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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. März 1996, Zl. 4.336.387/9-III/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und der dieser beigelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger und reiste am 9. April 1992 in das Bundesgebiet ein. Am darauffolgenden Tag beantragte er, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich der vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten niederschriftlichen Befragung am 14. April 1992 hatte er zu seinen Fluchtgründen angegeben, er sei armenischer Volks- und gregorianischer Glaubenszugehörigkeit, jedoch nie politisch aktiv gewesen. Während der Ableistung seiner Militärzeit sei er von moslemischen Soldaten beschimpft und auch unterdrückt worden. Er habe in einer Imbißstube gearbeitet. Dabei sei ihm verboten worden, Sandwiches an Moslems auszugeben, weil er auf Grund seiner Glaubenszugehörigkeit als unrein gelte. In der Folge habe er wegen der ständigen Belästigungen durch Revolutionswächter seinen Arbeitsplatz aufgegeben. Er habe zu musizieren begonnen. Ein Jahr vor seiner Ausreise habe er anläßlich einer Hochzeit mit einem Bekannten in einer Wohnung musiziert, als plötzlich Revolutionswächter gekommen und die Hochzeitsgemeinschaft aufgelöst und alle Gäste verhaftet hätten. Er sei eine Woche inhaftiert gewesen und erst nach Unterzeichnung eines Dokumentes, worin er sich verpflichtet habe, nie wieder zu musizieren, entlassen worden. Mitte März 1992 habe in seiner Wohnung eine Hausdurchsuchung stattgefunden, in deren Folge eine verbotene Videokassette (eine Rede Khomeinis vor der Revolution) gefunden worden sei. Er habe sich zu diesem Zeitpunkt an seinem Arbeitsplatz befunden. Auf Grund dieses Umstandes habe er sich zur Ausreise entschlossen. Er habe am 20. oder 21. März 1992 mit seinem nationalen Reisedokument sein Heimatland auf dem Luftweg verlassen.
Mit Bescheid vom 23. April 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle. In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen seine in erster Instanz gemachten Angaben. Diese Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. Februar 1994 abgewiesen. Infolge der dagegen gerichteten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. Februar 1995, Zl. 94/20/0742, den bekämpften Bescheid (infolge Anwendung der vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Bestimmung des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 in der alten Fassung mit dessen Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) auf, wodurch das Berufungsverfahren bei der belangten Behörde neuerlich anhängig wurde.
Im Rahmen der daraufhin im Sinne dieses Erkenntnisses von der belangten Behörde eingeräumten Möglichkeit, auch einfache Verfahrensmängel und daraus etwa folgende Sachverhaltsänderungen der Behörde erster Instanz in einer Ergänzung zur Berufung zu relevieren, machte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 4. August 1995 die Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens geltend und führte hinsichtlich der Religionszugehörigkeit sowie der in der iranischen Verfassung verankerten Minderheitenrechte aus, bereits drei christliche Bischöfe seien im Iran ermordet worden. Er selbst sei als Taxilenker einmal von einem Fahrgast beschimpft worden, weil dieser festgestellt habe, daß er Christ sei. Aus einem Streit sei ein Handgemenge entstanden und er sei festgenommen und für drei Tage angehalten worden. Solchen Vorfällen sei man als Christ im Iran regelmäßig ausgesetzt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers (neuerlich) gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und führte nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und der von ihr in Anwendung gebrachten Rechtslage im wesentlichen rechtlich aus, die Zugehörigkeit zu einer Minderheit, zu einer religiösen oder ethnischen Volksgruppe und deren schlechte allgemeine Situation sei allein nicht geeignet, eine Asylgewährung zu rechtfertigen. Das Asylgesetz verlange vielmehr eine begründete Furcht vor einer konkret gegen den Asylwerber selbst gerichteten Verfolgungshandlung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen. Das Bestehen eines islamisch-fundamentalistischen Regimes im Heimatland des Beschwerdeführers sei unbestritten, doch treffe dies alle Bürger gleichermaßen. Die subjektive Ablehnung des im Heimatland eines Asylwerbers herrschenden Gesellschaftssystems stelle keine Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention dar. Auch müßten die Zustände im Heimatland eines Asylwerbers aus objektiver Sicht betrachtet so sein, daß ein weiterer Verbleib dort unerträglich wäre. Ebensowenig rechtfertigten wirtschaftliche Gründe die Anerkennung als Flüchtling. Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, Benachteiligungen, mangelnde Aufstiegschancen sowie eingeschränkte Berufsmöglichkeiten könnten - auch wenn sie aus politischen, weltanschaulichen oder religiösen Gründen resultierten - nicht zur Asylgewährung führen, mangle es solchen Problemen doch an der erforderlichen Intensität. Der Beschwerdeführer habe nicht dargetan, daß er dadurch einer massiven Bedrohung der Lebensgrundlage ausgesetzt gewesen sei. Auch bei der von ihm geschilderten Hausdurchsuchung und kurzfristigen Inhaftierung fehle die für eine Asylgewährung erforderliche Intensität. Da eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz nicht erkennbar gewesen sei, sei auch die beantragte ergänzende Befragung entbehrlich, da der Beschwerdeführer in erster Instanz ausreichend Gelegenheit gehabt habe, seine Fluchtgründe zu schildern. Ausgehend vom Ermittlungsergebnis des Verfahrens erster Instanz gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 habe der Beschwerdeführer damit nicht dargetan, Verfolgung aus einem der in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründe zu gewärtigen bzw. befürchten zu müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe in Verletzung der Bestimmung des § 16 Abs. 1 AsylG 1991 und des "§ 39a Abs. 1 AVG" zu Unrecht die Vollständigkeit des Ermittlungsverfahrens erster Instanz angenommen. Gerade bei einem Asylwerber iranischer Staatsangehörigkeit könne nicht von hinreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache ausgegangen werden. Das Verfassen einer schriftlichen Eingabe an eine Behörde müsse für eine Person, die nicht mit der deutschen Sprache und der österreichischen Rechtsordnung vertraut sei, eine unlösbare Aufgabe darstellen. Von einem Asylwerber eine schriftliche Eingabe zur ergänzenden Sachverhaltsfeststellung zu verlangen, sei kein geeignetes Mittel, die zur Begründung des Asylantrages erforderlichen Umstände festzustellen, und somit rechtswidrig. Unrichtig sei ebenfalls die Ansicht der Behörde, durch nochmalige Einvernahme sei kein im wesentlichen anderslautender Bescheid zu erwarten gewesen, denn schon die Aufforderung zur Berufungsergänzung zeige, daß der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt noch nicht vollständig bzw. mangelhaft festgestellt worden sei. Die belangte Behörde könne daher gar nicht wissen, ob ein anderslautender oder gleichlautender Bescheid zu erwarten gewesen sei.
Dem ist zunächst zu entgegnen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Pflicht der belangten Behörde im Sinne des § 16 Abs. 1 AsylG 1991, der eine Konkretisierung der Bestimmungen im § 37 in Verbindung mit § 39 AVG darstellt, zur amtswegigen Ermittlung weiterer Umstände lediglich dann verhalten ist, wenn bereits im Vorbringen des Asylwerbers konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen asylrechtlich relevanter Tatbestände enthalten sind. Die Ermittlungspflicht der Behörde geht jedoch nicht soweit, den Asylwerber anzuleiten, wie er sein Vorbringen zu gestalten habe, damit sein Asylantrag von Erfolg gekrönt werde; ebensowenig hat die belangte Behörde Umstände zu ermitteln, die der Asylwerber nicht behauptet hat. Daß es anläßlich der erstinstanzlichen Vernehmung zu Verständigungsschwierigkeiten gekommen wäre, behauptet der Beschwerdeführer konkret nicht. Insbesondere legt er auch in der Beschwerde nicht dar, welchen anderen Sachverhalt die belangte Behörde in Ergänzung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz hätte feststellen müssen. Nach übereinstimmender Judikatur hat jedoch eine Partei die Wesentlichkeit der von ihr aufgezeigten Verfahrensverletzungen darzutun. Insbesondere im Hinblick darauf, daß auch in der Berufung andere, vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz abweichende Umstände nicht vorgebracht wurden, läßt sich daher die Relevanz der nunmehr in der Beschwerde behaupteten Verfahrensverletzungen nicht erkennen. Im übrigen erweist sich der Schluß aus der bloß eingeräumten Möglichkeit zur Berufungsergänzung auf eine tatsächlich vorliegende Verfahrensverletzung des Verfahrens erster Instanz als logisch nicht nachvollziehbar. Eine für die Sachentscheidung relevante Verfahrensverletzung kann daher nicht erkannt werden.
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides macht der Beschwerdeführer geltend, die im § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannte "wohlbegründete Furcht" vor Verfolgung beziehe sich nicht nur auf Personen, die tatsächlich verfolgt worden seien, sondern auch auf solche, die einer Situation aus dem Weg gehen wollen, die eine Gefahr der Verfolgung in sich berge. Im Fall des Beschwerdeführers sei auslösendes Moment dieser Furcht vor Verfolgung die Einziehung von Videokassetten im Rahmen einer Hausdurchsuchung durch Revolutionswächter gewesen, auf der eine Rede Khomeinis vor der Revolution aufgezeichnet worden sei. Der Beschwerdeführer habe damit rechnen müssen, verhaftet zu werden, und sich so zur sofortigen Ausreise entschlossen. Bei richtiger Würdigung dieses Umstandes hätte dies zur Gewährung von Asyl führen müssen. Auch müßte eine Reihe von Umständen, die für sich allein genommen, möglicherweise den Tatbestand der Verfolgung noch nicht erfüllten, in ihrer Gesamtheit berücksichtigt werden, die eine Wohlbegründetheit der Furcht vor Verfolgung rechtfertige. Im Fall des Beschwerdeführers seien dies die verschiedenen Formen der Diskriminierung gewesen, der schikanösen Behandlung beim Militär, der Unterdrückung im Berufsleben und der mehrfachen Festnahme, verbunden mit körperlichen Mißhandlungen.
Was das letztere anbetrifft, erweist sich dieses Vorbringen als Neuerung im Sinne des § 41 VwGG, auf das nicht Bedacht zu nehmen ist, hat doch der Beschwerdeführer im gesamten Verwaltungsverfahren von körperlichen Mißhandlungen nichts erwähnt. Der belangten Behörde ist aber darin beizupflichten, daß in einer - zutreffenderweise vorzunehmenden - Gesamtschau die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Diskriminierungen und Behinderungen nicht jenen Grad an Intensität erreichen, der eine Asylgewährung rechtfertigen könnte. Insbesondere kann der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Verhaftung eine asylrelevante konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungsmotivation nicht entnommen werden, zumal sich diese Verhaftung auf die gesamte Hochzeitsgesellschaft bezogen hat, und eine den Beschwerdeführer damit treffende Diskriminierung auf Grund seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit nicht erkennbar ist. Daraus ergibt sich aber, daß auch eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht erkennbar ist.
Da sohin bereits auf Grund der Beschwerde feststeht, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein gesonderter Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996200763.X00Im RIS seit
20.11.2000