TE Bvwg Beschluss 2021/8/26 W253 2141133-1

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Veröffentlicht am 26.08.2021
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Entscheidungsdatum

26.08.2021

Norm

AsylG 2005 §24 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W253 2141133-1/23E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Jörg Clemens Binder als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen, vom 02.11.2016, Z. XXXX , beschlossen:

A)

Das Verfahren wird eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist volljähriger afghanischer Staatsangehöriger und stellte am 06.07.2015 ein Gegenständeantrag auf internationalen Schutz.

2. Im Zuge seiner Erstbefragungen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 07.07.2015 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, muslimischer Paschtune zu sein und aus XXXX zu stammen. Er habe keine Ausbildung absolviert und zuletzt als Schweißer gearbeitet. Hinsichtlich seiner Familienangehörigen führte der Beschwerdeführer aus, dass sein Vater bereits verstorben wäre und seine Mutter ein Bruder und zwei Schwestern im Herkunftsland leben würden. Der Beschwerdeführer sei vor drei Monaten von Afghanistan über den Iran, die Türkei und weitere unbekannte Länder nach Österreich geflüchtet. Zu seinen Fluchtgründen befragt führte der Beschwerdeführer aus, dass er bei der Tankstelle seines Onkels gearbeitet habe. Die Taliban hätten bereits seinen Vater und seinem Bruder getötet und schließlich von ihm verlangt, dass er für sie arbeite. Dieses Angebot habe er abgelehnt und sei deswegen ausgereist. Im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan befürchte er von den Taliban getötet zu werden.

3. Am 18.10.2016 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. In dieser Einvernahme führte der Beschwerdeführer aus, dass noch ein Onkel von ihm in Kapisa leben würde, er jedoch zu diesem keinen Kontakt habe. Hin und wieder würde sich seine Mutter, wenn diese nach Kabul fährt, bei ihm telefonisch melden. Der Onkel, mit dem er die Tankstelle betrieben habe, sei mit seiner Familie in die Türkei geflohen. Zu seiner Glaubensrichtung befragt, gab der Beschwerdeführer an, sunnitischer Moslem zu sein. Eine Verfolgung aufgrund seiner Religionszugehörigkeit, seiner Rasse oder seiner Zugehörigkeit seiner sozialen Gruppe verneinte der Beschwerdeführer ausdrücklich. Ebenso verneinte der Beschwerdeführer eine persönliche Bedrohung. Er gab lediglich an, dass ihm der Mullah mitgeteilt habe, dass die Taliban nach ihm suchen würden. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe führt der Beschwerdeführer aus, dass er gemeinsam mit seinem Onkel in einer Tankstelle gearbeitet habe und sie Geschäftspartner gewesen seien. Der Onkel habe einen Zulieferervertrag für Öl gehabt und hätte dieser Zulieferer auch die Amerikaner versorgt. Die Taliban seien deshalb an den Beschwerdeführer und dessen Onkel herangetreten, weil die Vermutung bestanden habe, dass der Beschwerdeführer und sein Onkel selbst die Amerikaner mit Öl beliefern würden. Nach dem Tod des Onkels sei der Beschwerdeführer für alles selbst zuständig gewesen. In der Moschee habe der Mullah ihm mitgeteilt, dass die Taliban schon mehrfach bei diesem vorstellig gewesen wären und gefordert hätten, dass der Onkel und der Beschwerdeführer den Betrieb der Tankstelle einstellen sollen. Darüber hinaus habe es im Ort noch eine Polizeimiliz (Arbacki) gegeben, welche für die Sicherheit im Gebiet zuständig gewesen sei. Diese Miliz habe sich laufend Gefechte mit den Taliban geliefert. Die Milizionäre hätten ebenfalls vom Beschwerdeführer verlangt, dass er sich ihnen anschließe. Sowohl die Taliban als auch die Milizen hätten im Geld für seine Mitarbeit angeboten. Darüber hinaus hätten die Taliban hin und wieder aus dem Garten des Beschwerdeführers Raketen verschossen. Dies habe wiederum die Miliz veranlasst, auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers Nachschau zu halten und diesen, diesbezüglich zur Rede zu stellen. Auf der anderen Seite wiederum, wären die Taliban immer wieder beim Haus des Beschwerdeführers erschienen, um Lebensmittel zu fordern. Schließlich sei die Situation so schwer geworden, dass ihn sein Onkel, unter dem Vorwand Erledigungen für ihn tätigen zu müssen, nach Kabul geschickt habe. Als er in Kabul angelangt sei, habe ihm der Onkel telefonisch eröffnet, dass er weiter flüchten solle. Zum Tod des Vaters und des Bruders des Beschwerdeführers, führte dieser aus, dass die beiden auf einem Fest, welches von einem Flugzeug bombardiert worden sei, ums Leben gekommen wären.

4. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ihm wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Im Wesentlichen führte das Bundesamt in seinem Bescheid aus, dass die vom Beschwerdeführer geschilderte Bedrohung durch die Taliban oder eine Miliz nicht glaubhaft sei. Darüber hinaus seien keine weiteren relevanten Fluchtgründe zum Vorschein gekommen. Auch liegen keine Gründe vor die es erwarten ließen, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage wäre in Afghanistan erneut eine Beschäftigung aufzunehmen um seine elementaren Lebensbedürfnisse decken zu können.

5. Mit Schriftsatz vom 17.11.2016 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht gegen sämtliche Spruchpunkte des gegenständlichen Bescheides Beschwerde und führte dazu aus, dass im in Afghanistan Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe drohe. Einerseits sei ihm von den Taliban vorgeworfen worden, für die Amerikaner tätig zu sein andererseits sei er auch in den Konflikt zwischen den Taliban und den lokalen Polizeikräften hineingezogen worden. Er habe sich am Kampf nicht beteiligen wollen, da er dies aus Gewissensgründen ablehne. Die Beweiswürdigung des Bundesamtes sei inhaltlich nicht überzeugend und spekulativ. Das Bundesamt habe es unterlassen sich mit dem zentralen Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Unter einem verwies der Beschwerdeführer auf die UNHCR Richtlinien und die darin enthaltenen Gefährdungspotenziale.

6. Am 16.11.2017 und am 31.1.2018 ersuchte der Beschwerdeführer schriftlich um eine positive Entscheidung in seinem Verfahren.

7. Am 20.11.2018 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass die Behörde auf die Teilnahme an der mündlichen Beschwerdeverhandlung verzichte.

8. Am 05.12.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seines Vertreters und einer Dolmetscherin für die Sprache Paschto statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt und ihm Gelegenheit gegeben wurde, diese umfassend darzulegen. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen betreffend seine Integration vor.

9. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde als unbegründet ab und erkannte der VwGH mit Erkenntnis vom 20.08.2019 dass die Revision soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten richte zulässig und begründet sei und hob daher das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes und der darauf aufbauenden Spruchpunkte auf.

10. Am 26.08.2021 erfolgte eine Nachschau im ZMR.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Eine Abfrage des Zentralen Melderegister vom 26.08.21 ergab, dass der Beschwerdeführer bis zum 17.08.2020 über einen aufrecht gemeldeten Wohnsitz im Bundesgebiet verfügt hat. Eine Folgeadresse ist nicht erfasst. Im Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs-und schutzbedürftige Fremde in Österreich ist ebenso kein aktueller Wohnsitz vermerkt.

Im vorliegenden Fall scheint eine aktuelle Anschrift des Beschwerdeführers weder im ZMR noch im Betreuungsinformationssystem über Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung auf.

Der Beschwerdeführer hat seinen aktuellen Aufenthaltsort weder bekannt gegeben, noch ist dieser durch das Bundesverwaltungsgericht leicht feststellbar.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus den Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen Asyl und des Bundesverwaltungsgerichts bzw. insbesondere aus der Meldeauskunft des Zentralmelderegisters und dem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

Die gesetzliche Bestimmung des § 24 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

"Einstellung des Verfahrens

§ 24. (1) Ein Asylwerber entzieht sich dem Asylverfahren, wenn

1.-dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht sein Aufenthaltsort wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflichten gemäß § 13 Abs. 2 BFA-VG, §§ 15 oder 15a weder bekannt noch sonst durch das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht leicht feststellbar ist oder

2.-er das Bundesgebiet freiwillig verlässt, und das Verfahren nicht als gegenstandslos abzulegen ist (§ 25 Abs. 1) oder

3.-er trotz Aufforderung zu den ihm vom Bundesamt im Zulassungsverfahren gesetzten Terminen nicht kommt.

(2) Asylverfahren sind einzustellen, wenn sich der Asylwerber dem Verfahren entzogen hat (Abs. 1) und eine Entscheidung ohne eine allenfalls weitere Einvernahme oder Verhandlung nicht erfolgen kann. Ein eingestelltes Verfahren ist von Amts wegen fortzusetzen, sobald die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes möglich ist. Mit Fortsetzung des Verfahrens beginnt die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG zu laufen. Nach Ablauf von zwei Jahren nach Einstellung des Verfahrens ist eine Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr zulässig. Ist das Verfahren vor dem Bundesamt einzustellen, ist nach § 34 Abs. 4 BFA-VG vorzugehen.

(2a) Bei freiwilliger Abreise des Fremden in den Herkunftsstaat ist das Asylverfahren mit seiner Ausreise einzustellen, es sei denn der Sachverhalt ist entscheidungsreif. Ein eingestelltes Verfahren ist von Amts wegen fortzusetzen, wenn sich der Fremde nach Einstellung nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder einen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Mit Fortsetzung des Verfahrens beginnt die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG oder § 34 Abs. 1 VwGVG zu laufen. Nach Ablauf von zwei Jahren nach Einstellung des Verfahrens ist eine Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr zulässig.

(3) Steht der entscheidungsrelevante Sachverhalt fest und hat sich der Asylwerber dem Verfahren entzogen (Abs. 1), steht die Tatsache, dass der Asylwerber vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht bisher nicht einvernommen wurde, einer Entscheidung nicht entgegen.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2015)"

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer seinen aktuellen Aufenthaltsort weder bekannt gegeben, noch ist diese durch das Bundesverwaltungsgericht leicht feststellbar. Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes ist die persönliche Mitwirkung des Beschwerdeführers im Sinn der Einräumung von Parteiengehör erforderlich (VwGH 03.10.2013, 2013/22/0114). Da diese Mitwirkung jedoch durch die Abwesenheit des Beschwerdeführers nicht möglich ist, war das Verfahren gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 einzustellen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Meldepflicht Mitwirkungspflicht Verfahrenseinstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W253.2141133.1.00

Im RIS seit

28.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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