Entscheidungsdatum
08.09.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W205 2245931-1/3E
W205 2245931-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA über die Beschwerde von Herrn XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.05.2021, Zl. 307812205/210609425, beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG als verspätet zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA wurde dem Beschwerdeführer I. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, II. gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen; III. gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig ist; IV. gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen; sowie V. gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt; VI. einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Der Bescheid enthält eine Rechtsmittelbelehrung sowohl in deutscher Sprache als auch in der Muttersprache des Beschwerdeführers, diese weist ua auf die Beschwerdefrist von vier Wochen hin (AS 67-71).
2. Dieser Bescheid wurde laut eh unterfertigter Übernahmsbestätigung am 31.05.2021 vom Beschwerdeführer persönlich übernommen (AS 95).
3. Der Beschwerdeführer erhob durch seinen Rechtsvertreter (BBU) mit Schriftsatz vom 26.08.2021 Beschwerde und brachte unter einem einen – näher begründeten - Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ein, welcher Schriftsatz am Donnerstag, dem 26.08.2021 bei der Behörde eingebracht wurde.
In diesem Schriftsatz räumte der Beschwerdeführer ein, dass ihm der angefochtene Bescheid am 31.05.2021 persönlich zugestellt worden sei und führte in der Folge ua. seine Wiedereinsetzungsgründe aus (AS 102).
4. Die beim BFA mit diesem Schriftsatz eingebrachte Beschwerde samt Wiedereinsetzungsantrag wurde dem Bundesverwaltungsgericht samt Verwaltungsakt – ohne dass über den Wiedereinsetzungsantrag abgesprochen worden wäre – vom BFA mit Schreiben vom 30.08.2021vorgelegt und ist hg. am 01.09.2021 eingelangt,
5. Mit Schreiben vom 30.08.2021 teilte das BFA dem Beschwerdeführer mit, dass die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Zustellung des oben näher bezeichneten angefochtenen Bescheides erfolgte durch eigenhändige Übernahme des – zu diesem Zeitpunkt unvertretenen - Beschwerdeführers am Montag, dem 31.05.2021. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde am Donnerstag, dem 26.08.2021 bei der Behörde eingebracht. Auf die vierwöchige Beschwerdefrist wurde in der Rechtmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides hingewiesen.
2. Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen stützen sich auf die unter Punkt I. angegebenen Stellen im Verfahrensakt und das eigene Vorbringen des Beschwerdeführers.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Verspätung der Beschwerde:
Zu Spruchpunkt A. II) Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung
3.1. Gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen.
Gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 VwGVG iVm Art 132 Abs. 1 Z 1 B-VG beginnt die Beschwerdefrist, da der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt (und nicht mündlich verkündet) wurde, mit dem Tag der Zustellung.
Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Gemäß § 33 Abs. 2 AVG ist, wenn das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Karfreitag fällt, der nächste Werktag der letzte Tag der Frist. Eine nach Wochen bestimmte Frist endet demnach um Mitternacht (24.00 Uhr) des gleich bezeichneten Tages der letzten Woche der Frist (VwGH 18.10.1996, 96/09/0153 mwN im Erkenntnis).
Im vorliegenden Fall wurde der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer am Montag, dem 31.05.2021, persönlich ausgehändigt. Der Beginn der vierwöchigen Rechtsmittelfrist wurde dadurch ausgelöst. Die vierwöchige Beschwerdefrist endete demnach, unter Berücksichtigung der §§ 32, 33 AVG mit Ablauf des Montags, dem 28.06.2021. Die im Zuge des Wiedereinsetzungsantrags erhobene Beschwerde vom 26.08.2021, eingebracht am 26.08.2021, wurde somit verspätet eingebracht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage der Verspätung eines Rechtsmittels unabhängig von einem bloß anhängigen, aber noch nicht entschiedenen Wiedereinsetzungsantrag sogleich auf Grund der Aktenlage zu entscheiden (vgl. VwGH 12.7.2019, Ra 2018/14/0240, mwN). Wird die Wiedereinsetzung später bewilligt, tritt die Zurückweisungsentscheidung von Gesetzes wegen außer Kraft (vgl. VwGH 9.9.2015, Ra 2015/03/0032, mwN; VwGH 21.04.2020, Ra 2020/11/0026 ).
Die Beschwerde war daher gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückzuweisen.
3.2. Was den gleichzeitig mit der Beschwerde eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers vom 26.08.2021 betrifft, ist folgendes auszuführen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des VwGVG zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in der seit 01.07.2021 geltenden Fassung lauten:
„§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(….)
(3) In den Fällen des Abs. 1 ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen und zwar bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde und ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht; ein ab Vorlage der Beschwerde vor Zustellung der Mitteilung über deren Vorlage an das Verwaltungsgericht bei der Behörde gestellter Antrag gilt als beim Verwaltungsgericht gestellt und ist diesem unverzüglich vorzulegen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,
bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(…)
(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.
Aus diesen Bestimmungen geht hervor, dass im Beschwerdefall das BFA für die Entscheidung über den gleichzeitig mit der Beschwerde eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag zuständig ist, weil der Antrag vor Beschwerdevorlage (und Mitteilung darüber) gestellt wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - zu der in dieser Hinsicht vergleichbaren Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 109/2021 - in seinem Erkenntnis VwGH 17.03.2021, Ra 2020/15/0126, unter Hinweis auf VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013, ausgeführt, dass die belangte Behörde durch Vorlage des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keinen Übergang der Entscheidungspflicht auf das Verwaltungsgericht herbeiführen kann. Maßgeblich für die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist, ob dieser vor Vorlage der Beschwerde gestellt wurde oder erst danach. Für einen vor Vorlage der Beschwerde gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bleibt die belangte Behörde auch nach Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht weiterhin zuständig, zumal es andernfalls vom bloßen Willen der belangten Behörde abhängen würde, sich der sie gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG treffenden Entscheidungspflicht zu entledigen und dem Antragsteller mit dieser Vorgehensweise zugleich eine Rechtsmittelinstanz zu entziehen. Eine andere Auslegung würde bedeuten, dass es unabhängig von einer diesbezüglichen Antragstellung durch den Wiedereinsetzungswerber einzig und allein im Belieben der vor Vorlage der Beschwerde unzweifelhaft zuständigen Behörde stünde, durch Vorlage der Beschwerde einen Übergang der Zuständigkeit für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag auf das Verwaltungsgericht herbeizuführen und damit nach Wahl der Behörde, ohne weitere gesetzliche Vorgaben und unabhängig von einem entsprechenden Parteienantrag einen Wechsel der Zuständigkeit von der Verwaltungsbehörde zum Verwaltungsgericht verbunden mit dem Verlust einer Instanz herbeizuführen. Eine derartige Absicht ist dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen.
Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist wir daher das BFA zu entscheiden haben.
3.3. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage nicht von besonderer Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12).
Vor dem Hintergrund, dass die gegenständliche Beschwerde bereits auf Grund des mit der Aktenlage in Einklang stehenden Vorbringens als verspätet zurückzuweisen war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Rechtsmittelfrist Verspätung Zurückweisung ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W205.2245931.2.00Im RIS seit
28.10.2021Zuletzt aktualisiert am
28.10.2021