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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Abweisung der Berufung gegen die Zurückweisung eines Antrags auf neuerliche grundverkehrsbehördliche Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft infolge Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts wegen bereits früher erfolgter Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung; keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter infolge unrichtiger Zusammensetzung der nach dem Tir GVG 1993 zuständigen Landes-GrundverkehrskommissionSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Kaufvertrag vom 15. Oktober 1976 erwarb der Beschwerdeführer einen in den KG Gnadenwald und Terfens gelegenen geschlossenen Hof im Sinne des Tiroler Höfegesetzes. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 1. März 1985 wurde diesem Rechtserwerb, soweit er den in der Gemeinde Terfens gelegenen Gutsbestand betraf, die grundverkehrsbehördliche Zustimmung versagt; einer dagegen gemäß Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde blieb der Erfolg versagt (VfSlg. 10797/1986). Mit Schriftsatz vom 22. September 1993 beantragte der Beschwerdeführer "wegen nunmehr neuer Umstände und Tatsachen" neuerlich, diesem Rechtserwerb die grundverkehrsbehördliche Zustimmung zu erteilen. Die Grundverkehrsbehörde Terfens wies diesen Antrag jedoch mit Bescheid vom 27. Dezember 1993 gemäß §6 Abs1 AVG iVm. §3 Abs1 (lita) des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 und des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), wegen Unzuständigkeit zurück. Sie begründete dies damit, daß dieser Rechtserwerb infolge der Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung im Jahre 1985 gemäß §16 GVG 1983 nichtig und keiner Entscheidung mehr zugänglich sei.
2. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (s. §28 iVm. §40 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. 82/1993 (im folgenden: GVG 1993)) vom 14. April 1994 als unbegründet abgewiesen und die Entscheidung der Grundverkehrsbehörde I. Instanz bestätigt. Ergänzend wurde ausgeführt, daß auch entschiedene Sache vorliege, weil die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten neuen Umstände und Tatsachen kein anderes Beurteilungsergebnis als jenes des Jahres 1985 herbeiführen könnten.
3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums sowie der Rechte "der freien Verfügung über Liegenschaften" und "auf Durchführung eines der Verfassung entsprechenden Verfahrens unter Anwendung der allgemeinen verfassungsrechtlichen Bestimmungen" behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
5. Mit Schriftsatz vom 9. Februar 1995 stellte der Beschwerdeführer den "Antrag", zur Überprüfung der von der belangten Behörde "angezogenen Bestimmungen und der angewendeten Rechtsansichten den Europäischen Gerichtshof anzurufen".
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Sowohl Beschwerdeführer als auch belangte Behörde verweisen auf Ausführungen, die sie bereits in anderen beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren erstattet haben, sodaß der Verfassungsgerichtshof es für zweckmäßig erachtet, auf seine ständige Rechtsprechung hinzuweisen, wonach eine Verweisung auf einen anderen, in einem nicht verbundenen Verfahren erstatteten Schriftsatz unzulässig ist (vgl. zuletzt etwa VfSlg. 12577/1990 mwH).
2.1. Gegen die von der belangten Behörde herangezogenen Bestimmungen des §3 Abs1 lita GVG 1983 und des §28 iVm. §40 GVG 1993 bringt die Beschwerde keine verfassungsrechtlichen Bedenken vor; solche sind auch beim Verfassungsgerichtshof aus Anlaß dieser Beschwerde nicht entstanden (vgl. zu §3 Abs1 lita GVG 1983 zB VfSlg. 13032/1992, 13380/1993, VfGH 14.6.1994, B 1307/93; zu §28 iVm. §40 GVG 1993 VfGH 27.9.1994, B233/94, u. a.m.).
2.2. Der Beschwerdeführer wurde deshalb nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
3.1. Zur behaupteten Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter führt der Beschwerdeführer mehrere Argumente an:
Vor allem hätte gemäß §40 Abs3 und 4 GVG 1993 ein bei dessen Inkrafttreten bereits anhängiges Verfahren nicht nur nach den materiellen Bestimmungen des GVG 1983 zu Ende geführt werden müssen, sondern auch die Landesgrundverkehrsbehörde statt der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung zu entscheiden gehabt. Doch selbst bei Verwerfen dieser Ansicht habe die Zusammensetzung der belangten Behörde nicht dem §28 GVG 1993 entsprochen, da deren Vorsitzender in seinen bisherigen dienstlichen Verwendungen niemals mit Grundverkehrsangelegenheiten befaßt gewesen sei und mehrere Mitglieder derselben Organisationseinheit des Amtes der Tiroler Landesregierung wie der Landesgrundverkehrsreferent angehörten, sodaß deren Weisungsfreiheit in Zweifel gezogen werden müsse. Zudem sei keine Kundmachung der Bestellung der Mitglieder der belangten Behörde erfolgt und bei Beschlußfassung die in §29 GVG 1993 vorgeschriebene Geschäftsordnung noch nicht in Kraft gestanden. Schließlich fehle auf dem Erkenntnis die erforderliche Unterschrift des Vorsitzenden der belangten Behörde.
Inhaltlich rügt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde es verkenne, daß gar keine Nichtigkeit des zur Genehmigung vorgelegten Rechtserwerbes gegeben sei:
"Seinerzeit wurde überhaupt nicht davon geredet, daß der Vertrag nichtig wäre, es wurde lediglich unberechtigterweise die Genehmigung versagt. Wenn nunmehr im Akt eine Vertragsausfertigung einliegt, auf der eine Stampiglie mit einem Nichtigkeitsvermerk angebracht ist, so darf darauf hingewiesen werden, daß diese Stampiglie seinerzeit nicht vorgelegen ist und muß diese nachträglich angefertigt worden sein. Auf alle Fälle ist das Original des Kaufvertrages aus dem Jahre 1976 mit keinerlei Nichtigkeitsstampiglie versehen. Eine Nichtigkeit der Kaufvereinbarung liegt aber auch insbesondere deshalb nicht vor, da die Übernahme der kaufgegenständlichen Liegenschaft nach wie vor dem Vertragswillen der Parteien entspricht und durch laufende Vereinbarungen und Handlungsweisen der Vertragswille aufrecht geblieben ist und daher auch im Zweifel nach der seinerzeitigen Versagung wiederum durch den Parteiwillen der ursprüngliche Vertrag aufrecht geblieben ist bzw. immer wieder erneuert wurde. Wenn nunmehr die Vertragsurkunde aus dem Jahre 1976 vorgelegt wird, so stellt diese Vertragsurkunde nach wie vor das gültige Vertragswerk dar, da immer auch der Vertragswille in der Vergangenheit erneuert wurde. Damit zusammenhängend kann keiner in keinerweise gefordert werden, daß immer bei erneuertem Festhalten am Vertragswillen neue Verschriftlichungen erfolgen, sondern es genügt eben die seinerzeitige Verschriftlichung und ist daher die seinerzeitige Verschriftlichung auch ausreichende Grundlage für die neuerliche Vorlage in einem Genehmigungsverfahren."
3.2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985, 11405/1987).
Eine Verletzung dieses Rechtes ist insbesondere auch dann gegeben, wenn eine an sich zuständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegialbehörde entschieden hat (zB VfSlg. 8731/1980, 10022/1984, 11350/1987).
Durch bloßes Zuwiderhandeln gegen Verfahrensvorschriften wird es hingegen nicht verletzt (zB VfSlg. 10140/1984, 11102/1986).
3.3. Dem Vorwurf, die Landes-Grundverkehrskommission habe unzuständigerweise eine Entscheidungkompetenz wahrgenommen, ist zu entgegnen, daß aus §40 Abs2 GVG 1993 eindeutig hervorgeht, daß mit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Jänner 1994 ausschließlich die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung als Grundverkehrsbehörde II. Instanz tätig zu werden hat.
Auch die Behauptung, die Zusammensetzung der belangten Behörde habe §28 GVG 1993 nicht entsprochen, geht ins Leere. Der Umstand, daß der Vorsitzende der belangten Behörde vordem einer Grundverkehrsbehörde nicht angehört hat, tut nicht dar, daß dieser die Voraussetzungen einer "mit den Angelegenheiten des Grundverkehrs vertrauten Persönlichkeit" im Sinne des §28 Abs1 lita Z1 GVG 1993 nicht erfülle. Eine Kundmachung der Bestellung der einzelnen Mitglieder dieser Kollegialbehörde ist weder von Verfassungs wegen noch einfachgesetzlich gefordert und es gehör(t)en dieser auch keine fachkundigen Beamten an, die in ihrer sonstigen beruflichen Tätigkeit als Verwaltungsbeamte in funktioneller oder dienstlicher Unterordnung zu einer Verfahrenspartei stehen (vgl. hiezu zB VfSlg. 11786/1988). Abgesehen davon, daß das GVG 1993 und das AVG das Verfahren vor den Grundverkehrsbehörden in ausreichender Weise regeln (vgl. VfSlg. 10388/1985, 10389/1985, 11643/1988), fand die mit Ablauf des 8. März 1994 in Kraft getretene Geschäftsordnung der Grundverkehrskommissionen (LGBl. für Tirol 32/1994) bei Beschlußfassung der belangten Behörde am 14. April 1994 bereits Anwendung. Auch hat - entgegen den Behauptungen der Beschwerde - der Vorsitzende das im Verwaltungsakt einliegende Original des Bescheides eigenhändig unterfertigt; eine Bescheidausfertigung muß demgegenüber nicht vom Vorsitzenden unterfertigt sein (§18 Abs4 AVG iVm. der Verordnung BGBl. 445/1925 und §5 Abs4 und §6 der GO der Grundverkehrskommissionen, LGBl. für Tirol 32/1994).
Schließlich kann das Bedenken, die belangte Behörde habe zu Unrecht eine Sachentscheidung abgelehnt, nicht geteilt werden. Indem die belangte Behörde die Berufung gegen den zurückweisenden Bescheid der Grundverkehrsbehörde I. Instanz als unbegründet abgewiesen hat, hat sie einen damit übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen (vgl. VfSlg 12670/1991, 12861/1991). Dabei konnte sie sich auf §16 Abs1, erster Satz, GVG 1983 stützen, wonach unmittelbar durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung der dem Verwaltungsverfahren zugrundeliegende Rechtserwerb nichtig wird. Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, hatte in seinem Antrag vom September 1993 ausdrücklich und ausschließlich auf den Kaufvertrag aus dem Jahre 1976 Bezug genommen und erst im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof angedeutet, das alte, möglicherweise nichtige Rechtsgeschäft sei Inhalt einer zwischenzeitig neu geschlossenen mündlichen Vereinbarung geworden. Angesichts dessen kann der belangten Behörde aber nicht entgegengetreten werden.
3.4. Der Beschwerdeführer wurde sohin nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
4. Eine Verletzung des Beschwerdeführers in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten ist damit ausgeschlossen (vgl. zB VfSlg. 10374/1985, VfGH 28.9.1993, B517/93, 27.9.1994, B167/94, G29/94).
5. Die Beschwerde war deshalb als unbegründet abzuweisen.
6. Schon allein im Hinblick auf die für die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes maßgebliche Rechtslage (s. zB VfSlg. 13284/1992) zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides - Österreichs Beitritt zur EU erfolgte erst mit 1. Jänner 1995 (s. Art2 Abs2 des EU-Beitrittsvertrages, BGBl. 45/1995) - sieht sich der Verfassungsgerichtshof nicht in der Lage, dem als Anregung zu wertenden "Antrag nach Art177 des EG-Vertrages" näherzutreten.
III. Diese Entscheidung konnte
gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Behördenzuständigkeit, KollegialbehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:B1160.1994Dokumentnummer
JFT_10049772_94B01160_00