TE Vwgh Beschluss 1996/12/18 95/15/0104

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.12.1996
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art116 Abs1;
B-VG Art116 Abs2;
B-VG Art118;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art133 Z1;
B-VG Art144 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der Stadtgemeinde X, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 13. Juni 1995, Zl. II/1-BE-533-82/2-95, betreffend Kommunalsteuer (mitbeteiligte Partei: B in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der belangten Behörde Aufwendungen von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung der Mitbeteiligten gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde X vom 3. Oktober 1994 Folge, hob den angefochtenen Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde. Begründend wurde im wesentlichen dargelegt, der Bürgermeister der Stadtgemeinde X habe der Mitbeteiligten mit Bescheid vom 6. Mai 1994 Kommunalsteuer für Jänner 1994 bis März 1994 vorgeschrieben. In der Berufung der Mitbeteiligten sei vorgebracht worden, daß sich aus dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Großbritannien eine Befreiung der Mitbeteiligten von der Kommunalsteuer ergebe. Der Gemeinderat habe die Berufung als unbegründet abgewiesen. Er habe die Auffassung vertreten, aus dem Doppelbesteuerungsabkommen ergebe sich lediglich eine Befreiung für dem Wesen nach gleichartige Nachfolgesteuern der Lohnsummensteuer; diese Gleichartigkeit sei im Hinblick auf wesentliche Unterschiede zwischen der Kommunalsteuer und der früheren Lohnsummensteuer nicht gegeben. Die belangte Behörde gelangte auf Grund des näheren dargelegter Überlegungen zur Auffassung, die Kommunalsteuer sei eine der seinerzeitigen Lohnsummensteuer ähnliche Steuer im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens; die Mitbeteiligte sei daher von der Kommunalsteuer in gleicher Weise befreit wie dies für die Lohnsummensteuer gegolten habe. Die Mitbeteiligte sei durch den angefochtenen Bescheid in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt; der Vorstellung müsse daher Folge gegeben werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. In der Beschwerde wird unter der Überschrift "Beschwerdepunkte" folgendes dargelegt:

"Die Beschwerdeführerin ist durch den Bescheid des Landeshauptmannes für Niederösterreich vom 13. Juni 1995 in ihrem Recht auf Selbstverwaltung im Sinne des Art. 116 Abs. 1 iVm Art. 119a B-VG, insbesondere in ihrem Recht auf selbständige Führung des Haushaltes und auf Ausschreibung von Abgaben im Sinne des § 1 Abs. 2 der NÖ Gemeindeordnung verletzt."

In der Gegenschrift der belangten Behörde wird geltend gemacht, diese habe mit dem angefochtenen Bescheid der Vorstellung der Mitbeteiligten Folge gegeben, den angefochtenen Berufungsbescheid betreffend Kommunalsteuer aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen. Keineswegs habe sie jedoch ausgesprochen, daß die verfahrensgegenständliche Angelegenheit nicht im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde vollzogen werden dürfe; eine Verletzung des den Gemeinden bundesverfassungsgesetzlich garantierten Rechtes auf Selbstverwaltung sei somit ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund sei die behauptete Verletzung des Rechtes der Beschwerdeführerin auf selbständige Führung des Haushaltes und auf Ausschreibung von Abgaben nach § 1 Abs. 2 der NÖ Gemeindeordnung durch den aufsichtsbehördlichen Bescheid nicht denkbar. Die Beschwerdeführerin könnte sich allenfalls in ihrem Recht auf Bemessung und Festsetzung der Kommunalsteuer gegenüber der Mitbeteiligten verletzt erachten, doch werde die Verletzung eines solchen Rechtes nicht behauptet.

Mit diesen Darlegungen ist die belangte Behörde im Recht.

Mit den oben wiedergegebenen Darlegungen hat die Beschwerdeführerin den Beschwerdepunkt im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG bezeichnet, durch den der Prozeßgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt wird, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gemäß § 41 Abs. 1 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers verletzt wurde, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. Nr. 11525/A). Eine ausdrückliche und unmißverständliche Bezeichnung des Beschwerdepunktes ist einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde nicht mehr zugänglich (vgl. z. B. den Beschluß vom 4. November 1994, Zl. 94/16/0210).

Nach Art. 133 Z. 1 B-VG sind die Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören, von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen. Nach Art. 144 Abs. 1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden einschließlich der Unabhängigen Verwaltungssenate, soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Es fällt somit die Entscheidung über eine Beschwerde, in der ausschließlich die Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes behauptet wird, wobei der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG in seiner Prüfungsbefugnis auf den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Beschwerdepunkt beschränkt ist, nicht in die Zuständigkeit dieses Gerichtshofes (vgl. z.B. den Beschluß vom 8. Juli 1992, Zl. 92/03/0085, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Art. 116 Abs. 1 zweiter Satz B-VG lautet:

"Die Gemeinde ist Gebietskörperschaft mit dem Recht auf Selbstverwaltung und zugleich Verwaltungssprengel."

Art. 116 Abs. 2 B-VG lautet:

"Die Gemeinde ist selbständiger Wirtschaftskörper. Sie hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben sowie im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben."

Sowohl beim Recht auf Selbstverwaltung (vgl. Art. 116 Abs. 1 B-VG) als auch beim Recht auf selbständige Führung des Hauhaltes und Ausschreibung von Abgaben (vgl. Art. 116 Abs. 2 B-VG) handelt es sich um verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte. Mit der vorliegenden Beschwerde wird somit ausschließlich die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend gemacht. Der Verwaltungsgerichtshof ist somit zur Erledigung der Beschwerde unzuständig.

Der Vollständigkeit halber ist auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Selbstverwaltungsrechtes einer Gemeinde nur dann und insoweit vorliegt, als eine staatliche Behörde eine Maßnahme trifft, mit der das Recht der Gemeinde auf Besorgung einer bestimmten Angelegenheit im eigenen Wirkungsbereich schlechthin verneint wird (VfSlg. 7459, 8411, 11633 u.a.). Davon ausgehend kann nicht gesagt werden, daß ein auf der Grundlage der Rechtsauffassung, es bestehe eine Befreiung der Mitbeteiligten von der Kommunalsteuer, ergangener aufhebender Vorstellungsbescheid geeignet wäre, in das Recht auf Selbstverwaltung einzugreifen. Ebensowenig kann davon die Rede sein, daß ein solcher Bescheid geeignet wäre, in das Recht auf selbständige Führung des Haushaltes und der Ausschreibung von Abgaben (vgl. hiezu VfSlg. 5359, 5559, 5855, 5961) einzugreifen.

Im Hinblick auf das oben Gesagte war die Beschwerde wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Angelegenheiten die zur Zuständigkeit des VfGH gehören (B-VG Art133 Z1) Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995150104.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten