TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/14 W216 2234825-1

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Veröffentlicht am 14.09.2021
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Entscheidungsdatum

14.09.2021

Norm

AlVG §46 Abs6
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W216 2234825-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende sowie die fachkundige Laienrichterin Karin ZEISEL und den fachkundigen Laienrichter Dr. Kurt SCHEBESTA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ingo Riß, Gußhausstraße 14, 1040 Wien, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Huttengasse vom 13.07.2020, Zl. XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 13.08.2020, Zl. XXXX , wegen §§ 38 und 46 Abs. 6 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.08.2021, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Huttengasse (im Folgenden: AMS oder belangten Behörde) vom 13.07.2020 wurde der Bezug des Beschwerdeführers von Arbeitslosengeld ab dem 23.03.2020 eingestellt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer beim AMS am 12.03.2020 telefonisch gemeldet habe, dass er per 23.03.2020 eine vollversicherte Beschäftigung beginnen werde. Das Arbeitslosengeld sei daraufhin eingestellt worden. Der Beschwerdeführer habe dem AMS erst am 08.06.2020 [gemeint wohl: 06.06.2020] per E-Mail mitgeteilt, dass seine Beschäftigung erst ab 04.05.2020 begonnen habe. Seine Meldung, dass kein Unterbrechungstatbestand vorgelegen sei, sei also nicht binnen einer Woche erfolgt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 02.08.2020, beim AMS am 04.08.2020 eingelangt, fristgerecht Beschwerde, in der er angibt, im Telefonat vom 12.03.2021 kein fixes Datum genannt zu haben. Er habe gesagt, dass er "wahrscheinlich" im März eingestellt werde.

Im Verfahren über die Beschwerde erließ das AMS als belangte Behörde am 13.08.2020 gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG eine Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde vom 04.08.2020 abgewiesen wurde. Die belangte Behörde begründete dies im Wesentlichen mit dem eindeutigen Eintrag vom 12.03.2020, in den zur Person des Beschwerdeführers chronologisch geführten elektronischen Aufzeichnungen des AMS.

Mit Schreiben vom 26.08.2020 stellte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in dem er an seinem Vorbringen festhält und nochmals darauf hinweist, dass er dem AMS telefonisch bekanntgegeben habe, dass er, "wenn alles in Ordnung geht", eine Beschäftigung aufnehmen könne. Die Aufnahme dieses Arbeitsverhältnisses habe sich – bedingt durch die Covid-19 Pandemie – jedoch nicht realisiert. Ein hinreichend konkretes Datum der möglichen Beschäftigungsaufnahme habe er nicht genannt.

Der Vorlageantrag und die Beschwerde wurden gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 07.09.2020 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 24.08.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter, ein Vertreter der belangten Behörde sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Polnisch teilnahmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer bezog vom 20.12.2014 bis zum 22.03.2020 mit Unterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.

Der Beschwerdeführer ist polnischer Staatsangehöriger und verfügt über eingeschränkte Deutschkenntnisse.

Der Beschwerdeführer wurde am 12.03.2020 seitens eines Mitarbeiters des AMS telefonisch kontaktiert, um den mit dem Beschwerdeführer für den 13.03.2020 vereinbarten Termin beim AMS aufgrund der Covid-19 bedingten Situation abzusagen.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Rahmen dieses Telefonates die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit per 23.03.2021 der belangten Behörde gegenüber bekanntgegeben und sich somit von Leistungsbezug mit diesem Datum abgemeldet hat.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen basieren auf dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie auf den Angaben des Beschwerdeführers sowie der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.08.2021.

Der Sachverhalt – bis zu der vom Beschwerdeführer behaupteten Nichtbekanntgabe einer Arbeitsaufnahme per 23.03.2020 – ergibt sich schlüssig aus dem Akteninhalt und ist im Verfahren unbestritten geblieben.

Im Hinblick auf die strittige Bekanntgabe einer Arbeitsaufnahme per 23.03.2020 durch den Beschwerdeführer folgt der erkennende Senat den Angaben des Beschwerdeführers. Dem Beschwerdeführer ist es im Rahmen der mündlichen Verhandlung gelungen, glaubhaft darzulegen, dass er im Rahmen des Telefonates am 12.03.2020 mit einem Mitarbeiter des AMS tatsächlich kein konkretes Datum einer Arbeitsaufnahme genannt und sich somit auch nicht vom Arbeitslosengeldbezug abgemeldet hat.

So schilderte der Beschwerdeführer schlüssig, dass er seitens des AMS am 12.03.2020 telefonisch kontaktiert worden sei und er gab den Inhalt des Gespräches glaubhaft wieder. Er vermochte dabei überzeugend darzulegen, dass er im Rahmen des Telefongespräches zu keiner Zeit angegeben habe, an einem bestimmten Datum eine Arbeit aufzunehmen. Vielmehr habe er gesagt, dass er "wenn alles in Ordnung gehen wird", nächste Woche zu arbeiten beginnen könne.

Im Gegensatz dazu verwies der Vertreter der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung auf den eindeutigen und klaren Eintrag des Mitarbeiters der Beratungszone über das Telefonat mit dem Beschwerdeführer am 12.03.2020 und legte dar, dass dieser Aktenvermerk den konkreten Vorgaben an die Mitarbeiter, wie ein Telefonat mit Kunden zu gestalten ist, entspricht. Demnach ist ein Telefonat so kurz und klar wie möglich zu führen und hat aus einem Aktenvermerkt eindeutig hervorzugehen, was besprochen und vereinbart wurde.

Aus dem Umstand, dass ein standardisierter Ablauf vorgesehen ist, kann jedoch nicht auch mit Sicherheit darauf geschlossen werden, dass dieser auch im gegenständlichen Fall des Beschwerdeführers eingehalten worden ist.

Insgesamt vermittelte der Beschwerdeführer einen glaubwürdigen Eindruck. Seine Aussagen waren frei von Widersprüchen und vermochte der Beschwerdeführer dem erkennenden Senat nachvollziehbar darzulegen, dass er sich tatsächlich nicht vom Leistungsbezug per 23.03.2020 abgemeldet hat. Unterstützend für die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers kommt hinzu, dass der übermittelte Akteninhalt sowie die in der mündlichen Verhandlung hierzu unwidersprochen gebliebenen Angaben des Beschwerdeführers den Schluss zulässt, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen sorgfältigen Kunden des AMS handelt, da er vom 20.12.2014 bis zum 22.03.2020 mit Unterbrechungen in Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung stand und es dabei – bis zu jenem Telefonat vom 12.03.2020 – zu keinerlei Problemen kam.

Der erkennende Senat konnte sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch ein Bild über die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers machen und ist nicht auszuschließen, dass diese – da als "eingeschränkt" zu bezeichnen – zu einem Missverständnis beigetragen haben. So war es dem Beschwerdeführer nicht möglich, der mündlichen Verhandlung ohne die Unterstützung einer Dolmetscherin zu folgen und die an ihn gerichteten Fragen, ausreichend zu beantworten.

An Erklärungen über den Eintritt eines (Unterbrechungs-) Ruhenstatbestandes ist jedoch hinsichtlich der Deutlichkeit der Erklärung ein strenger Maßstab anzulegen. Eine derartige Erklärung muss eindeutig sein, da es sich um eine rechtsgestaltende Erklärung handelt. Bestehen Zweifel über den Inhalt der Erklärung, sind diese durch Rückfrage bei der Partei zu klären (vgl. Erk. des VwGH vom 07.09.2011, 2008/08/0229).

Mit Blick auf die jeweils protokollierten – vermeintlichen – Angaben des Beschwerdeführers in den Unterlagen der belangten Behörde lässt sich aus Sicht des erkennenden Gerichtes nicht darauf schließen, dass der Beschwerdeführer dem AMS gegenüber tatsächlich eine Beschäftigungsaufnahme mit konkretem Datum 23.03.2020 gemeldet hat. Vielmehr ist dem glaubhaften und logisch nachvollziehbaren Vorbringen des Beschwerdeführers zu folgen, wenn dieser vermeint, dem AMS in dem nicht von ihm initiierten Telefonat vom 12.03.2020 lediglich mitgeteilt zu haben, dass er "wenn alles in Ordnung geht" "nächste Woche" eine Beschäftigung aufnehmen werde. Dies erscheint schon in Anbetracht des Datums des seitens des AMS erfolgten Anrufs beim Beschwerdeführer am 12.03.2020, also kurz vor dem ersten Lockdown, und dem Zweck des Anrufs, nämlich die Absage des mit dem Beschwerdeführer für den Folgetag, dem 13.03.2020, vereinbarten Termins beim AMS aufgrund der behördlichen Auflagen zur Eindämmung der drohenden Covid-19 Pandemie, nicht unrealistisch. Der Beschwerdeführer erstattete darüber hinaus das nachvollziehbare Vorbringen, dass er in der Baubranche tätig sei, die stets – unabhängig von der Covid-19 Pandemie – den Witterungsbedingungen unterworfen sei, sodass auch diesbezüglich ein Arbeitsbeginn regelmäßig ungewiss sei.

Es dürfte daher aufgrund verbaler Missverständnisse, möglicherweise basierend auf den eingeschränkten Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers und unterschiedlicher Bedeutungsinterpretationen des tatsächlich vom Beschwerdeführer Vorgebrachten, zu einem fehlerhaften Informationstransport an die belangte Behörde gekommen sein.

In diesem Kontext ist zum Vorbringen der belangten Behörde auszuführen, dass diese lediglich zur grundsätzlichen Vorgangsweise und dem grundsätzlich Verhalten ihrer Mitarbeiter Stellung genommen hat. Konkret zu dem Telefonat mit dem Beschwerdeführer selbst wurden keine genauen Angaben gemacht, etwa wie sich das Telefongespräch entwickelt hat und die Verständigung einzustufen war. Das ledigliche Vorhandensein von bestimmten Verhaltensregeln der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Telefonaten allein genügt nicht, um das mögliche Auftreten von Missverständnissen im Einzelfall, unabhängig welcher Art, mögen diese in sprachlichen Verständigungs- oder technischen Übertragungsproblemen oder menschlichen Fehleistungen gelegen sein, von vornherein vollkommen ausschließen zu können. So kann – an das oben Ausgeführte anknüpfend – die Verwendung der Möglichkeitsform ("wenn alles in Ordnung geht") mehrfach gedeutet werden und sohin durchaus zu einer Missinterpretation des Vorbringens des Beschwerdeführers geführt haben. In diesem Zusammenhang könnte eventuell auch die Situation des Märzes des Jahres 2020, einer Situation in einer beginnenden Pandemie und kurz vor dem ersten Lockdown, die naturgemäß genauso zu Herausforderungen für Behörden wie auch für den einzelnen Bürger geführt hat, beigetragen haben. So verfolgte – wie bereits festgehalten – der Anruf des AMS beim Beschwerdeführer am 12.03.2020 allein den Zweck, den mit dem Beschwerdeführer für den 13.03.2020 vereinbarten Termin beim AMS aufgrund der Covid-19 Situation und des nahenden Lockdowns, abzusagen. In dem Zeitraum um den 12.03.2020 wurden seitens des AMS – wie von anderen Behörden ebenso – aufgrund behördlicher Auflagen hinsichtlich der drohenden Pandemie Kundentermine storniert, um eine physische Anwesenheit von Kunden und Kundinnen in den Amtsgebäuden zu verhindern. Es ist davon auszugehen, dass sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des AMS mit einer Vielzahl von Kundenkontakten konfrontiert sahen.

Der belangten Behörde gelang es jedenfalls nicht, mit dem alleinigen Verweis auf das vom Mitarbeiter der Beratungszone erstellte Gesprächsprotokoll und den verbindlich festgelegten Verhaltensregeln, die Bedenken auszuräumen. Natürlich ist schon allein aufgrund des Zeitablaufs eine lückenlose Aufklärung nur noch schwer möglich.

Für den erkennenden Senat ist daher zusammenfassend unter Berücksichtigung des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers den Aussagen des Beschwerdeführers zu folgen, da diese sich stimmig und nachvollziehbar gestalteten, wohingegen sich das Vorbringen der belangten Behörde ausschließlich auf die vorliegende Gesprächsnotiz sowie die Wiedergabe von "Standardverhalten" in einer bestimmten vorgegebenen Situation beziehen. Auf den konkreten Einzelfall bezogen stützt sie sich lediglich auf die getätigte Eintragung ins System und leitet daraus reziprok ab, was zu Grunde habe liegen müssen, um diese Eintragung zu tätigen.

Das AMS ist daher zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Beschwerdeführer ab dem 23.03.2020 kein Arbeitslosengeld mehr gebührt.

Der Beschwerde gegen den Bescheid des AMS war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin das AMS.

§ 56 Abs. 2 AlVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Die entsprechende Anordnung einer Senatszuständigkeit enthält § 56 Abs. 2 AlVG, wonach das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat entscheidet, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer.

Gemäß § 7 BVwGG bestehen die Senate aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Ist in Materiengesetzen die Mitwirkung fachkundiger Laienrichter an der Rechtsprechung vorgesehen, sind diese anstelle der Mitglieder nach Maßgabe der Geschäftsverteilung als Beisitzer heranzuziehen.

In der gegenständlichen Rechtssache obliegt somit die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Senat.

3.2. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Beschwerdegegenstand:

Gemäß § 14 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden. Abweichend dazu normiert § 56 Abs. 2 AlVG in Verfahren betreffend Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung eine Frist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung von zehn Wochen.

Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Die Beschwerdevorentscheidung tritt mangels einer gesetzlichen Regelung nicht außer Kraft, sondern wird zum Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (vgl. Dünser, ZUV 2013/1, 17; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 15 VwGVG, K 2; Hauer, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Rz. 178; jeweils unter Hinweis auf den diesbezüglich ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, vgl. RV 2009 BlgNR 24. GP, 5). Gemäß zweiter Satz des § 15 Abs. 1 hat ein Vorlageantrag, der von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt wird, die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3) und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten. Im Umkehrschluss folgt aus dieser Vorschrift, dass der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag nicht zu begründen hat, ihn aber begründen kann (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 8 zu § 15 VwGVG unter Hinweis auf AB 2112 BlgNR 24. GP 3).

3.4. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts:

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit, als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung: "Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen."

Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

3.5. Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßbegebenden Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes lauten:

Geltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld

§ 46. (1) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das bundeseinheitliche Antragsformular zu verwenden. Personen, die über ein sicheres elektronisches Konto beim Arbeitsmarktservice (eAMS-Konto) verfügen, können den Anspruch auf elektronischem Weg über dieses geltend machen, wenn die für die Arbeitsvermittlung erforderlichen Daten dem Arbeitsmarktservice bereits auf Grund einer Arbeitslosmeldung oder Vormerkung zur Arbeitsuche bekannt sind; sie müssen jedoch, soweit vom Arbeitsmarktservice keine längere Frist gesetzt wird, innerhalb von 10 Tagen nach elektronischer Übermittlung des Antrages persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle vorsprechen. Das Arbeitsmarktservice kann die eigenhändige Unterzeichnung eines elektronisch eingebrachten Antrages binnen einer gleichzeitig zu setzenden angemessenen Frist verlangen, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Geltendmachung bestehen. Der Anspruch gilt erst dann als geltend gemacht, wenn die arbeitslose Person bei der regionalen Geschäftsstelle zumindest einmal persönlich vorgesprochen hat und das vollständig ausgefüllte Antragsformular übermittelt hat. Das Arbeitsmarktservice kann vom Erfordernis der persönlichen Vorsprache absehen. Eine persönliche Vorsprache ist insbesondere nicht erforderlich, wenn die arbeitslose Person aus zwingenden Gründen, wie Arbeitsaufnahme oder Krankheit, verhindert ist, den Antrag persönlich abzugeben. Die Abgabe (das Einlangen) des Antrages ist der arbeitslosen Person zu bestätigen. Können die Anspruchsvoraussetzungen auf Grund des eingelangten Antrages nicht ohne weitere persönliche Vorsprache beurteilt werden, so ist die betroffene Person verpflichtet, auf Verlangen bei der regionalen Geschäftsstelle vorzusprechen. Hat die regionale Geschäftsstelle zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen, etwa zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder von sonstigen Unterlagen, eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt und wurde diese ohne triftigen Grund versäumt, so gilt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind.

(2) - (5) …

(6) Hat die arbeitslose Person den Eintritt eines Unterbrechungs- oder Ruhenstatbestandes wie zB die bevorstehende Aufnahme eines Dienstverhältnisses ab einem bestimmten Tag mitgeteilt, so wird der Bezug von Arbeitslosengeld ab diesem Tag unterbrochen. Tritt der Unterbrechungs- oder Ruhenstatbestand nicht ein, so genügt für die Geltendmachung die Wiedermeldung bei der regionalen Geschäftsstelle. Die Wiedermeldung kann telefonisch oder elektronisch erfolgen, soweit die regionale Geschäftsstelle nicht ausdrücklich eine persönliche Wiedermeldung vorschreibt. Die regionale Geschäftsstelle kann die persönliche Wiedermeldung insbesondere vorschreiben, wenn Zweifel an der Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung bestehen oder eine persönliche Abklärung zur Wahrung oder Verbesserung der Vermittlungschancen erforderlich ist. Erfolgt die Wiedermeldung nicht binnen einer Woche nach der Unterbrechung, so gebührt das Arbeitslosengeld erst wieder ab dem Tag der Wiedermeldung.

(7) Ist der regionalen Geschäftsstelle das Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes im Vorhinein bekannt und überschreitet die Unterbrechung oder das Ruhen den Zeitraum von 62 Tagen nicht, so ist von der regionalen Geschäftsstelle ohne gesonderte Geltendmachung und ohne Wiedermeldung über den Anspruch zu entscheiden. Die arbeitslose Person ist in diesem Fall im Sinne des § 50 Abs. 1 verpflichtet, den Eintritt in ein Arbeitsverhältnis oder sonstige maßgebende Änderungen, die im Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraum eintreten, der regionalen Geschäftsstelle zu melden. In allen übrigen Fällen ist der Anspruch neuerlich geltend zu machen.

3.6. Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Hat die arbeitslose Person den Eintritt eines Unterbrechungs- oder Ruhenstatbestandes wie zB die bevorstehende Aufnahme eines Dienstverhältnisses ab einem bestimmten Tag mitgeteilt, so wird gemäß § 46 Abs. 6 AlVG der Bezug der Leistung ab diesem Tag unterbrochen. Es besteht natürlich das Recht, über diese Unterbrechung einen Bescheid zu verlangen. Tritt dieser Unterbrechungs- oder Ruhenstatbestand nicht ein, genügt für die Geltendmachung die Wiedermeldung bei der regionalen Geschäftsstelle, die, soweit keine persönliche Wiedermeldung vorgeschrieben wird, sowohl telefonisch als auch in elektronischer Form erfolgen kann. Erfolgt die Wiedermeldung nicht binnen einer Woche nach der Unterbrechung, so gebührt das Arbeitslosengeld erst wieder ab dem Tag der Wiedermeldung (Sdoutz/Zechner, Arbeitslosenversicherungsgesezt, 17. Lfg (März 2020), § 46, Rz 803).

Nach § 46 Abs. 6 Satz 1 AlVG führt somit nicht nur das tatsächliche Vorliegen eines Ruhens- oder Unterbrechungsgrundes zur Unterbrechung (Einstellung) des Bezuges von Arbeitslosengeld, sondern schon die Mitteilung über das Vorliegen eines Unterbrechungs- oder Ruhensgrundes ab einem bestimmten Tag; dies auch dann, wenn der Unterbrechungs- oder Ruhenstatbestand tatsächlich – entgegen der Mitteilung – in der Folge nicht eintritt (vgl. VwGH 07.09.2011, 2008/08/0229).

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Der Beschwerdeführer wurde seitens eines Mitarbeiters der Beratungszone des AMS am 12.03.2020 telefonisch kontaktiert, um den mit dem Beschwerdeführer vereinbarten Termin am Folgetag – den behördlichen Auflagen zur Eindämmung der drohenden Covid-19 Pandemie entsprechend – abzusagen. Im Rahmen dieses Telefonates hat der Beschwerdeführer – wie beweiswürdigend ausgeführt – keine konkrete Arbeitsaufnahme per 23.03.2020 gemeldet. Die Einstellung des Leistungsbezuges per 23.03.2020 durch den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde erfolgte daher zu Unrecht und war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Arbeitslosengeld Bescheidbehebung Geltendmachung Unterbrechung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W216.2234825.1.00

Im RIS seit

28.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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