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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §9Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant, Hofrat Dr. Schwarz und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des R M, vertreten durch Dr. Manfred Arbacher-Stöger, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3/14-15, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 19. Mai 2021, Zl. VGW-151/061/10489/2020-33, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Antrag des Revisionswerbers, eines serbischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Fachkraft in Mangelberufen „Rot-Weiß-Rot - Karte“ gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) in Bestätigung eines auf §§ 11 Abs. 2 Z 1, 21 Abs. 1 und 24 Abs. 2 NAG gestützten (negativen) Bescheides des Landeshauptmanns von Wien vom 7. Juli 2020 ab und erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
2 Das Verwaltungsgericht schloss sich der Ansicht der Behörde an, wonach der in Rede stehende Antrag vom 7. Juni 2019 in Anbetracht des dem Revisionswerber zuletzt mit Gültigkeit bis 2. August 2017 erteilten Aufenthaltstitels mangels Vorliegen der Voraussetzungen nach § 24 Abs. 2 NAG als Erstantrag zu werten sei. Der im Umgang mit Behörden kundige Revisionswerber habe aufgrund der ihm mehrfach erteilten Aufenthaltstitel von dem Erfordernis der rechtzeitigen Titelverlängerung in Kenntnis sein müssen. Ein minderer Grad des Versehens liege nicht vor. Es wäre dem bis Mai 2019 in Haft befindlichen Revisionswerber im Übrigen auch möglich gewesen, die Behörde in Abklärung mit der Anstaltsleitung zu deren Öffnungszeiten aufzusuchen. Dass er dies versucht habe, sei vom Revisionswerber nicht vorgebracht worden.
3 Hinsichtlich des Zusatzantrages des Revisionswerbers gemäß § 21 Abs. 3 NAG ging das Verwaltungsgericht Wien im Rahmen einer Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK davon aus, dass dem (unter Einhaltung der entsprechenden Aufenthaltszeiten) grundsätzlich zur visumfreien Einreise in das Bundesgebiet berechtigten Revisionswerber das Abwarten des Abschlusses des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens in Serbien und eine zwischenzeitliche Ausreise aus Österreich zumutbar seien. Dabei berücksichtigte das Gericht die mehrfache massive Straffälligkeit des Revisionswerbers im Bundesgebiet und die diesbezüglichen rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen. So sei über den Revisionswerber mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. November 2017 eine Freiheitsstrafe von dreißig Monaten u.a. wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung verhängt worden. Weiters hielt das Verwaltungsgericht fest, dass der vor zwei Jahren aus der Haft entlassene Revisionswerber keinen Kontakt zu seinen in Österreich lebenden minderjährigen Kindern pflege und für diese auch keinen Unterhalt bezahle. Die Mutter des Revisionswerbers, die österreichische Staatsbürgerin sei und in deren Haushalt dieser nunmehr lebe, sei nicht dringend auf die Unterstützung ihres Sohnes angewiesen. Der Revisionswerber, dem erstmals 1975 ein Sichtvermerk erteilt und über den Anfang der 1990er-Jahre ein in der Folge im Jahr 2003 aufgehobenes Aufenthaltsverbot verhängt worden sei, verfüge trotz seines langjährigen Aufenthalts in Österreich nicht nur im Bundesgebiet, sondern auch weiterhin in Serbien über familiäre Anknüpfungspunkte. Zuletzt habe sich der Revisionswerber (der in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht angegeben hatte, während der aufrechten Gültigkeitsdauer des gegen ihn verhängten Aufenthaltsverbots in Serbien gelebt zu haben) im Jahr 2014 in Serbien aufgehalten, wo er bis zu diesem Jahr auch Eigentümer eines Hauses gewesen sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die vorliegende Revision ist insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt, als sie unter der Überschrift „III. Begründung“ Revisionsgründe und Gründe für ihre Zulässigkeit im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vermengt. Unter Punkt III.1. finden sich Ausführungen zur Rechtzeitigkeit der Revision. Das Vorbringen zu Punkt III.2. beschränkt sich auf die nicht begründete Behauptung, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliege, weil das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche bzw. in dieser die zu lösende Rechtsfrage nicht einheitlich beantwortet werde. Die darauffolgenden, ebenfalls der Überschrift „III. Begründung“ zugeordneten Punkte des Revisionsschriftsatzes sind - soweit ersichtlich - dazu bestimmt, sowohl zur Darlegung der Zulässigkeitsgründe als auch als Ausführung der Revisionsgründe zu dienen. Vor diesem Hintergrund kann nicht von einer gesonderten Darstellung der Revisionszulässigkeitsgründe im Sinne der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG ausgegangen werden.
9 Abgesehen davon wirft die Revision hinsichtlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach die Voraussetzungen nach § 24 Abs. 2 Z 1 und 2 NAG nicht gegeben seien, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts erweist sich jedenfalls als nicht unvertretbar (zum diesbezüglichen Prüfkalkül des Verwaltungsgerichtshofs VwGH 4.10.2018, Ra 2018/22/0191, Rn. 7 ff). Aus dem vom Revisionswerber im Wege seiner anwaltlichen Vertretung vorgelegten Auszug der Vollzugsdaten ergibt sich, - worauf schon die Behörde hingewiesen hatte - dass sich der Revisionswerber seit 1. August 2018 im gelockerten Strafvollzug und seit 26. März 2019 im Entlassungsvollzug befand. Eine nachvollziehbare Begründung, weshalb ihm vor seiner Entlassung aus der Strafhaft im Mai 2019 (und somit deutlich vor seiner Antragstellung am 7. Juni 2019) über ein entsprechendes Ersuchen trotz der (in der von ihm vorgelegten Bescheinigung auch ausdrücklich angeführten) Bestimmungen der §§ 126 Abs. 2 Z 4 und Abs. 4 in Verbindung mit § 99a und 93 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz (StVG) kein Ausgang zur Regelung seiner rechtlichen Angelegenheiten bei der zuständigen Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde (Antragstellung und - so erforderlich - Einholen einer allfälligen Auskunft) gewährt worden wäre, wurde vom Revisionswerber im gesamten Verfahren nicht erstattet (siehe zudem § 147 StVG).
10 Im Übrigen ist, wenn die Revision die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Oktober 2018, Ra 2018/22/0191, sowie vom 31. Jänner 2019, Ra 2018/14/0318, ins Treffen führt, nicht ersichtlich, inwiefern die Rechtsprechung des Gerichtshofes als uneinheitlich zu betrachten wäre.
11 Weiters stellt die einzelfallbezogene Beurteilung der Zulässigkeit eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dar (VwGH 10.5.2016, Ra 2015/22/0158, Rn. 8). Dass die vom Verwaltungsgericht gemäß § 21 Abs. 3 NAG in Verbindung mit Art. 8 EMRK durchgeführte Interessenabwägung grob fehlerhaft oder unvertretbar vorgenommen worden wäre, ist anhand der Revision nicht ersichtlich.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat schon vielfach ausgesprochen, dass ungeachtet eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale auch gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden können; dazu zählt insbesondere auch das Vorliegen strafgerichtlicher Verurteilungen (vgl. VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005, Rn. 13, mwN). Wenn daher das Verwaltungsgericht in der vorliegenden Konstellation trotz des erheblichen Gewichts der familiären und privaten Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet aufgrund dessen wiederholter massiver Straffälligkeit vom Überwiegen entgegenstehender öffentlicher Interessen ausging, so ist dies gemessen an dem oben dargestellten Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu beanstanden.
13 Vor diesem Hintergrund erweist sich die Frage, ob fallbezogen (neben der unzulässigen Inlandsantragstellung) auch der Versagungsgrund des § 11 Abs. 2 Z 1 und Abs. 4 Z 1 NAG vorlag, als nicht entscheidungsrelevant. Mit dem Vorbringen, es mangle an einer den zuletzt genannten Bestimmungen entsprechenden Gefährdungsprognose, insbesondere unter angemessener Berücksichtigung des Wohlverhaltens des Revisionswerbers seit seiner Haftentlassung, wird somit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ebenfalls nicht aufgeworfen.
Aus den dargelegten Erwägungen liegen die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 30. September 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021220177.L00Im RIS seit
29.10.2021Zuletzt aktualisiert am
04.11.2021