Entscheidungsdatum
08.09.2021Norm
ASVG §101Spruch
W178 2177913-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin. Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde der Frau XXXX , vertreten durch den NÖ Landesverein für Sachwalterschaft und Bewohnervertretung, Vereinssachwalterin XXXX , diese vertreten durch RA Mag. Johann Juster, gegen die Bescheide der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) Landesstelle Niederösterreich vom 09.04.2018, GZ. jeweils Zl. NPLR/ XXXX , betreffend Anträge nach § 101 ASVG betreffend Waisenpension nach ihrer verstorbenen Mutter XXXX und ihrem verstorbenen Vater, XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Anträgen vom 24.05.2017 begehrte Frau XXXX , geboren am XXXX (in weiterer Folge: Beschwerdeführerin, Bf) vertreten durch ihre Sachwalterin, die Zuerkennung einer Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus. Zur Begründung wurde angeführt, dass erhöhte Familienbeihilfe zugesprochen worden sei und aus diesem Gutachten eine Erwerbsunfähigkeit hervorgehe, werde der Antrag auf Waisenpension nach Mutter und Vater gestellt.
2. Zuvor war mit rechtskräftigen Bescheiden vom 06.05.2005 der Antrag vom 15.07.2004 auf Zuerkennung der Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus nach der am 02.01.1995 verstorbenen Mutter bzw. nach dem am 17.01.1980 verstorbenen Vater rechtskräftig abgelehnt worden. Die Bf wurde von ihrem Sachwalter vertreten.
Ebenso war der Antrag auf Invaliditätspension mit Bescheid der PVA vom 08.04.2003 abgelehnt worden.
In der Begründung des Bescheides wurde - neben der Zitierung der Gesetzesbestimmung und Rechtsmittelbelehrung– lediglich angeführt, dass die Gewährung einer Waisenpension über das 18.Lebensjahr hinaus abgelehnt werde, weil keine Erwerbsunfähigkeit seit Vollendung des 18. Lebensjahres bestehe.
3. Mit Beschluss des BVwG vom 27.02.2018 wurde aufgrund der Beschwerden der Frau XXXX , geb. XXXX , gegen zwei Bescheide der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Niederösterreich, jeweils vom 15.09.2017, jeweils mit GZ: NLA1 XXXX , betreffend Zurückweisung des Antrages auf Zuerkennung der Waisenpension nach ihren verstorbenen Eltern XXXX die angefochtenen Bescheide behoben.
4. Mit Bescheiden der PVA vom 09.04.2018 wurden die Anträge der Beschwerdeführerin (Bf) nach § 101 ASVG auf rückwirkende Richtigstellung des ablehnenden Bescheides vom 04.05.2005 abgewiesen.
5. Dagegen hat die Bf, vertreten durch den NÖ Landesverein für Sachwalterschaft und Bewohnervertretung, Vereinssachwalterin Mag. XXXX , diese vertreten durch RA Mag. Johann Juster, Beschwerde erhoben. Es wird darin vorgebracht, dass in der Begründung des im Mai 2005 erlassenen Bescheides nur angeführt wurde, dass keine Erwerbsunfähigkeit vorliege und daher die Gewährung der Waisenpension über das 18.Lebensjahr hinaus ausgeschlossen sei. In der Begründung des Bescheides sei das Gutachten von Dr. Erhart Psick vom 10.01.1991 nicht angeführt worden, es habe auch keine Auseinandersetzung damit stattgefunden. Es wird auf das Erkenntnis des VwGH vom 21.12.2005, 2002/08/0281, verwiesen, wonach die Voraussetzungen des § 101 ASVG auch dann erfüllt seien, wenn der maßgebende Sachverhalt nicht ermittelt worden sei. Dem Bescheid der PVA vom Mai 2005 sei die irrige Annahme zugrunde gelegen, dass bei der Bf seit der Vollendung des 18.Lebensjahres Erwerbsfähigkeit bestehe. Aus den vorgelegten Unterlagen, die der Beschwerde angeschlossen sind, ergebe sich eine andere Beurteilung. Allerdings seien diese Fakten erst aufgrund des Protokolls, aufgenommen vor dem BG Horn am 06.09.2011, hervorgekommen. Dieses kam zur Auffassung, dass die Sachwalterschaft weiter aufrecht zu bleiben habe. Das Finanzamt Waldviertel habe der Bf die erhöhte Familienbeihilfe ab Juni 1993 zuerkannt. Das Dokument enthalte eine ärztliche Beurteilung vom 18.09.2012. Diese Urkunden seien zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom Mai 2005 noch gar nicht vorgelegen, sodass die Behauptung der PVA, sie seien Teil der Beurteilung und Beweiswürdigung gewesen, nicht zutreffen könne. Wenn die PVA meine, sie habe das Gutachten Dr. Psick bei der Entscheidung berücksichtigt, so ist es jedenfalls in der Sachverhaltsaufnahme und auch in die Befundaufnahme der medizinischen Beurteilung nicht eingegangen. Auch diesbezüglich wäre dann ein wesentlicher Irrtum über den Sachverhalt gegeben. Die Behörde habe irrtümlich zugrundgelegt, dass die Bf ab dem 18. Lebensjahr erwerbsfähig sei. Es wird die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, vor allem die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachten beantragt.
5. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 13.06.2018 zu der Beschwerde Stellung genommen. Sie bringt darin vor, dass § 101 ASVG keine Handhabe dafür biete, eine Fehleinschätzung zu korrigieren Ein wesentlicher Sachverhaltsirrtum liege dann nicht vor, wenn sich zB die medizinische Einschätzung sich geändert habe. Die Entscheidung über das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit über das 18.Lebensjahr hinaus sei im Jahr 2005 auf Basis eingeholter medizinischer Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten der Psychiatrie und der Orthopädie, einer Untersuchung und der von der Bf zur Vorlage gebrachten Befunde und Gutachten erstellt worden. Das Gutachten von Dr. Erhart Psick vom 11.01.1991 habe in die Entscheidung vom 04.05.2005 bereits Eingang gefunden. Es könne nicht gesagt werden, dass bei den vorgenommenen Begutachtungen damalige Krankheitssymptome unbeachtet oder ununtersucht geblieben wären. Die nunmehr vorgebrachte anlagenbedingte intellektuelle Minderleistung lt. Gutachten Psick sei der belangten Behörde bei der damaligen Bescheiderlassung bekannt gewesen. Auch im Gutachten aus dem Fachgebiet Psychiatrie vom 01.04.2005 sei die Diagnose „anlagenbedingte intellektuelle Minderleistung“(Oligophrenie) angeführt worden. Es seien daher aus psychiatrischer Sicht nur leichte Tätigkeiten unter durchschnittlichem Zeitdruck zumutbar. Eine unvollständige Beweisaufnahme, dass etwa ein konkreter Leidenszustand übersehen worden wäre sei, sei nicht feststellbar. Im Gutachten betreffend den Bezug der erhöhten Kinderbeihilfe werde der Zustand im Jahr 2012 beschrieben.
Die belangte Behörde hat zahlreiche Unterlagen, so die Anträge auf Waisenpension vom 19.07.2004, das Befundkonvolut, 2 ärztliche Gutachten, die Stellungahme des chefärztlichen Dienstes vom 16.04.2005, Antragsformulare auf Waisenpension samt Beilagen, den Referatsbogen des Leistungssauschusses vom 28.04.2005 und das fachärztliche Sachverständigengutachten betreffend Bezug der erhöhten Familienbeihilfe vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin, geboren am XXXX , hat mit 19.07.2004 eine Waisenpension nach ihren verstorbenen Eltern XXXX beantragt. Dieser Antrag wurde mit Bescheiden vom 4. Mai 2005 abgelehnt, mit der Begründung, dass nach dem Ergebnis der ärztlichen Begutachtung ihre Kindeseigenschaft gemäß § 252 Abs. 2 ASVG wegen Erwerbsunfähigkeit infolge Krankheit oder Gebrechen seit Vollendung des 18. Lebensjahres nicht gegeben sei. Die Bescheide sind in Rechtskraft erwachsen. Für die Bf war zu diesem Zeitpunkt ein Sachwalter bestellt.
Im Ermittlungsverfahren vor Erlassung dieser Entscheidung wurde-wie die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme vom 13.6.2018 anführt – das Gutachten vom 01.04.2005 aus dem Fach Psychiatrie von Dr.in Sulzer-Hardt eingeholt; unter Punkt 8. wird unter dem Punkt Hauptursache für die Minderung der Erwerbsfähigkeit die leichte Minderbegabung (ICD-10 F 70.0 nach der internationalen medizinischen Klassifikation) angegeben und unter Pkt. 9. „Ärztliche Beurteilung mit objektiver Beschreibung des Befundes, der die Erwerbsunfähigkeit ausschließt“ angegeben: „Bei der Antragstellerin liegt eine leichte Minderbegabung vor. Aus psychiatrischer Sicht sind der Antragstellerin einfache Tätigkeiten unter durchschnittlichem Zeitdruck zumutbar. Sie ist als erwerbsfähig anzusehen.“
Ebenso wurde ein Gutachten von Dr. Forsthuber, Facharzt für Orthopädie, vom 01.04.2005 eingeholt.
Der belangten Behörde lag das Gutachten vom 11.1.1991 von Dr. Psick vor, es war im Zuge des Verfahrens über die Waisenpension der belangten Behörde vorgelegt.
Vor der Entscheidung über die Anträge vom 04.05.2005 wurde in der Stellungnahme des chefärztlichen Bereiches die Leidenszustände nach ICD-10 wie folgt festgestellt: M 47.9 und F 70.0. Dem Leistungsausschuss der PVA (Organ der Selbstverwaltung) wurde auch in diesem Sinne eine Entscheidungsgrundlage vorgelegt.
Zur Frage des Anspruches auf Bezug der erhöhten Familienbeihilfe wurde im fachärztlichen Sachverständigengutachten des Finanzamtes Waldviertel vom 18.9.2012 die Diagnose Oligophrenie gestellt und festgestellt, dass die Untersuchte voraussichtlich dauernd außerstande sein wird, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. In diesem Gutachten wurden als vorgelegte relevante Gutachten die Gutachten von Dr. Psick aus 1991 und von Dr. Billeth, letzterer als Gerichtssachverständiger im Rahmen des Verfahrens vor dem Bezirksgerichtes Horn betreffend Überprüfung der Sachwalterschaft vom 07.09.2011, erwähnt.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akt der belangten Behörde und aus den von der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde im Verfahren vor dem BVwG vorgelegten Unterlagen. Die Unterlagen sind als echt und richtig anzusehen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1 Gesetzliche Grundlagen
§ 101 ASVG: Rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes bei Geldleistungen:
Ergibt sich nachträglich, dass eine Geldleistung bescheidmäßig infolge eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens zu Unrecht abgelehnt, entzogen, eingestellt, zu niedrig bemessen oder zum Ruhen gebracht wurde, so ist mit Wirkung vom Tage der Auswirkung des Irrtums oder Versehens der gesetzliche Zustand herzustellen.
3.2 Literatur: vgl. Fellinger in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 101 ASVG (Stand 1.8.2015, rdb.at), RZ.5
„Ein Irrtum über den Sachverhalt liegt nach der Rsp nur dann vor, wenn der VTr Sachverhaltselemente angenommen hat, die mit der Wirklichkeit zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht übereinstimmten (VwGH 2012/08/0047, ARD 6238/9/2012). Die Voraussetzungen des § 101 sind aber auch dann erfüllt, wenn der für die rechtliche Beurteilung maßgebliche Sachverhalt im seinerzeitigen Verfahren nicht ermittelt worden ist (VwGH 2002/08/0281). Waren daher zB einem österr VTr bei Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Pensionsleistung ausländische Versicherungszeiten – aus welchen Gründen immer – nicht bekannt, liegt objektiv gesehen ein Irrtum über einen Sachverhalt vor, der Gegenstand eines Antrags gem § 101 sein kann (VwGH 98/08/0051, SVSlg 48.146).
Ein Sachverhaltsirrtum wird nur dann wesentlich sein, wenn sein Vorliegen für die rechtliche Beurteilung des Anspruchs von Bedeutung ist und sich der richtiggestellte Sachverhalt rechtlich dahin auswirkt, dass die geforderte Geldleistung zuzuerkennen wäre (VwGH 97/08/0588, VwSlg 15.180 A). Die Anwendung des § 101 wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Versicherte selbst zB durch unrichtige Angaben den Irrtum verursacht (OLG Wien 17 R 52/72, JBl 1973, 161) oder eine mögliche Klage beim Sozialgericht unterlassen hat.
Die Bestimmung des § 101 [ASVG] bietet allerdings keine Handhabe dafür, jede Fehleinschätzung im Tatsachenbereich, insb auch der Beweiswürdigung, im Nachhinein neuerlich aufzurollen. So stellt zB eine andere Einschätzung der MdE eines Versicherten – etwa aufgrund neuerer medizinischer Erkenntnisse – als Folge eines Arbeitsunfalls idR keinen Grund zur Herstellung des gesetzlichen Zustands dar (VwGH 2012/08/0047, SVSlg 60.391)“.
3.3 Im konkreten Fall
3.3.1 Es ist zu prüfen, ob ein wesentlicher Irrtum über den Sachverhalt in jenen Entscheidungen, deren Aufhebung begehrt wird, vorliegt; es handelt sich um die Bescheide betreffend Waisenpension vom 04.05.2005. Wesentlich waren die Feststellungen zu der Frage, ob seit der Vollendung des 18.Lebensjahres Erwerbsunfähigkeit vorlag.
3.3.2 Wie sich im Beschwerdeverfahren ergeben hat, hat die belangte Behörde ihren Bescheid vor allem auf die von ihr eingeholten Gutachten (aus dem Bereich Psychiatrie, auch Orthopädie) gestützt. Diese Gutachten sind nachvollziehbar und plausibel. Das Gutachten Dr. Psick aus 1991 lag der Behörde vor.
Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung auf ausreichende Beweismittel und die Beweise vertretbar gewürdigt, auch wenn diese Erwägungen in den Bescheiden nicht angeführt worden sind.
3.3.3
Zu den einzelnen Unterlagen, die von seitens der Beschwerdeführerin als Begründung für den wesentlichen Sachverhaltsirrtum herangezogen wurden:
3.3.3.1
Das Gutachten Dr. Psick (Beilage. /A zur Beschwerde), das in Zusammenhang mit der Frage der Sachwalterbestellung betreffend die Beschwerdeführerin erstellt wurde, war vor der Entscheidung über den Anspruch auf Waisenpension an die belangte Behörde übermittelt worden. Ob sich die Behörde damit auseinandergesetzt hat ist nicht feststellbar, es ist aber auf Folgendes hinzuweisen:
Bezüglich der strittigen Frage der Erwerbsunfähigkeit seit Vollendung des 18. Lebensjahres ist dem Gutachten Dr. Psick zu entnehmen, dass eine anlagebedingte intellektuelle Minderleistung diagnostiziert und festgestellt hat, dass die Einschränkung bei Fehlen sonstiger komplizierender Störungen eine ausreichende Selbsterhaltungsfähigkeit in anspruchslosen Berufen und einfachen sozialen Anforderungen bzw. im Allgemeinen auch die Fähigkeit zu ausreichender, wenn auch nur äußerer oberflächlicher Anpassungsleistung und Realitätskontrolle bedeute. (vgl. Seite 8, Punkt III des Gutachtens). Daraus lässt sich jedenfalls schließen, dass die Heranziehung dieses Gutachtens nicht zu einer anderen Einschätzung der Erwerbsfähigkeit geführt hätte. Das Gutachten selbst aber auch die nicht ausdrückliche Erwähnung in der Begründung kann daher nicht als Begründung für einen wesentlichen Sachverhaltsirrtum herangezogen werden. Selbst wenn aus der fehlenden Bezugnahme auf dieses Gutachten ein relevanter Verfahrensfehler abzuleiten wäre, würde dieser nur dann zu einer Aufhebung nach § 101 ASVG führen, wenn eine wesentliche Änderung der Entscheidung in der Sache zu erwarten ist, was aus den genannten Gründen nicht der Fall ist.
3.3.3.2 Aus der Beilage. / C (Sachverständigengutachten von Dr. Billeth im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bezirksgericht Horn am 06.0.2011) ergeben sich keine neuen Elemente zur Beurteilung der Erwerbsfähigkeit, die auf eine mangelhafte Erhebung des Zustandes im Verfahren 2005 schließen lassen.
3.3.3.3 Sachverständigengutachten des Finanzamtes Waldviertel
Das fachärztlichen Sachverständigengutachten des Finanzamtes Waldviertel vom 18.9.2012, das zur Frage des Bezugs der erhöhten Familienbeihilfe erstellt wurde, stützt sich– wie die oben angeführten Gutachten - auf die Diagnose Oligophrenie.
Es zieht daraus aber den Schluss, dass die Bf voraussichtlich dauernd außerstande sein wird, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. In diesem Gutachten wurden als „vorgelegte relevante Gutachten“ das Gutachten von Dr. Psick aus 1991 und vom Gerichtssachverständigen Dr. Billeth, erstellt im Rahmen des Verfahrens vor dem Bezirksgerichtes Horn betreffend Überprüfung der Sachwalterschaft vom 07.09.2011, erwähnt.
Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei dieser Einschätzung der Erwerbsfähigkeit nicht um eine (neue) Tatsachenfeststellung, die der in den Bescheiden, deren Rechtskraft aufgehoben werden soll, widerspricht, sondern um eine andere Einschätzung und Würdigung der Fakten, die sowohl der belangten Behörde als auch dem Finanzamt Waldviertel zur Verfügung standen.
3.3.4
Wie in der Beschwerde richtig vorbringt, führt die belangte Behörde in der Begründung der angefochtenen Bescheide ebenso wie in der Begründung der Entscheidung über das Vorliegen von Waisenpension die Entscheidungsgrundlagen nicht an und setzt sich auch nicht mit den Unterlagen auseinander, auf die sie ihre Entscheidung stützt. In der Beantwortung der Beschwerde wurden Unterlagen betreffend den internen Meinungsbildungsprozess vorgelegt, aus denen sich schließen lässt, dass das Gutachten Dr. Psick bei der damaligen Entscheidungsfindung im Jahre 2005 vorlag. Es wurde mit Schreiben des Sachwalters vom 15.07.2005 vorgelegt. Die von der PVA eingeholten Gutachten sind nach den Unterlagen und dem Vorbringen in der Stellungnahme zur Beschwerdevorlage zumindest in den internen Meinungsbildungsprozess der belangten Behörde eingeflossen, vgl. Vorlage an den Leistungssauschuss und chefärztliche Stellungnahme.
3.5.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass der belangten Behörde bei der Bescheiderlassung vom 04. Mai 2005 kein Sachverhaltsirrtum über das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit seit Vollendung des 18. Lebensjahres unterlaufen ist, auch kein Rechtsirrtum. Die Feststellung, dass Erwerbsunfähigkeit nicht gegeben ist, ist aufgrund eines mängelfreien Ermittlungsverfahrens, wenn auch nicht aufgrund einer mängelfreien Begründung des Bescheides, hervorgegangen.
3.6 Ein weiteres Sachverständigengutachten ist nicht einzuholen, weil die Frage, ob die belangte Behörde den Sachverhalt ohne grobe Verfahrensfehler erhoben hat und ohne wesentlichen Irrtum über den Sachverhalt entschieden hat, durch die vorgelegten Unterlagen abschließend beurteilt werden kann.
4. Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer zwar beantragt, aber da sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage ergibt und die Beschwerdeführerin diesen Beweisergebnissen nicht substantiiert entgegengetreten ist, ist nach Ansicht des Gerichts keine mündliche Erörterung der Angelegenheit nicht erforderlich bzw. zielführend. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht daher von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt feststand. Dem steht auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegen, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027.
Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Erwerbsfähigkeit Geldleistung Irrtum Rückwirkung Sachverständigengutachten WaisenrenteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W178.2177913.2.00Im RIS seit
28.10.2021Zuletzt aktualisiert am
28.10.2021