Entscheidungsdatum
07.10.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W155 2246862-1/11E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KRASA über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger der Republik Türkei, vertreten durch RA Mag. Eva Velibeyoglu, wegen unrechtmäßiger Schubhaftnahme und Anhaltung in Schubhaft beschlossen:
A)
I. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
II. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird zurückgewiesen.
III. Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) ehelichte am 02.04.2014 die österreichische Staatsbürgerin GB. G. und beantragte die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Der Verdacht des Eingehens einer Aufenthaltsehe wurde wegen Verjährung durch eine Staatsanwaltschaft eingestellt.
Nach der Scheidung (Urteil eines BG vom 26.08.2019) heiratete der BF am 15.02.2020 die türkische Staatsangehörige H. Y. und beantragte die Ausstellung eines Aufenthaltstitels.
Der BF ist seit 18.02.2020 in 1100 Wien behördlich gemeldet.
Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 10.03.2021, Zl. XXXX wurde der BF wegen des Vergehens des Eingehens und der Vermittlung von Aufenthaltsehen und Aufenthaltspartnerschaften nach § 117 Abs. 1 FPG zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde) vom 19.05.2021, Zahl XXXX wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt I), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II) und festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV) und keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V.). Gegen den BF wurde zudem ein Einreiseverbot auf die Dauer von 3 Jahren erlassen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 08.07.2021, GZ XXXX insofern abgewiesen, als das verhängte Einreiseverbot auf vier Jahre angehoben wurde. Diese Entscheidung blieb unangefochten.
Gegen den BF besteht seit 08.07.2021 eine rechtskräftige Ausreiseverpflichtung.
Am 19.07.2021 beantragte der BF die freiwillige Rückkehr, die Ausreise sollte am 10.09.2021 stattfinden.
Am 17.08.2021 stellte der BF einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes bzw. des Rückkehrverbotes.
Am 09.09.2021 wurde die freiwillige Rückkehr widerrufen.
Am 13.09.2021 erließ die belangte Behörde einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG.
Am 29.09.2021, 18:55 Uhr wurde der BF in Vollziehung des Festnahmeauftrages durch die Fremdenpolizei an der Wohnadresse in 1100 Wien aufgegriffen, festgenommen und in ein Anhaltezentrum überstellt.
Am 29.09.2021 wurde der BF in Verwaltungsverwahrungshaft genommen.
Am 30.09.2021, einlangend beim Bundesverwaltungsgericht um 11.21 Uhr, erhob der BF durch seine rechtsfreundliche Vertretung Beschwerde wegen unrechtmäßiger Schubhaftnahme und Anhaltung in Schubhaft. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF durch die Verhängung der Schubhaft in seinem Recht auf Familie sowie der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes iSd Art. GRC verletzt worden seien. Aus dem Verhalten des BF ließe sich keine erhebliche Fluchtgefahr ableiten. Außerdem habe der BF gegen die Abweisung des Antrages auf einen Aufenthaltstitel durch einen Landeshauptmann Beschwerde an das zuständige Landesverwaltungsgericht erhoben. Das Verfahren sei noch offen. Der BF beantragte, den Bescheid (ohne ihn konkret zu bezeichnen), die Schubhaftnahme und Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
Am 01.10.2021, 9:00 Uhr fand die niederschriftliche Einvernahme des BF im Verfahren vor der belangten Behörde statt.
Mit Mandatsbescheid vom 01.10.2021, Zahl XXXX , ordnete die belangte Behörde über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Abschiebung an. Der Bescheid wurde am 01.10.2021 vom BF durch eigenhändige Unterschrift übernommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt. Er ist aus der Aktenlage vollständig belegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde, dem Gerichtsakt zur oben angeführten GZ des BVwG sowie durch Einsicht in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.
Die Identität des BF ergibt sich aus seinem Reisepass.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu Spruchpunkt A) I.
Die vorliegende Beschwerde vom 30.09.2021 richtet sich eindeutig im Wortlaut und inhaltlich gegen die „Schubhaftnahme und weitere Anhaltung in Schubhaft“.
Zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung wurde der BF weder in Schubhaft angehalten noch lag eine mit Mandatsbescheid erlassene Anordnung einer Schubhaft vor. Die Anordnung der Schubhaft erfolgte mit Mandatsbescheid vom 01.10.2021, der dem BF eigenhändig zugestellt und die Übernahme durch eigenhändige Unterschrift bestätigt wurde.
Der BF befindet sich daher ab 01.10.2021 in Schubhaft.
Der BF befindet sich zwar zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung in Schubhaft, was aber nicht dazu führen kann, die am 30.09.2021 erhobenen Beschwerde wieder aufleben zu lassen bzw. der Beschwerde eine Gültigkeit für zukünftige Ereignisse zuzusprechen.
Auch wenn die Beschwerde die gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG erforderliche Bezeichnung des angefochtenen Bescheides nicht enthält, war ein Mängelbehebungsauftrag nicht erforderlich, weil von vorherein klar war, dass der BF die Bezeichnung des Bescheides mangels Existenz nicht nennen konnte und ein entsprechender Auftrag als aussichtslos feststand (VwGH 14.11.1989, 89/05/0076).
Die Beschwerde enthält kein Vorbringen zur Anhaltung in Verwaltungsverwahrungshaft, weder wurde das Datum noch sonstige Gründe, die gegen diese Haft sprechen, genannt, sodass kein Versehen des BF angenommen werden kann. Auch diesbezüglich konnte ein Mängelbehebungsauftrag entfallen. Ein solcher kann nicht dazu dienen, einen verfehlten Beschwerdeantrag zu korrigieren (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0037). Die Beschwerde lässt eindeutig erkennen, was der BF anstrebt und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt. Die Beschwerde war gegen die Schubhaftnahme gerichtet, die zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung noch nicht bestand. Eine Beschwerde quasi auf „Vorrat“ kennt die Rechtsordnung nicht.
Zu Spruchpunkt A) II.
Da seitens des BF keine rechtswirksame Beschwerde eingebracht worden ist, war auch der Antrag auf Kostenersatz zurückzuweisen.
Zu Spruchpunkt A) III.
Da die Beschwerde zurückgewiesen wurde, ist gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG die Behörde die obsiegende und der BF die unterlegene Partei. Dem BF gebührt daher kein Kostenersatz. Der belangten Behörde gebührt als obsiegender Partei Kostenersatz.
Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 VwG-AufwErsV festgesetzt. Es war der Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei (€ 57,40) und der Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei (€ 368,80) gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und Z 4 VwG-AufwErsV zuzusprechen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnten trotz eines entsprechenden Antrages des BF entfallen, da die Beschwerde zurückzuweisen war.
Zu Spruchpunkt B)
Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Anhaltung Aussichtslosigkeit Beschwerdegegenstand Kostenersatz Schubhaft ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W155.2246862.1.00Im RIS seit
29.10.2021Zuletzt aktualisiert am
29.10.2021