Index
L22003 Landesbedienstete NiederösterreichNorm
BDG 1979 §45Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Feiel als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag. Dr. Gotsbacher, über die Revision der M L M.A., vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rabensteig 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 15. Februar 2021, LVwG-AV-1116/002-2020, betreffend Zuordnung gemäß § 24 Abs. 2 NÖ Landes-Bedienstetengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich und war zuletzt der Referenzverwendung „BH FachgebietsleiterIn Sozialarbeit I“ (Gehaltsklasse 13) dauernd zugeordnet. Vorübergehend war sie der Referenzverwendung „BH FachgebietsleiterIn Sozialarbeit II“ (Gehaltsklasse 14) zugeordnet.
2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. September 2020 wurde die Revisionswerberin gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 lit. b und Z 2 NÖ Landes-Bedienstetengesetz (NÖ LBG) in Verbindung mit § 2 NÖ Bewertungs- und Referenzverwendungsordnung (NÖ BRO) mit Wirksamkeit ab 1. Oktober 2020 der Referenzverwendung „SachbearbeiterIn IV“ dauernd zugeordnet.
3 Dies begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass die Revisionswerberin am 23. Oktober 2019 bei einem Verlaufsgespräch über obsorgerelevante Angelegenheiten in einem Sozialpädagogischen Betreuungszentrum einen 13-jährigen Schutzbefohlenen, nachdem dieser sie derb beschimpft und in weiterer Folge ins Gesicht gespuckt habe, mit zumindest einer Hand im oberen Brustbereich zum Halsansatz hin auf einen Tisch weggedrückt, ihn für kurze Zeit festgehalten und nicht von sich aus unmittelbar losgelassen habe. Ein strafgerichtliches Verfahren sei von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden; in einem Disziplinarverfahren sei über die Revisionswerberin wegen des gegenständlichen Vorfalls eine Geldstrafe verhängt worden.
4 Abgesehen von Notwehr sei körperliches Handeln von Fachkräften für Sozialarbeit gegen Klienten nicht vorgesehen. Das Verhalten der Revisionswerberin sei mit dem Berufsbild einer Fachkraft für Sozialarbeit nicht adäquat und situationsangepasst gewesen. Aufgrund ihrer Reaktion sei eine Weiterbeschäftigung in ihrer vorläufigen Verwendung als Fachgebietsleiterin Sozialarbeit II keinesfalls möglich gewesen. Ihr Verhalten sei mit einer Fachgebietsleitung, insbesondere einer solchen im Bereich der Sozialarbeit, wo auch der Umgang mit Schutzbefohlenen vorausgesetzt werde, nicht vereinbar. Gerade in massiv belasteten und belastenden Situationen sei es Aufgabe einer Führungskraft - auch im Hinblick auf die geforderte Vorbildwirkung - ihre Teammitglieder zu unterstützen und sich situationsangepasst zu verhalten. Es sei daher gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 NÖ LBG die Zurücknahme der vorläufigen Zuordnung zu verfügen gewesen. Ferner sei eine weitere Zuordnung aus der letzten dauernden Verwendung erforderlich gewesen, um eine neuerliche Gefährdung von Schutzbefohlenen zu verhindern, weil mit jeder Tätigkeit im Bereich der Sozialarbeit (gerade im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe) zwangsläufig die Auseinandersetzung mit provokantem Verhalten oder Konfliktsituationen einhergehe. Gleichzeitig habe die Betreuung von Schutzbefohlenen zu erfolgen, die besonders vor körperlichen Übergriffen zu schützen seien. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Revisionswerberin bei einer vergleichbaren Situation neuerlich eine körperliche Handlung setze, scheide ihre weitere Verwendung in ihrer derzeitigen oder einer vergleichbaren Funktion im Bereich der Sozialarbeit aus. So sei es Teil des Berufsbilds, deeskalierend zu wirken und zur Lösung von Konfliktsituationen beizutragen, anstatt auf Provokationen mit körperlichen Handlungen zu reagieren. Das Vorliegen einer Notwehr- oder Notstandssituation verneinte die Behörde.
5 Da die Revisionswerberin die Gründe für die Zuordnung zu vertreten habe, die Zuordnung in die gleiche Berufsfamilie (1) erfolge und die Revisionswerberin die Verwaltungsdienstprüfung B bereits absolviert habe, seien die in § 24 Abs. 2 Z 1 lit. b und Z 2 NÖ LBG normierten Voraussetzungen für eine dauernde Zuordnung in die Referenzverwendung „SachbearbeiterIn IV“ erfüllt.
6 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
7 Das Verwaltungsgericht führte begründend ergänzend aus, der Revisionswerberin, der als Personalvertreterin an ihrer Dienststelle ein Versetzungsschutz zukomme, sei während laufenden Disziplinarverfahrens ein Dienstposten der Gehaltsklasse 11 bei einer anderen, näher bezeichneten Dienststelle angeboten worden, den sie abgelehnt habe.
8 Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sei unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt zu prüfen, ob die Ermessensübung durch die Behörde dem Sinn des NÖ LBG entspreche. Dabei liege Rechtswidrigkeit im Falle von Ermessensentscheidungen nicht vor, soweit das Gesetz der Verwaltungsbehörde Ermessen einräume und diese das Ermessen im Sinn des Gesetzes ausübe. Es sei dem Gericht dann mangels Rechtswidrigkeit verwehrt, das Ermessen anders zu üben als die Verwaltungsbehörde.
9 Die belange Behörde habe - so führte das Landesverwaltungsgericht weiter aus - ihr Ermessen im gesetzlichen Rahmen ausgeübt, als sie der Revisionswerberin vor Erlassung des Bescheids als gelinderes Mittel einen Dienstposten der Gehaltsklasse 11 bei der anderen Dienststelle angeboten habe. Im Entscheidungszeitpunkt bestehe kein gelinderes Mittel als denkbare Alternative zum angefochtenen Bescheid, das Raum für eine Weiterverwendung im Bereich „Soziale Arbeit“ ließe. Mangels verfügbarer Dienstposten in der zweithöchsten Ausprägung im Verweisungsbereich bleibe ausschließlich ein Dienstposten außerhalb der Sozialarbeit übrig, der nicht besetzt sei. Die belangte Behörde habe damit ihre Ermächtigung - als Ausnahme von der als Regelfall vorgesehenen Antragsbedürftigkeit - zur amtswegigen Erlassung eines rechtsgestaltenden Bescheids, durch den die Verwendung eines bestimmten Beamten dauerhaft, verbunden mit gehaltsrechtlichen Nachteilen, geändert werde, rechtmäßig ausgeübt.
10 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht fallunspezifisch mit dem Fehlen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
11 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Die Frage, ob die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG - also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung - vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - etwa auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt daher keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa VwGH 18.5.2020, Ra 2019/12/0001; 25.2.2020, Ra 2019/09/0108).
14 Wenn die Revisionswerberin unter diesem Gesichtspunkt zur Zulässigkeit ihrer Revision zunächst geltend macht, dass es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24 Abs. 2 Z 1 lit. b NÖ LBG und den Voraussetzungen für einen Wechsel der Verwendung aus Gründen, die von den jeweiligen Bediensteten zu vertreten seien, fehle, ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. März 2021, Ra 2019/12/0047, hinzuweisen. Danach hat die Dienstbehörde bei der Vornahme der Maßnahme einer Zuordnung von Amts wegen gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 lit. b NÖ LBG unter Bedachtnahme auf die allgemeine Fürsorgepflicht des Dienstgebers (§ 1 Abs. 3 NÖ LBG iVm. § 45 BDG 1979) die schonendste zum Ziel führende Variante zu wählen. Für eine darüber hinaus gehende Berücksichtigung von persönlichen, finanziellen und dienstrechtlichen Nachteilen bietet das Gesetz hingegen keine Grundlage. Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof bereits grundsätzlich festgehalten, dass § 24 Abs. 2 Z 1 und Abs. 3 NÖ LBG die Dienstbehörde - als Ausnahme von der als Regelfall vorgesehenen Antragsbedürftigkeit - zur amtswegigen Erlassung eines rechtsgestaltenden Bescheids ermächtigt, durch den die Verwendung eines bestimmten Beamten dauerhaft (zudem verbunden mit gehaltsrechtlichen Nachteilen) geändert wird (VwGH 27.9.2011, 2010/12/0083). Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner in dem auch in der Revision zitierten Erkenntnis (VwGH 23.1.2008, 2006/12/0206, unter Hinweis auf VwGH 25.9.2002, 2001/12/0209, zu § 161 Abs. 4 erster Satz zweiter Fall NÖ DPL 1972) zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 269 Abs. 6 Stmk. L-DBR ausgeführt, dass der Beamte die Gründe für seine Versetzung „selbst zu vertreten hat“, wenn ihm eine schuldhafte Verletzung von Interessen seines Dienstgebers vorzuwerfen ist.
15 Angesichts des auch in den Zulässigkeitsausführungen nicht bestrittenen Umstands, dass keine „gelinderen Mittel“ zur Verfügung standen, also ein höherwertiger Dienstposten zum Entscheidungszeitpunkt nicht verfügbar war, und des schon im Hinblick auf die disziplinäre Verurteilung der Revisionswerberin zu bejahenden zur Versetzung führenden Verschuldens, wird in der Revision eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, von der eine Entscheidung über die vorliegende Revision abhinge, nicht aufgezeigt. Im Übrigen wird auch nicht aufgezeigt, welche weiteren Feststellungen zu treffen gewesen wären und inwiefern dies zu einem für die Revisionswerberin günstigeren Ergebnis hätte führen können. Die Ausübung des Ermessens als solches sich geht jedoch, sofern - wie hier - weder Ermessensmissbrauch noch Ermessensüberschreitung aufgezeigt wird, über die Umstände des Einzelfalls nicht hinaus und stellt regelmäßig keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. VwGH 27.3.2019, Ra 2018/12/0022, mwN).
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb diese gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.
Wien, am 29. September 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021120025.L00Im RIS seit
29.10.2021Zuletzt aktualisiert am
05.11.2021