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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. August 1995, Zl. SD 1105/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. August 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Gemäß § 17 Abs. 1 FrG seien Fremde - gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf § 19 leg. cit. - mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten.
Der Beschwerdeführer, der sich seit dem Jahr 1979 im Bundesgebiet befinde, sei zuletzt im Besitz eines Sichtvermerkes gewesen, der am 10. August 1993 seine Gültigkeit verloren habe. Der von ihm am 4. August 1993 eingebrachte Antrag nach dem Aufenthaltsgesetz sei mittlerweile vom Bundesminister für Inneres gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 rechtskräftig abgewiesen worden. Dieser Bescheid gründe sich im wesentlichen darauf, daß der Beschwerdeführer am 17. Februar 1992 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Hausfriedensbruches, Sachbeschädigung, Nötigung, Körperverletzung und Suchtgiftbesitzes (§ 16 des Suchtgiftgesetzes) zu einer (bedingten) Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei.
Angesichts dieses Sachverhaltes, der in der Berufung unbestritten bleibe, sei die Erstbehörde zu Recht davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 FrG gegeben seien.
Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG betreffe, so sei aufgrund des langjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und im Hinblick auf seine familiären Bindungen (Eltern) zweifellos von einem mit dieser Maßnahme verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen.
Dessen ungeachtet sei aber seine Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele - hier: Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sowie zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens - dringend geboten. Alleine der seit mehr als zwei Jahren unrechtmäßige Aufenthalt, vor allem aber das weitere Verbleiben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nach und trotz seiner Bestrafung wegen des unerlaubten Aufenthaltes und trotz Abweisung seines Antrages nach dem Aufenthaltsgesetz würde die öffentliche Ordnung im hohen Maße gefährden. Hinzu komme, daß der Beschwerdeführer - wie dargetan - auch gegen strafrechtliche Normen verstoßen habe, wobei insbesondere ins Gewicht falle, daß er durch sein strafbares Verhalten verschiedene Rechtsgüter gefährdet habe.
Darüberhinaus sei im Fall des Beschwerdeführers zu bedenken, daß diesem - mangels Erfüllung der im § 6 Abs. 2 erster Satz des Aufenthaltsgesetzes normierten Voraussetzung, wonach ein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vom Ausland aus zu stellen sei - auch nicht die erforderliche Bewilligung nach diesem Gesetz erteilt werden dürfe. Eine Abstandnahme von der Ausweisung würde dem Beschwerdeführer entgegen der genannten, ein wesentliches Element der mit dem Aufenthaltsgesetz getroffenen Regelung darstellenden Bestimmung den tatsächlichen, jedoch nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens zuwiderlaufen würde. Die Ausweisung des Beschwerdeführers erweise sich demnach zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dringend geboten und insoweit als zulässig im Grunde des § 19 FrG.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Im Hinblick auf die Feststellungen im angefochtenen Bescheid ist davon auszugehen, daß sich der Beschwerdeführer etwa 14 Jahre lang (von 1979 bis 1993) rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat.
Die belangte Behörde vertritt die Rechtsauffassung, daß die Ausweisung des Beschwerdeführers im Sinne des § 19 FrG dringend geboten sei und begründet dies einerseits mit seinem mehr als zweijährigen unrechtmäßigen Verbleiben in Österreich (ohne daß er eine Aufenthaltsbewilligung erlangen könnte), andererseits mit seinem Verstoß gegen strafrechtliche Normen. Bezüglich des letzteren verweist der angefochtene Bescheid auf eine rechtskräftige Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien.
Die belangte Behörde hat aber nähere Feststellungen über das dieser strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegende Fehlverhalten - das von ihr eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen ist - nicht getroffen.
Solche Feststellungen wären aber im Fall des Beschwerdeführers, dem wegen seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich sowie seiner familiären Bindungen (beides wird im angefochtenen Bescheid festgestellt) ein hoher Grad an Integration in Österreich zuzubilligen ist, erforderlich gewesen, um dem Verwaltungsgerichtshof eine Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes hin zu erlauben; die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, daß die Ausweisung des Beschwerdeführers im Lichte des § 19 FrG dringend geboten sei, ist somit nicht nachvollziehbar. Der festgestellte Sachverhalt bedarf daher in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung.
Aufgrund dessen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b sowie - aufgrund der sich aus der mangelhaften Sachverhaltsfeststellung ergebenden unzureichenden Begründung - § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
2. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil zum einen der Schriftsatzaufwand nach der genannten Verordnung S 12.500,-- beträgt (die USt. ist in diesem Pauschalbetrag bereits enthalten) und zum anderen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von
S 390,-- (drei Beschwerdeausfertigungen zu je S 120,--, einer Bescheidausfertigung S 30,--) zu entrichten waren.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995181346.X00Im RIS seit
11.07.2001