

6. Am 14.07.2021 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht den beschwerdeführenden Verein bekannt zu geben, ob XXXX nach wie vor als Lehrerin an der Privatschule „ XXXX “ verwendet werde.

7. Nachdem zunächst noch am 27.07.2021 um Fristerstreckung ersucht wurde, bestätigte darauffolgend der beschwerdeführende Verein die entsprechende Verwendung mittels Versicherungsdatenauszuges.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der beschwerdeführende Verein zeigte am 23.09.2020 die Verwendung von XXXX als Lehrerin an der Privatschule „ XXXX “ an. Dabei handelt es sich um eine Privatschule mit eigenem Organisationsstatut, der das Öffentlichkeitsrecht verliehen wurde und an der die allgemeine Schulpflicht erfüllt werden kann. Die Unterrichtssprache ist – mit Ausnahme des Deutsch- und Spanischunterrichts – Englisch.

Die Bildugnsdirektion für Wien untersagte gemäß § 5 Abs. 1 lit. d i.V.m. Abs. 4 PrivSchG die Verwendung von XXXX als Lehrerin an der Privatschule, weil für sie kein geeigneter Nachweis einer Sprachkompetenz in der deutschen Sprache auf dem Referenzniveau C1 des GER erbracht worden sei.

XXXX wird nach wie vor als Lehrerin an der Privatschule „ XXXX “ verwendet.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur ersatzlosen Behebung des angefochtenen Bescheides:

3.1.1. Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden, wenn ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden ist oder der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen hat, dass ein Gesetz verfassungswidrig war. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.

Gemäß § 5 Abs. 1 lit. d) PrivSchG i.d.F. BGBl. I Nr. 35/2019 ist ein Leiter für die pädagogische und schuladministrative Leitung der Privatschule zu bestellen, der in der deutschen Sprache Sprachkenntnisse nach zumindest dem Referenzniveau C 1 des GER nachweisen kann.

Gemäß § 5 Abs. 4 leg. cit. haben die an der Schule verwendeten Lehrer ebenfalls die in Abs. 1 genannten Bedingungen zu erfüllen.

3.1.2. Mit Erkenntnis vom 17.06.2021, G 391/2020, hob der Verfassungsgerichtshof § 5 Abs. 4 PrivSchG i.d.F. BGBl. I Nr. 35/2019 als verfassungswidrig auf und sprach weiters aus, dass diese Aufhebung mit Ablauf des 30. Juni 2022 in Kraft tritt.

3.1.3. Im vorliegenden Fall, der zugleich ein Anlassfall zum Erkenntnis G 391/2020 war, untersagte die Bildungsdirektion für Wien gemäß § 5 Abs. 1 lit. d i.V.m. Abs. 4 PrivSchG die Verwendung von XXXX als Lehrerin an der Privatschule „ XXXX “, weil für sie kein Nachweis einer Sprachkompetenz in der deutschen Sprache auf dem Referenzniveau C1 des GER erbracht wurde.

Infolge der Anlassfallwirkung des Art. 140 Abs. 7 B-VG ist § 5 Abs. 4 PrivSchG i.d.F. BGBl. I Nr. 35/2019 als aufgehobene Norm hier nicht mehr anzuwenden (siehe dazu etwa VwGH 01.03.2017, Ro 2015/03/0022, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes). Damit fehlt die Rechtsgrundlage, auf die sich der angefochtene Bescheid stützt. Folglich ist er ersatzlos zu beheben.

3.2. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. etwa Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 7a mit Hinweis zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, m.w.N.).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass infolge der Anlassfallwirkung des Art. 140 Abs. 7 B-VG die aufgehobene Norm nicht mehr anzuwenden ist, entspricht der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Anlassfall Bescheidbehebung Deutschkenntnisse Gesetzesaufhebung Lehrerbestellung Privatschule Unterrichtssprache verfassungswidrig VfGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W254.2237790.1.00

Im RIS seit

29.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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