TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/2 L511 2236632-1

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Veröffentlicht am 02.06.2021
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Entscheidungsdatum

02.06.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1

Spruch


L511 2236632–1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a JICHA als Vorsitzende und den Richter Dr. DIEHSBACHER sowie den fachkundigen Laienrichter RR PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle XXXX vom 21.07.2020, Zahl: OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrags auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1.       Verfahren vor dem Sozialministeriumservice [SMS]

1.1.    Die Beschwerdeführerin verfügt seit 22.04.2013 über einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 vH. Am 05.03.2020 stellte sie einen Antrag auf Aufnahme der Zusatzeintragung Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung und legte dazu im Verfahren medizinische Befunde vor (Aktenzahl der elektronisch übermittelten Aktenteile [AZ] 2.1; 2.6; 2.7-2.20).

1.2.    Das SMS holte ein Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten der Allgemeinmedizin, Orthopädie und orthopädischen Chirurgie ein. Dieses Gutachten vom 19.06.2020 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin unter Einbeziehung der vorgelegten aktuellen Befunde erstattet. Als Ergebnis der Begutachtung wurden die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin sowie die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt (AZ 2.25).

1.3.    Mit Bescheid des SMS vom 21.07.2020, Zahl: XXXX , wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 05.03.2020 gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen, da bei der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen (AZ 2.28).

Begründend verwies das SMS auf die Ergebnisse des Gutachtens vom 19.06.2020, welches als schlüssig erkannt wurde. Das Gutachten wurde als Beilage zum Bescheid übermittelt.

1.4.    Mit Schreiben vom 10.08.2020 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde [Bsw] gegen den oben bezeichneten Bescheid des SMS (AZ 1.2).

Darin führt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, sie sei mit dem Bescheidinhalt nicht einverstanden. Sie könne sich nur mit Krücken fortbewegeben und werde Befunde nachreichen.

1.5.    Im Zuge des weitergeführten Ermittlungsverfahrens holte das SMS ein weiteres Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten der Allgemeinmedizin und der Chirurgie ein. Dieses Gutachten vom 05.11.2020 wurde ebenfalls auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin sowie unter Einbeziehung des Vorgutachtens und der aktuellen Befunde erstattet. Als Ergebnis der Begutachtung wurden erneut die Funktionseinschränkungen sowie die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Eine Leidensposition sei aufgrund der orthopädisch-fachärztlichen Untersuchung [im Vergleich zum Vorgutachten] hinzugekommen, ein radiologischer Befund sei jedoch nicht vorliegend (AZ 2.26).

2.       Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 06.11.2020 die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt in elektronischer Form vor (Ordnungszahl des gegenständlichen Gerichtsaktes OZ 1 [=AZ 1.1-1.2, 2.1 -2.29]).

2.1.    Mit Parteiengehör vom 17.11.2020, elektronisch zugestellt am 18.11.2020 an das SMS sowie am 20.11.2020 per RSa an die Beschwerdeführerin, übermittelte das BVwG den Verfahrensparteien das Sachverständigengutachten vom 24.01.2021 mit dem Ersuchen um Stellungnahme und dem Hinweis, dass das BVwG beabsichtige, sich auf dieses Gutachten zu stützen (OZ 2).

2.2.    Keine der Verfahrensparteien nahm dazu Stellung.

II.      Zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1.    Die Beschwerdeführerin ist in Österreich wohnhaft und verfügt über einen gültigen Behindertenpass mit einem eingetragenen Gesamtgrad der Behinderung von 60 vH.

1.2.    Im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind folgende Feststellungen zu treffen:

Die Beschwerdeführerin leidet an Wirbelsäulenbeschwerden sowie multiplen Gelenkbeschwerden (Schulterbeschwerden beidseits, Handgelenkbeschwerden rechts, Kniegelenkbeschwerden links, Sprunggelenkbeschwerden/Fußbeschwerden beidseits, Hüftgelenkbeschwerden rechts). Die Beschwerdeführerin ist mit orthopädietechnischen Schuhen versorgt. Ihre Mobilität ist aufgrund der Wirbelsäulen- und der Sprunggelenkbeschwerden eingeschränkt. Eine Gehstrecke von 400 Metern kann sie aber mit den orthopädischen Schuhen aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurücklegen. Das Ein- und Aussteigen in/aus ein/em öffentliches/n Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin möglich, da sie Niveauunterschiede bis zu 30 cm überwinden kann. Eine Einschränkung der Standhaftigkeit besteht nicht, insbesondere in Bezug auf das sichere Stehen, die Sitzplatzsuche und während einer Fortbewegung im öffentlichen Verkehrsmittel während der Fahrt. Die Benützung von Haltegriffen- und stangen ist trotz der Schulterproblematik mit beiden Händen zumindest bis auf Hüfthöhe möglich. Die Funktionsbeeinträchtigungen der Beschwerdeführerin führen nicht zu einer erheblichen Einschränkung ihrer Mobilität.

2.       Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1.    Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Auszüge aus dem Verwaltungsverfahrensakt (OZ 1), aus denen sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt. Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG insbesondere folgende Unterlagen herangezogen:

?        Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten der Allgemeinmedizin, Orthopädie und orthopädischen Chirurgie vom 19.06.2020 (AZ 2.25)

?        Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten der Allgemeinmedizin und der Chirurgie vom 05.11.2020 (AZ 2.26)

?        Beschwerde vom 10.08.2020 (AZ 1.2)

?        Einsicht in das Zentrale Melderegister [ZMR] (OZ 1)

2.2.    Beweiswürdigung

2.2.1.  Die allgemeinen Feststellungen (Punkt 1.1.) ergeben sich aus der Antragstellung, dem Datenstammblatt des SMS und dem ZMR und sind unstrittig (AZ 2.1, 2.6).

2.2.2.  Die Feststellungen zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergeben sich aus den Sachverständigengutachten vom 19.06.2020 (AZ 2.25) sowie vom 05.11.2020 (AZ 2.26).

2.2.2.1. Den Einwendungen in der Beschwerde zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde durch Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet der Chirurgie vom 05.11.2020 Rechnung getragen. Dass sie sich ausschließlich mit Krücken fortbewegen könne, wurde dabei nicht objektiviert. Beide Gutachten kommen mit nur marginalen Abweichungen zum selben Ergebnis, wobei das zeitlich jüngere Gutachten zusätzlich die Hüftgelenkbeschwerden der Beschwerdeführerin berücksichtigt. Die Gutachten basieren auf persönlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin, berücksichtigen sowohl die jeweiligen Vorgutachten als auch die aktuellen vorgelegten Befunde (AZ 2.7-2.20) und stehen mit diesen auch nicht in Widerspruch (vgl. dazu VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004).

2.2.3.  Die Feststellungen in den Gutachten sind nachvollziehbar, in sich schlüssig sowie in Bezug auf die vorgelegten Befunde widerspruchsfrei (vgl. dazu VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004). Weder die Beschwerdeführerin noch das SMS sind den Feststellungen im jüngsten Gutachten entgegengetreten (AZ 1.1, OZ 2).


3.       Entfall der mündlichen Verhandlung

3.1.    Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

3.2.    Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der sich aus dem Akteninhalt ergebende Sachverhalt basiert zur Gänze aus den der Beschwerdeführerin bekannten vorliegenden Aktenteilen und ist in den entscheidungswesentlichen Punkten weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig (vgl. dazu VwGH 19.09.2018, Ra2018/11/0145).

4.       Rechtliche Beurteilung

4.1.1.  Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Senat ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 45 Bundesbehindertengesetz [BBG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das SMS im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

4.1.2.  Die Beschwerde gegen den Bescheid ist rechtzeitig und zulässig (§§7, 9 VwGVG).

4.1.3.  Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten auszugsweise:

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen […].

§ 42. (1) […] Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. […]

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

§ 1 der Verordnung über die Ausstellung von [VO] Behindertenpässen und Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:

§ 1 (4) Z 3: Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: [...] die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten (Teilstrich 1) oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit (Teilstrich 2) oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen (Teilstrich 3) oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems (Teilstrich 4) oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d (Teilstrich 5) vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

4.2.    Abweisung der Beschwerde

4.2.1.  Die Beschwerdeführerin verfügt über einen gültigen Behindertenpass mit einem eingetragenen Gesamtgrad der Behinderung von 60 vH, womit die grundsätzliche Voraussetzung für die Vornahme einer Zusatzeintragung gemäß § 42 BBG erfüllt ist.

4.2.2.  Die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist im verfahrensgegenständlichen Fall gemäß § 1 Abs. 5 VO Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen. Das eingeholten Sachverständigengutachten vom 02.03.2020 und vom 24.01.2021 sind (wie bereits im Zuge der Beweiswürdigung dargelegt) richtig, vollständig und schlüssig und die Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind in nachvollziehbarer Weise dargestellt worden (vgl. VwGH 19.12.2017, Ra2017/11/0288; 21.06.2017, Ra2017/11/0040 mwN).


4.2.3.  In den Erläuterungen zur Stammfassung der VO Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) – soweit im gegenständlichen Fall relevant – insbesondere Folgendes ausgeführt: Durch die Verwendung des Begriffes 'dauerhafte Mobilitätseinschränkung' hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses. [...] Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

4.2.4.  Bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kommt es entscheidend auf die Art und Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht hingegen auf andere Umstände, etwa jene der Entfernung zwischen der Wohnung und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (VwGH 19.12.2017, Ra2017/11/0288; 21.06.2017, Ra2017/11/0040 mwN).

Die Beschwerdeführerin kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke zu Fuß, die Judikatur geht hier von 300 bis 400 Metern aus (VwGH 27.05.2014, Ro2014/11/0013), aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ist ebenso gegeben wie das Überwinden üblicher Niveauunterschiede zum sicheren Ein- und Ausstieg in bzw. aus öffentliche/n Verkehrsmittel/n und die sichere Beförderung im öffentlichen Verkehrsmittel. Dass sich die Beschwerdeführerin ausschließlich mit Krücken fortbewegen könne, wurde nicht objektiviert.

4.2.5.  Da somit die Voraussetzungen zur Vornahme der beantragten Zusatzeintragung in den Behindertenpass nicht vorliegen, ist die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.


III.    ad B) Unzulässigkeit der Revision:

Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf eine umfangreiche und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum BBG. Die angewendeten Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind - soweit für den vorliegenden Fall maßgeblich - eindeutig. Zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage (trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) etwa VwGH 28.05.2014, Ro2014/07/0053. Zur Schlüssigkeit von Gutachten VwGH 27.06.2018, Ra2018/09/0079; 28.06.2017, Ra2017/09/0015; zur Form der Auseinandersetzung mit dem Gutachten insbesondere VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004. Zu den Voraussetzungen zur Vornahme der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung VwGH 19.12.2017, Ra2017/11/0288; 21.06.2017, Ra2017/11/0040 mwN.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L511.2236632.1.00

Im RIS seit

28.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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