TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/20 W164 2211211-1

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Veröffentlicht am 20.09.2021
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Entscheidungsdatum

20.09.2021

Norm

AlVG §10
AlVG §38
AlVG §9
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W164 2211211-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Vorsitzende sowie die fachkundige Laienrichterin Rebecca FIGL-GATTINGER (aus dem Kreis der ArbeitgeberInnen) als Beisitzerin und den fachkundigen Laienrichter Mag. Kurt RETZER (aus dem Kreis der ArbeitnehmerInnen) als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Daniel Richter, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 02.08.2018, AMS 961- Wien Dresdner Straße, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 19.10.2018, GZ 2018-0566-9-001306, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und einer nicht öffentlichen Beratung vom 07.09.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gem. § 28 Abs 1 und Abs 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 02.08.2018, AMS 961- Wien Dresdner Straße sprach das Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) aus, dass die Beschwerdeführerin (im folgenden BF) den Anspruch auf Notstandshilfe gem. § 38 iVm § 10 AlVG für die Zeit von 25.07.2018 bis 03.09.2018 verloren habe. Dieser Zeitraum verlängere sich um in ihm liegende Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde. Zur Begründung führte das AMS aus, die BF habe keinen Nachweis ausreichender Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung bis 24.07.2018 vorgelegt. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.

Gegen diesen Bescheid erhob die BF durch ihre Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde und führte aus, die Behörde hätte ermitteln müssen, ob glaubhaft gemachte Anstrengungen unter den konkreten Verhältnissen der arbeitslosen Person (Stand, Alter, Ausbildung) ausreichend waren oder nicht. Es hätte nicht nur Art und Ausmaß sondern auch die Ernsthaftigkeit dieser Anstrengungen beurteilt werden müssen (VwGH 2007/08/0128).

Die BF habe Berufserfahrung als Kellnerin und einen vor längerer Zeit erworbenen BA der XXXX in Product and Furniture-Design. Sie habe den Wunsch gehabt, sich beruflich zu verändern. Ihr neuer Berufswunsch sei Tätowiererin gewesen. Bald habe die BF erkannt, dass dies nur auf dem Weg einer selbständigen Erwerbstätigkeit möglich sein würde und habe

-        bereits Ende 2016 einen Hygienekurs beim WIFI absolviert (80 Lerneinheiten)

-        von März bis August 2017 eine Ausbildung zur Tätowiererin bei der XXXX GmbH absolviert.

-        in eine Tätowiermaschine und Equipment investiert.

-        ab März 2018 einen Praktikumsplatz bei XXXX Studio angenommen und sei 3 bis 4 mal die Woche von Wien nach XXXX , Stmk gependelt.

-        für Oktober 2018 plane die BF, die Befähigungsprüfung „Kosmetik“ zu absolvieren und dann einen Unternehmensgründungskurs zu besuchen.

Die BF vertrat die Ansicht, dass ihre Arbeitswilligkeit auch daran zu messen sei, wie konsequent sie an der Befähigung zu ihrer damals angestrebten selbständigen Erwerbstätigkeit gearbeitet hatte. Sie verwies auf VwGH 2007/08/0128 vom 22.12.2010. Die BF habe es für wenig sinnvoll gehalten, neben diesen Anstrengungen eigeninitiativ Bewerbungen zu versenden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 19.10.2018, GZ 2018-0566-9-002306, wurde diese Beschwerde abgewiesen. Zur Begründung stützte sich das AMS im Wesentlichen auf einer von der BF unterzeichnete Gesprächsnotiz vom 12.06.2018, mit der die BF konkret aufgefordert wurde, wöchentlich ein bis zwei Bewerbungen zu tätigen, diese zu notieren und die Liste der Eigeninitiativbewerbungen dem AMS beim nächsten Kontrolltermin vorzulegen. Dieser Aufforderung sei die BF nicht nachgekommen und habe erklärend lediglich vorgebracht, vorerst keine Bewerbungen getätigt zu haben, da sie plane, im Oktober die Befähigungsprüfung „Kosmetik“ zu machen und sich dann selbständig zu machen. Der angefochtene Bescheid sei daher zu Recht ergangen. Die BF sei weiterhin geringfügig beschäftigt und habe bis dato zwei Module der Befähigungsprüfung abgelegt.

Mit Schreiben vom 29.04.2019 gab das AMS bekannt, dass die BF per 15.01.2019 in das Unternehmergründungsprogramm aufgenommen wurde.

Am 07.09.2021 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, an der die BF und das AMS als Parteien des Beschwerdeverfahrens teilnahmen. Der seinerzeitige Betreuer der BF wurde als Zeuge vernommen. Die BF machte zusammengefasst die folgenden Angaben:

Sie habe die HBLA ( XXXX ) absolviert, mit Matura abgeschlossen, danach für ein Jahr die Kunstschule ( XXXX ) besucht und sich dann entschlossen an der XXXX Product & Furniture Design zu studieren. Dieses Studium habe sie mit dem Bachelor abgeschlossen.

Zu den Stationen ihrer hier gegenständlichen beruflichen Veränderung gab die BF an, sie habe schon 2017 berufsbegleitend eine Ausbildung von etwa 15 Tagen gemacht, die das Ziel gehabt habe, dass der/die TeilnehmerIn in das Gebiet des Tätowierens hineinschnuppern könne. Später habe sie erfahren, dass das dort erworbene Diplom in der „Szene“ der TätowiererInnen nicht geschätzt werde. Heute wisse sie, dass man sich dort nur einen kleinen Teil des notwendigen Wissens aneignen kann. Durch den Trainer des genannten Kurses sei die BF aber an den Betreiber des ( XXXX Studios in XXXX , Steiermark vermittelt worden. Ihr Arbeitstag dort habe etwa um 10 Uhr (vor der Öffnung des Studios begonnen. Um 19:00 Uhr sei das Studio geschlossen worden. Die BF sei also von 10 Uhr bis 19 Uhr dort gewesen, dies an zwei bis vier Tagen der Woche. Sie habe zugeschaut und Hilfstätigkeiten verrichtet. Einmal, als Laufkundschaft kam und alle MitarbeiterInnen beschäftigt waren, habe sie den Auftrag erhalten, eine Tätowierung zu machen. Grundsätzlich habe kein Zwang bestanden, so lange anwesend zu sein. Jedoch sei es schwer gewesen, in der Szene Fuß zu fassen. Man habe engagiert sein müssen. Es habe ein subtiler Druck geherrscht Erhalten habe die BF den Betrag für eine geringfügige Beschäftigung. Für BF sei dies insgesamt dennoch ein guter Deal gewesen, denn sie habe den Beruf der Tätowiererin erlernen wollen, für den es keine geregelte Lehre gebe. Während ihres Praktikums habe die BF Ihren Chef mehrmals ersucht, sie vollversichert zu beschäftigen, dies ohne Erfolg. Erst als sie in das Unternehmergründungsprogramm aufgenommen war, wäre er dazu bereit gewesen. Die BF habe das Unternehmensprogramm aber im Rahmen einer AMS-Schulung besucht und habe sich danach selbständig gemacht.

Mit ihrem Betreuer vom AMS habe die BF die beschriebenen Ungereimtheiten nicht besprochen. Sie habe den Eindruck gehabt, dass dieser ihrem Berufswunsch gegenüber negativ eingestellt sei und habe von ihm kein Verständnis erwartet.

Befragt zur Betreuungsvereinbarung vom 13.04.2018 gab die BF an, sie erinnere sich, dass sie beim AMS immer wieder etwas unterschrieben habe. Ihr sei auch das Wort Betreuungsvereinbarung nicht fremd. Sie habe diese aber sicher nicht durchgelesen. Sie habe den Abschluss der Betreuungsvereinbarung eher als eine formale Pflicht gesehen.

Angesprochen auf das Gesprächsprotokoll vom 12.6.18 gab die BF an, sie könne sich an dieses Gespräch erinnern und zwar an den Moment, als der Betreuer gesagt habe, dass er ihr den Notstand streichen müsse, wenn sie sich nicht oft genug bewerbe.

Befragt ob die BF nach diesem Termin im Juni 2018, eigeninitiativ Bewerbungen getätigt habe verneinte die BF. Ihr sei damals schon klar gewesen, dass sie nicht mehr in der Gastronomie arbeiten wolle und dass es sehr schwer werden würde, im Bereich der Tätowierer Fuß zu fassen. Sich auf ihren Berufswunsch eigeninitiativ zu bewerben wäre ihr sinnlos erschienen, denn sie wäre von keinem Studio angestellt worden. Es wäre vergebliche Liebesmühe gewesen, bei Tätowierern Bewerbungen zu schreiben. In Wien habe sie einmal in einem Studio angefragt. Ihr sei gesagt worden,“du kannst wieder gehen. Ich brauche niemanden“. Die Person habe nur kurz vom Tätowieren aufgeschaut. Die Szene sei, was das betrifft, auch nicht gerade herzlich.

Eine Beschäftigung in der Gastronomie wäre für die BF andererseits ein Schritt zurück gewesen. Die BF habe langfristig aus der Arbeitslosigkeit und aus der Situation, einen Job machen zu müssen, den sie mit den Jahren körperlich nicht mehr hätte schaffen können, herauszukommen. Befragt zum Kontrolltermin 24.7.18 gab die BF an, sie habe keine EI-Liste vorlegen können.

Befragt dazu, ob Sie Ihr Praktikum beim XXXX Studio nicht auch etwa neben einer etwa 25-Stundenbeschäftigung absolvieren hätte können, gab die BF an, dies wäre möglich gewesen, aber für sie nicht vorstellbar. Die BF habe ihre Energie ferner auf das bündeln wollte, was ich machen wollte.

Nach der strittigen Zeit habe die BF im Herbst 2018 die Befähigungsprüfung abgelegt. Eine geregelte Vorbereitung für die Befähigungsprüfung habe es nicht gegeben. Ab Jänner 2019 sei sie in das Unternehmergründungsprogramm aufgenommen worden. Seit 10. Juli 2019 sei die BF selbständig erwerbstätig und habe eine Gewerbeberechtigung. Sie sei seither kranken- und pensionsversichert.

Der ehemalige Betreuer der BF gab als Zeuge vernommen zu Protokoll, er habe die BF etwa ab Jahresende 2016 (mit Unterbrechungen durch vollversicherungspflichtige Dienstverhältnisse) betreut.

Bei der Betreuungsvereinbarung vom 13.04.2018 handle er sich um ein Standard-Formular. Üblicherweise werde bei Abschluss der Betreuungsvereinbarung abgeklärt, welche Arbeitszeiten möglich sind, welche Berufswünsche bestehen, ob es gesundheitliche Einschränkungen gibt, normalerweise auch, dass Eigeninitiativ-Bewerbungen notwendig sind und dass alle Termine verbindlich sind. Das seien alles Textbausteine.

Wenn das Erfordernis von EI-Listen besprochen werde, werde meist ein eigenes Formular aufgedruckt und von Betreuer und Kundin unterschrieben. Das bekomme die Kundin auch mit. Die konkret mit der BF diesbezüglich geführten Gespräche habe der Z nicht mehr im Detail in Erinnerung. Den Wunsch der BF, weg aus der Gastronomie zu kommen habe das AMS teilweise unterstützt. Jedoch hätte die BF in der Zwischenzeit auch Aktivitäten setzen müssen. Aus der Sicht des Z habe die BF die Vorstellung gehabt, sie könne sich für viele Monate auf eine berufliche Veränderung vorbereiten, ohne sich bewerben zu müssen. Dem habe er widersprochen und das Formular vom 12.06. 2018 ausgedruckt. Befragt, ob er die von der BF angestrebte berufliche Veränderung grundsätzlich unterstützt hätte, gab der Z an, er habe die Erfahrung gemacht, dass KundInnen mit diesem Berufswunsch in geringfügigen Beschäftigungen und „Beschäftigungen auf Werkvertragsbasis“ landeten. Er habe daher Vorbehalte gehabt. Der Z habe vor der BF schon andere Kunden, die diesen Berufswunsch hatten, scheitern sehen.

Die BF sei lange Zeit geringfügig beschäftigt gewesen. Ihr Dienstgeber habe eine Vollversicherungspflicht ab dem Befähigungsnachweis in Aussicht gestellt. Dem Z sei aber nicht verständlich gewesen, was der Befähigungsnachweis mit Vollversicherungspflicht zu tun haben soll.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die über 35 jährige BF, wurde im Dezember 2017 arbeitslos. Auch im Jahr 2016 und zu Beginn des Jahre 2017 hatte sie bereits Arbeitslosengeld bezogen. Die BF hatte Berufserfahrung als Kellnerin und in ihrer Jugend ein Studium der XXXX in Product and Furniture-Design mit dem Bachelor abgeschlossen. Sie hatte nun den Wunsch sich beruflich zu verändern. Ihr neuer Berufswunsch war Tätowiererin.

Da die BF bald erkannte, dass der Weg in eine selbständige Erwerbstätigkeit eingeschlagen werden müsse, habe sie

-        Ende 2016 einen Hygienekurs beim WIFI absolviert (80 Lerneinheiten)

-        von März bis August 2017 eine Ausbildung zur Tätowiererin bei der XXXX GmbH absolviert.

-        in eine Tätowiermaschine und Equipment investiert.

-        ab März 2018 einen Praktikumsplatz bei XXXX Studio angenommen und sei 3 bis 4 mal die Woche von Wien nach XXXX Stmk gependelt.

-        Im Herbst 2018 die dreiteilige Befähigungsprüfung „Kosmetik“ absolviert und ab Jänner 2019 im Rahmen einer AMS-Schulung einen Unternehmensgründungskurs besucht.

Ab Februar 2018 war die BF als geringfügig Beschäftigte bei XXXX Studio) zur Sozialversicherung gemeldet. Die BF vollversichert zu beschäftigen lehnte ihr Dienstgeber ab.

Das AMS hat mit der BF am 13.04.2018 eine Betreuungsvereinbarung geschlossen, bei der die BF u.a. verpflichtet wurde, sich mindestens zweimal wöchentlich eigeninitiativ zu bewerben und bei nächsten Kontrolltermin eine Liste der Unternehmen mitzubringen, bei denen sie sich beworben hat.

Diese Verpflichtung wurde mit einem Betreuungsgespräch vom 12.06.2018 wiederholt. Die BF hat die dazu schriftlich festgehaltene Gesprächsnotiz unterschrieben. Am 24.07.2018 hat die BF keine EI-Liste vorgelegt. Daraufhin erging der angefochtene Bescheid.

Nach dem strittigen Zeitraum hat die BF ab Herbst 2018 die Befähigungsprüfung „Kosmetik“ abgelegt und ab Jänner 2019 ein Unternehmergründungsprogramm absolviert. Sie ist seit Juli 2019 selbständig erwerbstätige Tätowiererin mit Gewerbeschein.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, AMS, sowie durch Abhaltung der mündlichen Verhandlung vom 07.09.2021. Der Sachverhalt ist ausreichend geklärt und ist nun, soweit hier wesentlich, unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Im vorliegenden Fall war daher Senatszuständigkeit gegeben.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 7 Abs 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer
1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,
2. die Anwartschaft erfüllt und
3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

(2) bis (8) [...]

Gemäß § 9Abs 1 AlVG ist arbeitswillig , wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person

1. (…)
2.(...)
3.(…)
4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.
(2)(…)
(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.

(4)(…)

Zufolge § 10 Abs 1 Z 4 AlVG kann die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice den Arbeitslosen auffordern, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung glaubhaft zu machen. In diesem Zusammenhang ist es Aufgabe der Behörde zu beurteilen, ob die glaubhaft gemachten Anstrengungen unter den konkreten Verhältnissen vor dem Hintergrund des - ebenfalls darzustellenden - Umfeldes auf dem konkret in Frage kommenden Teil des Arbeitsmarktes und nach den persönlichen Verhältnissen (Stand, Alter, Ausbildung) des Arbeitslosen "ausreichend" waren oder nicht. Kommt sie zum Ergebnis, die glaubhaft gemachten Anstrengungen seien nicht ausreichend, so hat sie ihre diesbezüglichen Erwägungen in der Begründung des Bescheides darzulegen. Hiebei ist das Gesamtverhalten des Arbeitslosen von der Aufforderung bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zu beurteilen. Bedeutsam sind nicht nur Art und Ausmaß, sondern auch die Ernsthaftigkeit der glaubhaft gemachten Anstrengungen. Auf das Verhältnis der auf dem Arbeitsmarkt vorkommenden freien Stellen und der Zahl der Arbeitslosen kommt es hingegen nicht an. Dem Arbeitslosen wird vielmehr - je nach der Zahl der angebotenen Stellen - zugemutet, mit den anderen Arbeitslosen im Bemühen um Erlangung einer solchen Stelle zu konkurrieren. (vgl. VwGH 2006/08/0099 vom 04.07.2007).

Zufolge § 38 AlVG sind die Bestimmungen des Abschnittes 1 (soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist) sinngemäß anzuwenden.

Unter dem Begriff der "Vereitelung" im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich ein für das Nichtzustandekommen einer zugewiesenen Beschäftigung kausales und vorsätzliches Verhalten der arbeitslosen Person zu verstehen (vgl. VwGH 92/08/0042 vom 20.10.1992).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in Fällen, in denen der Arbeitslose aufgefordert worden war, in bestimmter Zeit eine bestimmte Zahl von Bewerbungen nachzuweisen, ausgesprochen, dass dies nichts daran ändern kann, dass der Arbeitslose dennoch nur nachweisen muss, dass er ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung gemacht hat. Es ist Aufgabe der Behörde zu beurteilen, ob die nachgewiesenen Anstrengungen unter den konkreten Verhältnissen vor dem Hintergrund des - ebenfalls darzustellenden - Umfeldes auf dem konkret in Frage kommenden Teil des Arbeitsmarktes nach den persönlichen Verhältnissen des Arbeitslosen ausreichend waren oder nicht. Kommt sie zum Ergebnis, die Anstrengungen seien nicht ausreichend, hat sie ihre diesbezüglichen Erwägungen in der Begründung des Bescheides darzulegen. Die Bescheidbegründung hat eine Würdigung der Anstrengungen zu enthalten. Hiebei ist das Gesamtverhalten des Arbeitslosen von der Aufforderung bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zu beurteilen (VwGH2007/08/0128 vom 22.12.2010).

Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus:

Die BF hat im hier strittigen Zeitraum konsequent und zielstrebig an der von ihr angestrebten beruflichen Veränderung gearbeitet. Sie hatte damit etwa ein Jahr später Erfolg: Die BF ist seit Juli 2019 als selbständig erwerbstätige Tätowiererin kranken- und pensionsversichert. Die BF vertritt die Ansicht, dass ihr so in der verfahrensgegenständlichen Zeit gesetztes Verhalten unter Berücksichtigung der Umstände ihres Einzelfalls Arbeitswilligkeit nachweisen würde, obwohl sie während des hier gegenständlichen Zeitraums 12.6.2018 – 24.6.2018 nicht zusätzlich, wie vom AMS ausdrücklich gefordert, Eigeninitiativ-Bewerbungen getätigt hat.

Dieser Argumentation der BF muss entgegengehalten werden, dass der Bezug von Arbeitslosengeld Arbeitswilligkeit in dem Sinn voraussetzt, dass grundsätzlich die durchgehende Bereitschaft, vollversicherungspflichtig erwerbstätig zu sein, bestehen muss, damit die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit möglichst kurz gehalten wird. Folge dessen hat das AMS zu Recht im hier zu betrachtenden Zeitraum von der BF Eigeninitiativ-Bewerbungen gefordert.

Die BF hat diese Forderung nicht anerkannt. Sie hat im strittigen Zeitraum bewusst keine Eigeninitiativ-Bewerbungen getätigt. Sie hat damit ihre Chance, ehestmöglich wieder vollversicherungspflichtig arbeiten zu können, bewusst verringert: In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hat die BF eingeräumt, dass es ihr grundsätzlich möglich gewesen wäre, die von ihr angestrebte berufliche Veränderung auch berufsbegleitend – etwa neben einer Beschäftigung mit 25 Wochenstunden – zu bewerkstelligen, jedoch wäre das für sie nicht in Frage gekommen, da sie ihre Energie auf den neuen beruflichen Werdegang habe bündeln wollen. Die BF hat damit aber keine ausreichenden Anstrengungen zur ehestmöglichen Erlangung einer vollversicherungspflichtigen Beschäftigung unternommen.

Soweit die BF argumentiert, Bewerbungen bei Studios, die in der von ihr angestrebten Branche tätig waren, hätten keinerlei Erfolgschancen gehabt, ist dem zu entgegnen, dass das AMS von ihr lediglich Bewerbungen gefordert hat, also den Versuch, ein vollversicherungspflichtige Angestelltenverhältnis antreten zu können. Dies wäre der BF zumutbar gewesen.

Somit wurde im angefochtenen Bescheid zu Recht davon ausgegangen, dass die BF mit der Unterlassung der von ihr geforderten Eigeninitiativ-Bewerbungen, durch bedingt vorsätzliches Verhalten ihre Chancen, ehestmöglich wieder vollversicherungspflichtig erwerbstätig zu sein, verringert hat. Der Tatbestand der Vereitelung iSd § 10 Abs 1 Z 4 AlVG war daher erfüllt.

Da die BF erst etwa ein Jahr nach dem strittigen Zeitraum vollversichert erwerbstätig war, kommt eine Nachsicht der Rechtsfolgen der festgestellten Vereitelung (§ 10 Abs 3 AlVG) im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Auch sonstige Nachsichtsgründe sind nicht hervorgekommen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, insbesondere da die Rechtslage eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

Anspruchsverlust Bewerbung Nachweismangel Notstandshilfe Vereitelung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W164.2211211.1.00

Im RIS seit

28.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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