TE Lvwg Erkenntnis 2021/10/12 LVwG-2021/22/2267-3

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Veröffentlicht am 12.10.2021
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Entscheidungsdatum

12.10.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §45 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Triendl über die Beschwerde des Herrn AA, geb. **.**.****, Adresse 1, **** Z, v.d. Rechtsanwälte BB, Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 22.7.2021, Zl.***, wegen Übertretungen nach der TBO 2018

zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

2.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe beim Bauvorhaben „Neubau freistehende Sauna auf Gp. **1 KG Z“ der Baubehörde weder eine Bestätigung des Verlaufs der äußeren Wandfluchten noch eine Bestätigung darüber, dass die Bauhöhen der Baubewilligung entsprechen, vorgelegt. Er habe dadurch gegen § 38 Abs 2 und Abs 3 TBO 2018 verstoßen und wurden gemäß § 67 Abs 1 lit e und f TBO 2018 jeweils Geldstrafen in der Höhe von Euro 600 verhängt. Weiters wurde ein anteiliger Beitrag zu den Verfahrenskosten der Behörde vorgeschrieben.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde zusammenfassend vorgebracht, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten und sei gegenständlich kein Fall vorgelegen, in dem die angeführten Bestätigungen vorgelegt werden hätten müssen.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol holte zunächst bei der Baubehörde den Bauakt ein und richtete sodann nach entsprechender Einsicht in diesen Bauakt folgendes, mit 10.9.2021 datiertes, Schreiben an die belangte Behörde:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Straferkenntnis vom 22.7.2021, ***, wurden dem Beschwerdeführer zwei Übertretungen nach der TBO 2018 zur Last gelegt. Einmal eine Übertretung des § 38 Abs 2 zweiter Satz und einmal nach § 38 Abs 3 zweiter Satz.

Diese Bestimmungen lauten wie folgt (Hervorhebungen durch den Gefertigten):

„§ 38

Bauausführung, Pflichten des Bauherrn

(…)

(2) Der Bauherr hat nach der Fertigstellung der Bodenplatte bzw. des Fundamentes durch eine befugte Person oder Stelle den aufgrund der Baubewilligung sich ergebenden Verlauf der äußeren Wandfluchten mittels eines eingemessenen Schnurgerüstes oder auf eine sonstige geeignete Weise zu kennzeichnen und der Behörde eine von der betreffenden Person oder Stelle ausgestellte Bestätigung darüber vorzulegen. Mit der Ausführung des aufgehenden Mauerwerkes darf erst nach dem Vorliegen dieser Bestätigung begonnen werden. Die Kennzeichnung darf erst im Zug der weiteren Bauausführung entsprechend dem Baufortschritt entfernt werden.

(3) Der Bauherr hat der Behörde nach der Fertigstellung der Außenwände eine Bestätigung durch eine befugte Person oder Stelle darüber vorzulegen, dass die Bauhöhen der Baubewilligung entsprechen. Mit dem Aufsetzen der Dachkonstruktion darf erst nach dem Vorliegen dieser Bestätigung begonnen werden. Die jeweils oberste Ziegelreihe bzw. der jeweilige obere Wandabschluss ist auf geeignete Weise deutlich sichtbar zu kennzeichnen. Die Kennzeichnung darf erst im Zug der weiteren Bauausführung entsprechend dem Baufortschritt entfernt werden.

(…)“

Die Zielrichtung dieser Bestimmungen ist klar: Bereits im Zuge der Bauausführung soll sichergestellt sein, dass das Bauvorhaben jedenfalls der Baubewilligung entsprechend ausgeführt wird und nicht im Nachhinein die Problematik auftritt, dass über – in der Praxis oft mühsame – baupolizeiliche Abbruchverfahren der rechtmäßige Zustand hergestellt werden muss, dies insb. dann, wenn Abstandsbestimmungen nicht eingehalten werden können (vgl. dazu die Erläuternden Bemerkungen zu LGBl 1998/15).

Das gegenständliche Gebäude wurde bereits vor etlichen Jahren errichtet. Laut Bauvollendungsanzeige vom 2.8.2019 wurde es am 22.12.2017 (!) fertiggestellt. Laut Schreiben der Baubehörde vom 9.10.2018 bestand dieses Gebäude bereits am 23.11.2017. Ein diesbezügliches – nachträgliches - Bauansuchen wurde mit 30.1.2019 eingebracht und die Baubewilligung mit Bescheid vom 24.7.2019, Zl. ***, erteilt.

Der Baubehörde war sohin seit langem bekannt, dass hier – ohne baurechtlichen Konsens – ein Gebäude – sohin ein sog. „Schwarzbau“ – errichtet wurde. Warum sie aufgrund dieses Sachverhaltes keine Anzeige bei der Bezirkshauptmannschaft erstattet hat, ist unerfindlich. Dieses Delikt ist behufs § 67 Abs 3 TBO 2018 ein sog. Dauerdelikt und könnte so auch Jahre nach Vollendung des Bauwerks eine Strafe nach § 67 Abs 1 lit a TBO 2018 wegen konsensloser Errichtung ausgesprochen werden. Der Unrechtsgehalt dieser Übertretung ist weit höher als jener nach § 67 Abs 1 lit e TBO 2018 und hätte eine empfindliche Geldstrafe, die naturgemäß weit höher als die gegenständlichen anzusetzen gewesen wäre, ausgesprochen werden können. Mit der Bestrafung wegen konsensloser Errichtung eines Gebäudes ist naturgemäß die Nichteinhaltung der u.a. in § 38 Abs 2 und 3 TBO 2018 normierten - ein Bauvorhaben begleitenden – Vorschriften konsumiert. Dass sich auch die Bezirkshauptmannschaft bei der Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes nicht vollends klar ist, bestätigt auch der Umstand, dass in den zur Last gelegten Taten keine Tatzeit (ein Umstand, der auch in der Beschwerde thematisiert wird) aufgenommen wurde.

Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen kommt das Landesverwaltungsgericht Tirol zur vorläufigen Rechtsansicht, dass in der gegenständlichen Fallkonstellation eine Bestrafung der vorgehaltenen Taten nicht möglich ist. Hier liegt ein ursprünglich konsenslos errichtetes Gebäude, ein „Schwarzbau“, vor, das nachträglicher einer Baubewilligung zugeführt wurde. Die Bestimmungen des § 38 Abs 2 und § TBO 2018 stellen auf die Phase der Bauausführung ab. Ob diese konsenslos oder aufgrund einer Baubewilligung erfolgte, ist dabei insofern ohne Belang, als beim Schwarzbau ohnedies mit einem baupolizeilichen Abbruchverfahren bzw. einer Anzeigeerstattung nach § 67 Abs 1 lit a TBO 2018 zu reagieren gewesen wäre. Beim gegenständlichen Gebäude, das bereits vor ca. vier Jahren vollendet wurde, ergibt eine Einforderung der Bestätigungen nach § 38 Abs 2 und 3 TBO 2018 schlichtweg keinen Sinn.

Vielmehr hätte die Baubehörde in der Baubewilligung diesem Umstand insofern Rechnung tragen müssen, als sie eine Auflage (§ 34 Abs 7 TBO 2018) des Inhaltes vorschreiben hätte müssen, dass der Bauwerber der Baubehörde eine Bestätigung eines einschlägigen Fachmannes (z.B. Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen, Baumeister etc.) darüber vorlegen muss, dass das vollendete Bauwerk, insbesondere was die Bauhöhe und die Abmessungen betrifft, der Baubewilligung entsprechend ausgeführt wurde. Eine derartige Auflage findet sich im Baubescheid vom 24.7.2019 nicht.

Zusammenfassend hätte daher in der vorliegenden Fallkonstellation eine Anzeige wegen kostenloser Errichtung eines baubewilligungspflichtigen Gebäudes seitens der Baubehörde bei Bekanntwerden dieses Umstandes erstattet werden müssen. Damit wären die hier gegenständlichen Übertretungen konsumiert gewesen. Weiters hätte die nachträgliche Baubewilligung unter der oben dargelegten Auflage erteilt werden müssen. Eine Bestrafung wegen Nichteinhaltung der zur Last gelegten Bestimmungen scheidet daher aus.

Es wir Ihnen nunmehr die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen einer Frist von drei Wochen ab Erhalt dieser Zuschrift eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Erfolgt diese nicht, geht das Landesverwaltungsgericht Tirol davon, dass sich die Bezirkshauptmannschaft X der Rechtsansicht des Gerichts anschließt.“

Bis heute ist dazu keine Stellungnahme der belangten Behörde eingelangt.

Beweis wurde weiters aufgenommen durch Einsicht in den behördlichen Akt.

II.      Erwägungen:

Die im oben angeführten Schreiben des Landesverwaltungsgericht Tirol vom 10.9.2021 eingehend dargelegten Erwägungen bleiben nach wie vor vollinhaltlich aufrecht. Die belangte Behörde hat dagegen keine Einwände erhoben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

III.     Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist sowohl im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren als auch im gegenständlichen führerscheinrechtlichen Verfahren unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision war daher auszuschließen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Triendl

(Richter)

Schlagworte

konsenslose Errichtung
nachträgliche Baubewilligung
keine Bestrafung möglich

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.22.2267.3

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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