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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Februar 1995, Zl. 104.404/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 23. Februar 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes - FrG, abgewiesen.
Die Erstbehörde habe den Antrag des Beschwerdeführers vom 21. Juli 1993 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG mit der Begründung abgewiesen, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Dagegen habe der Beschwerdeführer im wesentlichen eingewendet, daß er in geordneten Verhältnissen leben würde.
Ungeachtet dieses Vorbringens sei für die Beurteilung des Antrages wesentlich, daß § 5 AufG die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließe, weil ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinn des Fremdengesetzes vorliege. Nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG liege ein solcher insbesondere dann vor, wenn der Aufenthalt des Antragstellers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Der Beschwerdeführer sei nach der Aktenlage - die auch auf seinen eigenen Angaben beruhe - vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 1. März 1994 wegen §§ 12 (dritter Fall), 127, 129 Z. 2 StGB (Beteiligung an einem Einbruchsdiebstahl) zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von drei Monaten bei Festsetzung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Vom Bezirkspolizeikommissariat Hernals sei der Beschwerdeführer zweimal am 10. Februar 1994, weiters am 11. Februar 1994, sowie am 22. Februar 1994 wegen § 103 Abs. 2 KFG 1967 rechtskräftig bestraft worden. Diese Tatsachen würden den eindeutigen Schluß ergeben, daß der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sich den österreichischen Rechtsvorschriften anzupassen und sein weiterer Aufenthalt in Österreich somit eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit bedeuten würde. Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers sei anzuführen, daß er sich noch nicht lange in Österreich aufhalte und mit einer jugoslawischen Staatsbürgerin verheiratet sei, die nach Angabe des Beschwerdeführers ein Kind von ihm erwarte. Die Ehefrau des Beschwerdeführers halte sich in Serbien auf. Der Beschwerdeführer sei in den österreichischen Arbeitsmarkt integriert. "Jedoch liegt ein zwingender Sichtvermerksversagungsgrund vor und kann ihm daher auch keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden. Die öffentlichen Interessen überwiegen die privaten Interessen."
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden, wenn (u.a.) ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt. Zufolge des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Unter dem Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerde, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, konkrete Feststellungen über das der gerichtlichen Verurteilung sowie den verwaltungsbehördlichen Bestrafungen zugrundeliegende Fehlverhalten zu treffen.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg. Zur Verwirklichung des genannten Sichtvermerksversagungsgrundes ist nicht das Vorliegen rechtskräftiger gerichtlicher Verurteilungen (oder rechtskräftiger verwaltungsbehördlicher Bestrafungen) maßgeblich, sondern das solchen Verurteilungen (Bestrafungen) zugrundeliegende Fehlverhalten des Fremden in seiner Gesamtheit (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. April 1996, Zl. 95/18/0075, mwH).
Im angefochtenen Bescheid sind Feststellungen über das konkrete Fehlverhalten des Beschwerdeführers nicht getroffen worden. Die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer die öffentliche Ordnung, Ruhe oder Sicherheit in einem Ausmaß gefährde, daß die Versagung der Aufenthaltsbewilligung im Lichte des Art. 8 Abs. 2 MRK dringend geboten wäre, ist deshalb im Beschwerdefall nicht nachvollziehbar. Dieser Mangel fällt besonders ins Gewicht, da zum einen das Ausmaß der gerichtlich verhängten Strafe es nicht zuläßt, auf ein die Versagung jedenfalls rechtfertigendes Fehlverhalten des Beschwerdeführers zu schließen, und zum anderen Übertretungen nach § 103 Abs. 2 KFG nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht das gleiche Gewicht beigemessen werden kann wie z.B. den Verstößen gegen § 5 StVO (Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand) oder § 64 KFG (Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne die dafür erforderliche Lenkerberechtigung), bei welchen Übertretungen es sich um schwerwiegende Verwaltungsübertretungen im Sinn des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG handelt (vgl. das Erkenntnis vom 21. Dezember 1995, Zl. 94/18/1021). Der festgestellte Sachverhalt bedarf somit in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung. Aufgrund dessen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b sowie - aufgrund der sich aus der mangelhaften Sachverhaltsfeststellung ergebenden unzureichenden Begründung - § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Bei diesem Ergebnis war es entbehrlich, auf die im angefochtenen Bescheid angestellte Abwägung der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen einzugehen.
2. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995180822.X00Im RIS seit
12.06.2001