TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/10 W166 2180830-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.2021
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Entscheidungsdatum

10.09.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28

Spruch


W166 2180830-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX ,
StA.: Afghanistan, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.12.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.05.2021 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gem. § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß
§ 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.

III. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal sowie schlepperunterstützt ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 02.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seiner Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu an, dass er afghanischer Staatsangehöriger sei, der Volksgruppe der Paschtunen angehöre, aus dem Dorf XXXX in der Provinz Laghman in Afghanistan stamme und ledig sei. Seine Mutter und seine vier Brüder würden in Afghanistan leben, sein Vater sei vor zwei Monaten verstorben. Sein Stiefbruder sei mit ihm zusammen nach Österreich gekommen und würde auch hier leben. Als Fluchtgrund gab er an, sein Vater sei von den Taliban genötigt worden Sachen für diese aufzubewahren. Nachdem das Militär diese Sachen bei einem Angriff bei ihnen entdeckt habe, hätten sie diese mitgenommen. Danach sei sein Vater von den Taliban umgebracht und sein Bruder von diesen mitgenommen worden. Seine Mutter habe den Beschwerdeführer dann gemeinsam mit dessen Halbbruder aus Angst um sein Leben fortgeschickt.

Aufgrund einer durchgeführten Altersdiagnose wurde das Geburtsdatum des Beschwerdeführers mit Schreiben vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (= belangte Behörde) vom 21.09.2016 mit XXXX festgesetzt.

Am 13.11.2017 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: „BFA“ oder „belangte Behörde“), Regionaldirektion Burgenland - Außenstelle Eisenstadt einvernommen, und gab ergänzend an, seine Mutter, seine Stiefmutter, seine vier Brüder sowie Onkeln und Tanten mütterlicherseits würden weiterhin in Afghanistan leben. Er habe in Afghanistan keine Schule besucht und habe in der Viehzucht seiner Familie mitgearbeitet. In Österreich mache er einen Pflichtschulabschluss, und habe schon einen Deutschkurs A2 abgeschlossen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt führte der Beschwerdeführer aus, sie seien immer sehr früh mit den Tieren auf den Bergen zum Weiden gewesen. Dort hätten die Taliban seinen Vater gezwungen ein Päckchen von diesen entgegenzunehmen und zu verwahren, sie hätten es später abholen wollen. Dies sei aber nicht geschehen. Was sich tatsächlich in dem Päckchen befunden habe wisse er nicht. Zwei Tage später sei die nationale Sicherheitsarmee gekommen und habe das gesamte Dorf durchsucht. Dabei hätten sie im Haus des Beschwerdeführers das Päckchen gefunden und dieses an sich genommen. Auch hätten sie den Vater des Beschwerdeführers verhaftet, aber nach zwei Tagen wieder freigelassen. Am nächsten Tag seien die Taliban zum Haus des Beschwerdeführers gekommen und hätten das Päckchen zurückgefordert. Der Vater des Beschwerdeführers habe gegenüber den Taliban angegeben, das Päckchen sei von der nationalen Sicherheitsarmee mitgenommen worden. Dann seien der Vater sowie ein Bruder des Beschwerdeführers von den Taliban mitgenommen worden. Am nächsten Tag hätten die Dorfbewohner die Leiche des Vaters auf den Feldern entdeckt. Am Tag darauf seien die Taliban zurückgekommen und hätten den Beschwerdeführer und seine Brüder gesucht, da sie geglaubt hätten, diese hätten das besagte Päckchen weiterhin in ihrem Besitz. Daraufhin hätten die Mutter über ihren Bruder die Ausreise des Beschwerdeführers und dessen Halbbruder organisiert. Im Falle seiner Rückkehr würde er getötet wie sein Vater, sein Bruder sei bis heute verschwunden.

Mit Stellungnahme vom 21.11.2017 zu den am 14.11.2017 übermittelten Länderberichten führte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers, die Bezirkshauptmannschaft XXXX als Jugendwohlfahrtsträger, diese vertreten durch Mag. XXXX , aus, es sei insbesondere auf die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers sowie die schlechte allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan Bedacht zu nehmen. Zudem habe der Onkel des Beschwerdeführers nach dessen Ausreise Drohbriefe der Taliban erhalten. Auch würde dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Verwestlichung im Falle eine Rückkehr Verfolgung drohen.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 01.12.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Es wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. In der Beschwerde wurde - unter Zugrundelegung von Länderberichten - die Situation des Beschwerdeführers dargelegt, und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Auch warf der Beschwerdeführer der belangten Behörde mangelhafte Beweiswürdigung vor und gab an, die belangte Behörde habe ihn von den Ermittlungsergebnissen zu den sogenannten „Pashtunwali“ nicht in Kenntnis gesetzt und somit das Parteiengehör verletzt.

Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt langte am 27.12.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Stellungnahme vom 06.05.2021 betonte der Beschwerdeführer die schlechte Sicherheitslage in seiner Heimatprovinz sowie eine fehlende innerstaatliche Fluchtalternative.

Am 10.05.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer, vertreten durch die BBU – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, und in Anwesenheit eines Vertreters der belangten Behörde sowie eines Dolmetschers, von der erkennenden Richterin zu seinem Antrag und seiner Beschwerde einvernommen wurde und Gelegenheit hatte, den Sachverhalt umfassend darzulegen. Im Zuge der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer zwei afghanische Schreiben in Paschtu vor, bei welchen es sich seinen Angaben nach um Drohbriefe der Taliban handle. Der Beschwerdeführer gab ergänzend an, sein Onkel habe diese Drohbriefe erhalten. Weiters legte der Beschwerdeführer das ÖSD Zertifikat Sprachniveau A2 vom 19.06.2018, eine Bestätigung über den positiven Abschluss des Pflichtschulabschlusslehrgangs vom 04.05.2021 sowie diverse weitere Bestätigungen und Empfehlungsschreiben vor.

Auch hatte der Vertreter der belangten Behörde ausreichend Gelegenheit Fragen zu stellen. Am 11.05.2021 wurde, vom in der mündlichen Verhandlung anwesenden Vertreter der belangten Behörde, eine Stellungnahme eingebracht, in welcher - unter Verweis auf Judikatur und Länderfeststellungen - Näheres betreffend die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens, der Rückkehrmöglichkeit des Beschwerdeführers und dessen Integrationsbemühungen ausgeführt, und die Abweisung der Beschwerde in allen Spruchpunkten beantragt wurde.

Die in der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer vorgelegten Drohbriefe wurden seitens der erkennenden Richterin einer Übersetzung zugeführt, und wurden die übersetzten Schriftstücke im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben vom 09.06.2021 dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde zur Stellungnahme übermittelt.

Die belangte Behörde brachte keine Stellungnahme ein.

Der vertretene Beschwerdeführer führte mit Stellungnahme vom 23.06.2021 aus, das Datum der Drohbriefe sei falsch übersetzt worden und der Inhalt der Briefe sei entgegen der Feststellungen der Dolmetscherin - wonach Teile der Schriftstücke nicht leserlich seien - sehr wohl leserlich. In weiterer Folge wurde die neuerliche Übersetzung der Drohbriefe beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und den geltend gemachten Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, stammt aus der Provinz Laghman in Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

Seine Muttersprache ist Paschtu. Die Identität des Beschwerdeführers steht lediglich mit der für das Verfahren ausreichenden Sicherheit fest.

Der Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seinem Stiefbruder schlepperunterstützt illegal nach Österreich ein, und stellte am 02.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Eltern des Beschwerdeführers sind bereits verstorben. Die Brüder des Beschwerdeführers, sowie dessen Onkel mütterlicherseits und dessen Stiefmutter leben derzeit in Pakistan. Der Beschwerdeführer hat unregelmäßigen Kontakt zu seiner Familie. Der Stiefbruder des Beschwerdeführers lebt gemeinsam mit ihm in Österreich.

Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan keine Schule besucht. Er hat bis zu seiner Ausreise in der Viehzucht der Familie im Heimatdorf mitgearbeitet.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Im Hinblick auf die Pandemie zum Corona-Virus SARS-CoV2 (COVID -19) ist festzuhalten, dass er ein gesunder Mann ohne schwerwiegende Erkrankung ist, womit er nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen bzw. der Personen mit einschlägigen Vorerkrankungen fällt und in der Folge daher aus diesem Grund keiner spezifischen Gefahr durch die Pandemie ausgesetzt ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan einer asylrechtlich relevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt war bzw. ihm eine solche Verfolgung im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Verfolgung auf Grund der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung.

1.2. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan:

Für den Beschwerdeführer würde eine Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten, instabilen Sicherheitslage und der Machtübernahme durch die Taliban mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens infolge willkürlicher Gewalt mit sich bringen.

Festgestellt wird, dass die aktuell vorherrschende Pandemie aufgrund des Corona-Virus grundsätzlich für den Beschwerdeführer kein Rückkehrhindernis darstellen würde. Jedoch ist aktuell die diesbezügliche Situation mit der nun erfolgten Machtübernahme durch die Taliban nicht mehr einschätzbar bzw. der Umgang mit der Corona-Pandemie der Taliban ungewiss.

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK).

1.3. Zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer hält sich seit Juni 2016 durchgehend in Österreich auf.

Der Beschwerdeführer hat diverse Kurse zu verschiedenen Themenbereichen und Deutschkurse besucht, hat gute Deutschkenntnisse und hat das ÖSD Zertifikat des Sprachniveaus A2 am 19.06.2018 erfolgreich abgelegt.

Der Beschwerdeführer hat den Pflichtschulabschluss erfolgreich bestanden und hat hierzu eine Bestätigung vom 04.05.2021 vorgelegt. Der Beschwerdeführer hat eine genaue Vorstellung von seiner beruflichen Zukunft.

Seit dem Jahr 2016 wohnt der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinem Stiefbruder in einem Haus der Caritas.

Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist derzeit nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan

Kurzinformation der Staatendokumentation vom 20.08.2021

Aktuelle Lage

Die Spitzenpolitiker der Taliban sind aus Katar, wo viele von ihnen im Exil lebten, nach Afghanistan zurückgekehrt. Frauen werden Rechte gemas der Scharia [islamisches Recht] genießen, so der Sprecher der Taliban. Nach Angaben des Weisen Hauses haben die Taliban versprochen, dass Zivilisten sicher zum Flughafen von Kabul reisen können. Berichten zufolge wurden Afghanen auf dem Weg dorthin von Taliban-Wachen verprügelt. Lokalen Berichten zufolge sind die Straßen von Kabul ruhig. Die Militanten sind in der ganzen Stadt unterwegs und besetzen Kontrollpunkte (bbc.com o.D.a).

Die internationalen Evakuierungsmissionen von Ausländerinnen und Ausländern sowie Ortskräften aus Afghanistan gehen weiter, immer wieder gibt es dabei Probleme. Die Angaben darüber, wie viele Menschen bereits in Sicherheit gebracht werden konnten, gehen auseinander, die Rede ist von 2.000 bis 4.000, hauptsachlich ausländisches Botschaftspersonal. Es mehren sich aktuell Zweifel, dass auch der Großteil der Ortskräfte aus dem Land gebracht werden kann. Bei Protesten gegen die Taliban in Jalalabad wurden unterdessen laut Augenzeugen drei Menschen getötet (orf.at o.D.a). Jalalabad wurde kampflos von den Taliban eingenommen. Mit ihrer Einnahme sicherte sich die Gruppe wichtige Verbindungsstraßen zwischen Afghanistan und Pakistan. Am Mittwoch (18.8.2021) wurden jedoch Menschen in der Gegend dabei gefilmt, wie sie zur Unterstützung der alten afghanischen Flagge marschierten, bevor Berichten zufolge in der Nahe Schüsse abgefeuert wurden, um die Menschenmenge zu zerstreuen. Das von den Taliban neu ausgerufene Islamische Emirat Afghanistan hat bisher eine weiße Flagge mit einer schwarzen Schahada (Glaubensbekenntnis) verwendet. Die schwarz-rot-grüne Trikolore, die heute von den Demonstranten verwendet wurde, gilt als Symbol für die abgesetzte Regierung. Der Sprecher der Taliban erklärte, dass derzeit Gespräche über die künftige

Nationalflagge geführt werden, wobei eine Entscheidung von der neuen Regierung getroffen werden soll (bbc.com o.D.b).

Während auf dem Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul weiter der Ausnahmezustand herrscht, hat es bei einer Kundgebung in einer Provinzhauptstadt erneut Tote gegeben. In der Stadt Asadabad in der Provinz Kunar wurden nach Angaben eines Augenzeugen mehrere Teilnehmer einer Kundgebung zum afghanischen Nationalfeiertag getötet. Widerstand bildete sich auch im Panjshirtal, eine Hochburg der Tadschiken nordöstlich von Kabul. In der „Washington Post“ forderte ihr Anführer Ahmad Massoud, Chef der Nationalen Widerstandsfront Afghanistans, Waffen für den Kampf gegen die Taliban. Er wolle den Kampf für eine freiheitliche Gesellschaft fortsetzen (orf.at o.D.c).

Einem Geheimdienstbericht für die UN zufolge verstärken die Taliban die Suche nach "Kollaborateuren". In mehreren Städten kam es zu weiteren Anti-Taliban-Protesten. Nach Angaben eines Taliban-Beamten wurden seit Sonntag mindestens 12 Menschen auf dem Flughafen von Kabul getötet. Westliche Länder evakuieren weiterhin Staatsangehörige und Afghanen, die für sie arbeiten. Der IWF erklärt, dass Afghanistan keinen Zugang mehr zu seinen Geldern haben wird (bbc.com o.D.d).

Vor den Taliban in Afghanistan flüchtende Menschen sind in wachsender medizinischer Not. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtete, dass in Kliniken in Kabul und anderen afghanischen Städten immer mehr Fälle von Durchfallerkrankungen, Mangelernährung, Bluthochdruck und Corona-Symptomen aufträten. Dazu kämen vermehrt Schwangerschaftskomplikationen. Die WHO habe zwei mobile Gesundheitsteams bereitgestellt, aber der Einsatz müsse wegen der Sicherheitslage immer wieder unterbrochen werden (zdf.de 18.8.2021).

Priorität für die VN hat derzeit, dass die UNAMA-Mission in Kabul bleibe. Derzeit befindet sich ein Teil des VN-Personals am Flughafen, um einen anderen Standort (unklar ob in AF) aufzusuchen und von dort die Tätigkeit fortzuführen. Oberste Priorität der VN sei es die Präsenz im Land sicherzustellen. Zwecks Sicherstellung der humanitären Hilfe werde auch mit den Taliban verhandelt (? Anerkennung). Ein Schlüsselelement dabei ist die VN-SR Verlängerung des UNAMA-Mandats am 17. September 2021 (VN 18.8.2021).

Exkurs:

Die Anführer der Taliban

Mit der Eroberung Kabuls haben die Taliban 20 Jahre nach ihrem Sturz wieder die Macht in Afghanistan übernommen. Dass sie sich in ersten öffentlichen Statements gemäßigter zeigen, wird von internationalen Beobachtern mit viel Skepsis beurteilt. Grund dafür ist unter anderem auch, dass an der Spitze der Miliz vor allem jene Männer stehen, die in den vergangenen Jahrzehnten für Terrorangriffe und Gräueltaten im Namen des Islam verantwortlich gemacht werden. Geheimdienstkreisen zufolge führen die Taliban derzeit Gespräche, wie ihre Regierung aussehen wird, welchen Namen und Struktur sie haben soll und wer sie führen wird. Demzufolge könnte Abdul Ghani Baradar einen Posten ähnlich einem Ministerpräsidenten erhalten („Sadar-e Asam“) und allen Ministern vorstehen. Er trat in den vergangenen Jahren als Verhandler und Führungsfigur als einer der wenigen Taliban- Führer auch nach außen auf. Wesentlich weniger international im Rampenlicht steht der eigentliche Taliban-Chef und „Anführer der Gläubigen“ (arabisch: amir al-mu’minin), Haibatullah Akhundzada. Er soll die endgültigen Entscheidungen über politische, religiöse und militärische Angelegenheiten der Taliban treffen. Der religiöse Hardliner gehört ebenfalls zur Gründergeneration der Miliz, während der ersten Taliban-Herrschaft fungierte er als oberster Richter des Scharia- Gerichts, das für unzählige Todesurteile verantwortlich gemacht wird. Der Oberste Rat der Taliban ernannte 2016 zugleich Mohammad Yaqoob und Sirajuddin Haqqani zu Akhundzadas Stellvertretern. Letzterer ist zugleich Anführer des für seinen Einsatz von Selbstmordattentätern bekannten Haqqani-Netzwerks, das von den USA als Terrororganisation eingestuft wird. Es soll für einige der größten Anschläge der vergangenen Jahre in Kabul verantwortlich sein, mehrere ranghohe afghanische Regierungsbeamte ermordet und etliche westliche Bürger entführt haben. Vermutet wird, dass es die Taliban- Einsätze im gebirgigen Osten des Landes steuert und großen Einfluss in den Führungsgremien der Taliban besitzt. Der etwa 45-jährige Haqqani wird von den USA mit einem siebenstelligen Kopfgeld gesucht. Zur alten Führungsriege gehört weiters Sher Mohammad Abbas Stanikzai. In der Taliban- Regierung bis 2001 war er stellvertretender Außen- und Gesundheitsminister. 2015 wurde er unter Mansoor Akhtar Büroleiter der Taliban. Als Chefunterhändler führte er später die Taliban-Delegationen bei den Verhandlungen mit den USA und der afghanischen Regierung an. Ein weiterer offenkundig hochrangiger Taliban ist der bereits seit Jahren als Sprecher der Miliz bekannte Zabihullah Mujahid. In einer ersten Pressekonferenz nach der Machtübernahme schlug er, im Gegensatz zu seinen früheren Aussagen, versöhnliche Töne gegenüber der afghanischen Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft an (orf.at o.D.b; vgl. bbc.com o.D.c).

Stärke der Taliban-Kampftruppen

Obwohl in den vergangenen Jahren 100.000 ausländische Soldaten im Land waren, konnten die Taliban-Führer eine offenkundig von ausländischen Geheimdiensten unterschätzte Kampftruppe zusammenstellen. Laut BBC geht man derzeit von rund 60.000 Kämpfern aus, mit Unterstützern aus anderen Milizen sollen fast 200.000 Männer aufseiten der Taliban den Sturz der Regierung ermöglicht haben. Völlig unklar ist noch, wie viele Soldaten aus der Armee übergelaufen sind (orf.at o.D.b).

Quellen:

?        bbc.com (o.D.a): Afghan women to have rights within Islamic law, Taliban say,https://www.bbc.com/news/world-asia-58249952

?        bbc.com (o.D.b): Flag-waving protesters defy Taliban in Afghan city,https://www.bbc.com/news/live/world-asia-58219963, Zugriff 18.8.2021

?        bbc.com (o.D.c): Afghanistan: Who's who in the Taliban leadership, https://www.bbc.com/news/world-asia-58235639, Zugriff 18.8.2021

?        bbc.com (o.D.d): Taliban step up hunt for collaborators - UN report, https://www.bbc.com/news/live/world-asia-58219963, Zugriff 19.8.

?        orf.at (o.D.a): Sorge um afghanische Ortskräfte wächst, https://orf.at/stories/3225305/, Zugriff 18.8.2021

?        orf.at (o.D.b): Die Anführer des Taliban-Netzwerks, https://orf.at/stories/3225195/, Zugriff 18.8.2021

?        orf.at (o.D.c): Erneut Tote bei Kundgebung gegen Taliban, https://orf.at/stories/3225444/, Zugriff 19.8.2021

?        zdf.de (18.8.2021): Die aktuelle Entwicklung in Afghanistan, https://www.zdf.de/nachrichten/politik/afghanistan-taliban-blog-100.html, Zugriff 18.8.2021

?        UN Bericht – Ständige Vertretung Österreichs bei den VN (18.8.2021): Briefing zur Lage in AF in NY 17.8.2021, per Email

Sonderkurzinformation der Staatendokumentation vom 17.08.2021

Der afghanische Präsident Ashraf Ghani ist angesichts des Vormarsches der Taliban auf Kabul außer Landes geflohen. Laut al-Jazeera soll das Ziel Taschkent in Usbekistan sein. Inzwischen haben die Taliban die Kontrolle über den Präsidentenpalast in Kabul übernommen. Suhail Schahin, ein Unterhändler der Taliban bei den Gesprächen mit der afghanischen Regierung in Katar, versicherte den Menschen in Kabul eine friedliche Machtübernahme und keine Racheakte an irgendjemanden zu begehen (tagesschau.de 15.8.2021). Am 15.08.21 haben die Taliban mit der größtenteils friedlichen Einnahme Kabuls und der Besetzung der Regierungsgebäude und aller Checkpoints in der Stadt den Krieg für beendet erklärt und das Islamische Emirat Afghanistan ausgerufen. Man wünsche sich friedliche Beziehungen mit der internationalen Gemeinschaft. Die erste Nacht unter der Herrschaft der Taliban im Land sei ruhig verlaufen. Chaotische Szenen hätten sich nur am Flughafen in Kabul abgespielt, von welchem sowohl diplomatisches Personal verschiedener westlicher Länder evakuiert wurde als auch viele Afghanen versuchten, außer Landes zu gelangen. Den Taliban war es zuvor gelungen, innerhalb kürzester Zeit fast alle Provinzen sowie alle strategisch wichtigen Provinzhauptstädte wie z.B. Kandahar, Herat, Mazar-e Sharif, Jalalabad und Kunduz einzunehmen. In einigen der Städte seien Gefängnisse gestürmt und Insassen befreit worden (BAMF 16.8.2021; vgl. bbc.com o.D., orf.at 16.8.2021).

Die Taliban zeigten sich am Sonntag gegenüber dem Ausland unerwartet diplomatisch. „Der Krieg im Land ist vorbei“, sagte Taliban-Sprecher Mohammed Naim am Sonntagabend dem Sender al-Jazeera. Bald werde klar sein, wie das Land künftig regiert werde. Rechte von Frauen und Minderheiten sowie die Meinungsfreiheit würden respektiert, wenn sie der Scharia entsprächen. Man werde sich nicht in Dinge anderer einmischen und Einmischung in eigene Angelegenheiten nicht zulassen (orf.at 16.8.2021a). Schätzungen zufolge wurden seit Anfang 2021 über 550.000 Afghanen durch den Konflikt innerhalb des Landes vertrieben, darunter 126.000 neue Binnenvertriebene zwischen dem 7. Juli 2021 und dem 9. August 2021. Es gibt zwar noch keine genauen Zahlen über die Zahl der Afghanen, die aufgrund der Feindseligkeiten und Menschenrechtsverletzungen aus dem Land geflohen sind, es deuten aber Quellen darauf hin, dass Zehntausende von Afghanen in den letzten Wochen internationale Grenzen überquert haben (UNHCR 8.2021). Der Iran richtete angesichts des Eroberungszugs der militant-islamistischen Taliban im Nachbarland Pufferzonen für Geflüchtete aus dem Krisenstaat ein. Die drei Pufferzonen an den Grenzübergängen im Nord- sowie Südosten des Landes sollen afghanischen Geflüchteten vorerst Schutz und Sicherheit bieten. Indes schloss Pakistan am Sonntag einen wichtigen Grenzübergang zu seinem Nachbarland. Innenminister Sheikh Rashid verkündete die Schließung des Grenzübergangs Torkham im Nordwesten Pakistans am Sonntag, ohne einen Termin für die Wiedereröffnung zu nennen. Tausende Menschen säßen auf beiden Seiten der Grenze fest (orf.at 16.8.2021b). Mittlerweile baut die Türkei an der Grenze zum Iran weiter an einer Mauer. Damit will die Türkei die erwartete Ankunft von afghanischen Flüchtlingen verhindern (Die Presse 17.8.2021). Medienberichten zufolge haben die Taliban in Afghanistan Checkpoints im Land errichtet und sie kontrollieren auch die internationalen Grenzübergänge (bisherige Ausnahme: Flughafen Kabul). Seit Besetzung der strategischen Stadt Jalalabad durch die Taliban, wurde eine Fluchtbewegung in den Osten (Richtung Pakistan) deutlich erschwert. Die Wahrscheinlichkeit, dass Afghanen aus dem westlichen Teil des Landes oder aus Kabul nach Pakistan gelangen ist gegenwärtig eher gering einzuschätzen. Es ist naheliegender, dass Fluchtrouten ins Ausland über den Iran verlaufen. Es ist jedoch auch denkbar, dass die mehrheitlich sunnitische Bevölkerung Afghanistans (statt einer Route über den schiitisch dominierten Iran) stattdessen die nördliche, alternative Route über Tadschikistan oder auch Turkmenistan wählt. Bereits vor zwei Monaten kam es laut EU-Kollegen zu einem Anstieg von Ankünften afghanischer Staatsbürger in die Türkei. Insofern ist davon auszugehen, dass eine erste Migrationsbewegung bereits stattgefunden hat. Pakistan gibt laut Medienberichten an, dass der Grenzzaun an der afghanisch-pakistanischen Grenze halte (laut offiziellen Angaben sind etwa 90 Prozent fertiggestellt) (VB 17.8.2021).

Laut Treffen mit Frontex, kann zur Türkei derzeit noch keine Veränderung der Migrationsströme festgestellt werden. Es finden täglich nach Schätzungen ca. max. 500 Personen ihren Weg (geschleust) vom Iran in die Türkei. Dies ist aber keine außergewöhnlich hohe Zahl, sondern eher der Durchschnitt. Der Ausbau der Sicherung der Grenze zum Iran mit Mauer und Türmen schreitet immer weiter voran, und nach einstimmiger Meinung von Mig VB und anderen Experten kann die Türkei mit ihrem Militär (Hauptverantwortlich für die Grenzsicherung) und Organisationen (Jandarma, DCMM) jederzeit, je nach Bedarf die illegale Einreise von Flüchtlingen aus dem Iran kontrollieren. Die Türkei ist jedoch - was Afghanistan angeht - mit sehr hohem Interesse engagiert. Auch die Türkei möchte keine neunen massiven Flüchtlingsströme über den Iran in die Türkei (VB 17.8.2021a). IOM muss aufgrund der aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr und Reintegration mit sofortiger Wirkung weltweit aussetzen. Die Aussetzung der freiwilligen Rückkehr erfolgt bis auf Widerruf (IOM 16.8.2021). Während die radikalislamischen Taliban ihren Feldzug durch Afghanistan vorantreiben, gehören Frauen und Mädchen zu den am meisten gefährdeten Gruppen. Schon in der letzten Regierungszeit der Taliban (1996–2001) herrschten in Afghanistan extreme patriarchale Strukturen, Misshandlungen, Zwangsverheiratungen sowie strukturelle Gewalt und Hinrichtungen von Frauen. Die Angst vor einer Wiederkehr dieser Gräueltaten ist groß. Eifrig sorgten Kaufleute in Afghanistans Hauptstadt Kabul seit dem Wochenende bereits dafür, Plakate, die unverschleierte Frauen zeigten, aus ihren Schaufenstern zu entfernen oder zu übermalen – ein Sinnbild des Gehorsams und der Furcht vor dem Terror der Taliban (orf.at 17.8.2021).

Quellen:

• BAMF (16.8.2021): Briefing Notes, per Email

• bbc.com (o.D.): Afghanistan: US takes control of Kabul airport to evacuate staff from

countryhttps://www.bbc.com/news/world-asia-58227029, Zugriff 16.8.2021

• Die Presse (17.8.2021): Die Türkei schottet sich mit Mauer gegen Flüchtlinge ab,

https://www.diepresse.com/6021855/die-turkei-schottet-sich-mit-mauer-gegenfluchtlinge-ab,

Zugriff 17.8.2021

• IOM (16.8.2021): Aussetzung der Freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan, per Email

• orf.at (16.8.2021): Krieg in Afghanistan ist vorbei, https://orf.at/stories/3225020/, Zugriff

16.8.2021

• orf.at (16.8.2021a): Verzweifelte Fluchtversuche aus Kabul,

https://orf.at/stories/3225106/, Zugriff 17.8.2021

• orf.at (16.8.2021b): Nachbarländer in großer Unruhe, https://orf.at/stories/3225071/,

Zugriff 17.8.2021

Wien, 17.8.2021

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 4 von 5

• orf.at (17.8.2021): Ein Alptraum für Frauen, https://orf.at/stories/3225041/, Zugriff

17.8.2021

• tagesschau.de (15.8.2021): Präsident Ghani ins Ausland geflohen,

https://www.tagesschau.de/ausland/asien/afghanistan-kabul-ghani-101.html, Zugriff

16.8.2021

• UNHCR (8.2021): UNHCR Position on Returns to Afghanistan, Refworld | UNHCR

Position on Returns to Afghanistan, Zugriff 17.8.2021

• VB – Verbindungsbeamtin des BMI für Thailand/Pakistan [Österreich] (17.8.2021):

Auskunft des VB, per Email

• VB – Verbindungsbeamter des BMI für Türkei [Österreich] (17.8.2021a): Auskunft des

VB, per Email

Kommentar der Staatendokumentation:

Sicherheitslage:

Derzeit ist es zu früh, definitive Schlüsse zu ziehen. Es wird davon abhängen, wie sich das Verhältnis zwischen der afghanischen Armee und Polizei zu den Taliban entwickelt (Armee und Polizei haben sich praktisch kampflos ergeben). Ein Zugriff der Taliban auf die Ausrüstung des Sicherheitsapparats würde die Position der Taliban stärken, was aber nicht ausschließt, dass sich aus Kreisen des Sicherheitsapparats oder anderer Akteure im Land Widerstand formiert, der zu Kampfhandlungen führen könnte.

Wirtschaft/Versorgung:

Es ist ein wirtschaftlicher Einbruch möglich, der auch die Versorgungslage treffen kann – einerseits durch die Machtergreifung der Taliban, der potentiellen Flucht gebildeterer und wohlhabenderer Bevölkerungsgruppen sowie aufgrund des Fehlens der Wirtschaftskraft der internationalen Truppen (z.B. via lokaler Angestellter) sowie aufgrund der Frage, ob NGOs und internationale Organisationen weiter agieren dürfen. Hinzukommt auch die Frage, wie weit sich die Machtergreifung der Taliban auf die Berufstätigkeit von Frauen auswirken wird.

Menschenrechtslage:

Gruppen wie die Taliban (oder auch der IS) greifen nach einer Machtergreifung nicht unbedingt sofort auf ein volles Instrumentarium an Repressionen zurück, sondern tun dies oft eher sukzessive. Ob die Taliban ihr Verhalten als Macht im Staate dieses Mal eventuell teilweise anders gestalten werden, wird sich zeigen. Informationen zur aktuellen Menschenrechtslage würden daher derzeit nur eine Momentaufnahme darstellen, ohne eine belastbare Entscheidungsgrundlage vor dem Hintergrund des Umsturzes darzustellen. Aussagekräftige, zeitlich länger gültige Informationen zu Kernbereichen werden erst später zur Verfügung stehen.

Kurzinformation der Staatendokumentation vom 02.08.2021

Sicherheitslage und Gebietskontrolle

In Afghanistan ist die Zahl der konfliktbedingten Todesopfer derzeit so hoch wie nie zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen durch UNHCR, mit durchschnittlich 500-600 Sicherheitsvorfällen pro Woche. Berichten zufolge liegt die Gebietskontrolle der Regierung auf dem niedrigsten Stand seit 2001 (UNHCR 20.7.2021).

Nach Angaben des Long War Journals (LWJ) kontrollieren die Taliban 223 der 407 Distrikte Afghanistan. Die Regierungstruppen kämpfen aktuell (Ende Juli / Anfang August 2021) gegen Angriffe der Taliban auf größere Städte, darunter Herat, Lashkar Gah und Kandahar, dessen Flughafen von den Taliban bombardiert wurde. Seit 1.8.2021 gibt es keine Flüge mehr zu und von dem Flughafen (AJ 1.8.2021). Von den 17 Distrikten Herats sind nur Guzara und die Stadt Herat unter Kontrolle der Regierung. Die übrigen Bezirke werden von den Taliban gehalten, die versuchen, in das Zentrum der Stadt vorzudringen (TN 31.7.2021; vgl. ANI 2.8.2021). Die afghanische Regierung entsendet mehr Truppen nach Herat, da die Kämpfe mit den Taliban zunehmen (ANI 2.8.2021; vgl. AJ 1.8.2021).

Zivile Opfer und Fluchtbewegungen

Zwischen 1.1.2021 und 30.6.2021 dokumentierte UNAMA 5.183 zivile Opfer und fast eine Verdreifachung der zivilen Opfer durch den Einsatz von improvisierten Sprengsätzen (IEDs) durch regierungsfeindliche Kräfte. Zwischen Mai und Juni 2021 gab es nach Angaben von UNAMA fast so viele zivile Opfer wie in den vier Monate davor (UNAMA 26.7.2021). Nach Angaben von Human Rights Watch (HRW) halten die Taliban hunderte Einwohner der Provinz Kandarhar fest, denen sie vorwerfen mit der Regierung in Verbindung zu stehen. Berichten zufolge haben die Taliban einige Gefangene getötet, darunter Angehörige von Beamten der Provinzregierung sowie Mitglieder der Polizei und der Armee (HRW 23.7.2021). UNOCHA zufolge wurden zwischen 1.1.2021 und 18.7.2021 294.703 Menschen in Afghanistan durch den Konflikt vertrieben (UNOCHA 22.7.2021). Noch kann keine Massenflucht afghanischer Staatsbürger in den Iran festgestellt werden, jedoch hat die Zahl der Neuankömmlinge zugenommen. Der Notstandsplan wurde bislang noch nicht aktiviert. Sollte er aktiviert werden, rechnet die iranische Regierung mit einem Zustrom vom 500.000 Menschen innerhalb von sechs Monaten, wobei davon ausgegangen wird, dass ihr Aufenthalt nur vorübergehend sein wird. UNHCR rechnet mit 150.000 Menschen innerhalb von drei Monaten (UNHCR 20.7.2021).

Weitere Entwicklungen

Die Taliban haben im Juli 2021 erklärt, dass sie der afghanischen Regierung im August ihren Friedensplan vorlegen wollen und dass die Friedensgespräche beschleunigt werden sollen (UNHCR 20.7.2021). Die afghanische Regierung hat am 25.7.2021 eine einmonatige Ausgangssperre über fast das gesamte Land verhängt, um ein Eindringen der Taliban in die Städte zu verhindern. Ausnahmen sind die Provinzen Kabul, Panjshir und Nangarhar. Die Ausgangssperre verbietet alle Bewegungen zwischen 22:00 und 04:00 (BBC 25.7.2021; vgl. TG 24.7.2021). In den von den Taliban eroberten Gebieten im Norden dürften Frauen laut Meldung vom 14.7.2021 nur vollverschleiert und mit männlicher Begleitung auf die Straße gehen (BAMF 20.7.2021; vgl. VOA 9.7.2021). Aufgrund von COVID-19 waren alle Schulen und Universitäten bis zum 23.7.2021 geschlossen (BAMF 19.7.2021; AAN 25.7.2021). Nach Angaben der für das Gesundheits- und Bildungswesen zuständigen Beamten soll die Wiedereröffnung in den Provinzen schrittweise erfolgen, je nach Ausbreitung von COVID-19 (AAN 25.7.2021). Mit 2.8.2021 werden die Flughäfen von Kabul und Mazar-e Sharif weiterhin national und international angeflogen. Der Flughafen von Herat ist national erreichbar (F 24 2.8.2021)

Quellen:

• AAN - Afghan Analyst Network (25.7.2021): Schools reopen in Afghanistan after months of

COVID-19 closure, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/schools-reopen-in-afghanistan-aftermonths-of-covid-19-closure/2313635, Zugriff am 2.8.2021

• AJ - Aljazeera (1.8.2021): Afghan forces bomb Taliban in bid to halt advance on cities,

https://www.aljazeera.com/news/2021/8/1/rockets-hit-kandahar-airport-in-southernafghanistan, Zugriff am 2.8.2021

• ANI - Asian News International (2.8.2021): Afghan govt deploys more troops in Herat as

clashes with Taliban intensify, https://www.aninews.in/news/world/asia/afghan-govt-deploysmore-troops-in-herat-as-clashes-with-taliban-intensify20210802031342/, Zugriff am 2.8.2021

• ANI - Asian News International (13.7.2021): Over 5000 families displaced by violence in

Afghanistan's Kandahar, https://www.aninews.in/news/world/asia/over-5000-familiesdisplaced-by-violence-in-afghanistans-kandahar20210713192229/, Zugriff am 2.8.2021

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 4 von 10

Wien, 2.8.2021

• BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (19.7.2021): Briefing Notes,

https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/

2021/briefingnotes-kw29-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff am 2.8.2021

• BBC - British Broadcasting Corporation (25.7.2021): Afghanistan curfew imposed as Taliban

militants advance, https://www.bbc.com/news/world-asia-57933364, Zugriff am 2.8.2021

• F 24 - Flightradar 24 (2.8.2021): https://www.flightradar24.com/34.57,69.21/8,

• HRW - Human Rights Watch (23.7.2021): Afghanistan: Threats of Taliban Atrocities in

Kandahar, https://www.hrw.org/news/2021/07/23/afghanistan-threats-taliban-atrocitieskandahar, Zugriff am 2.8.2021

• TG - The Guardien (24.7.2021): Curfew imposed in Afghanistan to curb Taliban offensive,

https://www.theguardian.com/world/2021/jul/24/curfew-imposed-in-afghanistan-tocurb-taliban-offensive, Zugriff am 2.8.2021

• TN - Tolonews (31.7.2021): Taliban Gets Closer to Herat City as Clashes Intensify,

https://tolonews.com/afghanistan-173868, Zugriff am 2.8.2021

• UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (26.7.2021): Afghanistan Midyear

Report On Protection Of Civilians In Armed Conflict: 2021,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2056652/unama_poc_midyear_report_2021_26_july

.pdf, Zugriff am 2.8.2021

• UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (20.7.2021): Afghanistan situation:

Emergency preparedness and response in Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2056773/Situation+Update+-

+Afghanistan+situation+preparedness+in+Iran+-+20+July+2021.pdf, Zugriff am

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• UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (22.7.2021):

Afghanistan -Weekly Humanitarian Update,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2056663/afghanistan_humanitarian_weekly_22_july

_2021.pdf, Zugriff am 2.8.2021

• VOA - Voice of America (9.7.2021): Taliban Impose New Restrictions on Women, Media In

Afghanistan’s North, https://www.voanews.com/extremism-watch/taliban-impose-newrestrictions-women-media-afghanistans-north, Zugriff am 2.8.2021

Kurzinformation der Staatendokumentation vom 19.07.2021

Sicherheitslage und Gebietskontrolle durch die Taliban

Seit dem Beginn des Abzugs der US-Truppen und anderer Koalitionskräfte am 1.5.2021 kam es zu mehr Kampfhandlungen als in den Monaten zuvor. Nach Einschätzung des Long War Journal vom 13.7.2021 kontrollieren die Taliban 223 der 407 Distrikte in Afghanistan. Am 3.6.2021 waren es noch 90 Distrikte (LWJ 13.7.2021). Das Afghan Analysts Network schätzt, dass sich mit Stand 16.7.2021 229 Distriktzentren in den Händen der Taliban befinden. Nur in vier Provinzen sind die Distriktzentren noch vollständig in Regierungshand: Kabul, Panjshir, Kunar und Daikundi. Einige Gebiete konnten von der Regierung zurückerobert werden (AAN 16.7.2021; vgl. REU 8.7.2021). Wichtige Grenzübergänge zu Turkmenistan und Iran, beide in der Provinz Herat (BBC 10.7.2021; vgl. DW 14.7.2021, TN 13.7.2021) sowie zu Usbekistan in der Provinz Balkh (AJ 15.7.2021; vgl. AP 15.7.2021), wurden im Juli durch die Taliban erobert. Berichten zufolge haben die Taliban außerdem die Kontrolle über den afghanisch-pakistanischen Grenzort Spin Boldak (Dawn 18.7.2021; vgl. France 24 17.7.2021). Anfang Juli flohen mehr als 1.000 afghanische Sicherheitskräfte über die Grenze nach Tadschikistan, als sie von den Taliban attackiert wurden (BBC 10.7.2021; vgl. RFE/RL 7.7.2021). Turkmenistan hat Anfang Juli begonnen, schwere Waffen, Hubschrauber und andere Flugzeuge näher an die Grenze zu Afghanistan zu verlegen, und in der Hauptstadt werden Reservisten in Alarmbereitschaft versetzt (RFE/RL 11.7.2021).

Truppenabzug

Nach Angaben von US-Präsident Biden wird der Truppenabzug am 31.8.2021 abgeschlossen sein. Er verpflichtete sich, Tausende von afghanischen Übersetzern und ihre Familien, die an der Seite der USA arbeiteten, schnell zu evakuieren, und sagte, dass der Zeitplan für die Bearbeitung spezieller Einwanderungsvisa "dramatisch beschleunigt" worden sei. Und er sagte, die USA würden weiterhin zivile und humanitäre Hilfe leisten und sich auch für die Rechte von Frauen und Mädchen einsetzen (WH 19.7.2021). Anfang Juli wurde die Bagram-Airbase in der Provinz Parwan an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben (RFE/RL 11.7.2021, BBC 10.7.2021, AJ 2.7.2021).

Angriff auf Zivilisten / gezielte Tötungen

Es kommt weiterhin zu Angriffen auf und gezielten Tötungen von Zivilisten. Seit dem Beginn der Friedensgespräche in Doha im vergangenen Jahr sind vor allem Mitarbeiter des Gesundheitswesens, humanitäre Organisationen, Menschenrechtsverteidiger und Journalisten Ziel einer Welle von gezielten Tötungen gewesen (AI 16.6.2021). So wurden beispielsweise im Juni fünf Mitarbeiter eines Polio-Impf-Teams (APN 15.6.2021; vgl. VOA 15.6.2021) und zehn Minenräumer getötet (AI 16.6.2021; vgl. AJ 16.6.2021). Laut Berichten war der Juni 2021 der tödlichste Monat mit den meisten militärischen und zivilen Opfern seit 20 Jahren in Afghanistan (TN 2.7.2021; vgl. AJ 2.7.2021)

COVID-19

Die Delta-Variante treibt Beobachtern zufolge die Covid-19-Infektionen in Afghanistan in die Höhe, wobei die Dunkelziffer an Fällen weiterhin als sehr hoch geschätzt wird. Krankenhäuser kommen weiterhin an ihre Belastungsgrenze und es sind nicht genug Betten vorhanden um neue Covid-19 Patienten zu behandeln (DW 17.6.2021; vgl. USAID 11.6.2021) Gesundheitseinrichtungen berichten auch von Engpässen bei medizinischem Material und Sauerstoff (USAID 11.6.2021). Schulen und Universitäten sind weiterhin geschlossen (DW 17.6.2021; vgl. VOA 13.7.2021) und es gibt Berichte, wonach sich Menschen nicht streng an die Vorgaben halten und häufig keine Masken tragen (DW 17.6.2021; vgl. VOA 13.7.2021). Anfang Juli erreichten mehr als 1,4 Millionen Impfdosen des Herstellers Johnson & Johnson Afghanistan. Die Impfraten in Afghanistan sind nach wie vor extrem niedrig, weniger als 4% der Bevölkerung sind geimpft (UNICEF 9.7.2021).

Quellen:

AAN – Afghanistan Analysts Network (16.7.2021): Menace, Negotiation, Attack: The Taleban

take more District Centres across Afghanistan, https://www.afghanistananalysts.org/en/reports/war-and-peace/menace-negotiation-attack-the-taleban-take-moredistrict-centres-across-afghanistan/, Zugriff 15.7.2021

• ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (3.2020): ACLED Methodology and Coding

Decisions around the Conflict in Afghanistan, https://acleddata.com/acleddatanew/wpcontent/uploads/dlm_uploads/2019/01/ACLED_Methodology-and-Coding-Decisions-Aroundthe-Conflict-in-Afghanistan_Mar2020_update.pdf Zugriff 29.10.2020

• ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (o.D.): ACLED Dashboard,

https://acleddata.com/dashboard/#/dashboard, Zugriff 15.7.2021

• AI - Amnesty International (16.6.2021): Afghanistan: Deliberate killing of civilians must be

investigated following deadly attacks,

https://www.amnesty.org/en/latest/news/2021/06/afghanistan-deliberate-killing-of-civiliansmust-be-investigated-following-deadly-attacks/, Zugriff 15.7.2021

• AJ - Aljazeera (15.7.2021): Afghan gov’t claims it retook border crossing, Taliban denies,

https://www.aljazeera.com/news/2021/7/15/afghan-govt-says-pakistan-border-crossingretaken-from-taliban, Zugriff 19.7.2021

• AJ - Aljazeera (14.7.2021): Taliban claims capturing key Afghan border crossing with Pakistan,

https://www.aljazeera.com/news/2021/7/14/taliban-claims-capturing-key-afghan-bordercrossing-with-pakistan, Zugriff 15.7.2021

• AJ - Aljazeera (2.7.2021): US forces leave Afghanistan’s Bagram airbase after 20 years,

https://www.aljazeera.com/news/2021/7/2/us-bagram-airbase-afghanistan-taliban, Zugriff

15.7.2021

• AJ - Aljazeera (27.6.2021): Afghanistan: Thousands flee fighting between government, Taliban,

https://www.aljazeera.com/news/2021/6/27/thousands-displaced-as-government-taliban-fightnear-afghan-city, Zugriff 16.7.2021

• AJ - Aljazeera (16.6.2021): Afghan deminers to „continue to save lives“ despite deadly attack,

https://www.aljazeera.com/news/2021/6/16/afghanistan-deminers-save-lives-deadly-attack,

Zugriff 15.7.2021

• AP - Associated Press (15.7.2021): US, Afghan’s neighbors scramble to address Taliban surge,

https://apnews.com/article/joe-biden-europe-middle-east-taliban55fd9fcfdf898adf354c1205b53e9da7, Zugriff 19.7.2021

• AP - Associated Press (15.6.2021): Attacks target polio teams in east Afghanistan, 5 killed,

https://apnews.com/article/islamic-state-group-afghanistan-healthabb11349fe3e901af49cd2f301ecbe1e, Zugriff 15.7.2021

• BBC - British Broadcasting Corporation (10.7.2021): Taliban capture key Afghanistan border

crossings, https://www.bbc.com/news/world-asia-57773120, Zugriff 15.7.2021

• Dawn (18.7.2021): Pakistan reopens Afghan border at Chaman,

https://www.dawn.com/news/1635735/pakistan-reopens-afghan-border-at-chaman, Zugriff

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• DW - Deutsche Welle (17.7.2021): Die COVID-Tragödie in Afghanistan,

https://www.dw.com/de/die-covid-tragödie-in-afghanistan/a-57935378, Zugriff 15.7.2021

• DW - Deutsche Welle (14.7.2021): Taliban capture key Afghan border point - reports,

https://www.dw.com/en/taliban-capture-key-afghan-border-point-reports/a-58258412, Zugriff

15.7.2021

• France 24 (17.7.2021): Border crossing between Pakistan and Afghanistan reopens after

Taliban seizure, https://www.france24.com/en/live-news/20210717-border-crossing-betweenpakistan-and-afghanistan-reopens-after-taliban-seizure, Zugriff 19.7.2021

• LWJ – Long War Journal (13.7.2021): Mapping Taliban Contested and Controlled Districts in

Afghanistan, https://www.longwarjournal.org/mapping-taliban-control-in-afghanistan, Zugriff

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• REU - Reuters (14.7.2021): Afghan Taliban seize border crossing with Pakistan in major

advance, https://www.reuters.com/world/asia-pacific/taliban-claims-control-key-afghan-bordercrossing-with-pakistan-2021-07-14/, Zugriff 15.7.2021

• REU - Reuters (8.7.2021): Afghan forces say Taliban being driven out of western city,

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Wien, 19.7.2021

BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 6 von 6

• RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (7.7.2021): Some 600 Afghan Soldiers Repatriated

After Fleeing To Tajikistan, https://www.ecoi.net/en/document/2055530.html, Zugriff 15.7.2021

• RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (11.7.2021): Turkmenistan Sending Heavy

Weaponry, Aircraft To Afghan Border Amid Deteriorating Security,

https://www.ecoi.net/en/document/2055880.html, Zugriff 15.7.2021

• RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (26.6.2021): Thousands Of Afghan Families

Displaced As Fight For Kunduz Rages, https://gandhara.rferl.org/a/afghanistan-thousandsdisplace-kunduz-battle/ 31327577.html, Zugriff 15.7.2021

• TN - Tolonews (13.7.2021): Taliban Restores Customs Activities in Key Border Areas,

https://tolonews.com/business-173496, Zugriff 15.7.2021

• UNICEF - United Nations Children’s Fund (UNICEF 9.7.2021): 1.4 million doses of COVID-19

vaccine arrive in Afghanistan through COVAX global dose-sharing mechanism,

https://www.unicef.org/press-releases/14-million-doses-covid-19-vaccine-arrive-afghanistanthrough-covax-global-dose, Zugriff 15.7.2021

• VOA - Voice of America (13.7.2021): Pandemic Halts Schooling for Afghan Students,

https://www.voanews.com/student-union/pandemic-halts-schooling-afghan-students, Zugriff

15.7.2021

• VOA - Voice of America (15.6.2021): Gunmen Kill 5 Polio Vaccinators in Afghanistan,

https://www.voanews.com/south-central-asia/gunmen-kill-5-polio-vaccinators-afghanistan,

Zugriff 15.7.2021

• WH - White House, The [USA] (8.7.2021): Remarks by President Biden on the Drawdown of

U.S. Forces in Afghanistan, https://www.whitehouse.gov/briefing-room/speechesremarks/2021/07/08/remarks-by-president-biden-on-the-drawdown-of-u-s-forces-inafghanistan/, Zugriff 19.7.202

Auszug aus dem Länderinformationsblatt vom 11.06.2021

„COVID-19

Bezüglich der aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Website der WHO: https: // www.who.int/ emergencies/ diseases/nov el-coronav irus-2019/ situation-reports oder der Johns-Hopkins-Universität: https:// gisanddata.maps.arcgis.com/apps/ opsdashboard/index.h tml#/ bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.

Entwicklung der COVID-19 Pandemie in Afghanistan

Der erste offizielle Fall einer COVID-19 Infektion in Afghanistan wurde am 24.2.2020 in Herat festgestellt (RW 9.2020; vgl UNOCHA 19.12.2020). Laut einer vom afghanischen Gesundheitsministerium (MoPH) durchgeführten Umfrage hatten zwischen März und Juli 2020 35% der Menschen in Afghanistan Anzeichen und Symptome von COVID-19. Laut offiziellen Regierungsstatistiken wurden bis zum 2.9.2020 in Afghanistan 103.722 Menschen auf das COVID-19-Virus getestet (IOM 23.9.2020). Aufgrund begrenzter Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der Testkapazitäten, der Testkriterien, des Mangels an Personen, die sich für Tests melden, sowie wegen des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt unterrepräsentiert (HRW 14.1.2021; vgl. UNOCHA 18.2.2021, USAID 12.1.2021, UNOCHA 19.12.2020, RFE/RL 23.2.2021a).

Die fortgesetzte Ausbreitung der Krankheit in den letzten Wochen des Jahres 2020 hat zu einem Anstieg der Krankenhauseinweisungen geführt, wobei jene Einrichtungen die als COVID-19- Krankenhäuser in den Provinzen Herat, Kandahar und Nangarhar gelten, nach Angaben von Hilfsorganisationen seit Ende Dezember voll ausgelastet sind. Gesundheitseinrichtungen sehen sich auch zu Beginn des Jahres 2021 großen Herausforderungen bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung ihrer Kapazitäten zur Behandlung von Patienten mit COVID-19 sowie bei der Aufrechterhaltung grundlegender Gesundheitsdienste gegenüber, insbesondere, wenn sie in Konfliktgebieten liegen (BAMF 8.2.2021; vgl. IOM 18.3.2021).

Die WHO äußerte ihre Besorgnis über die Gefahr der Verbreitung mutierter Viren in Afghanistan. In Pakistan ist bereits ein deutlicher Anstieg der Infektionen mit einer neuen Variante, die potenziell ansteckender ist und die jüngere Bevölkerung trifft, festgestellt worden. Das afghanische Gesundheitsministerium bereite sich auf eine potenzielle dritte Welle vor. Die Überwachung an der Grenze soll ausgeweitet und Tests verbessert werden. Angesichts weiterer Berichte über unzureichende Testkapazitäten im Land bleibt die Wirkung der geplanten Maßnahmen abzuwarten (BAMF 29.3.2021).

Laut Meldungen von Ende Mai 2021 haben afghanische Ärzte Befürchtungen geäußert, dass sich die erstmals in Indien entdeckte COVID-19-Variante nun auch in Afghanistan verbreiten könnte. Viele der schwerkranken Fälle im zentralen Krankenhaus für COVID-Fälle in Kabul, wo alle 100 Betten belegt seien, seien erst kürzlich aus Indien zurückgekehrte Personen (BAMF 31.5.2021; vgl. TG 25.5.2021, DW 21.5.2021, UNOCHA 3.6.2021). Seit Ende des Ramadans und einige Woche nach den Festlichkeiten zu Eid al-Fitr konnte wieder ein Anstieg der COVID-19 Fälle verzeichnet werden. Es wird vom Beginn einer dritten Welle gesprochen (UNOCHA 3,6,2021; vgl. TG 25.5.2021). Waren die [Anm.: offiziellen] Zahlen zwischen Februar und März relativ niedrig, so stieg die Anzahl zunächst mit April und dann mit Ende Mai deutlich an (WHO 4.6.2021; vgl. TN 3.6.2021, UNOCHA 3.6.2021). Es gibt in Afghanistan keine landeseigenen Einrichtungen, um auf die aus Indien stammende Variante zu testen (UNOCHA 3.6.2021; vgl. TG 25.5.2021).

Mit Stand 3.6.2021 wurden der WHO offiziell 75.119 Fälle von COVID-19 gemeldet (WHO 3.6.2021), wobei die tatsächliche Zahl der positiven Fälle um ein Vielfaches höher eingeschätzt wird (IOM 18.3.2021; vgl. HRW 14.1.2021).

Maßnahmen der Regierung und der Taliban

Das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) hat verschiedene Maßnahmen zur Vorbereitung und Reaktion auf COVID-19 ergriffen. „Rapid Response Teams“ (RRTs) besuchen Verdachtsfälle zu Hause. Die Anzahl der aktiven RRTs ist von Provinz zu Provinz unterschiedlich, da ihre Größe und ihr Umfang von der COVID-19-Situation in der jeweiligen Provinz abhängt. Sogenannte „Fix-Teams“ sind in Krankenhäusern stationiert, untersuchen verdächtige COVID-19-Patienten vor Ort und stehen in jedem öffentlichen Krankenhaus zur Verfügung. Ein weiterer Teil der COVID-19-Patienten befindet sich in häuslicher Pflege (Isolation). Allerdings ist die häusliche Pflege und Isolation für die meisten Patienten sehr schwierig bis unmöglich, da die räumlichen Lebensbedingungen in Afghanistan sehr begrenzt sind (IOM 23.9.2020). Zu den Sensibilisierungsbemühungen gehört die Verbreitung von Informationen über soziale Medien, Plakate, Flugblätter sowie die Ältesten in den Gemeinden (IOM 18.3.2021; vgl. WB 28.6.2020). Allerdings berichteten undokumentierte Rückkehrer immer noch von einem insgesamt sehr geringen Bewusstsein für die mit COVID-19 verbundenen Einschränkungen sowie dem Glauben an weitverbreitete Verschwörungen rund um COVID-19 (IOM 18.3.2021; vgl. IOM 1.2021).

Gegenwärtig gibt es in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif keine Ausgangssperren. Das afghanische Gesundheitsministerium hat die Menschen jedoch dazu ermutigt, einen physischen Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten, eine Maske zu tragen, sich 20 Sekunden lang die Hände mit Wasser und Seife zu waschen und Versammlungen zu vermeiden (IOM 18.3.2021). Auch wenn der Lockdown offiziell nie beendet wurde, endete dieser faktisch mit Juli bzw. August 2020 und wurden in weiterer Folge keine weiteren Ausgangsperren erlassen (ACCORD 25.5.2021).

Laut IOM sind Hotels, Teehäuser und andere Unterkunftsmöglichkeiten derzeit [Anm.: März 2021] nur für Geschäftsreisende geöffnet. Für eine Person, die unter der Schirmherrschaft der IOM nach Afghanistan zurückkehrt und eine vorübergehende Unterkunft benötigt, kann IOM ein Hotel buchen. Personen, die ohne IOM nach Afghanistan zurückkehren, können nur in einer Unterkunftseinrichtung übernachten, wenn sie fälschlicherweise angeben, ein Geschäftsreisender zu sein. Da die Hotels bzw. Teehäuser die Gäste benötigen, um wirtschaftlich überleben zu können, fragen sie nicht genau nach. Wird dies durch die Exekutive überprüft, kann diese - wenn der Aufenthalt auf der Angabe von falschen Gründen basiert - diesen jederzeit beenden. Die betreffenden Unterkunftnehmer landen auf der Straße und der Unterkunftsbetreiber muss mit einer Verwaltungsstrafe rechnen (IOM AUT 22.3.2021). Laut einer anderen Quelle gibt es jedoch aktuell [Anm.: März 2021] keine Einschränkungen bei der Buchung eines Hotels oder der Unterbringung in einem Teehaus und es ist möglich, dass Rückkehrer und Tagelöhner die Unterbringungsmöglichkeiten nutzen (RA KBL 22.3.2021).

Indien hat inzwischen zugesagt, 500.000 Dosen seines eigenen Impfstoffs zu spenden, erste Lieferungen sind bereits angekommen. 100.000 weitere Dosen solle

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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