Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 6. Oktober 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als weiteren Richter sowie die Rechtsanwältin Dr. Mascher als Anwaltsrichterin und den Rechtsanwalt Dr. Waizer als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Vizthum in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwältin in *****, wegen Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über die Berufung der Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 12. Februar 2020, GZ D 18-10, 3 DV 18-19-39, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Jenichl, des Kammeranwalts Rechtsanwalt Dr. Schmidinger und der Beschuldigten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Der Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** mehrerer Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt schuldig erkannt.
[2] Danach hat sie in ***** trotz Fehlens von gesonderten und in dieser Höhe verrechenbaren Leistungen ***** V***** mit Honorarnote 17/33 vom 30. Mai 2017 für einen Grundbuchsantrag betreffend die Löschung von Pfandrechten 697,60 Euro zuzüglich 50 % Einheitssatz in der Höhe von 348,80 Euro und mit Honorarnote 17/36 vom 16. Juni 2017 (ES 4) für eine Treuhandschaft betreffend Löschungen hinsichtlich der T***** 810,40 Euro und hinsichtlich des Landes ***** „oder der H*****“ 417,40 Euro in Rechnung gestellt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen wegen Vorliegens der Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5, 8, 9, 10 und 11 StPO sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung der Beschuldigten geht fehl.
[4] Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich (hier) die Nichtigkeitswerberin für beschwert erachtet. Das unter dem Titel „Feststellungs- und Begründungsmängel und unrichtige Rechtsanwendung“ sowie mit der einleitenden Erklärung, die Nichtigkeitsgründe „§ 281 Abs. 1 Z 5, 9, 10 und 11 StPO“ geltend zu machen, undifferenziert vorgetragene Beschwerdevorbringen entspricht daher nicht der – gemäß § 77 Abs 3 DSt im rechtsanwaltlichen Disziplinarverfahren subsidiär anzuwendenden (zu den Nichtigkeitsgründen siehe insoweit RIS-Justiz RS0128656) – Strafprozessordnung (vgl 14 Os 37/16x, EvBl 2016/135, 936; RIS-Justiz RS0115902 sowie jüngst 11 Os 116/20y).
[5] Indem die Rüge unter dem Aspekt der Z 8 des § 281 Abs 1 StPO einwendet, der Einleitungsbeschluss (§ 28 Abs 2 DSt) weiche von den in der Disziplinaranzeige geäußerten Vorwürfen ab, verkennt sie das Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes. Dieser bezieht sich nämlich nicht auf die Identität von angezeigtem und vom Einleitungsbeschluss umfasstem Handlungssubstrat, sondern auf jene zwischen Letzterem und (hier) erkenntnismäßig erledigtem Handlungssubstrat (eingehend mwN Ratz, WK-StPO § 281 Rz 502).
[6] Soweit die Berufung eine in der Disziplinarverhandlung am 15. Jänner 2020 vorgenommene Einschränkung (ON 34 S 10) des Einleitungsbeschlusses vom 26. September 2018 (ON 12) einwendet, ist sie – entgegen § 282 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt – nicht zu Gunsten der Beschuldigten ausgeführt.
[7] Ein Vorgehen im Sinn des § 3 DSt scheitert – der Berufung (der Sache nach erkennbar Z 9 lit b) zuwider – schon daran, dass die Beschuldigte gänzlich unberechtigte Honorarpositionen verzeichnet und diese klagsweise geltend gemacht hat (ES 4), wodurch der Sachverhalt mehreren Personen bekannt geworden ist (RIS-Justiz RS0055114 [T5] und RS0054876 [T12]).
[8] Indem die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld fehlenden Vorsatz einwendet, verkennt sie, dass bei Verletzungen der Ehre oder des Ansehens des Standes (§ 1 Abs 1 DSt) durch Geltendmachen überhöhter Honoraransprüche (§ 15 RL-BA 2015) auf der subjektiven Tatseite nach ständiger Judikatur Fahrlässigkeit genügt (RIS-Justiz RS0055114, RS0055136 und RS0055146).
[9] Der Disziplinarrat verhängte über die Beschuldigte nach § 16 Abs 1 Z 1 DSt die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises.
[10] Da dies nach dem Strafenkatalog des § 16 DSt die geringste Strafe ist, kommt im Rahmen dieses Strafenkatalogs eine Reduktion nicht in Betracht.
[11] Ein Vorgehen im Sinn des § 39 DSt scheidet fallbezogen schon aus generalpräventiven Erwägungen aus (hiezu Engelhart/Hofmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 [2018] § 39 DSt Rz 2), weil ein korrekter Umgang und höchste Genauigkeit bei der Honorarabrechnung zu den vornehmsten Pflichten eines Rechtsanwalts zählt (RIS-Justiz RS0055118).
[12] Auch der gemäß § 49 letzter Satz DSt als erhoben zu betrachtenden Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe war daher ein Erfolg zu versagen.
[13] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
Textnummer
E132947European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0220DS00002.21W.1006.000Im RIS seit
29.10.2021Zuletzt aktualisiert am
29.10.2021