TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/20 W178 2223543-1

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Veröffentlicht am 20.09.2021
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Entscheidungsdatum

20.09.2021

Norm

ASVG §410
ASVG §471
ASVG §5 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W178 2223543-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse (früher WGKK) vom 13.08.2019, Zl.VA-VR 1921100975/19-Mag.Str, zu Recht erkannt:

A)

1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und festgestellt, dass Herr XXXX in der Zeit vom 01.07.2017 bis 31.07.2017 nicht der Vollversicherungspflicht gemäß §§ 471 ff. ASVG iVm § 5 Abs 1 Z 2 unterlag.

2. Der Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides wird behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die belangte Behörde hat mit Bescheid vom 13.08.2019 festgestellt, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner geringfügigen Beschäftigung als Dienstnehmer beim Dienstgeber Verein XXXX und als geringfügig beschäftigter Dienstnehmer bei der Dienstgeberin XXXX GmbH in der Zeit vom 01.07.2017 bis 31.07.2017 der Vollversicherungspflicht gemäß §§ 5 Abs 1 Z 2 iVm 471 ff. ASVG unterlag. Gleichzeitig wurde unter Spruchpunkt 2., ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer (Bf) einen Pauschalbetrag von € 129,47 zu entrichten hat. Begründend wurde angeführt, dass aus der berichtigten Lohnabrechnung Juli 2017 des Vereins XXXX hervorgehe, dass für den Bf eine Beitragsgrundlage in der Höhe von insgesamt € 472,96 (Entgelt sowie Urlaubsersatzleistung) der Sozialversicherung gemeldet wurde. Die Beitragsgrundlage der XXXX GmbH habe im Juli 2017 € 297,99 betragen, weshalb von einer Gesamtbeitragsgrundlage von € 770,95 auszugehen sei. Damit sei die Geringfügigkeitsgrenze überschritten worden.

2. Dagegen wurde Beschwerde erhoben, mit der Begründung, dass er für die geringfügige Tätigkeit bei der XXXX GmbH im Juli 2017 € 127,43 verdient habe und bei der Dienstgeberin XXXX GmbH € 297,99, womit die monatliche Geringfügigkeitsgrenze von € 425,70 nicht überschritten werde. Wenn die belangte Behörde meine, die Urlaubsersatzleistung von € 345,53 sei dem geringfügigen Monatseinkommen hinzuzurechnen, so stehe dies im klaren Widerspruch mit der Rechtsansicht des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger (unter Hinweis auf eine Veröffentlichung) und der NÖ GKK. Weiters verweist er auf eine Entscheidung des AMS, die seiner Rechtsansicht entspreche.

3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde vorgelegt und am 02.10.2019 über Ersuchen des Gerichts einer Stellungnahme vorgelegt. Die belangte Behörde hat u.a darauf hingewiesen, dass der Bf von der Möglichkeit von dem damals in Geltung gestandenen § 44a Abs 3 ASVG Gebrauch gemacht und die tatsächlichen monatlichen Beitragsgrundlagen nachgewiesen habe.

4. Seitens der belangten Behörde wurde mit Schreiben vom 01.03.2021 neuerlich Stellung genommen und auf eine Entscheidung einer anderen Gerichtsabteilung des BVwG hingewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer war im streitgegenständlichen Zeitraum (01.07.-31.07.2017) Dienstnehmer der XXXX GmbH und der XXXX GmbH. Beim erstgenannten Dienstgeber bezog er ein Entgelt von € 127, 43, beim zweitgenannten von € 297, 99.

Es wurde ihm in diesem Zeitraum von der DG XXXX GmbH eine Urlaubsersatzleistung in der Höhe von € 345,53 (vgl. berichtigte Lohn- Gehaltsabrechnung Juli 2017, aufgerollt im August 2017) ausgezahlt.

Nach dem Vorbringen des Bf war mit beiden Dienstgebern vereinbart, dass die Entgelte der beiden Beschäftigungsverhältnisse einzeln und in Summe unter der jeweiligen monatlichen Geringfügigkeitsgrenze bleiben sollen, vgl. Vorbringen des Bf.

2. Beweiswürdigung:
Der wesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen. Der Sachverhalt ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1 Gesetzliche Bestimmungen

Gemäß § 5 Abs 1 Z 2 ASVG in der hier anzuwendenden Fassung sind von der Vollversicherung nach § 4– unbeschadet einer nach § 7 oder nach § 8 eintretenden Teilversicherung – Dienstnehmer und ihnen gemäß § 4 Abs. 4 gleichgestellte Personen, ferner Heimarbeiter und ihnen gleichgestellte Personen sowie die im § 4 Abs. 1 Z 6 genannten Personen, wenn das ihnen aus einem oder mehreren Beschäftigungsverhältnissen im Kalendermonat gebührende Entgelt den Betrag gemäß Abs. 2 nicht übersteigt (geringfügig beschäftigte Personen) ausgenommen:

Gemäß Abs 2 leg.cit. gilt ein Beschäftigungsverhältnis als geringfügig, wenn daraus im Kalendermonat kein höheres Entgelt als 425,70 € (Wert für 2017) gebührt.

§ 44a ASVG (in Geltung bis 31.12.2018, aufgehoben durch Meldepflicht-Änderungsgesetz, BGBl. I Nr. 79/2015) lautete in der hier anzuwendenden Fassung wie folgt:
Steht ein Versicherter in einem Kalenderjahr in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis gemäß § 5 Abs. 2, so ist für dieses eine Jahresbeitragsgrundlage zu bilden. Jahresbeitragsgrundlage ist das im jeweiligen Kalenderjahr aus dem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis gebührende Gesamtentgelt mit Ausnahme der Sonderzahlungen.

(2) Zur Ermittlung der allgemeinen monatlichen Beitragsgrundlage ist die Jahresbeitragsgrundlage gemäß Abs. 1 durch die Anzahl der Monate, in denen das geringfügige Beschäftigungsverhältnis ausgeübt wurde, zu teilen. Der auf Grund dieser Teilung auf einen Kalendermonat entfallende Teil der Jahresbeitragsgrundlage gilt als allgemeine monatliche Beitragsgrundlage und Entgelt im Sinne des § 5 Abs. 2.

(3) Weist der Versicherte für das geringfügige Beschäftigungsverhältnis bis zum 30. Juni des Kalenderjahres, das dem Jahr der Beitragsgrundlagenbildung gemäß den Abs. 1 und 2 folgt, die tatsächlichen allgemeinen monatlichen Beitragsgrundlagen (Entgelt im Sinne des § 5 Abs. 2) für die einzelnen Kalendermonate nach, so sind diese für die Feststellung der Vollversicherungspflicht und für die Bemessung der Beiträge maßgeblich.

Gemäß § 471h ASVG beginnt die Pflichtversicherung in dem Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, und zwar rückwirkend mit jenem Tag, an dem in diesem Kalendermonat erstmalig eine geringfügige Beschäftigung nach diesem Bundesgesetz oder dem Dienstleistungsscheckgesetz aufgenommen worden ist.

(2) Die Pflichtversicherung endet mit dem Ablauf des Kalendermonates, in dem die Voraussetzungen hierfür wegfallen.

§ 11 Abs 2 2. Satz ASVG bestimmt:

… Die Pflichtversicherung besteht weiter für die Zeit des Bezuges einer Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) sowie für die Zeit des Bezuges einer Kündigungsentschädigung. Die zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses fällig werdende pauschalierte Kündigungsentschädigung ist auf den entsprechenden Zeitraum der Kündigungsfrist umzulegen.

Gebühren sowohl eine Kündigungsentschädigung als auch eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung), so ist zur Bestimmung des maßgeblichen Zeitraumes zunächst die Kündigungsentschädigung heranzuziehen und im Anschluss daran die Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung).

3.2 Gesetzesmaterialien und Auslegung

Wie in der Stellungnahme der belangten Behörde richtig angeführt, wird, sollten laut den Erläuterungen zur Neufassung des § 11 Abs 2 ASVG, vgl. 72 der Beilagen XX.GP. S. 253, die Urlaubsentschädigung und die Urlaubsabfindung (damalige arbeitsrechtliche Bezeichnung), derzeit Urlaubsersatzleistung, als beitragspflichtiges Entgelt behandelt werden und damit zu einer entsprechenden Verlängerung der Pflichtversicherung führen. Diese Änderung erfolgte zur Umsetzung der mit der Novelle verbundenen Absicht des Gesetzgebers, eine „Verbreiterung der Beitragsgrundlage“ zu bewirken und eine „Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung“ in die Wege zu leiten.

Die derzeit geltende Fassung des zuletzt genannten Satzes wurde durch BGBl. I Nr.201/1996 (Strukturanpassungsgesetz 1996) eingefügt. Sie trat mit 01.05.1996 in Kraft.

Aus dem Gesetzestext und den Materialien lässt sich keine Begründung dafür finden, dass die neu eingeführte Beitragspflicht der Urlaubsentschädigung/Urlaubsersatzleistung eine Auswirkung auf die Frage der Beurteilung der Geringfügigkeitsgrenze haben sollte. Laut Gesetzesbestimmung wird damit eine Verlängerung der Pflichtversicherung, hier der Teilversicherungspflicht in der Unfallversicherung, bewirkt.

Eine durch einen zufälligen Umstand - wie dem Ausmaß des nicht verbrauchten Urlaubsanspruches - eintretende Rechtsfolge dieser erweiterten Beitragspflicht, konkret der Umwandlung eines geringfügigen Dienstverhältnisses in ein vollversichertes war durch den Gesetzgeber nicht intendiert.

Dabei würde es sich um eine willkürliche Auslegung des Gesetzes handeln und zu einem unsachlichen Ergebnis führen.

3.3 Im konkreten Fall:

Der Bf hat- wie die belangte Behörde anführt- von der Möglichkeit der monatsweisen Beurteilung der Geringfügigkeit nach dem (damaligen) § 44a Abs 3 ASVG Gebrauch gemacht. Damit sind die einzelnen Monate getrennt zu beurteilen, hier der Juli 2017.

Nach Auffassung des Gerichts sind – unter Beachtung der Erwägungen nach 3.2 - für die Beurteilung, ob das Entgelt aus mehreren Dienstverhältnissen geringfügig blieb, nur die laufenden Arbeitsentgelte heranziehen, d.h. für Juli 2017 € 127, 43 und € 297, 99; diese Beträge ergeben zusammen € 425,25. Im Ergebnis liegt somit im streitgegenständlichen Zeitraum ein Gesamtentgelt vor, das unter der Geringfügigkeitsgrenze für 2017 von € 425,70 liegt.

Es sind weder die Sonderzahlungen noch die in diesem Monat fällige Urlaubsentschädigung/Urlaubsersatzleistung dem laufenden Entgelten hinzuzurechnen.

Der Auffassung der belangten Behörde in der Stellungnahme, dass es sich bei der Urlaubsentschädigung/Urlaubsersatzleistung um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt handelt, ist zustimmen, allerdings ist dieses Entgelt nicht bei der Beurteilung der Geringfügigkeitsgrenze heranzuziehen.

Es ist somit keine Vollversicherung nach § 5 Abs 1 Z 2 iVm §§ 471 ff. ASVG eingetreten.

Die Aufhebung des Spruchpunktes 2. ist eine Folge der Reduzierung der Beitragsgrundlage um die Urlaubsersatzleistung.

4. Absehen von der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde von der Beschwerdeführerin nicht beantragt. Da sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt zudem bereits aus der Aktenlage ergibt, ist nach Ansicht des Gerichts keine mündliche Erörterung der Angelegenheit erforderlich. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht daher von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt feststand. Dem steht auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegen, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027.

Da hier eine rechtliche Frage zu beurteilen war, steht auch nach den zuletzt im Urteil des EGMR vom 21.06.2021, Applications nos. 56387/17 and 69808/17, Rz.28, vertretene Auffassung zur Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung dem Absehen von der Verhandlung in diesem Fall nicht entgegen.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Zu einer allfälligen Judikaturdifferenz zur Entscheidung von W 209 2229711-1/3E: Durch diese Differenz allein wird die ordentliche Revision nicht zulässig. Der Hinweis auf die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung im Art. 133 Abs 3 B-VG bezieht sich auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs.

Schlagworte

Beitragsgrundlagen Beitragspflicht geringfügige Beschäftigung Geringfügigkeitsgrenze Urlaubsersatzleistung Versicherungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W178.2223543.1.00

Im RIS seit

28.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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