TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/2 W198 2231386-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.09.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.09.2021

Norm

AlVG §10
AlVG §38
AlVG §9
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W198 2231386-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter KommR Karl MOLZER sowie Mag. Robert STEIER als Beisitzer in der Beschwerdesache von XXXX , vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Thomas MAJOROS, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Währinger Gürtel vom 13.01.2020, VSNR XXXX , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 20.03.2020, GZ: XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 13.08.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Bei der am 03.01.2020 vor dem Arbeitsmarktservice Wien Währinger Gürtel (im Folgenden: AMS) wegen Nichtannahme bzw. Nichtzustandekommen der am 29.11.2019 als Outbound Kundenberater beim Dienstgeber XXXX GesmbH zugewiesenen Beschäftigung aufgenommenen Niederschrift gab Mag. XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) im Wesentlichen zu Protokoll, dass er sich auf den Vermittlungsvorschlag beworben, aber die Bewerbung versehentlich nicht versendet habe. Er bewerbe sich regelmäßig und dokumentiere die Bewerbungen auch in seinem eAMS-Konto. Er habe sich auf verfahrensgegenständlichen Vermittlungsvorschlag beworben, diesen im eAMS-Konto hochgeladen, aber versehentlich nicht verschickt. Ihm sei dieser Fehler bewusst, aber Fehler würden passieren und er hoffe, dass ihm deswegen die Geldleistung nicht gestrichen werde, da er dies keinesfalls absichtlich gemacht habe.

2. Mit Bescheid des AMS vom 13.01.2020, VSNR XXXX , wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 iVm § 10 AlVG für den Zeitraum 13.12.2019 bis 23.01.2020 verloren hat. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine vom AMS zugewiesene, zumutbare Beschäftigung bei der XXXX GesmbH nicht angenommen habe, da er keine Bewerbung zwecks Vorauswahl übermittelt habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen lägen nicht vor bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 22.01.2020 fristgerecht Beschwerde. Darin führte er aus, dass er am 29.11.2019 einen Vermittlungsvorschlag der XXXX GesmbH erhalten habe, auf den er sich selbstverständlich umgehend beworben habe. Diese Bewerbung habe am 05.12.2019 stattgefunden. Wie in dem der Beschwerde angefügten Screenshot ersichtlich sei, habe er sich – im Gegensatz zu den Ausführungen im angefochtenen Bescheid – sehr wohl beworben und die Bewerbung auch an die Abteilung für „Beratung und Vermittlung“ des AMS gesendet. Der Beschwerdeführer wolle festhalten, dass er absolut willig und bereit sei, eine Arbeit anzunehmen und bewerbe er sich für alle Vermittlungsvorschläge, die er vom AMS erhalte.

4. Im Verfahren über die Beschwerde erließ das AMS als belangte Behörde gemäß
§ 14 VwGVG iVm § 56 AlVG eine mit 20.03.2020 datierte Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde abgewiesen wurde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Bewerbung zwar verfasst und an sein eAMS-Konto übermittelt, jedoch nicht an die im Vermittlungsvorschlag angeführte Adresse versandt habe. Dieses Vorgehen entspreche nicht einem regulären Bewerbungsverlauf. Der Beschwerdeführer habe dafür Sorge zu tragen, dass die Bewerbung an die richtige Stelle versendet werde. Er habe bei der Bewerbung nicht die nötige Sorgfalt walten lassen und habe er sohin eine Vereitelungshandlung gesetzt.

5. Mit Schreiben vom 01.04.2020 stellte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Antrag auf Vorlage. Darin führte er aus, dass er seine Bewerbung irrtümlich an die Abteilung „Beratung und Vermittlung“ des AMS gesendet habe. Dies sei keinesfalls vorsätzlich oder mit der Absicht, eine Vereitelungshandlung zu setzen, geschehen. Er habe sich auf alle anderen Vermittlungsvorschläge, die ihm das AMS zugesendet hat, korrekt beworben und sei die Bewerbung im gegenständlichen Fall lediglich aus Versehen falsch, nämlich an das AMS und nicht an den potentiellen Dienstgeber, übermittelt worden. Abgesehen davon hätte die Abteilung „Beratung und Vermittlung“, die die Bewerbung nachweislich rechtzeitig erhalten habe, die Bewerbung an die entsprechende Kontaktperson weiterleiten müssen. Wenn überhaupt, liege lediglich ein fahrlässiges Handeln vor, das eine Sperre nicht rechtfertige.

6. Der Vorlageantrag und die Beschwerde wurden gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 29.05.2020 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

7. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde in der gegenständlichen Rechtssache am 13.08.2021 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchgeführt, an der der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung sowie ein Vertreter der belangten Behörde persönlich teilnahmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stand zuletzt seit 26.04.2017 im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, unterbrochen lediglich durch ein kurzes Dienstverhältnis bei Itworks von 23.04.2019 bis 17.07.2019. Zuletzt stand er seit 02.08.2019 im Notstandshilfebezug.

Laut der zwischen dem AMS und dem Beschwerdeführer abgeschlossenen Betreuungsvereinbarung vom 29.11.2019 wird der Beschwerdeführer vom AMS bei der Suche nach einer Stelle als Callcenter-Agent bzw. Sachbearbeiter (Referent) und im allgemeinen Hilfsbereich gemäß der Notstandshilfeverordnung in den gewünschten Arbeitsorten Wien, 3400 Klosterneuburg, 2100 Korneuburg, 2103 Langenzersdorf im
Voll-/Teilzeitausmaß unterstützt. Der Beschwerdeführer hat sich verpflichtet, sich auf Stellenangebote, die ihm das AMS zuweist, umgehend zu bewerben und innerhalb von acht Tagen dem AMS über die Bewerbung Rückmeldung zu geben.

Am 29.11.2019 wurde dem Beschwerdeführer vom AMS die verfahrensgegenständliche Vollzeitstelle als Outbound Kundenberater beim Dienstgeber XXXX GesmbH zugewiesen. Aus dem Vermittlungsvorschlag geht hervor, dass das Service für Unternehmen im AMS eine Vorauswahl durchführt und eine schriftliche Bewerbung (bevorzugt per Email) zu erfolgen hat. Konkret wurde ausgeführt, dass eine Bewerbung per Email an die Emailadresse XXXX bzw. eine Bewerbung per Post an das AMS Redergasse, Fachzentrum Handel, zu Handen Frau XXXX , Redergasse 1, 1050 Wien zu erfolgen hat.

Der Beschwerdeführer hat in der Folge eine Bewerbung verfasst, hat diese am 05.12.2019 jedoch lediglich über sein eAMS-Konto an die Abteilung für Beratung und Vermittlung des AMS geschickt. Er hat die Bewerbung nicht an die im Vermittlungsvorschlag angeführte Email- bzw. Postadresse gesendet.

Aufgrund der Rückmeldung des Service für Unternehmen vom 13.12.2019 erlangte das AMS Kenntnis davon, dass keine Bewerbung des Beschwerdeführers eingelangt ist.

Die Beschäftigung als Outbound Kundenberater wäre dem Beschwerdeführer objektiv zumutbar gewesen. Er wäre daher verpflichtet gewesen, sich in geeigneter Weise auf den zugewiesenen zumutbaren Vermittlungsvorschlag zu bewerben.

Festgestellt wird weiters, dass der Beschwerdeführer durch sein Verhalten das Zustandekommen einer vom AMS angebotenen, kollektivvertraglichen Beschäftigung kausal vereitelt hat. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen liegen nicht vor.

Der Beschwerdeführer wurde während seines Leistungsbezuges vom AMS über die Rechtsfolgen gemäß § 10 AlVG informiert.

2. Beweiswürdigung:

Die Zeiten des Bezuges von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sowie das Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Versicherungsverlauf.

Die Betreuungsvereinbarung vom 29.11.2019 liegt im Akt ein.

Die Feststellungen hinsichtlich des Vermittlungsvorschlags als Outbound Kundenbetreuer ergeben sich aus dem vorliegenden Stellenangebot.

Seitens des Beschwerdeführers wird nicht bestritten, dass er die Bewerbung nicht an die richtige Stelle gesendet hat. Er gab sowohl in der Einvernahme vor dem AMS am 03.01.2020 als auch in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht selbst an, dass er einen Fehler gemacht habe. In der Verhandlung wurde ihm vorgehalten, dass es seitens des AMS bereits viele Vermittlungsvorschläge an den Beschwerdeführer gegeben habe, es von den 11 anderen Stellenvorschlägen im Jahr 2019 keine negativen Rückmeldungen von den potentiellen Dienstgebern gegeben hätte, sich der Beschwerdeführer sohin offensichtlich sonst immer in der richtigen Art und Weise beworben habe und wurde er gefragt, warum er sich bei gegenständlicher Stellenzuweisung nicht in gleicher Art und Weise bei der richtigen Stelle beworben habe und gab er darauf an: „Es ist ein Fehler passiert.“

Der Sachverhalt wurde in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen außer Streit gestellt; es handelt sich gegenständlich um die Beurteilung einer reinen Rechtsfrage, nämlich dahingehend, ob bloß fahrlässiges Verhalten oder bedingter Vorsatz vorliegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin das AMS
Wien Währinger Gürtel.

§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung des § 56 Abs. 2 AlVG normiert ist, dass über Beschwerden gegen Bescheide der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehören, zu entscheiden ist, liegt im vorliegenden Fall Senatszuständigkeit mit Laienrichterbeteiligung vor.

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, dh bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein. (vgl. zB VwGH 19.09.2007, 2006/08/0157, mwN und jüngst VwGH 08.09.2014, Zl. 2013/08/0005)

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht. Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war.

Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. VwGH 18.11.2009, Zl. 2009/08/0228; 26.10.2010, Zl. 2008/08/0244 sowie jüngst VwGH 15.10.2015, Zl. Ro 2014/08/0042).

Während § 9 AlVG den Begriff der Arbeitswilligkeit definiert und Kriterien für die Bestimmung der Zumutbarkeit einer durch das Arbeitsmarktservice bzw. einen von diesem beauftragten Arbeitsvermittler vermittelten Beschäftigung bzw. Nach(Um)schulung oder Wiedereingliederungsmaßnahme enthält, sanktioniert § 10 AlVG durch befristeten Leistungsausschluss das Verhalten desjenigen, der die Beendigung des Zustandes der Arbeitslosigkeit schuldhaft zu vereiteln sucht. Wenn ein Arbeitsloser somit eine zumutbare Beschäftigung im Sinne des § 9 AlVG nicht annimmt bzw. die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, so führt dies gemäß § 10 AlVG zum temporären Verlust des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe.

Der Beschwerdeführer wurde seitens des AMS über die Rechtsfolgen gemäß § 10 AlVG informiert.

Die Beschäftigung als Outbound Kundenbetreuer war zumutbar im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen, zumal die zugewiesene Beschäftigung sämtlichen Bestimmungen gemäß § 9 Abs. 2 AlVG entsprochen hat. Die Zumutbarkeit wurde auch im gesamten Verfahren vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Der Beschwerdeführer wäre daher verpflichtet gewesen, sich in geeigneter Weise auf den zugewiesenen zumutbaren Vermittlungsvorschlag zu bewerben.

Den Feststellungen folgend hat der Beschwerdeführer zwar eine Bewerbung verfasst, er hat diese am 05.12.2019 jedoch lediglich über sein eAMS-Konto an die Abteilung für Beratung und Vermittlung des AMS geschickt. Er hat die Bewerbung nicht an die im Vermittlungsvorschlag angeführte Email- bzw. Postadresse gesendet.

Der Beschwerdeführer hat dadurch, dass er die Bewerbung nicht an die richtige Stelle versendet hat, seinen Unwillen, die angebotene Beschäftigung anzutreten, deutlich zum Ausdruck gebracht und hat er sich in Bezug auf die konkret angebotene Beschäftigung nicht arbeitswillig gezeigt. Die Verhängung der Sperrfrist erfolgte schon aus dem Grund, weil der Beschwerdeführer kein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln entfaltet hat. Durch die Versendung der Bewerbungsunterlagen an die falsche Stelle hat er eine Vereitelungshandlung iSd § 10 AlVG gesetzt.

Zur Kausalität ist auszuführen, dass hierbei nicht Voraussetzung ist, dass das Beschäftigungsverhältnis ohne die Vereitelungshandlung in jedem Fall zustande gekommen wäre (vgl. VwGH 20.9.2006, Zl. 2005/08/0106). Vielmehr ist Kausalität dann gegeben, wenn die Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses aufgrund der Vereitelungshandlung jedenfalls verringert wurden (vgl. VwGH 15.10.2014, Zl. Ro 2014/08/0042), was im gegenständlichen Fall als gegeben anzusehen ist und wurde das Vorliegen der Kausalität in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auch außer Streit gestellt.

Zum Frage des Vorliegens des bedingten Vorsatzes ist wie folgt auszuführen: Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, auf die Frage, wann ihm sein – von ihm selbst eingestandener - Fehler, dass er die Bewerbung an die falsche Stelle verschickt habe, bewusst gewesen sei, angegeben hat, dass dies im Dezember 2019 der Fall gewesen sei. Ihm ist sein Fehler sohin nicht erst im Zuge der Einvernahme vor dem AMS am 03.01.2020 bewusst geworden. Zum Zustandekommen des eingestandenen Fehlers ist auszuführen, dass sich aus einer eAMS-Nachricht des Beschwerdeführers an seine Beraterin vom 16.12.2019 (Anhang 36 des vorgelegten Verwaltungsaktes) ergibt, dass sich der Beschwerdeführer im Moment, als er die Bewerbung in das eAMS-Konto hochgeladen hat, bewusst war, dass er die Bewerbung am nächsten Tag an die zuständige, im Vermittlungsvorschlag genannte, Person zu schicken hat. Aus dieser Nachricht vom 16.12.2019 ergibt sich der Eindruck, dass der Beschwerdeführer zuerst die Bewerbung über das eAMS-Konto an seine Beraterin schicken wollte um einen Nachweis für eine erfolgte Bewerbung vorzulegen, die er zu diesem Zeitpunkt jedoch noch gar nicht getätigt hat. Er hat sozusagen die übliche Vorgehensweise, wonach zuerst die Bewerbung an den potentiellen Dienstgeber geschickt wird und dann ein Nachweis für die erfolgte Bewerbung über das eAMS-Konto an den AMS-Berater gesendet wird, im gegenständlichen Fall umgedreht. Es ist daher vom Vorliegen eines bedingten Vorsatzes auszugehen, weil der Beschwerdeführer offensichtlich sein Bewerbungsverhalten abgeändert hat. Er hat sich überdies nicht umgehend beworben, sondern erfolgte die Bewerbung (an die falsche Stelle) erst am 05.12.2019. Der Beschwerdeführer hätte sich jedoch auch unmittelbar nach der Stellenzuweisung bewerben müssen und nicht erst 7 Tage später. Er hat sein Bewerbungsverhalten so gestaltet, dass er nicht alles in einem Zug unverzüglich erledigt hat, sondern offenbar zuerst seiner AMS-Beraterin geschrieben und sich für den nächsten Tag vorgenommen hat, die Bewerbung an die korrekte Stelle zu schicken, was er dann jedoch unterlassen hat. Durch diesen unnötig und unbegründet verkomplizierten Vorgang nahm der Beschwerdeführer jedenfalls billigend in Kauf, dass er auf die Versendung der Bewerbung an die richtige Stelle am nächsten Tag vergisst.

Aus einem Vermerk des AMS vom 16.12.2019 über ein Telefonat mit dem Beschwerdeführer (Anhang 41 des vorgelegten Verwaltungsaktes) geht überdies hervor, dass sich der Beschwerdeführer darüber beklagte, dass er mit Vermittlungsvorschlägen des AMS bombardiert werde, er zu nichts anderem mehr komme und er sich gerne auf seinen Englischkurs, den er ab 09.12.2019 besuchte, konzentrieren würde. Aus diesem Vermerk vom 16.12.2019 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer die gegenständliche Bewerbung im Zeitraum des bevorstehenden Englischkurses nicht mit der erforderlichen Ernsthaftigkeit getätigt hat.

Es ist sohin bedingter Vorsatz im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung gegeben.

Zu der im Vorlageantrag zitierten Judikatur des BVwG vom 20.04.2016, L511 2123009-1/12E, ist auszuführen, dass laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Arbeitsloser seine Arbeitswilligkeit in Bezug auf einen konkreten Stellenvorschlag durch aktives Handeln, das heißt durch Verfassen und Abschicken einer Bewerbung, zeigt. Es muss also ein nach außen tretendes Handeln vorliegen. Eine eAMS-Nachricht an die eigene AMS-Beraterin kann daher kein nach außen tretendes Handeln darstellen. Insofern ist zu der im Vorlageantrag zitierten Judikatur des BVwG vom 20.04.2016, L511 2123009-1/12E, zu sagen, dass sich diese darauf bezieht, dass sich Bewerber beim Abschicken einer Bewerbung allenfalls bei der
Email-Adresse vertippen, jedoch ist davon nicht abgedeckt, wenn Bewerber Bewerbungen an komplett falsche Adressen adressieren oder - wie im gegenständlichen Fall - gar keine Bewerbung nach außen tritt. Wenn darauf verwiesen wird, dass das AMS die Bewerbung weiterleiten hätte müssen, ist festzuhalten, dass eine erfolgreiche Bewerbung ein aktives Handeln des Arbeitslosen darstellen muss. Es gibt keine Verpflichtungen für das AMS Bewerbungen für Kunden zu tätigen. Das Weiterleiten von Bewerbungsunterlagen würde aber genau dazu führen, dass schlussendlich das AMS die Bewerbung für den Beschwerdeführer tätigt.

Bei dieser Sachlage konnte die belangte Behörde als Ergebnis ihrer nachvollziehbaren Begründung zu Recht die Erfüllung des Tatbestandes des § 10 Abs. 1 AlVG sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht bejahen.

Nach § 10 Abs. 3 AlVG ist der Verlust des Anspruches in berücksichtigungswürdigen Fällen wie z.B. bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.

Berücksichtigungswürdig im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Gründe, die dazu führen, dass der Ausschluss vom Bezug der Leistung den Arbeitslosen aus bestimmten Gründen unverhältnismäßig härter träfe, als dies sonst allgemein der Fall ist (vgl. VwGH 26.01.2010, 2008/08/0018; 15.05.2013, 2010/08/0257; 25.06.2013, 2012/08/0236). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 02.04.2008, 2007/08/0234, mwN) kann ein berücksichtigungswürdiger Fall im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG nur dann vorliegen, wenn der Arbeitslose in der Folge entweder selbst ein Verhalten gesetzt hat, welches den potenziellen Schaden ganz oder teilweise wieder beseitigt (also insbesondere durch alsbaldige tatsächliche Aufnahme einer anderen Beschäftigung), oder wenn ihm sein Verhalten ausnahmsweise aus besonderen (jedenfalls nicht auf Dauer vorliegenden und auch die Verfügbarkeit oder die Arbeitsfähigkeit nicht ausschließenden) Gründen im Einzelfall nicht vorgeworfen werden kann. Es kommt dabei aber nicht auf persönliche finanzielle Umstände an (wie etwa Sorgepflichten, vgl. VwGH 16.05.1995, 94/08/0150, 04.09.2013, 2011/08/0201; 20.10.2010, 2007/08/0231, 12.09.2012, 2009/08/0247). Weder der festgestellte Sachverhalt noch der vorgelegte Verwaltungsakt (insbesondere auch die Beschwerde/der Vorlageantrag des Beschwerdeführers) bieten Anhaltspunkte für das Vorliegen von Nachsichtsgründen im Sinn des § 10 Abs. 3 AIVG. Festzuhalten ist zudem, dass in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht das Nichtvorliegen von Nachsichtgründen außer Streit gestellt wurde.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Anspruchsverlust Bewerbung Kausalität Notstandshilfe Sperrfrist Vereitelung zumutbare Beschäftigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W198.2231386.1.00

Im RIS seit

28.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten