Index
10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §37Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des I K in F, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 8. Oktober 2019, Zl. LVwG-413355/12/Bm, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 8. Februar 2019 wurde der Revisionswerber als Betreiber des Wettlokals B in F der dreifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild Glücksspielgesetz - GSpG schuldig erkannt. Über ihn wurden fünf Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 3.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Der Revisionswerber habe zu verantworten, dass in der Zeit vom 1. September 2016 bis 10. Juni 2017 mit drei und in der Zeit vom 12. Juli 2017 bis 18. Juli 2017 mit zwei näher bezeichneten Glücksspielautomaten verbotene Ausspielungen auf eigenen Namen und Rechnung sowie auf eigenes Risiko veranstaltet worden seien. Weiters wurde dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgeschrieben.
2 Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) wies - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses die vom Revisionswerber gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde mit einer für das Revisionsverfahren nicht wesentlichen Modifizierung des Spruchs sowie unter Ergänzung der Strafsanktionsnorm des § 52 Abs. 2 erster Strafsatz GSpG als unbegründet ab. Mit Spruchpunkt II. wurde dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorgeschrieben. Das Verwaltungsgericht sprach weiters aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, im Zuge von am 10. Juni 2017 und am 18. Juli 2017 im Wettlokal B durchgeführten Kontrollen nach dem GSpG seien drei Glücksspielgeräte (FA 1, 2 und 4) vorgefunden worden. Die Geräte FA 1, 2 und 4 hätten von den Kontrollorganen am 10. Juni 2017 im Rahmen von Testspielen bespielt werden können. Bei der Kontrolle am 18. Juli 2017 sei dies bei den Geräte FA 1 und 2 neuerlich möglich gewesen. Die gegenständlichen Geräte seien voll funktionsfähig und betriebsbereit gewesen. Der Revisionswerber, Betreiber des Wettlokals B, sei Eigentümer dieser Geräte gewesen und habe die Ausspielungen auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko veranstaltet.
4 In seiner Beweiswürdigung hielt das Verwaltungsgericht u.a. im Wesentlichen fest, die Feststellungen „betreffend die [...] vorgefundenen Glücksspielgeräte, insbesondere auch die Betriebsbereitschaft im angeführten in einem öffentlich zugänglichen Bereich“ würden sich vor allem auf die Aktenvermerke der Finanzpolizei, die Fotodokumentationen, die schlüssigen und nachvollziehbaren Anzeigen der Finanzpolizei sowie die Angaben des „bei der Kontrolle“ befragten Revisionswerbers stützen. „Durch die Aussagen der Zeugen und die im Akt befindliche Skizze über den Aufstellungsort der Geräte [sei] auch erwiesen, dass die Geräte in einem öffentlich zugänglichen Bereich des Lokals aufgestellte [gewesen seien].“
5 Dagegen erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 1.1. Zur Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber zunächst vor, es liege ein Verstoß gegen die ständige Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) zur dynamischen Kohärenzprüfung vor. Das Verwaltungsgericht habe im Hinblick auf die amtswegige Beurteilung der Unionsrechtskonformität des GSpG lediglich Unterlagen aus dem Zeitraum 2010 bis 2016 zu Grunde gelegt, die vom Revisionswerber vorgelegten Unterlagen seien unberücksichtigt geblieben.
10 1.2. Dazu ist auszuführen, dass die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt ist (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12. Darüber hinaus wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht näher dargelegt (vgl. VwGH 15.7.2020, Ra 2020/17/0049).
11 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C-685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 24 ff, und VfGH 12.6.2018, E 885/2018).
12 Anders als der Revisionswerber vermeint, kann sich das GSpG selbst bei Hinweisen auf das Vorliegen einer expansionistischen Geschäftspolitik der Konzessionäre - etwa durch das Glücksspiel verharmlosende Werbung - nach der Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen der Gesamtwürdigung als mit dem Unionsrecht in Einklang stehend erweisen, wenn etwa mit dieser Geschäftspolitik eine Umlenkung von Spielern vom illegalen zum legalen Glücksspiel sichergestellt werden soll (vgl. VwGH 26.9.2018, Ra 2017/17/0459, 0460, sowie 16.11.2018, Ra 2017/17/0947, 0948). Dass das LVwG von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, wird mit dem Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision nicht aufgezeigt.
13 1.3. Wenn zur Zulässigkeit der Revision weiters vorgebracht wird, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Beweisanträgen abgewichen und habe keine Feststellungen zur Beurteilung der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit des GSpG getroffen, ist dem entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht diesbezügliche Feststellungen getroffen hat. Überdies ist die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel nicht ersichtlich.
14 1.4. Mit dem Vorbringen, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH vom 12. September 2019, C-64/18 u.a., Maksimovic u.a., wird ebenfalls keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, hat doch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. Mai 2020, Ra 2020/17/0001, mit näherer Begründung ausgesprochen, dass das Unionsrecht der uneingeschränkten Anwendbarkeit des § 52 Abs. 2 erster Strafsatz GSpG, des § 16 VStG sowie des § 64 VStG nicht entgegensteht. Auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen (vgl. etwa VwGH 31.3.2021, Ra 2019/17/0103).
15 2.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiters vor, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur näher genannten „ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes“, wonach die Feststellungen zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt nachvollziehbar zu begründen seien. Der Revisionswerber habe (offenbar gemeint: in seiner Beschwerde) vorgebracht, dass die betriebsbereite Aufstellung der Geräte, die zu den „Spruchpunkten 1. und 2. des bestätigten erstinstanzlichen Bescheides angeführten Tatzeiträume“ sowie die Veranstaltung durch ihn „unrichtig“ seien; das Verwaltungsgericht habe dennoch „gegenteilige Feststellungen getroffen“.
16 2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 29.4.2019, Ra 2019/17/0024 bis 0026; 11.12.2019, Ra 2019/01/0465; jeweils mwN).
17 2.3. Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und u.a. der von ihm erfolgten Einvernahme von zwei Kontrollorganen, die ihren Angaben nach Probebespielungen durchgeführt haben, nachvollziehbar begründet, wie es zu seinen Feststellungen, insbesondere zur Betriebsbereitschaft der drei Glücksspielgeräte aus Anlass der vorgenommenen Kontrollen, gelangt ist. Dass das Verwaltungsgericht seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, wird vom Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht aufgezeigt, zumal im gesamten Verfahren u.a. unstrittig blieb, dass der Revisionswerber Betreiber des Wettlokals war.
18 3.1. Die Revision macht in diesem Zusammenhang überdies Aktenwidrigkeit geltend, weil das Verwaltungsgericht bei einer nicht tatsachenwidrigen Wiedergabe und Würdigung der Aussagen des Revisionswerbers „nicht zu den bekämpften Feststellungen der betriebsbereiten Aufstellung der Geräte, der bestätigten Tatzeiträume und der Veranstaltung von Ausspielungen durch den Rw als Veranstalter“ gelangt wäre.
19 3.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Aktenwidrigkeit nicht schon dann vor, wenn die Behörde oder das Verwaltungsgericht einen Sachverhalt feststellt, der lediglich mit dem Vorbringen einer Partei im Widerspruch steht (vgl. dazu VwGH 14.1.2020, Ro 2018/16/0046, mwN).
20 Vielmehr liegt eine Aktenwidrigkeit dann vor, wenn sich die Behörde (das Verwaltungsgericht) bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat, wenn also der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen wurden, die auf Grund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. VwGH 9.4.2021, Ra 2020/17/0052, mwN). Aktenwidrigkeit ist somit dann gegeben, wenn die Entscheidung in ihrer Begründung von einem Sachverhalt ausgeht, der sich aus dem Akt überhaupt nicht oder nicht in der angenommenen Weise ergibt, wenn also die Feststellung jener tatsächlichen Umstände unrichtig ist, die für den Spruch der Entscheidung ausschlaggebend sind (vgl. VwGH 24.7.2019, Ra 2018/02/0195, mwN).
21 3.3. Dass vorliegend der Akteninhalt in diesem Sinn nicht richtig - also in unvertretbarer Weise nicht mit den vorgelegten Akten übereinstimmend - wiedergegeben worden wäre, wird mit dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht aufgezeigt, stützte sich das Verwaltungsgericht doch wie bereits ausgeführt insbesondere auch auf die Einvernahme von zwei Kontrollorganen im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 12. September 2019, die im Wesentlichen die Richtigkeit der aus Anlass der beiden Kontrollen erstellten Protokolle bestätigten, während der nach den Gerichtsakten ordnungsgemäß geladene Revisionswerber dieser Verhandlung ohne Begründung fernblieb, aber bereits bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 13. Juni 2017 angegeben hatte, selbst drei Glücksspielgeräte (gemeint: FA 1, 2 und 4) regelmäßig „zu Testzwecken bespielt“ zu haben.
22 4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 6. Oktober 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019170121.L00Im RIS seit
29.10.2021Zuletzt aktualisiert am
16.11.2021