TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/23 W250 2246426-1

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Veröffentlicht am 23.09.2021
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Entscheidungsdatum

23.09.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W250 2246426-1/18E

Schriftliche Ausfertigung des am 20.09.2021 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Usbekistan, vertreten durch RA Dr. Gregor KLAMMER, gegen die Anhaltung in Schubhaft ab 09.09.2021 auf Grund des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.09.2021, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 887,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger der Republik Usbekistan, reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2013 illegal in das Bundesgebiet ein. Der BF meldete sich erstmals am 30.04.2014 unter Vorlage eines gefälschten griechischen Personalausweises im Bundesgebiet an einer Meldeadresse an und ein weiteres Mal am 27.10.2015 unter Vorlage eines gefälschten Personalausweises der Tschechischen Republik.

2. Nachdem der BF am 13.07.2018 bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung betreten wurde, stellte er am 14.07.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 28.12.2018 vollinhaltlich abgewiesen wurde. Gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Usbekistan zulässig ist, keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt und ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.03.2019 mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt. Die Dauer des befristeten Einreiseverbotes wurde auf zwei Jahre herabgesetzt.

3. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und wurde ab 09.08.2021 in Untersuchungshaft angehalten. Das Bundesamt erließ am 10.08.2021 einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG. Der BF wurde auf Grund dieses Festnahmeauftrages am 01.09.2021 festgenommen und stellte während seiner Anhaltung einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt hielt in einem Aktenvermerk gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG fest, dass Gründe für die Annahme vorliegen, dass dieser Antrag in ausschließlicher Verzögerungsabsicht gestellt wurde.

4. Am 01.09.2021 wurde der BF unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Russisch vom Bundesamt einvernommen, wobei er im Wesentlichen angab, dass er sich seit dem Jahr 2013 im Bundesgebiet aufhalte. Im Jahr 2018 habe er sich für drei oder vier Monate in der Tschechischen Republik aufgehalten. Vor seiner Festnahme am 09.08.2021 habe er außerhalb von Wien Unterkunft bezogen, die Adresse wisse er nicht. Er wisse nur, dass man eine Stunde zu der Adresse brauche. Einen Wohnungsschlüssel besitze er nicht. Es habe sich um eine Baustelle gehandelt, er habe alleine in einem Zimmer gewohnt. Dass er sich behördlich hätte melden müssen, habe er nicht gewusst. Seinen Aufenthalt im Bundesgebiet habe er sich dadurch finanziert, dass er ab und zu gearbeitet habe. Er wisse nicht, dass gegen ihn ein Einreiseverbot erlassen worden sei und dass sein Verfahren abgeschlossen sei. Ein gültiges Reisedokument oder Dokumente zum Nachweis seiner Identität besitze er nicht. Familienangehörige befänden sich keine in Österreich, in seinem Heimatland befänden sich seine Eltern, seine Ehefrau und seine drei Kinder. Kontakt zu seiner Familie pflege er lediglich telefonisch, er habe seine Familie seit dem Jahr 2013 nicht mehr gesehen. Er besitze keine Barmittel und leide an Gastritis.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 01.09.2021 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG über den BF Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3, 5 und 9 FPG Fluchtgefahr vorliege. Der BF habe trotz Verpflichtung zur Ausreise an seinem Ausreiseverfahren nicht mitgewirkt und im Verborgenen gelebt, wodurch er seine Ausreise bzw. die zwangsweise Außerlandesbringung behindert habe. Der BF habe sich seiner Abschiebung entzogen. Der BF sei im Bundesgebiet nicht sozial verankert und verfüge über keine verfahrensrelevanten familiären Beziehungen im Bundesgebiet. Er gehe keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfüge über keinen ordentlichen Wohnsitz.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 01.09.2021 zugestellt, die Unterschrift zur Bestätigung der Übernahme des Bescheides wurde vom BF verweigert. Dem Rechtsvertreter des BF wurde eine Ausfertigung des Schubhaftbescheides am 02.09.2021 zugestellt.

6. Am 09.09.2021 stellte die Ehefrau des BF einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Bei ihrer am selben Tag durchgeführten Erstbefragung gab sie unter anderem an, dass sie am 25.06.2021 ihren Wohnort verlassen habe und illegal aus ihrem Herkunftsstaat ausgereist sei. Sie habe zu ihrem in Österreich lebenden Ehemann schon seit längerer Zeit keinen Kontakt mehr.

7. Am 15.09.2021 erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Beschwerde gegen seine Anhaltung in Schubhaft seit 09.09.2021. Er brachte dabei im Wesentlichen vor, dass er seinen Asylfolgeantrag keinesfalls rechtsmissbräuchlich gestellt habe. Er genieße derzeit faktischen Abschiebeschutz, zudem werde seine Ehefrau ebenfalls in Usbekistan asylrelevant verfolgt. Die Behörde sei verpflichtet, Asylanträge von Familienangehörigen in einem verbundenen Verfahren zu prüfen, zudem erhielten Familienangehörige denselben Schutzumfang. Da das Asylverfahren der Ehefrau des BF zuzulassen sei, sei die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft spätestens seit 09.09.2021 rechtswidrig. Die Behörde habe die Schubhaft so kurz als möglich zu halten. Die Abschiebung des BF sei in absehbarer Zeit nicht möglich, weshalb die Schubhaft spätestens am 09.09.2021 aufzuheben gewesen wäre. Im Fall des BF sei es auch möglich, ein gelinderes Mittel anzuordnen, da er bereit sei einer periodischen Meldeverpflichtung bei der Polizei nachzukommen und nicht mehr untertauchen werde.

Der BF beantragte eine mündliche Verhandlung durchzuführen, festzustellen, dass die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 09.09.2021 rechtswidrig sei, festzustellen, dass die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft unzulässig sei und ihm Kostenersatz auch im Umfang der Eingabengebühr zuzusprechen.

8. Das Bundesamt legte am 16.09.2021 den Verwaltungsakt vor und gab am 17.09.2021 eine Stellungnahme ab. Das Bundesamt beantragte die Beschwerde abzuweisen, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen und den BF zum Kostenersatz zu verpflichten.

9. Am 20.09.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Russisch, eines Vertreters des Rechtsvertreters des BF sowie einer Vertreterin des Bundesamtes eine mündliche Verhandlung durch, in der der BF einvernommen wurde. Er gab im Wesentlichen an, dass er in Österreich keine Familienangehörigen habe, dass er jedoch gehört habe, dass sich seine Ehefrau in Österreich aufhalte. Über seinen Rechtsanwalt habe er gehört, dass sich seine Kinder in der Türkei befänden. Es gebe große Probleme, aber welche das seien, wisse er nicht. In Österreich habe er außerdem Bekannte und kenne einige Leute. Auf die Frage ob er von diesen z.B. finanziell unterstützt werden könne, gab der BF an, dass diese Bekannten ihm eine Zigarette geben würden. In Österreich gehe er keiner legalen Beschäftigung nach und er besitze kein Vermögen. Seinen Aufenthalt in Österreich habe er dadurch finanziert, dass er einigen Leuten geholfen habe. Die entsprechenden arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen dafür habe er nicht. An Krankheiten leide er nicht und er nehme auch keine Medikamente ein, manchmal nehme er Medikamente gegen Magenschmerzen ein, in ärztlicher Behandlung sei er deshalb aber nicht. Er habe noch nie einen Reisepass besessen und sei im Jahr 2013 nach Österreich eingereist. Einen Antrag auf internationalen Schutz habe er vor zwei oder drei Jahren gestellt. Er habe diesen Antrag nicht früher gestellt, da er nicht gewusst habe, welche Organisation Asyl verleihe. Auf die Frage, warum er versucht habe, mit gefälschten Dokumenten einen Wohnsitz anzumelden, gab der BF an, dass er dabei ja seinen richtigen Namen angegeben habe. Er habe nicht gewusst, dass es sich um gefälschte Dokumente gehandelt habe. Auf die Frage, warum er seit April 2019 seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei, gab der BF an, dass er nicht nach Usbekistan zurückkehren könne, da er dort Probleme habe. Er habe nicht gewusst, dass sein Asylverfahren bereits abgeschlossen sei. Mit seinem Rechtsvertreter habe er nicht darüber gesprochen, da er gedacht habe, dass alles normal verlaufe. Die Frage nach seinen konkreten Aufenthaltsorten ab Mai 2019 beantwortete der BF nicht. Er habe weder eine Meldung nach dem Meldegesetz vorgenommen noch dem Bundesamt auf andere Weise eine Zustelladresse bekannt gegeben, da er das nicht gewusst habe. Er habe auch niemanden gestört und für sich alleine gelebt. Auch seine letzte Wohnadresse gab der BF nicht bekannt. Er führte dazu lediglich aus, dass er für ca. ein Jahr auf einer Baustelle gearbeitet und dort auch gewohnt habe. Mit seiner Ehefrau habe er zuletzt vor ca. drei oder vier Monaten Kontakt gehabt. Zuletzt gesehen habe er seine Ehefrau im Jahr 2013. Er habe am 01.09.2021 einen Asylantrag gestellt, da man ihn in Usbekistan umbringen könne, es sei dort gefährlich für ihn. Er habe keine anderen Asylgründe als jene, die er bereits im Jahr 2018 angegeben habe. Er habe nicht bereits bei seiner Einreise um Asyl angesucht, da er damals nicht gewusst habe, was Asyl sei. Die Asylgründe seiner Ehefrau kenne er nicht, er habe zuerst gar nicht gewusst, dass sie in Österreich sei. Seine Ehefrau habe ihn telefonisch nicht kontaktiert, da er in Haft gewesen sei. Auf den Vorhalt, dass seine Ehefrau bereits am 25.06.2021 aus ihrem Wohnort abgereist sei, gab der BF an, dass er seither keinen telefonischen Kontakt zu ihr gehabt habe. Er habe seit drei oder vier Monaten keinen Kontakt zu ihr gehabt, davor habe er ein Mal pro Woche über Internet mit ihr gesprochen.

Nach der mündlichen Verkündung stellte der Rechtsvertreter des BF einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Verfahrensgang

Der unter I.1. bis I.9. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

1.2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.2.1. Der BF ist ein Staatsangehöriger Usbekistans, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.2.2. Der BF leidet an keinen Krankheiten. Er nimmt fallweise Medikamente gegen Magenschmerzen ein, in ärztlicher Behandlung ist er nicht. Er ist gesund und haftfähig.

1.2.3. Der BF wird seit 01.09.2021 in Schubhaft angehalten.

1.2.4. Für den BF wurde von der usbekischen Vertretungsbehörde ein von XXXX bis XXXX gültiges Heimreisezertifikat ausgestellt.

1.2.5. Der BF weist in Österreich folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf:

1.2.5.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 07.02.2019 wurde der BF wegen der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2 und 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Der BF hat falsche ausländische öffentliche Urkunden zum Beweis einer Tatsache im Rechtsverkehr gebraucht und zwar am 27.10.2015 einen tschechischen Personalausweis zum Beweis seiner Identität und seines rechtmäßigen Aufenthaltes anlässlich einer Anmeldung zu einem Wohnsitz, am 30.04.2014 einen griechischen Personalausweis zum Beweis seiner Identität und seines rechtmäßigen Aufenthaltes anlässlich einer Anmeldung zu einem Wohnsitz und im Juli 2014 einen griechischen Personalausweis zum Beweis seiner Identität und seines rechtmäßigen Aufenthaltes anlässlich einer Kontoeröffnung.

1.2.5.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 01.09.2021 wurde der BF wegen der Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 (§§ 15, 269 Abs. 1 StGB; 83 Abs. 1, 84 Abs. 2, 15 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Der BF hat sich am 09.08.2021 fahrlässig durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und im Rausch Polizeibeamte mit Gewalt an seiner Festnahme und Verbringung in ein Polizeianhaltezentrum zu hindern versucht sowie diese während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben am Körper verletzt bzw. zu verletzen versucht. So führte er gezielte Tritte gegen die Polizisten aus und versuchte diese zu beißen. Er versetzte einem Polizisten einen Schlag mit der flachen Rückhand ins Gesicht, wodurch dieser eine Prellung unter dem rechten Auge erlitt, er versetzte einem Polizisten einen Tritt gegen die linke Wade und das linke Knie, wodurch dieser Prellungen erlitt, er versetzte einem Polizisten einen Tritt gegen das linke Knie, wodurch dieser eine Prellung erlitt und er versetzte einem weiteren Polizisten einen Tritt gegen das rechte Knie, wodurch dieser jedoch nicht verletzt wurde.

1.3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

1.3.1. Der BF tauchte unmittelbar nach seiner unrechtmäßigen Einreise nach Österreich im Jahr 2013 unter. Zur Begründung eines Wohnsitzes verwendete er gefälschte Dokumente.

1.3.2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28.12.2018 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.03.2019 abgewiesen.

1.3.3. Die für den 23.05.2019 organisierte Abschiebung des BF nach Usbekistan konnte nicht vollzogen werden, da der BF untergetaucht war. Er hat sich seiner Abschiebung entzogen.

1.3.4. Der BF stellte am 01.09.2021 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Zu diesem Zeitpunkt lag eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor und wurde der BF auf Grund eines Festnahmeauftrages gemäß § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-VG angehalten.

1.3.5. Der BF stellte den Asylantrag am 01.09.2021 in der ausschließlichen Absicht, seine Abschiebung zu verzögern. Die ausschließliche Verzögerungsabsicht besteht auch nach der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz durch die Ehefrau des BF am 09.09.2021.

1.3.6. Die Einvernahme des BF zu seinem Folgeantrag auf internationalen Schutz ist für den 22.09.2021 vorgesehen.

1.3.7. Der BF machte beim Bundesamt am 01.09.2021 keinerlei Angaben zu seinem letzten Wohnort.

1.3.8. Der BF lebte seit seiner Ausreise aus Usbekistan und insbesondere seit seiner Einreise nach Österreich im Jahr 2013 von seiner Ehefrau getrennt. Vor dem 09.09.2021 hatten der BF und seine Ehefrau bereits seit ca. vier Monaten keinen telefonischen Kontakt, davor hatte der BF wöchentlich per Internet Kontakt zu seiner Ehefrau. Die Ehefrau des BF hält sich seit 05.09.2021 in Österreich auf und hat am 09.09.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der BF kennt weder die von seiner Ehefrau vorgebrachten Asylgründe noch wusste er, dass seine Ehefrau nach Österreich einreisen wird. Den Umstand, dass sich seine Ehefrau in Österreich aufhält, kennt er nur durch seinen Rechtsvertreter.

1.3.9. Über weitere Familienangehörige verfügt der BF in Österreich nicht, ein soziales Netz hat der BF in Österreich nicht. Er geht keiner legalen Erwerbstätigkeit nach sondern finanzierte seinen jahrelangen Aufenthalt in Österreich durch Schwarzarbeit. Der BF verfügt weder über Vermögen noch über einen eigenen Wohnsitz.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Akt des Bundesamtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes und dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid vom 28.12.2018 betreffend sowie aus dem vom BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck. Einsicht genommen wurde in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres, in das Grundversorgungs-Informationssystem sowie in das Zentrale Melderegister.

2.1. Zum Verfahrensgang

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid vom 28.12.2018 betreffend. Diesen Feststellungen wurde im Verfahren nicht entgegengetreten.

2.2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.2.1. Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf dem im Verwaltungsakt einliegenden, von der usbekischen Vertretungsbehörde am XXXX ausgestellten Heimreisezertifikat. Da sein Antrag auf internationalen Schutz rechtskräftig abgewiesen wurde bzw. über den Folgeantrag auf internationalen Schutz noch entschieden wurde, konnte die Feststellung getroffen werden, dass der BF weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter ist.

2.2.2. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 20.09.2021.

2.2.3. Dass der BF seit 01.09.2021 in Schubhaft angehalten wird ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei.

2.2.4. Die Feststellungen zu dem von der usbekischen Vertretungsbehörde für den BF ausgestellten Ersatzreisedokument ergeben sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Kopie des Heimreisezertifikates.

2.2.5. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF beruhen auf den im Verwaltungsakt einliegenden diesbezüglichen Urteilsausfertigungen.

2.3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

2.3.1. Die Feststellung, dass der BF unmittelbar nach seiner unrechtmäßigen Einreise nach Österreich untertauchte, ergibt sich daraus, dass der BF in seinen bisherigen Verfahren und insbesondere auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 20.09.2021 angegeben hat, im Jahr 2013 nach Österreich eingereist zu sein. Einen Wohnsitz meldete der BF laut den Eintragungen im Zentralen Melderegister erst am 30.04.2014 an, er verwendete dabei jedoch – entsprechend dem strafgerichtlichen Urteil vom 07.02.2019 – einen gefälschten griechischen Personalausweis, sodass als Staatsangehörigkeit des BF im Zentralen Melderegister Griechenland aufscheint. Am 27.10.2015 meldete der BF wiederum einen Wohnsitz an, verwendete dabei jedoch – entsprechend dem strafgerichtlichen Urteil vom 07.02.2019 – einen gefälschten tschechischen Personalausweis. Im Zentralen Melderegister finden sich keine Hinweise darauf, dass der BF unter seinen den Tatsachen entsprechenden Identitätsdaten – insbesondere seiner tatsächlichen Nationalität – vor der Stellung seines Antrages auf internationalen Schutz am 14.07.2018 seiner Meldeverpflichtung nachgekommen ist.

2.3.2. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 28.12.2018 erlassenen Rückkehrentscheidung beruhen auf dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen diesen Bescheid betreffend.

2.3.3. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass das Bundesamt die Abschiebung des BF nach Usbekistan für den 23.05.2019 organisiert hat. So liegen unter anderem ein Festnahme- und Durchsuchungsauftrag zur Sicherstellung der am 23.05.2019 beabsichtigten Charterabschiebung im Akt ein. Laut Bericht einer Landespolizeidirektion vom 22.05.2019 war die Festnahme des BF an seiner Meldeadresse jedoch nicht möglich, da der BF weder dort angetroffen werden konnte noch der tatsächliche Aufenthaltsort des BF – insbesondere durch Befragung von anwesenden Mietern – erhoben werden konnte. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 20.09.2021 nach seinem Aufenthaltsort seit Mai 2019 befragt, machte der BF keinerlei konkrete Angaben. Er führte lediglich aus, dass er die Namen jener Personen, die ihm geholfen hätten, nicht nennen wolle und dass er zuletzt für ca. ein Jahr auf einer Baustelle gewohnt habe, er aber den Namen des Ortes nicht wisse. Es konnte daher insgesamt die Feststellung getroffen werden, dass sich der BF seiner Abschiebung am 23.05.2019 durch Untertauchen entzogen hat.

2.3.4. Aus dem Protokoll der Einvernahme durch das Bundesamt am 01.09.2021 ergibt sich, dass der BF während dieser Einvernahme einen Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte. Zu diesem Zeitpunkt wurde er auf Grund eines vom Bundesamt am 10.08.2021 gemäß § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-VG erlassenen Festnahmeauftrages angehalten und lag auf Grund des Bescheides vom 28.12.2018 eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

2.3.5. Dass der BF den Folgeantrag auf internationalen Schutz in ausschließlicher Verzögerungsabsicht gestellt hat, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Bereits seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz stellte der BF mehrere Jahre nach seiner Einreise nach Österreich. Zuvor nahm er Wohnsitzmeldungen vor, bei denen er durch gefälschte Dokumente die Staatsangehörigkeit von Mitgliedstaaten der Europäischen Union vortäuschte und stellte einen Asylantrag erst, als er bei Schwarzarbeit aufgegriffen wurde. In der mündlichen Verhandlung am 20.09.2021 dazu befragt gab er an, nicht gewusst zu haben, was Asyl sei. Diese Verantwortung ist auf Grund des vom BF in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks nicht nachvollziehbar, da es dem BF auch gelungen ist, sich gefälschte Dokumente zu beschaffen. Der BF erweckte in der mündlichen Verhandlung den Eindruck, dass er seine Antworten so wählt, um einen möglichst positiven Eindruck von ihm zu erhalten. So gab er beispielsweise auf die Frage nach seinen Wohnsitzmeldungen mit gefälschten Dokumenten an, dass er nicht gewusst habe, dass es sich um gefälschte Dokumente gehandelt habe. Diese Verantwortung ist jedoch vor dem Hintergrund, dass er in der diesbezüglichen strafgerichtlichen Verhandlung ein reumütiges Geständnis abgelegt hat, nicht glaubhaft. Es ist daher insgesamt auch nicht glaubhaft, dass der BF nicht gewusst haben soll, wo er Asyl beantragen könne. Vielmehr hat der BF keinen Versuch unternommen Asyl zu beantragen sondern stattdessen ein Aufenthaltsrecht durch falsche Dokumente vorgetäuscht und ist daher nicht einmal davor zurückgeschreckt, eine gerichtlich strafbare Handlung zu begehen, um in Österreich zu bleiben.

Seinen Asyl-Folgeantrag stellte der BF erst, nachdem er wiederum festgenommen und der Fremdenbehörde vorgeführt wurde und er sich davor jahrelang durch Untertauchen dem Zugriff der Fremdenbehörde entzogen hatte. Zudem machte er in seinem Asylantrag ausschließlich Gründe geltend, die bereits dem ersten Asylverfahren zu Grunde lagen. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 20.09.2021 danach befragt gab der BF an, dass seine Asylgründe noch immer dieselben seien.

Auch durch den Asylantrag seiner Ehefrau kann nicht erkannt werden, dass sich die Intention des BF, durch seinen eigenen Asylantrag ausschließlich seine Außerlandesbringung zu verzögern, geändert hätte. So gab der BF in seiner Erstbefragung am 02.09.2021 an, dass sich keine seiner Familienmitglieder in Österreich aufhalten. Auch die Ehefrau des BF gab in ihrer Erstbefragung am 09.09.2021 an, dass sie bei ihrer Ausreise aus Usbekistan keinen bestimmten Staat erreichen habe wollen und dass sie zudem bereits seit längerer Zeit keinen Kontakt mehr zu ihrem Gatten gehabt habe. Es sind daher im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte für ein tatsächliches und aufrechtes Familienleben zwischen dem BF und seiner Gattin hervorgekommen. Auch zu den Asylgründen seiner Ehefrau konnte der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung keinerlei Angaben machen, sodass aus dem vom BF unbeeinflussten und nunmehr zufällig im zeitlichen Zusammenhang mit seinem eigenen Asylantrag gestellten Asylantrag seiner Ehefrau keine Änderung seiner Absicht, durch seinen Asylantrag ausschließlich seine Abschiebung zu verzögern, erkennbar ist. Auch aus dem in der mündlichen Verhandlung vom BF gewonnenen Eindruck ergibt sich, dass er seinen Asylantrag nur deshalb gestellt hat und derzeit auch aufrecht hält, um seine Abschiebung zu verzögern. So gab er mehrmals an, dass er von der Anwesenheit seiner Ehefrau in Österreich nur durch seinen Rechtsvertreter erfahren habe. Auch den Aufenthalt seiner Kinder in der Türkei habe er durch seinen Rechtsvertreter erfahren und kenne auch die Asylgründe seiner Ehefrau nicht. Diesbezüglich ist auch zu berücksichtigen, dass seine Ehefrau dem BF nicht einmal ihre Absicht, Usbekistan zu verlassen mitgeteilt hat. Der BF begründet dies in der mündlichen Beschwerdeverhandlung mit seiner Anhaltung in Haft, was es seiner Ehefrau unmöglich gemacht habe, ihn zu erreichen. Dies lässt sich jedoch mit dem zeitlichen Ablauf der Ereignisse nicht in Einklang bringen, da die Ehefrau des BF entsprechend ihrer Angaben in der Erstbefragung am 09.09.2021 angegeben hat, am 25.06.2021 den Wohnort verlassen zu haben. Die Festnahme des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgte dem strafgerichtlichen Urteil vom 01.09.2021 zu Folge jedoch erst am 09.08.2021, sodass es insgesamt nicht nachvollziehbar ist, weshalb die Anhaltung des BF in Haft es seiner Ehefrau unmöglich gemacht haben soll, ihn von ihrer Ausreise aus Usbekistan in Kenntnis zu setzen.

2.3.6. Aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 17.09.2021 ergibt sich, dass die Einvernahme des BF in seinem Asylverfahren für 22.09.2021 vorgesehen ist.

2.3.7. Dass der BF beim Bundesamt am 01.09.2021 keinerlei Angaben zu seinem letzten Wohnort machte, ergibt sich aus der diesbezüglich mit ihm aufgenommenen Niederschrift. Der BF gab dabei an, dass er den Namen des Ortes, an dem er zuletzt gewohnt habe, nicht wisse. Auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nannte der BF den Ort seines letzten Aufenthaltes nicht.

2.3.8. Dass der BF seit dem Jahr 2013 von seiner Ehefrau getrennt lebt, ergibt sich aus seinen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 21.09.2021, in der er angab, seine Ehefrau seit dem Jahr 2013 nicht mehr gesehen zu haben. Dass er seit ca. vier Monaten keinen Kontakt mehr zu ihr hatte und davor wöchentlich mit ihr per Internet Kontakt gehabt hat, ergibt sich ebenso aus seinen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 21.09.2021. Aus der Niederschrift über die am 09.09.2021 mit der Ehefrau des BF durchgeführte Erstbefragung ergibt sich, dass sich die Ehefrau des BF seit 05.09.2021 in Österreich aufhält und am 09.09.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Dass der BF weder die Asylgründe seiner Ehefrau kennt noch wusste, dass seine Ehefrau beabsichtigt, nach Österreich einzureisen, ergibt sich aus den diesbezüglichen Angaben des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 21.09.2021. Dabei gab er vielmehr an, dass er den Umstand, dass sich seien Ehefrau in Österreich aufhält, lediglich durch seinen Rechtsvertreter erfahren hat.

2.3.9. Die Feststellungen zu den mangelnden familiären und sozialen Anknüpfungspunkten des BF in Österreich beruhen auf seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung am 21.09.2021. Dabei gab der BF zwar an, dass er Bekannte in Österreich habe, auf die Frage, ob er von diesen auch finanziell unterstützt werden könne, gab der BF an, dass diese Personen ihm vielleicht eine Zigarette geben würden. Es konnte daher die Feststellung getroffen werden, dass der BF in Österreich über kein soziales Netz verfügt. Die Frage, ob er einer legalen Erwerbstätigkeit nachgeht, verneinte der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ebenso wie die Frage nach vorhandenem Vermögen. Er gab vielmehr an, dass er sich seinen Lebensunterhalt dadurch verdient habe, dass er manchmal Leuten geholfen habe. Zuletzt habe er ca. ein Jahr auf einer Baustelle gelebt und dort einfache Arbeiten verrichtet. Da der BF selbst angab, über keine arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen zu verfügen und solche auch im Verwaltungsakt nicht dokumentiert sind, konnte die Feststellung getroffen werden, dass der BF seinen Aufenthalt in Österreich durch Schwarzarbeit finanziert hat. Dass er über keinen gesicherten Wohnsitz verfügt, ergibt sich aus seinen Angaben, wonach er zuletzt in einem Zimmer, das ihm vom Baustellenleiter zur Verfügung gestellt worden sei, gewohnt habe.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A) – Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Der BF hat seinen Antrag auf internationalen Schutz am 01.09.2021 während einer Anhaltung auf Grund eines gemäß § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-VG erlassenen Festnahmeauftrages gestellt. Gemäß § 76 Abs. 2 letzter Satz FPG in Verbindung mit § 40 Abs. 5 BFA-VG ist diesfalls die Anordnung von Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG möglich, ohne dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Sicherheit gefährdet. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu ausgesprochen, dass zwar keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vorliegen müsse, dass der Antrag auf internationalen Schutz ausschließlich in Missbrauchsabsicht gestellt worden sein müsse (vgl. VwGH vom 27.08.2020, Ro 2020/21/003).

Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, stellte der BF seinen Asylantrag am 01.09.2021 in der ausschließlichen Absicht seine Abschiebung zu verzögern, woran auch der am 09.09.2021 gestellte Asylantrag seiner Ehefrau nichts zu ändern vermag. Zum einen kann dem BF gemäß § 34 Abs. 2 Z. 1 und § 34 Abs. 3 Z. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Z. 1 Asylgesetz 2005 – AsylG auf Grund seiner Straffälligkeit weder der Status des Asylberechtigten noch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten im Familienverfahren zuerkannt werden, noch machten der BF und seine Ehefrau substantiierte Angaben dazu, inwiefern eine den BF betreffende Rückkehrentscheidung das Recht auf Familienleben beeinträchtigen würde, zumal seit Jahren kein gemeinsamer Haushalt mehr bestand, der BF und seine Ehegattin seit längerer Zeit keinen Kontakt mehr hatten und insbesondere in Österreich noch nie in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben.

3.1.5. Das Bundesamt geht auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3, 5 und 9 FPG vom Vorliegen einer Fluchtgefahr aus.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF hat insbesondere seine Abschiebung am 23.05.2019 durch Untertauchen vereitelt, weshalb der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt ist.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG zu berücksichtigen, ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde. Seinen Antrag auf internationalen Schutz am 01.09.2021 stellte der BF in einem Zeitpunkt, als eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag und er auf Grund eines Festnahmeauftrages gemäß § 34 Abs. 3 Z. 3 BFA-VG angehalten wurde, sodass auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG in seiner qualifizierten Form erfüllt ist.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG sind bei Beurteilung der Fluchtgefahr der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Es liegen keine derartigen Umstände vor, die gegen das Vorliegen einer Fluchtgefahr sprechen oder diese auch nur geringfügig vermindern könnten. Insbesondere ist im Aufenthalt der Ehefrau des BF in Österreich kein Umstand zu erkennen, der gegen das Vorliegen von Fluchtgefahr spricht. Zum einen erfolgte die Einreise seiner Ehefrau ohne das Wissen des BF und wurde er von ihr insbesondere weder über ihre Ausreise aus Usbekistan noch über ihre Absicht nach Österreich zu reisen informiert. Der BF lebt darüber hinaus seit dem Jahr 2013 von seiner Ehefrau getrennt und ist nicht einmal dann zu ihr zurückgekehrt, als er nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen dazu verpflichtet gewesen wäre. Vielmehr verblieb der BF unrechtmäßig in Österreich und hatte zuletzt seit ca. vier Monaten keinen Kontakt mehr zu seiner Ehefrau.

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich daher, dass die Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 5 und 9 FPG erfüllt sind. Das Bundesamt ist daher zu Recht von Fluchtgefahr ausgegangen.

3.1.6. Das Bundesamt ist auch zu Recht von Sicherungsbedarf ausgegangen. Der BF nahm Meldungen nach dem Meldegesetz mit gefälschten Dokumenten vor und täuschte vor, Angehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union zu sein, er vereitelte seine Abschiebung durch Untertauchen, hielt sich seither jahrelang ohne Meldeadresse in Österreich auf und gab dem Bundesamt auch bei seiner Einvernahme am 01.09.2021 seinen letzten Aufenthaltsort nicht bekannt.

3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Auf Grund der familiären und sozialen Situation des BF war die Anordnung der Schubhaft auch verhältnismäßig. In Österreich befindet sich zwar seit kurzem die Ehefrau des BF, doch lebte der BF seit seiner Ausreise aus Usbekistan nicht in einem gemeinsamen Haushalt mit ihr und hatte zuletzt seit ca. vier Monaten keinen Kontakt zu ihr.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt. Der BF hat durch die Vorlage gefälschter Dokumente österreichische Behörden über sein tatsächlich nicht bestehendes Aufenthaltsrecht getäuscht und darüber hinaus im Zustand voller Berauschung Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes verletzt bzw. zu verletzen versucht. Diesbezüglich wurde der BF auch rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Insbesondere durch das Verwenden falscher Dokumente zeigt der BF ein Verhalten, das seine völlige Ablehnung der fremdenrechtlichen Verpflichtungen ausdrückt, weshalb das öffentliche Interesse an seiner baldigen Abschiebung den Schutz seiner persönlichen Freiheit bei weitem überwiegt.

Auch aus der bisherigen Dauer des Asylverfahrens bzw. der abschätzbaren Dauer des Asylverfahrens ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft, die im derzeitigen Verfahrensstadium ausschließlich der Sicherung des Verfahrens dient. Eine Einvernahme des BF in seinem Asylverfahren ist für den 22.09.2021 geplant, Anhaltspunkte für eine Verzögerung des Verfahrens liegen nicht vor.

Dem Vorbringen des BF, dass seine weitere Anhaltung in Schubhaft auf Grund des von seiner Ehefrau gestellten Antrages auf internationalen Schutz nicht zulässig sei, war nicht zu folgen, da der BF und seine Ehefrau zwar zufällig im zeitlichen Nahbereich Anträge auf internationalen Schutz gestellt haben, der BF jedoch ausschließlich seine bereits im Jahr 2018 angegebenen Fluchtgründe vorbringt und die von seiner Ehefrau genannten Fluchtgründe gar nicht kennt. Darüber hinaus kann dem BF gemäß § 34 Abs. 2 Z. 1 und § 34 Abs. 3 Z. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Z. 1 AsylG auf Grund seiner Straffälligkeit weder der Status des Asylberechtigten noch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten im Familienverfahren zuerkannt werden. Der BF wurde von einem Landesgericht wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat – dem Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB – rechtskräftig verurteilt, weshalb er straffällig im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 AsylG ist. Als solchem kann ihm im Asylverfahren gemäß § 34 Abs. 2 Z. 1 AsylG weder der Status eines Asylberechtigten noch gemäß § 34 Abs. 3 Z. 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden. Ein substantiiertes Vorbringen, wonach ein tatsächliches Familienleben zwischen dem BF und seiner Ehefrau vor Stellung ihres Antrages auf internationalen Schutz bestanden hat, hat der BF nicht erstattet. Er gab vielmehr an, dass er seine Ehefrau zuletzt im Jahr 2013 gesehen hat und seit ca. vier Monaten keinen Kontakt mehr zu ihr hatte. Er weiß weder aus welchen Gründen sie Usbekistan verlassen hat, noch hat sie ihn davon in Kenntnis gesetzt, dass sie nach Österreich einreisen wird und sich die gemeinsamen Kinder mittlerweile in der Türkei aufhalten. Die Aussage des BF in der mündlichen Verhandlung, wonach er seine Frau liebe und mit ihr zusammen sein wolle, widerspricht dem vom BF nunmehr jahrelang gezeigten Verhalten, das ausschließlich darauf gerichtet war, ohne seine Ehefrau unrechtmäßig in Österreich aufhältig zu bleiben. Im Schubhaftverfahren sind daher weder Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass es wahrscheinlich ist, dass dem BF der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, noch dafür, dass Gründe vorliegen, die seiner Außerlandesbringung entgegenstehen.

Auch der Gesundheitszustand des BF steht der Anhaltung in Schubhaft nicht entgegen.

3.1.8. Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam. Dass ein gelinderes Mittel nicht zur Sicherung des Verfahrens führen kann, ergibt sich aus dem bisherigen Verhalten des BF. So täuschte er insbesondere durch die Vorlage gefälschter Dokumente ein Aufenthaltsrecht vor und tauchte unter um seine Abschiebung zu vereiteln. Erst durch seinen Aufgriff im Zuge einer gerichtlich strafbaren Handlung konnte nunmehr wieder ein fremdenbehördliches Verfahren geführt werden. Dass der BF tatsächlich nicht bereit ist, mit den Fremdenbehörden zu kooperieren ergibt sich neben dem vom BF in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck insbesondere auch daraus, dass er dem Bundesamt im Rahmen seiner Einvernahme am 01.09.2021 keinerlei Auskünfte zu seinem bisherigen Aufenthaltsort erteilt hat. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde ihm Gelegenheit gegeben, seine bisherigen Aufenthaltsorte in Österreich offen zu legen, doch auch dem Gericht nannte er keinen einzigen konkreten Aufenthaltsort.

Dem Vorbringen des BF in seiner Beschwerde, mit der Anordnung eines gelinderen Mittels hätte das Auslangen gefunden werden können, war daher nicht zu folgen.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher auch eine „ultima ratio“ dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt hätte. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

3.1.9. Die Beschwerde gegen die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 09.09.2021 war daher gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG abzuweisen.

3.2. Zu Spruchteil A) – Spruchpunkt II. – Fortsetzungsausspruch

3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der BF befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung in Schubhaft, es ist daher eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft zu treffen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG ausgesprochen, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat. Diese Prüfung hat unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der bisherigen Schubhaft zu erfolgen und „ermächtigt“ das Bundesverwaltungsgericht, auf

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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