TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/11 W282 2247012-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.10.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

11.10.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs2
VwGVG §35 Abs3

Spruch


W282 2247012-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Iran, vertreten durch RA Mag. Veap ELMAZI, LL.M, gegen den Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2021, Zl. XXXX und hinsichtlich der Anhaltung in Schubhaft von XXXX 2021 bis 05.10.2021 zu Recht:

A)       

I. Die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft von XXXX 2021 bis 05.10.2021 wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 1 Z 3 u. 4 VwG-AufwErsV hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag auf Kostenersatz des Beschwerdeführers wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Feststellungen

1. Zum Verfahrensgang

1.1 Der Beschwerdeführer (BF), ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger, verließ sein Heimatland im November 2020 und begab sich in der Folge über die Türkei, Bulgarien, Serbien, und Ungarn nach Österreich, wo er am 25.03.2021 einreiste und am selben Tag einen gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Bei einer Abfrage der EURODAC Datenbank zur Person des BF schien bezüglich Bulgarien vom 22.12.2020 eine KAT 1 Treffermeldung (aktives Asylverfahren) auf.

1.2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor der LPD Salzburg am 26.02.2021 gab der BF neben seinem Reiseweg an, dass er in Bulgarien gegen seinen Willen einen Asylantrag gestellt habe. Zum Aufenthalt in Bulgarien könne er angeben, dass die Situation dort sehr schrecklich gewesen sei, er sei ständig von der Polizei geschlagen und misshandelt worden. Die Polizei habe ihm sein Bein gebrochen. Er sei einen Monat lang in einem Gefängnis eingesperrt gewesen und habe danach 2 Wochen in einem Flüchtlingslager verbracht. Er habe sich von Mitte November 2020 bis Ende Dezember 2020 in Bulgarien aufgehalten. Er wolle nicht nach Bulgarien zurückkehren. In Österreich lebe sein Bruder, dieser sei anerkannter Flüchtling, er wolle unbedingt hierbleiben.

1.3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete in Folge am 08.04.2021 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Bulgarien. Mit Schreiben vom 12.04.2021 akzeptierte Bulgarien das Wiederaufnahmeersuchen durch ausdrückliche Zustimmung auf Grundlage des Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO.

1.4. Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 27.04.2021 gab der BF erneut zu Protokoll, dass er in Bulgarien von der Polizei wiederholt misshandelt worden sei, insbesondere, dass ihm im Zuge dessen sein Fuß gebrochen worden sei.

1.5 Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom XXXX 2021 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Bulgarien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Bulgarien zulässig sei. Gegen diese Entscheidung erhob der BF fristgerecht Beschwerde, welcher in der Folge mit Beschluss des BVwG vom 02.06.2021 gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und das Verfahren zur Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens im Hinblick auf die vom BF wiederholt geltend gemachten massiven Misshandlungen zurückverwiesen wurde.

1.6. Im fortgesetzten Verfahren wurde der BF einer medizinischen Untersuchung durch einen bestellen Sachverständigen zugeführt, um seine Behauptung an, dass ihm in Bulgarien durch Schläge mit einem Schlagstock der Fußknöchel bzw. das Bein gebrochen worden sei, zu verifizieren. Das Gutachten des SV ergab, dass die vom BF behaupteten Verletzungen nicht verifiziert werden konnten, es gäbe keine medizinischen Anzeichen, dass das Bein des BF gebrochen war.

1.7. In der Folge wurde der BF neuerlich seitens des BFA am 07.07.2021 im Hinblick auf das eingeholte Ermittlungsergebnis betreffend die behaupteten Verletzungen einvernommen. Dabei gab der BF nach Vorhalt, dass sich aus dem medizinischen Gutachten wieder klinisch noch radiologisch eine knöcherne Verletzung im Bereich des linken Sprunggelenks erheben lasse, im Wesentlichen zu Protokoll, dass er Schmerzen am Bein gehabt habe und sein Gefühl gewesen sei, dass sein Bein gebrochen sei. Er behaupte nicht, dass dies tatsächlich so gewesen sei, es sei sein Gefühl gewesen. Weiters gab der BF an, dass er als er noch im Iran gewesen sei, unter anderem auch sexuell misshandelt worden sei. Er wolle darüber mit einem Fachmann sprechen, und würde aufgrund seines psychischen Zustandes auch gern bei seinem Bruder in Österreich verbleiben.

1.8. Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz erneut ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom XXXX 2021 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Bulgarien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Bulgarien zulässig sei.

1.9. Eine gegen den Bescheid vom XXXX 2021 erhobene Beschwerde an das BVwG wurde mit Erkenntnis vom 06.08.2021, Zl. W144 2242855-2/3E als unbegründet abgewiesen.

1.10. Die Rücküberstellung des BF wurde für den XXXX 2021 geplant und mit den bulgarischen Behörden vereinbart. Der BF wurde am 13.09.2021 nach den Bestimmungen des BFA-VG festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum (PAZ) gebracht, um ihn innerhalb der 72 stündigen Anhaltedauer nach Bulgarien abzuschieben. Der BF vereitelte diese Abschiebung jedoch, in dem er sich zuerst am 14.09.2021 selbst am Kopf und am linken Unterarm erheblich verletze. Der BF musste an diesem Tag ins AKH in Wien zur Wundversorgung gebracht werden, wo seine Verletzungen behandelt wurden. Da diese einer Durchführung der Abschiebung am XXXX 2021 nicht entgegenstanden, wurde die Abschiebung am XXXX 2021 begonnen, der BF riss sich aber in der Absicht diese zu vereiteln im Terminal 240 des Flughafen Wiens die Teile der angebrachten Wundversorgung (Verband) vom Körper, wodurch erneut Blutungen auftraten. Aufgrund dieses Verhaltens wurde die Abschiebung abgebrochen und der BF zurück ins PAZ überstellt.

1.3. Mit dem angefochtenen Mandatsbescheid des Bundesamtes vom XXXX 2021 wurde über den BF die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 3 FPG zur Sicherung der Rücküberstellung nach Bulgarien verhängt. Eine erneute Abschiebung wurde für den BF vom BFA für den 05.10.2021 organisiert.

1.5. Der BF erhob durch seine Rechtsvertretung am 04.10.2021 gegen den Schubhaftbescheid des BFA vom XXXX 2021 und die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG an das BVwG. Am selben Tag gab der BF ggü. Beamten im PAZ beim Kontaktgespräch vor der Abschiebung an, er werde sich „eher umbringen, bevor er nach Bulgarien zurückgehe“. Der BF wurde daraufhin in eine Sicherheitszelle verlegt.

1.6. Am Vormittag des 05.10.2021 teilte die Verwaltung des PAZ auf Nachfrage dem BVwG mit, dass der BF bereits zum Flughafen Wien zur Durchführung der Abschiebung gebracht worden sei. Am Nachmittag desselben Tages teilte das Bundesamt mit, dass der BF im Rahmen einer Charterabschiebung am Morgen dieses Tages nach Bulgarien abgeschoben wurde. Die Schubhaft wurde hierdurch faktisch und rechtlich beendet. Zuvor versuchte der BF auch noch am 05.10.2021 seine Abschiebung erneut durch Selbstverletzung zu vereiteln.

1.7. Mit Schriftsatz vom 05.10.2021 teilte der RV des BF die genauen Personendaten des Bruders des BF mit und zog den gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter der Prämisse zurück, dass das Gericht die Existenz dieses familiären Anknüpfungspunktes als wahr unterstelle.

1.8 Das Bundesamt legte am 06.10.2021 den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Stellungahme. Am 11.10.2021 reichte das Bundesamt noch den Abschiebebericht des EKO-COBRA vom 06.10.2021 nach.

2. Zur Person des Beschwerdeführers und dem Vorverfahren:

2.1 Der BF ist nicht österreichischer Staatsangehöriger. Er ist Staatsangehöriger des Iran, weiters ist er volljährig und - mit Ausnahme selbst zugefügter Verletzungen - gesund und in Österreich strafrechtlich unbescholten. Er ist weder Asylberechtigter, noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2 Der Beschwerdeführer stellte am 22.12.2020 in Bulgarien einen Antrag auf internationalen Schutz, der in der EURODAC Datenbank als Kategorie 1 Antrag gespeichert ist. Der BF stellte auch im Bundesgebiet am 25.03.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bulgarien stimmte der Rückübernahme des BF gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO am 12.04.2021 zu.

2.3. Mit (letztmaligem) Bescheid des BFA vom XXXX 2021 wies dieses gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 den Antrag auf internationalen Schutz erneut ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurück und sprach aus, dass Bulgarien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Bulgarien zulässig sei. Eine hiergegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 06.08.2021, Zl. W144 2242855-2/3E als unbegründet abgewiesen. Im Rahmen dieses Erkenntnisses wurde unter Bezugnahme auf das vom BFA im Verfahren eingeholte medizinische Sachverständigengutachten festgestellt, dass die vom BF behaupteten Verletzungen (bzw. deren Spuren), die er bei angeblichen Misshandlungen bulgarischer Behörden erlitten haben will, aus medizinischer Sicht nicht vorliegen.

3. Zu den Voraussetzungen der Anhaltung in Schubhaft und zur Fluchtgefahr:

3.1 Gegen den BF besteht eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme. Der BF wurde aus dem Stande der Schubhaft am 05.10.2021 nach Bulgarien auf dem Luftweg rücküberstellt. Der BF war während der Dauer seiner Anhaltung haftfähig.

3.2 Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über eine gewisse soziale Verankerung in Form seines Bruders und dessen Familie, die sich in Salzburg aufhält. Er könnte dort auch Unterkunft nehmen, war an der Adresse seines Bruders aber bis dato nicht behördlich gemeldet. Er ging im Bundesgebiet nie einer legalen Erwerbstätigkeit zur Bestreitung seiner Existenzmittel nach.

3.3. Der BF ist im hohem Maße vertrauensunwürdig und nicht zuverlässig. Der BF hat mit seinem Verhalten klargemacht, dass es ihm darum geht seine Rücküberstellung nach Bulgarien zu vereiteln, um eine Abführung seines Verfahrens in Österreich im Hinblick auf die sechsmonatige Überstellungsfrist zu erzwingen. Der BF gab schon bei seiner Erstbefragung an, unbedingt in Österreich bei seinem Bruder bleiben zu wollen. Der BF verblieb bis zum 13.09.2021 auf freiem Fuß. Der BF wurde am 13.09.2021 nach den Bestimmungen des BFA-VG festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum (PAZ) gebracht, um ihn innerhalb der 72 stündigen Anhaltedauer am XXXX 2021 nach Bulgarien abzuschieben. Der BF vereitelte diese Abschiebung jedoch, in dem er sich zuerst am 14.09.2021 selbst am Kopf und am linken Unterarm mit Hilfe einer Rasierklinge erheblich verletze. Der BF musste an diesem Tag ins AKH in Wien zur Wundversorgung gebracht werden, wo seine Verletzungen behandelt wurden. Da diese einer Durchführung der Abschiebung am XXXX 2021 nicht entgegenstanden, wurde die Abschiebung am XXXX 2021 begonnen, der BF riss sich aber erneut in der Absicht diese zu vereiteln im Terminal 240 des Flughafen Wiens Teile der angebrachte Wundversorgung (Verband) vom Körper, wodurch er erneut Blutungen auftraten. Aufgrund dieses Verhaltens wurde die Abschiebung abgebrochen und der BF zurück ins PAZ überstellt.

Am 05.10.2021 konnte der BF, nachdem er am Vortag noch angab sich im Falle eines Abschiebeversuchs umzubringen, nach Bulgarien abgeschoben werden. Auch am Morgen des 05.10.2021 versuchte der BF seine Abschiebung erneut durch Selbstverletzung zu vereiteln. Hierzu wird im Einsatzbericht des EKO-COBRA vom 06.10.2021 wie folgt auszugsweise festgehalten:

"06.35 Uhr

Übernahme von XXXX Arman aus der Sicherheitszelle. Das eingeteilte Begleitteam und der Back Up Team-Leader positionierten sich im Türbereich der Sicherheitszelle. Die Dolmetscherin nahm mit XXXX Kontakt auf, worauf er mit ihr sprach und gleichzeitig mit der rechten Hand Schnittbewegungen auf der linken Hand durchführte und erklärte der Dolmetscherin er werde sich verletzen, wenn er abgeschoben wird. Da keine Verletzungen zu sehen waren dachte man zuerst die Bewegungen sollten seine Absichten verstärken. Als er seine rechte Hand zum Hals führte erkannten die Beamten, dass er am linken Unterarm blutete.

In der Folge sprang er auf das Bett und zog sich in die linke Zellenecke zurück und hielt sich den Gegenstand, mit dem er sich die Verletzungen am Arm zufügte an den Hals. Trotz mehrmaliger Aufforderung den Gegenstand fallen zu lassen verblieb er in seiner Position. Das PAZ verständigte die LLZ. Die LLZ entsandte 3 Sektorstreifen.

Um 07.00 Uhr trafen die Sektorstreifen im PAZ ein. Der Einsatzleiter der WEGA-Kräfte BI XXXX wurde von KI XXXX und KI XXXX in die Lage eingewiesen. Die Beamten der Sektorstreifen positionierten sich im Türbereich der Sicherheitszelle mit in entschlossener Schießhaltung gebrachter Dienstwaffe Glock 17 sowie Taser X2 und forderten XXXX auf, den Gegenstand fallen zulassen. Erst nach mehrmaliger Aufforderung durch die WEGA Beamten ließ er den Gegenstand fallen. XXXX wurde aufgefordert die Zelle zu verlassen. Er begab sich zur Tür wo er von den Beamten der WEGA an den Händen erfasst und am Boden in Bauchlage um 07.06 Uhr fixiert wurde. Nach dem er am Boden fixiert war, wurden ihm durch RI XXXX (WEGA) Handfessel rückseitig angelegt und arretiert. Anschließend wurde er an die Beamten des Back Up Team übergeben. XXXX wurde durch die Maßnahmen der WEGA-Kräfte nicht verletzt. In der Zelle wurde von KI XXXX eine Rasierklinge gefunden, mit der sich XXXX die Verletzungen zufügte.

Die Kleidung von XXXX wurde geröntgt und die Verletzungen an der Hand von Dr. XXXX untersucht. Durch Dr. XXXX wurde festgestellt, dass die Schnittverletzungen nicht tief und der Blutverlust nur gering waren. Laut Dr. XXXX war die Flugtauglichkeit von XXXX weiterhin gegeben. Die Verletzungen wurden durch die anwesenden Sanitäter versorgt. XXXX wurden die durchsuchten Kleider angezogen und der Fixiergurt HF nach Anordnung des Escortleaders um 07.20 Uhr durch KI XXXX , GI XXXX , GI XXXX und RI XXXX nach den Bestimmungen des § 13 Abs. 3;4 und 5 Fremdenpolizeigesetz iVm §§ 2 und 4 Waffengebrauchsgesetz zur Sicherung der heiklen Transportphase, um jegliche Möglichkeiten einer Selbst- oder Fremdgefährdung bzw. eine Flucht hintanzuhalten.“

Es besteht daher beim BF hohe Fluchtgefahr iSd temporären Untertauchens zur Erreichung des Fristablaufs der Überstellungsfrist und auch hoher Sicherungsbedarf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zur im Spruch angeführten GZ, sowie in den Beschwerdeschriftsatz und die Stellungnahme der belangten Behörde. Auskünfte aus dem Strafregister (SA), dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem „Zentrales Fremdenregister“ und aus der Anhaltedatei des Bundeministeriums für Inneres wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die Feststellungen Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Behördenakt und den darin erliegenden Berichten des BFA.

Die Feststellungen zu den Vorverfahren bzw. dem Verfahrensgang, dem Konsultationsverfahren nach der Dublin-III VO und der durchsetzbaren Anordnung zur Außerlandesbringung ergeben sich aus dem vorliegenden Behördenakt und insbesondere dem Verfahrensakt bzw. dem Erkenntnis des BVwG vom 06.08.2021, Zl. W144 2242855-2/3E. Dass der BF am 05.10.2021 abgeschoben wurde, ergibt sich aus dem dementsprechenden Bericht des BFA vom ebendiesem Tag (OZ 4). Die Haftfähigkeit des BF ergibt sich aus den Einträgen in der Anhaltedatei des BMI, wonach der BF sowohl bei seiner Festnahme als auch nach seiner Selbstverletzung nach der Wundversorgung im AKH amtsärztlich begutachtet wurde. Dabei wurde die Flugtauglichkeit für die geplante Abschiebung am XXXX 2021 festgestellt. Dass der BF trotz seiner Selbstverletzungen haftfähig war, ergibt sich aus der Anahaltedatei; daraus geht hervor, dass der BF mehrfach dem Amtsarzt im PAZ vorgeführt und für hafttauglich befunden wurde.

Die Feststellungen zum Grad der sozialen Verankerung des Beschwerdeführers und dem möglichen Wohnsitz bei seinem Bruder ergeben sich aus dem glaubhaften Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz, dem insoweit auch das Bundesamt nicht entgegentrat. Die Existenz des Bruders des BF samt seiner Familie und der Wohnsitzmöglichkeit ebendort konnten daher ggst. aufgrund der glaubwürdigen Angaben im Beschwerdeschriftsatz ergänzt um eine Abfrage des ZMR als wahr unterstellt werden. Im Hinblick auf den Sicherungsbedarf ist aber festzuhalten, dass dieser soziale Anknüpfungspunkt auch erkennbar Grund dafür war, dass der BF bis kurz vor der geplanten Abschiebung auf freiem Fuß verblieb und erst ca. 60 Stunden vor der geplanten Abschiebung am XXXX 2021 festgenommen wurde.

Die Feststellungen zur mangelnden Vertrauenswürdigkeit und der mangelnden Zuverlässigkeit ergeben sich aus dem Vorverhalten des BF, insbesondere aus dem von ihm gesetzten massiven Obstruktionsverhalten nach seiner Festnahme am 13.09.2021. Aus der Anhaltedatei und der diesbezüglichen Maßnahmenmeldung vom 14.09.2021 (Zl. XXXX , OZ 13) des PAZ geht hervor, dass sich der BF an diesem Tag an der Schädeldecke als auch am linken Unterarm mit einer Rasierklinge selbst verletzt hat; dies zweifelsfrei in der Absicht, die Abschiebung zu vereiteln. Nach der Wundversorgung im AKH Wien zeigte sich aber bei der amtsärztlichen Begutachtung, dass die zugefügten Verletzungen der Durchführung der Abschiebung nicht entgegenstehen. Der BF wusste aber auch XXXX 2021 die Abschiebung letztlich zu vereiteln, indem er sich im Terminal 240 des Flughafens Wien die Verbände teilweise vom Körper riss, wodurch es zu Blutungen kam und die Abschiebung abgebrochen werden musste (Bericht der LPD NÖ, SPK Schwechat, III-FB2, AS 116). Auch am 04.10.2021 gab der BF im Kontaktgespräch mit den Eskortbeamten der LPD an, er werde sich umbringen, bevor er nach Bulgarien gehe (Meldung AS 161). Auch die Abschiebung am 05.10.2021 versuchte der BF wie festgestellt durch Selbstverletzung zu vereiteln, was letztlich scheiterte (Auszug Bericht EKO-Cobra vom 06.10.2021, OZ 14).

Weiters ist festzuhalten, dass es der Glaub- und Vertrauenswürdigkeit des BF keinesfalls zuträglich ist, dass er im Verfahren über die Zurückweisung seines Asylantrages im Bundesgebiet wegen der Zuständigkeit Bulgariens erhebliche Misshandlungen und Verletzungen durch bulgarische Behörden behauptete, die – wie sich zweifelsfrei aus dem im Erkenntnis des BVwG vom 06.08.2021, W144 2242855-2/3E festgestellten Sachverständigengutachten ergibt – hinsichtlich der behaupteten Verletzungen nicht der Wahrheit entsprechen. Die danach vom BF ins Treffen geführten Erklärungsversuche, er „habe nur geglaubt, dass ihm das Bein gebrochen worden sei, weil er Schmerzen gehabt habe“ wirken dabei nicht überzeugend.

In Summe war aufgrund dieser Umstände festzustellen, dass es dem BF erkennbar darum geht, eine Zuständigkeit Österreichs für seinen Antrag auf internationalen Schutz - letztlich auf welchem Wege auch immer - zu erzwingen; dies auch erkennbar aus dem Grund, dass der BF hier Familie hat. Hieraus ergibt sich, dass der BF bereit ist, alle denkbaren Obstruktionshandlungen zu setzen und auch vor erheblicher Selbstverletzung nicht zurückschreckt, um den Zuständigkeitsübergang bei erfolglosem Verstreichen der Überstellungsfrist zu bewirken. Es war daher ein denkbar hoher Sicherungsbedarf und eine – im Hinblick auf die temporäre Vereitelung der Abschiebung – hohe Gefahr des Untertauchens im Bundesgebiet festzustellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG erkennt das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG.

Gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG hat der Fremde das Recht das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides anzurufen, wenn gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde. Für diese Beschwerden gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Gemäß § 22a Abs. 2 leg. cit. hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

Nach § 22a Abs. 3 leg. cit hat, sofern die Anhaltung noch andauert, das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG, wenn eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, vom Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.

3.1. Rechtsgrundlagen:
§§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Dauer der Schubhaft (FPG)

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.1.2. Zur Judikatur allgemein:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG darf die Anhaltung in Schubhaft nur bei Vorliegen der dort in den Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen höchstens achtzehn Monate dauern. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so beträgt die Schubhaftdauer - wie in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG als Grundsatz normiert - nur sechs Monate. Mit § 80 Abs 4 FPG soll Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL umgesetzt werden, sodass die Bestimmung richtlinienkonform auszulegen ist. In diesem Sinn ist auch der Verlängerungstatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG dahingehend auszulegen, dass der Verlängerungstatbestand nur dann vorliegt, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers kausal für die längere (mehr als sechsmonatige) Anhaltung ist. Wenn kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Drittstaatsangehörigen und der Verzögerung der Abschiebung festgestellt werden kann, liegen die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs 4 Z 4 FPG über die Dauer von sechs Monaten nicht vor (VwGH vom 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

3.2 Zum konkreten Fall:

Der BF befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr in Schubhaft, der Fortsetzungsausspruch iSd § 22a Abs. 3 BFA-VG entfällt daher.

3.2.1 Zum Sicherungszweck bzw. zum Schubhaftbescheid:

Die Anordnung der Schubhaft erfordert zu allererst das Vorliegen eines bestimmten Sicherungsbedarfs iSd § 76 Abs. 2 FPG. Im gegenständlichen Fall hat das Bundesamt die Schubhaft auf § 76 Abs. 2 Z 3 FPG gestützt. Von XXXX 2021 an war hierbei aus Sicht des BVwG der Sicherungszweck „Sicherung des Überstellungsverfahrens“ gegeben.

Soweit die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit der Schubhaft schon aufgrund eines behaupteten Übergangs der Zuständigkeit für seinen Antrag auf internationalen Schutz auf Österreich behauptet, verkennt sie die Rechtslage, wobei dem BVwG auch das in der Beschwerde getätigte Zitat des Art. 22 Dublin-III VO nicht bekannt ist. Art. 22 Dublin-III VO idgF behandelt die Antwort auf ein „normales“ Aufnahmegesuch nach Art. 21 leg. cit.. Einschlägig ist aber ohnehin Art. 23 Dublin-III VO, da es sich ggst. um ein Wiederaufnahmegesuch bei erneuter Antragstellung im ersuchenden Mitgliedstaat handelt, da der BF bereits einen Asylantrag in Bulgarien gestellt hat, der dort zum Verfahren zugelassen wurde. Ein Übergang der Zuständigkeit für den Antrag auf internationalen Schutz des BF in Österreich könnte, nachdem Bulgarien im Konsulationsverfahren aufgrund des EURODAC Treffers iSd Art. 25 Abs. 1 Dublin-III VO fristgerecht der Rückübernahme zugestimmt hat, nur noch durch Ablauf der Überstellungsfrist von sechs Monaten (vgl. Art. 29 Abs. 2 leg. cit.) auf Österreich übergehen, der Fristablauf ist aber nicht eingetreten.

Soweit die Beschwerde erneut die behauptete Misshandlung des BF in Bulgarien thematisiert, ist sie auf die rk. Überstellungsentscheidung und das hierzu ergangene (unangefochten gebliebene) Erkenntnis des BVwG vom 06.08.2021, Zl. W144 2242855-2/3E zu verweisen, in dem diese Behauptungen abgehandelt und letztlich verworfen wurden. Die Zumutbarkeit einer Rücküberstellung im Verfahren nach der Dublin-III VO ist Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens hinsichtlich der Überstellungsentscheidung bzw. des Bescheides nach § 5 Abs. 1 AsylG 2005 und nicht des Schubhaftbeschwerdeverfahrens.

3.2.2 Zu Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf:

Aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 6 und Z 9 FPG nahm das Bundesamt im angefochtenen Bescheid Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf an. Wie im Folgenden zu zeigen ist, überwiegend zu Recht:

§ 76 Abs. 3 Z 1 FPG ist im ggst. Fall jedenfalls erfüllt, da der BF vor seiner In-Schubhaftnahme am XXXX 2021 auf freiem Fuß belassen wurde und erst am 13.09.2021 in Verwaltungsverwahrungshaft gemäß § 34 BFA-VG genommen wurde, um ihn am XXXX 2021 aus diesem Stande nach Bulgarien zu überstellen. Der BF versuchte aber schon 14.09.2021 durch erhebliche Selbstverletzung diese Abschiebung zu vereiteln, wobei nach der Versorgung seiner Wunden im AKH Wien dennoch die Flugtauglichkeit festgestellt wurde. Der BF vereitelte aber am XXXX 2021 am Flughafen Wien durch teilweises Herunterreißen seine Verbände und durch dadurch verursachte Blutungen erneut seine Abschiebung. Erst in Folge dieses massiven Verweigerungsverhaltens wurde der BF in Schubhaft genommen. Weiters gab der BF am 04.10.2021 ggü. dem Escort-Leader an, er werde sich umbringen, bevor er nach Bulgarien fliege. Auch am 05.10.2021 versuchte der BF nochmals seine Abschiebung durch Selbstverletzung zu vereiteln, weshalb es im PAZ zum Einsatz von Kräften der WEGA kam, da der BF drohte sich mit einer Rasierklinge erneut zu verletzen. Es ist daher klar ersichtlich, dass der BF alles tut um seine Abschiebung zu vereiteln und auch vor Selbstverletzung nicht zurückschreckt. § 76 Abs. 3 Z 1 FPG ist daher jedenfalls erfüllt.

Weiters besteht gegen den BF eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme (§ 76 Abs. 3 Z 3 leg. cit.), was für sich allein genommen noch keine Fluchtgefahr begründet. In Zusammenhang damit, dass der BF aber bewiesen hat, dass er um jeden Preis seine Verbringung nach Bulgarien verhindern möchte, um eine Zuständigkeit Österreichs bei Ablauf der Überstellungsfrist zu erzielen, begründet auch dieser Umstand ggst. Fluchtgefahr. Zu berücksichtigen ist auch, dass bei der Inschubhaftnahme am XXXX 2021 nur noch etwas weniger als ein Monat an Überstellungfrist iSd Art. 29 Abs. 2 Dublin-III VO zur Verfügung stand und schon dadurch der Sicherungsbedarf zur Durchsetzung der Rücküberstellung erheblich erhöht war.

Hinsichtlich des § 76 Abs. 3 Z 6 ist festzuhalten, dass zumindest dessen lit. a) im ggst. Fall erfüllt hat, da der BF einen Asylantrag in Bulgarien und einen weiteren in Österreich gestellt hat.

Hinsichtlich der sozialen Bindung und der Möglichkeit der Wohnsitznahme beim Bruder des BF ist festzuhalten, dass diese - wie festgestellt - zuzugestehen ist. Einer Erwerbstätigkeit ging der BF jedoch nicht nach und abseits der möglichen Grundversorgung erschien auch sein Lebensunterhalt grds. nicht ohne weiteres gesichert. Zusammengefasst durfte das Bundesamt daher nur teilweise vom Vorliegen des Tatbestandes des § 76 Abs. 3 Z 9 FPG ausgehen; die Feststellung im angefochten Bescheid, der BF sei nicht sozial verankert, ist daher nicht nachvollziehbar.

In Summe ist somit festzuhalten, dass der vorliegende Sicherungsbedarf und die bestehende Fluchtgefahr für die Verhängung der Schubhaft am XXXX 2021 jedenfalls ausreichend waren. Dabei ist – entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde – auch darauf hinzuweisen, dass das BFA im ggst. Fall die Schubhaft nicht als Standardmaßnahme angewendet hat, sondern im Gegenteil erkennbar aufgrund der sozialen Anbindung des BF im Bundesgebiet den BF bis zuletzt auf freiem Fuß und hier sogar ohne gelinderes Mittel iSd § 77 FPG belassen hat. Es ist aber dem BFA angesichts des klar und unmissverständlich auf Vereitelung der Abschiebung gerichteten Verhaltens des BF (Selbstverletzung am 14.09.2021, Herunterreißen der Verbände unmittelbar vor der Abschiebung am XXXX 2021) nicht entgegenzutreten, wenn es den durch dieses Verhalten massiv erhöhten Sicherungsbedarf hinsichtlich der Rücküberstellung mit der Verhängung der Schubhaft adressiert hat. Hier ist nochmals zu erwähnen, dass es dem BF erkennbar darum ging, eine Zuständigkeit Österreichs für seinen Antrag auf internationalen Schutz zu erzielen; diesen Wunsch äußerte er bereits mehrfach bei Einvernahmen durch das BFA zu seinem im Bundesgebiet gestellten Asylantrag. Aufgrund der nur noch rund vier verbleibenden Wochen vor Ablauf der sechsmonatigen Überstellungfrist des Art. 29 Abs. 2 Dublin-III VO nach der vom BF vereitelten Abschiebung am XXXX 2021 war das Bunddesamt daher im Recht, wenn es im Angesicht des nahenden Fristablaufs und eines kurz davor terminierten erneuten Abschiebetermins, die Schubhaft über den BF verhängt hat.

Auch die teilweise bestehende soziale Verankerung des BF ändert daran nichts, im Gegenteil wirkt sie fallbezogen sogar tendenziell eher zu Lasten des BF: Wie schon festgehalten, möchte der BF ganz offensichtlich erzwingen, dass sein Asylverfahren in Österreich abgehandelt wird. Der Hauptgrund dafür ist in der familiären Anbindung des BF in Form seines Bruders zu erblicken, der im Bundesgebiet lebt. Im selben Ausmaß wie diese soziale Verankerung die Fluchtgefahr reduziert, erhöht sich fallbezogen aber der Sicherungsbedarf, da der BF mit seinem Verhalten mehr als nur klargemacht hat, alles Denkbare zu tun um eine Verbringung nach Bulgarien zu vereiteln, da er unbedingt bei seinem Bruder im Bundesgebiet bleiben möchte. Im Angesicht des sich rasch schließenden Überstellungszeitfensters von sechs Monaten ab der Zusage zur Rückübernahme Bulgariens wirkt daher in der konkreten Sachverhaltskonstellation die familiäre Anbindung des BF in dem Sinne als die Fluchtgefahr mindernd, als sie ein Untertauchen im Ausland unwahrscheinlich macht, jedoch im Gegenzug wiederholte Obstruktionshandlungen oder ein kurzfristiges Untertauchen zur Abschiebevereitelung im Inland deutlich wahrscheinlicher erscheinen lässt.

3.2.3 Zur Verhältnismäßigkeit:

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen ist hierzu auf das in Punkt 3.2.2 Gesagte zu verweisen: Das BFA hat aus Sicht des BVwG die persönliche Freiheit des BF bis zum 13.09.2021 größtmöglich geschont, da der BF ohne Auflagen auf freiem Fuß verblieb. Weiters wurde versucht den BF aus dem Stande der Verwaltungsverwahrungshaft und somit unter möglichst kurzer (max. 72 stündiger) Freiheitsentziehung nach Bulgarien abzuschieben. Dass dies scheiterte und im Anschluss aufgrund des nun massiv erhöhten Sicherungsbedarfs die Schubhaft über den BF zu verhängen war, hat sich der BF mit seiner Selbstverletzung am 14.09.2021 und seinem renitenten Verhalten am XXXX 2021 letztlich selbst zuzuschreiben. Es ist für das BVwG nicht ersichtlich, auf welche andere Weise das BFA angesichts des drohenden Fristablaufs iSd Art. 29 Abs. 2 Dublin-III VO, der letztlich nur noch einen weiteren Abschiebeversuch zuließ, den nun drastisch erhöhen Sicherungsbedarf adressieren hätte können. Auch waren im Laufe der Schubhaft keine Anzeichen erkennbar, dass der BF seine Vereitelungsabsichten aufgegeben hätte, da er noch am 04.10.2021 ggü. dem führenden Beamten der Abschiebeeskorte angab, er wolle sich umbringen bevor er nach Bulgarien gehe. Aus diesem Grund wurde der BF auch für die Nacht vor der Abschiebung erneut in eine Sicherheitszelle verlegt.

Angesicht der kurzen Anhaltedauer in Schubhaft von etwas weniger als drei Wochen und somit weniger als die Hälfte des nach Art. 28 Abs. 3 Dublin-III VO Zulässigen, kann aufgrund dieser Erwägungen keine Unverhältnismäßigkeit der Schubhaftverhängung und Anhaltung erkannt werden.

Soweit die Beschwerde noch argumentiert, dass ein gelinderes Mittel im ggst. Fall ausgereicht hätte, trifft dies schon anhand der vom BF gezeigten Verweigerungshaltung und der daraus resultierenden mangelnden persönlichen Vertrauenswürdigkeit nicht zu. Angesichts des Verhaltens des BF am 14.09.2021, XXXX 2021 sowie 05.10.2021 und der Tatsache, dass der BF nicht davor zurückgeschreckt ist, sich erheblich selbst zu verletzen um seine Rücküberstellung zu verhindern, ist für das BVwG nicht ersichtlich, wie ein gelinderes Mittel iSd § 77 FPG (egal welcher konkrete Ausprägung) im Angesicht dieses hohen Sicherungsbedarfs zur Erreichung des Sicherungszweckes ausreichend hätte sein können.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt hätte. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers im konkreten Fall zu gewährleisten.

Die Beschwerde gegen den angefochtenen Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft von XXXX 2021 bis 05.10.2021 war daher gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG im Ergebnis als unbegründet abzuweisen.

3.3 Zur Kostenentscheidung (Spruchpunkte II. und III.):

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren ist die belangte Behörde obsiegende Partei, weshalb ihr Aufwandersatz im gesetzlichen bzw. beantragten Umfang gemäß § 35 VwGVG iVm
§ 1 Z 3 u. 4 VwGAufwErsV iHv € 426,20 zuzusprechen war. Dem BF als unterlegene Partei gebührt hingegen kein Kostenersatz.

4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Der Rechtsvertreter des BF hat im Beschwerdeschriftsatz die Durchführung einer Verhandlung beantragt, diesen Antrag mit Schriftsatz vom 05.102021 (OZ 3) im Hinblick darauf, dass die Existenz des Bruders des BF im Bundesgebiet bzw. der Wohnsitzmöglichkeit bei diesem nicht in Zweifel gezogen werde, wieder zurückgezogen.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Die Existenz des Bruders des BF samt seiner Familie und der Wohnsitzmöglichkeit ebendort konnten ggst. aufgrund der glaubwürdigen Angaben im Beschwerdeschriftsatz ergänzt um eine Abfrage des ZMR als wahr unterstellt werden.

Zu B)

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (jeweils in der Begründung zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Abschiebung Dublin III-VO Fluchtgefahr gelinderes Mittel Kostenersatz öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Überstellung Ultima Ratio Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W282.2247012.1.00

Im RIS seit

29.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten