TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/4 W200 2245002-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.10.2021
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Entscheidungsdatum

04.10.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W200 2245002-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Dr. Susanne SCHWARZENBACHER, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landestelle Wien vom 10.06.2021, Zl. 87262811300095, über die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe abgewiesen als der Spruch zu lauten hat:

Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 19.05.2020 wird abgewiesen. Der Grad der Behinderung beträgt 30%.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 19.05.2020 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, vertreten durch ihre mit Beschluss vom 29.03.2006 bestellt Sachwalterin.

Dem Antrag angeschlossen waren ein stationärer Patientenbrief vom 19.12.2017 über einen stationären Aufenthalt der Beschwerdeführerin vom 07.12. bis 19.12.2017.

Dem Akt ist ein neurologisches Sachverständigengutachten vom August 2020 in einem Verfahren nach dem Familienlastenausgleichsgesetz zu entnehmen, wonach die Beschwerdeführerin einen Gesamtgrad der Behinderung von 30 von 100 wegen eines schizophrenen Residuums, Positionsnummer 03.07.01 aufweist.

Das Sozialministeriumservice holte im Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein allgemeinmedizinisches Gutachten ein, in dem das fachärztliche Gutachten vom August 2020 wiedergegeben wurde:

„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

25.08.2020 FLAG Gutachten von Dr. XXXX mit Zuerkennung eines GdB 30 vH für die Diagnose Schizophrenes Residuum


Anamnese:

Die Patientin erscheint in Begleitung von Herrn XXXX vom Verein MIK. Der Verein MIK unterstützt vor allem wegen auswärts, Ämter, etc.

Sie sei zuletzt 12/17 stationär in Behandlung gewesen, dzt. keine Fa Kontrollen, bekommt 1/ Monat Depot vom Pflegepersonal

Derzeitige Beschwerden: gibt keine an

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: Xeplion 100mg 1/ Monat, Dostinex

Sozialanamnese:

wohnt mit Familie in Gemeindewohnung, Taschengeld, Pflegegeld (Stufe?), Erwachsenenvertretung.

Das Gangbild ist ohne Hilfsmittel unauffällig.

Psycho(patho)logischer Status:

Zeitlich, örtlich zur Person ausreichend orientiert, Auffassung regelrecht, Antrieb ausreichend, Stimmung dysphorisch, keine Ein- und Durchschlafstörung, leichte paranoide Verarbeitung, nicht suizidal eingeengt

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel: Xeplion 100mg 1/ Monat, Dostinex

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Schizophrenes Residuum

2 Stufen über unterem Rahmensatz, da lediglich Depotmedikation ohne fachärztliche Betreuung

03.07.01

30

Gesamtgrad der Behinderung  30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Keine

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Erstgutachten

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Dauerzustand“

Im gewährten Parteiengehör wurde vorgebracht, dass das allgemeinmedizinische Gutachten auf dem neurologischen Gutachten im Verfahren nach dem Familienlastenausgleichsgesetz basieren würde. In diesem neurologischen Gutachten würde fälschlicherweise stehen, dass die Beschwerdeführerin nicht in fachärztlicher Behandlung sei. Diese sei jedoch seit Februar 2019 in regelmäßiger Behandlung bei einem Facharzt für Psychiatrie. Die Depotmedikation erhalte sie regelmäßig von der Hauskrankenpflege im Rahmen ihrer Betreuung, eine eigenständige regelmäßige Einnahme sei der Beschwerdeführerin nicht möglich. Es sei auch nicht richtig – wie im neurologischen Gutachten angegeben – dass die Beschwerdeführerin zuletzt 2017 stationär in Behandlung gewesen sei – auch im Jahr 2018 sei es zu einem mehrwöchigen Aufenthalt auf der Psychiatrie von 09.05. bis 07.06.2018 gekommen.

Der psychische Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin sei labil und erheblich schwankend und es komme immer zu psychotischen Phasen. Im Alltag bedürfe sie der Hilfestellung durch ihren Lebensgefährten und der Hauskrankenpflege. Aus dem Vorbringen zeige sich, dass der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer schweren psychiatrischen Erkrankung zumindest 50 Prozent betrage. Angeschlossen war ein Patientenbrief über einen stationären Aufenthalt der Beschwerdeführerin vom 09.05. bis 07.06.2018 sowie eine fachärztliche Bestätigung des behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 27.09.2020 mit der Diagnose schizophren Störung sowie dass dieser behandelnde Arzt die Beschwerdeführerin einmal pro Quartal zuhause besuche und ansonsten einen Informationsaustausch mit der psychiatrischen Hauskrankenpflege bestehe.

Das Sozialministeriumservice holte aus diesem Grund ein Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie basierend auf einer Untersuchung ein. Das Gutachten vom 09.04.2021 ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 30 von 100 und gestaltete sich wie folgt:

„Anamnese:

Es liegt ein aktenmäßiges Vorgutachten von Dr. XXXX (09/2020), in welchem ein GdB von 30 v.H. bei schizophrenem Residuum bestätigt wurde, vor. Dieses Gutachten wurde beeinsprucht.

Die Antragstellerin zeigt sich ho. bereits bei der Anmeldung dysphor-gespannt und ist nicht zu einem Explorationsgespräch mit der Gutachterin bereit. Sie wisse nicht, wer die ho. Untersuchung angeregt habe, einen Behindertenpass wolle sie nicht. Ein weiterführendes Gespräch wird abgelehnt.

Derzeitige Beschwerden: Nicht erhebbar.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: FÄ-psychiatr. Behandlung Dr. XXXX .
Med. laut Vorgutachten Dr. XXXX (09/2020): Xeplion 100mg 1x pro Monat, Dostinex
Aktuelle Med. Liste nicht vorliegend.

Sozialanamnese: Nicht erhebbar.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Stat. Patientenbrief KH Hietzing, 2. Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie (07.06.2018):
D: Paranoide Schizophrenie

Aufnahme mit Polizei und Rettung bei psychotischer Exazerbation. Im Vorfeld langjährig an unserer Ambulanz in Behandlung gewesen. Zuletzt in der Spezialambulanz für Peripartalpsychiatrie Dr. Reiner-Lawugger.

M: Fluctine 20mg /Tag, Zolpidem 10mg/Tag, Gewacalm 10mg/Tag, Risperdal Consta 50mg alle 14 Tage

Deutlich angetrieben, agitiertes wahnhaft-psychot. Zustandsbild. Im Rahmen des stat. Aufenthalts rasche Stabilisierung des Zustandsbildes.

FÄ-psychiatr. Bestätigung Dr. XXXX (27.09.2020):
Seit Feb. 2019 in meiner regelmäßigen FÄ-lichen Behandlung. Diagnostisch schizophrene Störung. Behandlung 1x im Quartal, zuletzt 09/2020.

Bestätigung Bestellung eines Sachwalters (29.03.2006)

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: altersentsprechend

(…)

Status Psychicus: Nicht erhebbar.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Schizophrene Störung

2 Stufen über dem unteren Rahmensatz bei zuletzt dokumentierter niederfrequenter ambulanter fachbezogener Behandlung.

03.07.01

30

Gesamtgrad der Behinderung  30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Da die Antragstellerin die ho. psychiatr. Untersuchung ablehnte und auch keine aussagekräftigen aktuellen FÄ-psychiatr. Befunde, welche den aktuellen psychopatholog. Status, das aktuelle psychosoziale Funktionsniveau und die aktuelle Medikation dokumentieren, vorliegen, kann kein höhergradiger GdB ermittelt werden.

(…)

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Idem zum VGA.

(…) Dauerzustand

In einer Stellungnahme im Parteiengehör wurde wiederholt, dass die Beschwerdeführerin an einer schweren schizophrenen Störung leide und auf den bereits vorgelegten psychiatrischen Facharztbefund verwiesen. Es sei sohin nicht richtig, dass keine aktuellen aussagekräftigen fachärztlich psychiatrischen Befunde vorlägen. Dass die Beschwerdeführerin die Untersuchung ablehne, beruhe alleine auf ihrer schweren psychiatrischen Erkrankung und zeige geradezu, dass ein erhöhter Grad der Behinderung vorliegen, der sie im Alltagsleben bzw. bei der ordnungsgemäßen Wahrnehmung von Behördenterminen erheblich beeinträchtige. Der Beschwerdeführerin sei mehrmals mitgeteilt worden, wozu die gegenständliche psychiatrische Untersuchung diene. Aufgrund ihres schlechten psychischen Zustandes sei sie jedoch nicht in der Lage dies zu verstehen und entsprechend danach zu handeln. Die schizophrene Erkrankung beeinträchtige das Leben der Beschwerdeführerin erheblich, sie sei nicht krankheitseinsichtig und die psychiatrische Behandlung der Beschwerdeführerin könne nur durch fortwährende Motivation ihrer Betreuer bzw. der Familie sichergestellt werden. Eine darüber hinaus gehende lehne die Beschwerdeführerin ab. Dies sei ihr jedoch aufgrund ihrer Erkrankung nicht vorzuwerfen. Es liege somit zumindest ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 Prozent vor.

In einer Stellungnahme vom 10.06.2021 nahm die befasste Fachärztin für Psychiatrie wie folgt zum Schreiben der Vertreterin Bezug:

„In ihrer Stellungnahme zum Parteiengehör führt die Beschwerdeführerin an, dass Frau XXXX eine höhere Einschätzung ihres Behinderungsgrades, nämlich mindestens 50 v.H. gebühren würden, da sie an einer schweren schizophrenen Störung leiden würde und dies auch befundlich bestätig sei. Es wird der Befund von Dr. XXXX , welcher in meinem Gutachten bereits zitiert wurde, im Besonderen erwähnt. Dieser Befund bestätige sowohl die Diagnose, außerdem gehe daraus hervor, dass die Antragstellerin quartalsmäßige Behandlungen erhalte. Von der Beschwerdeführerin wird weiters eine bestehende fehlende Erkrankungseinsicht der Klientin sowie erheblicher Unterstützungsbedarf in zahlreichen Bereichen des täglichen Lebens beschrieben. Neue Befunde, welche Aussagen zum aktuellen psychopathologischen Status, dem aktuellen psychosozialen Funktionsniveau sowie zur aktuellen psychopharmakologischen Medikation enthalten (wie in meinem Gutachten in der Begründung zum Gesamtgrad der Behinderung angeführt), wurden nicht eingebracht.

Da weiterhin keine aktuellen Befunde, deren Aussagekraft darüber, dass die Patientin an einer schizophrenen Störung leidet und diese quartalsmäßig, also niederfrequent, fachärztlich-psychiatrisch behandelt wird, hinausgehen, eingebracht wurden und sich Frau XXXX nicht gutachterlich untersuchen ließ, kann es aus meiner Sicht zu keiner Anhebung des Gesamtgrades der Behinderung kommen, da aus gutachterlicher Sicht eine adäquate Beurteilungsgrundlage für eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung fehlt.“

Mit Bescheid vom 10.06.2021 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen und ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 von 100 festgestellt. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten verwiesen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde darauf hingewiesen, dass auf die letzte Stellungnahme der gerichtlichen Erwachsenenvertreterin in keiner Weise eingegangen worden sei. Es wurde abermals auf den vorgelegten fachärztlichen psychiatrischen Befund vom 27.09.2020 hingewiesen sowie eine Honorarnote des Facharztes vom 24.06.2021 (Diagnose F20.3) vorgelegt. Es wurde wiederholt, dass die Beschwerdeführerin die Untersuchung ablehne – allein aufgrund ihrer schweren psychiatrischen Erkrankung und dass ein erhöhter Grad der Behinderung vorliege, da die Beschwerdeführerin im Alltagsleben bzw. bei der ordnungsgemäßen Wahrnehmung von Behörden und sonstigen Terminen erheblich beeinträchtigt sei. Sie sei nicht krankheitseinsichtig……

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin erfüllt die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.

1.2.    Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

beschwerderelevanter Status:

Allgemeinzustand: altersentsprechend

Status Psychicus: Nicht erhebbar. Beschwerdeführerin verweigerte die Untersuchung.

1.3.    Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Schizophrenes Residuum

2 Stufen über unterem Rahmensatz, da lediglich Depotmedikation ohne fachärztliche Betreuung

03.07.01

30

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30%.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung hinsichtlich des Grades der Behinderung des Beschwerdeführers gründet sich auf das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie vom 09.04.2021, welches einen Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 % ergibt. Auch in ihrer Stellungnahme vom Juni 2021 blieb die befasste Ärztin bei der gewählten Einstufung. Da die Beschwerdeführerin eine Begutachtung verweigerte, konnte die Einstufung nur aufgrund der vorgelegten Dokumente erfolgen. Der Einstufung durch die Psychiaterin wurden sämtliche im Akt aufliegende medizinische Unterlagen zu Grunde gelegt, unter anderem auch als aktuellstes Dokument eine fachärztliche Bestätigung vom 27.09.2020 mit der Diagnose Schizophrene Störung und der Beschreibung, dass der behandelnde Facharzt für Psychiatrie und Neurologie die Beschwerdeführerin einmal pro Quartal visitiere und sonst ein frequenter Informationsaustausch mit der psychiatrischen Hauskrankenpflege bestehe.

Im Verfahren nach dem FLAG im August 2020 kam der bestellte Gutachter ebenfalls zu einer gleichlautenden Einstufung, wobei sich die Beschwerdeführerin in diesem Fall einer Untersuchung nicht völlig verweigert hatte – sie kam zu dieser Untersuchung in Begleitung eines Vertreters der MIK-OG (Pflege und Betreuung). In diesem Gutachten wurde auch beschrieben, dass die Beschwerdeführerin nicht unfähig sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, da keine höhergradigen psychischen oder kognitiven Beeinträchtigungen vorhanden oder befundmäßig dokumentiert gewesen seien, die eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich machen würden.

Die Pos.Nr. 03.07 Schizophrene Störungen Schizophrenie, schizoide Persönlichkeitsstörung, schizoaffektive Erkrankungen, akut psychotische Zustandsbilder sieht für die Einstufung Folgendes vor:

03.07.01 Leichte Verlaufsform 10 – 40 %

10 – 20 %: Psychopathologisch stabil, Medikation im Schub, Akut psychotischem Zustandsbild in der Anamnese (z.B. drogeninduzierte Psychose)

30 %: Psychopathologisch stabil, Intervalltherapien, Residualzustand mit geringen Auffälligkeiten, Im sozialen und Arbeitsleben voll integriert

40 %: Psychopathologisch auffällig (beginnende Störung des formalen Denkens, gelegentlich Wahninhalt und Negativsymptomatik) trotz Dauertherapie, Mäßige soziale Beeinträchtigung, Arbeitsleistung gering eingeschränkt

03.07.02 Mittelschwere Verlaufsform 50 – 70 %

50 %: Mindestens zwei psychotische Zustandsbilder in den letzten 1,5 Jahren, Psychotische Symptome im Status Psychopathologisch instabil (Störung des formalen Denkens, Wahninhalte und Negativsymptomatik) trotz Dauertherapie, Soziale Integration und Arbeitsleistung deutlich herabgesetzt

60 %: Durchgängig geringe Belastbarkeit in allen Lebensbereichen Soziale Isolation, sozialer Abstieg

70 %: Langjährige Anamnese, hochdosierte Therapie, Affektive Zusatzerkrankungen Kognitiv höhergradig beeinträchtigt (Orientierung, Merkfähigkeit) Schwere und durchgängig soziale Beeinträchtigung

Die bestellte Psychiaterin stuft das Leiden der Beschwerdeführerin nachvollziehbar unter 03.07.01 mit 30 % ein: Konkret erhält die Beschwerdeführerin eine Intervalltherapie (monatliche Depotmedikation, wird alle drei Monate vom behandelnden Arzt visitiert). Sie lebt im Familienverband (Ehemann und vier Kinder) – ist somit sozial integriert. Nach Ansicht des erkennenden Senates hat die Gutachterin die Einstufung korrekt vorgenommen.

Wenn die Vertretung der Beschwerdeführerin meint, dass bei der Beschwerdeführerin ein GdB von 50% vorliegen würde, so ist dem entgegenzuhalten, dass bei der Beschwerdeführerin in den letzten 1,5 Jahren zwei psychotische Zustandsbilder nicht vorgelegen haben und psychotische Symptome im Status nicht fassbar waren, weil sich die Beschwerdeführerin auch nicht untersuchen ließ. Aber auch im Rahmen der Untersuchung im Verfahren nach dem FLAG wurde nur eine leichte paranoide Verarbeitung im psychopathologischen Status beschrieben.

Dass alleine aus der mangelnden Mitwirkung bei der Untersuchung zu schließen wäre, dass bei der Beschwerdeführerin ein GdB von 50% vorliegen würde, kann der erkennende Senat unter Zugrundelegung des Gutachtens nicht erkennen, wenn auch die Entscheidungsgrundlage im gegenständlichen Fall unbefriedigend ist.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens. Dieses wurde daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Zu A)

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG).

Der Behindertenpass hat den Vor- und Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen (§ 42 Abs. 1 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Die Feststellung hinsichtlich des Grades der Behinderung gründet sich auf das von der erstinstanzlichen Behörde eingeholte Gutachten, worin ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 % festgestellt wurde.

Die Stellungnahme der Beschwerdeführerin im Rahmen des gewährten Parteiengehörs zum Erstgutachten sind - wie beweiswürdigend ausgeführt - angesichts der Ausführungen in dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten nicht geeignet, eine andere Einschätzung herbeizuführen. In der Beschwerde hat die Beschwerdeführerin keine weiteren medizinischen Unterlagen übermittelt.

Nachdem die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Spruchinhalt des angefochtenen Bescheides, dass der Teil des Spruches zu entfallen hat, wonach der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt, wird auf das das Erkenntnis des VwGH Ra 2018/11/0204-7, Rz 24 vom 13. Dezember 2018 betreffend die Einziehung eines Behindertenpasses verwiesen:

§ 43 Abs. 1 BBG ermächtigt die Behörde daher zwar zu einem amtswegigen Vorgehen, allerdings nach den bisherigen Ausführungen nur zu einem Ausspruch der Einziehung des Behindertenpasses. Ein Bescheid, in dem ausgesprochen wird, dass der Betreffende mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50 % nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfülle, oder in dem festgestellt wird, dass ein Grad der Behinderung von weniger als 50 % besteht, findet in § 43 Abs. 1 BBG keine Deckung.

Analog dazu wird darauf hingewiesen, dass weder die §§ 40 und 41 noch § 45 BBG die Voraussetzungen für die von der belangen Behörde gewählte Formulierung „Mit einem Grad der Behinderung von 30% erfüllen Sie nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.“ bieten.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG).

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221). Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der beschwerdeführenden Partei festgestellten Gesundheitsschädigungen.

Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Gutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Die beschwerdeführende Partei hat auch mit der Beschwerde keine Beweismittel vorgelegt, welche mit der erstinstanzlichen gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Die Beschwerdeführerin selbst gibt an kein Interesse am Verfahren zu haben, hat im Verfahren auch nicht mitgewirkt. Aus diesem Grund ist eine Verhandlung nicht zielführend, da das Erzwingen an der Mitwirkung an der Untersuchung bzw. am Verfahren nicht möglich ist. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W200.2245002.1.00

Im RIS seit

28.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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