Entscheidungsdatum
04.10.2021Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
W150 2244780-2/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KLEIN als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX über die weitere Anhaltung von Herrn XXXX (alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX ), geb. XXXX 1973, StA. ALGERIEN alias LIBYEN, in Schubhaft zu Recht erkannt:
A)
Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge auch: „BF“) reiste im Oktober 2017 illegal unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 21.12.2017 im Standes der Untersuchungshaft einen Antrag auf internationalen Schutz, den er zusammengefasst damit begründete, dass er seine Heimat verlassen habe, weil er einen Freund gehabt habe. Da in einem islamischen Land die Homosexualität verboten sei, sei er geschlagen und gedemütigt worden. Da er sehr große Angst gehabt habe, habe der das Land im Jahr 1990 in Richtung Europa verlassen und reise seitdem durch Europa und habe sich nun entschlossen in Österreich zu bleiben und Asyl anzusuchen.
2. Am 25.06.2018 wurde der BF vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu 83 Hv 16/18z, Wege des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 Z 1, 130 Abs. 3, 15 StGB und wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von dreieinhalb Jahren verurteilt.
3. Mit Bescheid vom 05.04.2019, Zl. XXXX , wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge auch: „BFA“ oder „belangte Behörde“) den Antrag auf internationalen Schutz vom 21.12.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Algerien ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Abschiebung nach Algerien nicht zulässig ist (Spruchpunkt V.), aberkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung (Spruchpunkt VI.), stellte fest, dass keine Frist zur freiwilligen Ausreise besteht (Spruchpunkt VII.) und erließ gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VIII.).
4. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (in weiterer Folge auch: „BVwG“) mit Erkenntnis vom 16.05.2019, AZ I413 2218543-1/3E als unbegründet ab und erteilte keinen Aufenthaltstitel aus besonders schutzwürdigen Gründen (§57AsylG). Das Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.
5. Am 28.01.2021 beantragte die belangte Behörde bei der Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Algerien die Zustimmung für ein Heimreisezertifikat (in weiterer Folge auch: „HRZ“).
6. Am 26.04.2021 wurde seitens der belangten Behörde ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet und dem BF nachweislich eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zugestellt. Er nutzte die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme, in der er Fragen zu seinen Angehörigen, seiner finanziellen und beruflichen Situation, seines Gesundheitszustandes und sozialen Kontakten beantwortete.
7. Am 28.04.2021 erfolgte eine Urgenz hinsichtlich der Ausstellung des HRZ bei der algerischen Botschaft ohne Rückmeldung.
8. Mit Bescheid vom 28.05.2021 ordnete das BFA über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an und stellet fest, dass die Rechtsfolgen des Bescheides nach Entlassung aus der Haft eintreten. Begründet wurde die Fluchtgefahr im Wesentlichen mit der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung samt zehnjährigem Einreiseverbot und der mangelnden Vertrauenswürdigkeit aufgrund seines Vorverhaltens. Der BF werde auch künftig nicht gewillt sei, die Rechtsvorschriften einzuhalten. Des Weiteren wurde begründet, dass der BF nicht ausreise- und rückkehrwillig sei und auch keine Bestrebungen angestellt habe, sich selbständig um ein Reisedokument zu bemühen. Aufgrund der fehlenden Rückkehrbereitschaft sei naheliegend, dass der BF jegliche Chance nutzen werde, um sich der drohenden Rückkehr zu entziehen. Die Schubhaft sei insbesondere aufgrund des strafrechtlichen Fehlverhaltens des BF verhältnismäßig.
9. Der BF verbüßte die Freiheitsstrafe in einer Justizanstalt bis 04.06.2021, er wurde bedingt entlassen.
10. Am 04.06.2021 wurde der BF in Schubhaft gesetzt.
11. Am 29.06.2021 stellt der BF im Stande der Schubhaft einen Asylfolgeantrag und wurde von der belangten Behörde ein Aktenvermerk gemäß § 76 Abs. 6 FPG erstellt. Darin wurde festgehalten, dass Gründe zur Annahme bestünden, dass der BF den Folgeantrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt habe.
12. Am 27.07.2021 wurde die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft überprüft, bejaht und in einem Aktenvermerk gemäß § 80 FPG festgehalten, dass der BF nicht oder mangelhaft bei der Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes mitgewirkt habe, keine gesicherte Unterkunft, kein gesichertes Einkommen, nicht oder mangelhaft bei der Identitätsprüfung mitgewirkt habe und über keine berufliche sowie keine familiäre Integration verfüge.
13. Die am 28.07.2021 vom BF im Wege eines rechtsfreundlichen Vertreters eingebrachte Schubhaftbeschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 04.08.2021, AZ W155 2244780-1/11 E als unbegründet abgewiesen, seine Anhaltung in Schubhaft seit 04.06.2021 für rechtmäßig erklärt, festgestellt, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft zum Entscheidungszeitpunkt vorliegen, sowie eine Kostenentscheidung zu Lasten des BF getroffen.
14. Mit Bescheid des BFA vom 07.09.2021 wurde der Folgeantrag des BF hinsichtlich des Antrages auf internationalen Schutz und ebenso hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache, mittlerweile rechtskräftig, zurückgewiesen.
15. Das BFA legte am 13.09.2021 die Akten zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung vor und legte ergänzend zur bisherigen Stellungnahme zusammengefasst und soweit verfahrensrelevant dar, dass derzeit aufgrund des noch laufenden Verfahrens auf internationalen Schutz [Anm.: Folgeantrag] das Vorantreiben und Finalisieren des HRZ – Verfahrens nicht möglich sei. Weiters sei aufgrund der weltweit existierenden Pandemie–Restriktionen durch das Corona-Virus (COVID-19) nicht zu prognostizieren, wann die Erlangung eines HRZ für die möglich sein wird.
Aufgrund der persönlichen Lebenssituation des BF (nicht selbsterhaltungsfähig, bislang kein Wohnsitz und keine familiär-, privat- und sozial bedingten Bindungen im Bundesgebiet) sowie der strafrechtlichen Verurteilung und der mangelnden Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr in den Herkunftsstaat sei nicht nur Fluchtgefahr gegeben, sondern auch eine Verfahrensführung auf freiem Fuß ausgeschlossen, woraus sich ein verdichteter Sicherungsbedarf ergibt.
Es sei festzuhalten, dass sich der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet bislang lediglich auf die Verübung von strafbaren Handlungen konzentrierte und er somit eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre und sein Aufenthalt im Bundesgebiet massiv öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Auch diesbezüglich sei die Aufrechterhaltung der Schubhaft unweigerlich geboten.
Die mit der Erlangung eines HRZ verbundene Dauer der Anhaltung in Schubhaft habe der Beschwerdeführer jedoch durch seine illegale Einreise unter Zurücklassung von Personal- und Reisedokumenten selbst zu verantworten. Verzögerungen, die in der Sphäre des BFA liegen würden, seien nicht zu erkennen.
Dass die Schubhaft notwendig sei – und damit nun auch von den Maßnahmen hinsichtlich der Covid-19-Pandemie betroffen wäre – habe alleine der BF zu verantworten.
16. Das oben unter Punkt 15. angeführte Schreiben wurde am 24.09.2021 dem BF gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG zur Kenntnis gebracht und ihm dazu Parteiengehör eingeräumt. Als Frist für eine Stellungnahme wurde ihm dazu der 29.09.2021, 12:00 Uhr, gesetzt. Eine Stellungnahme langte bis dato nicht ein.
17. Aufgrund eines gerichtlichen Auftrages vom 24.09.2021 übermittelte das BFA am 28.08.2021 eine aktuelle amtsärztliche Bestätigung vom gleichen Tage, welches die Einvernahmefähigkeit des BF bestätigte. Haftunfähigkeit wurde dabei keine festgestellt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird der Verfahrensgang zur Feststellung erhoben.
1.2. Zur Person des BF
Der BF ist nach seinen eigenen Angaben Staatsangehöriger von Algerien. Im Fremdenregister sind etliche Alias-Namen bzw. Alias-Identitäten und auch die Alias-Staatsangehörigkeit Libyen des BF eingetragen. Seine Identität steht daher nicht zweifelsfrei fest.
Der BF besitzt weder die österreichische Staatsbürgerschaft, noch die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates.
Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Es besteht gegen den BF eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme, die mit einem zehnjährigen Einreiseverbot verbunden ist. Seit der Entlassung aus der Strafhaft am 04.06.2021 befindet sich der Beschwerdeführer in Schubhaft.
Der BF wurde nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet unter einer anderen als der im Spruch genannten Identität ( XXXX ) straffällig und wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls und des Vergehens der Urkundenunterdrückung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 3 ½ Jahren verurteilt.
Der BF hielt sich nach eigenen Angaben auch in Belgien auf, wo er wegen wiederholten Diebstahls inhaftiert gewesen sei. Eingeholte ECRIS-Auskünfte auch zu den vom BF angegebenen Aliasnamen – weisen jedoch keine Vorstrafen aus.
In Österreich leben keine Angehörigen des Beschwerdeführers. Er ging jedenfalls bislang im Bundesgebiet keiner legalen Beschäftigung (außerhalb der Strukturen der Justizanstalten) nach. Er konnte bisher keine sozialen Kontakte außerhalb der Justizanstalten knüpfen und verfügt über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet. Der BF ist ledig und hat keine Kinder oder andere Sorgepflichten.
Der Beschwerdeführer ist haftfähig und gehört keiner Risikogruppe im Zusammenhang mit CoVid-19 an. Der BF hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Der BF nimmt Medikamente gegen Epilepsie.
Der BF war außer in Justizanstalten, nie meldeamtlich erfasst.
1.2. Zur Fluchtgefahr, zum Sicherungsbedarf und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft
Der BF verhielt sich nicht kooperativ und rückreise-/ausreisewillig.
Der BF ist nicht vertrauenswürdig.
Der BF missachtet die österreichische Rechtsordnung, er wurde straffällig.
Er verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Existenzsicherung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Es ist davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und zur Erzielung seines Unterhaltes illegalen Tätigkeiten (ua., Diebstahl) nachgehen wird.
Das Verfahren zur Erlangung eines HRZ mit Algerien wurde bereits eingeleitet. Flugverbindungen zwischen Algier und einigen Mitgliedstaaten der europäischen Union wurden wiederaufgenommen, Direktflüge nach Wien sind noch nicht dabei, aktuell gibt es innerhalb der nächsten drei Tage fünf Flugverbindung von Wien nach Algier über Rom, Paris und Barcelona.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren, aus den Gerichts- und Verwaltungsakten zu seinen Asylverfahren und der bisherigen Schubhaftprüfung. Dies gilt insbesondere für die abgeschlossenen asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren des Beschwerdeführers, deren Status unstrittig ist. Die jüngste (mit einem Einreiseverbot verbundene) Rückkehrentscheidung wurde durchsetzbar. Beweis wurde auch erhoben durch Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, sowie in das Grundversorgungsinformationssystem.
Zur Person des BF
Die Identität des BF steht nicht fest, da er im Verfahren keinen Nachweis über seine Identität vorgelegt hat. Er ist bis dato unter mehreren alias – Identitäten aufgetreten und wurde auch unter einer solchen straffällig.
Dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft oder die eines EU-Mitgliedsstaates besitzt ist im Verfahren nicht hervorgekommen und wurde auch nicht behauptet.
Die Feststellungen zur Rückkehrentscheidung sowie zum Einreiseverbot ergeben sich aus den vorgelegten Bescheiden der belangten Behörde in Zusammenschau mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.05.2021, AZ I413 2218543-1/3E im Asylverfahren des BF.
Die Anhaltungen in Strafhaft und Schubhaft ergeben sich aus dem Akt des BFA sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.
Die Feststellungen zur familiären Situation und sozialen Verankerung im Bundesgebiet ergeben sich aus den Angaben des BF, insbesondere in seiner Stellungnahme vom 30.04.2021.
Dass der Beschwerdeführer nicht beschäftigt gewesen ist, ergibt sich aus der fehlenden Anmeldung bei der Sozialversicherung.
Zur Fluchtgefahr, zum Sicherungsbedarf und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft
Die Feststellungen zur fehlenden Kooperationsbereitschaft, der Unwilligkeit das österreichische Bundesgebiet zu verlassen und seine Vertrauensunwürdigkeit ergeben sich aus seinem bisherigen Verhalten. Er legte seine Identität nicht offen, nimmt immer wieder alias Identitäten an und konnte sich nicht mit einem Dokument (Reisepass) ausweisen. Er missachtet die österreichische Rechtsordnung, indem er straffällig wurde, wie sich aus dem Strafregisterauszug und dem vorgelegten Urteil des Landesgerichtes ergibt. Der BF hat durch mehrere Einbruchsdiebstähle in Wohnstätten fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz sich unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen und verfügte über eine Urkunde, (Reisepass) über die er nicht verfügen durfte. Im Hinblick darauf, dass der BF kurz nach seiner Einreise, bevor er noch einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, mehrere Einbruchsdiebstähle verübt bzw. versucht hat, sich eine fortlaufende Einnahmequelle über einen Zeitraum von zumindest mehrere Monate zu verschaffen, um seiner Vermögens- und Einkommenslosigkeit entgegenzuwirken, liegt für das erkennende Gericht jedenfalls eine Vertrauensunwürdigkeit vor. Den Feststellungen betreffend die mangelnde Vertrauenswürdigkeit des BF wurde von diesem bislang nicht substantiiert entgegengetreten. Der BF hatte in Österreich nie einen ordentlichen Wohnsitz, sondern war in Haft. Gesundheitliche Probleme wurden in der Beschwerde nicht behauptet. Nach eigenen Angaben vom 30.04.2021, nimmt der BF Medikamente gegen Epilepsie. Dass diese die Haftfähigkeit nicht beeinträchtigen, hat schon der Aufenthalt in der Strafhaft ergeben, auch hat eine rezente (i.e. 28.09.2021) amtsärztliche Untersuchung des BF auf Ersuchen des BVwG außer Schlafstörungen und stressbedingt wiederkehrenden Gedanken keinen Befund ergeben. Dass der BF nicht ausreisewillig ist, ergibt sich zudem aus den Rückkehrberatungsgesprächen mit der BBU am 14.01.2021 und 08.02.2021. Es ist daher davon auszugehen, dass der BF jegliche Chance nutzen wird, um sich einer drohenden Rückkehr zu entziehen.
Die Feststellung, dass Flüge auf der Strecke Wien-Algier über Rom, Paris und Barcelona aktuell buchbar sind, ergibt sich aus der Einsichtnahme in die Flugsuchfunktion des Internetdienstes „Check-Felix“ mit Stand 04.10.2021.
Die Feststellungen zur Erlangung eines HRZ ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und dem Vorlageschreiben der belangten Behörde. Für das erkennende Gericht sind die Ausführungen der HRZ Abteilung glaubwürdig und werden „hochrangige Gespräche“ von Mitarbeitern des Innenministeriums nicht in Zweifel gezogen. Die Zwischenzeitliche Unterbrechungen der Bemühungen des BFA zur Erlangung des HRZ sind auf die Stellung eines Folgeantrages durch den BF zurückzuführen, der aber mittlerweile in erster Instanz rechtskräftig wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden ist. Weiters ist damit zu rechnen, dass nach Wiederaufnahme des Flugverkehrs zwischen Algerien und einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch die Wiederaufnahme des direkten Flugverkehrs zwischen Algier und Wien erfolgen kann. Die realistische Möglichkeit einer Abschiebung des BF innerhalb der gesetzlichen Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft besteht somit aus aktueller Sicht. Dabei verkennt das erkennende Gericht nicht die aktuell für die kommenden Wochen möglicherweise wieder etwas heiklere Pandemiesituation („4. Welle“), doch reagieren die Staaten in Europa und Afrika diesbezüglich alles andere als einheitlich, teils mit Lockerungen, Teils mit Verschärfungen. Es liegen somit im Entscheidungszeitpunkt keine Hinweise vor, wonach die Erlangung eines HRZ von Algerien und eine Abschiebung innerhalb der höchstmöglichen Schubhaftdauer nicht möglich wäre. Wenn auch derzeit primär von einer algerischen Staatsangehörigkeit des BF auszugehen ist, wäre angesichts der vielfältigen Alias-Identitäten auch eine andere Staatsangehörigkeit des BF, z.B. Libyen, nicht von vornherein auszuschließen.
Für eine Änderung der entscheidungsrelevanten Umstände seit dem letzten Beschwerdeverfahren gibt es – im Zusammenhang mit einem Wegfall der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung – zu Gunsten des BF keinen Hinweis.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt I. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):
3.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs. 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:
Schubhaft (FPG)
„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
Gelinderes Mittel (FPG)
„§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.
(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;
(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird
(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“
Dauer der Schubhaft (FPG)
„§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,
1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt
(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrechterhalten werden.
(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,
1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint
kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.“
Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)
„§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“
Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)
„Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.“
Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)
„Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)
(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf.
(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a. mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b. Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.“
3.2. Zur Judikatur:
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).
Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).
Gemäß § 80 Abs. 4 FPG darf die Anhaltung in Schubhaft nur bei Vorliegen der dort in den Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen höchstens achtzehn Monate dauern. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so beträgt die Schubhaftdauer - wie in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG als Grundsatz normiert - nur sechs Monate. Mit § 80 Abs. 4 FPG soll Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL umgesetzt werden, sodass die Bestimmung richtlinienkonform auszulegen ist. In diesem Sinn ist auch der Verlängerungstatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG dahingehend auszulegen, dass der Verlängerungstatbestand nur dann vorliegt, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers kausal für die längere (mehr als sechsmonatige) Anhaltung ist. Wenn kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Drittstaatsangehörigen und der Verzögerung der Abschiebung festgestellt werden kann, liegen die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs. 4 Z 4 FPG über die Dauer von sechs Monaten nicht vor (VwGH vom 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).
3.3. Zum konkret vorliegenden Fall:
Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist.
Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme in Form der Rückkehrentscheidung vom 05.04.2019 vor Der Sicherungszweck des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG liegt daher vor.
3.3.1 Zu Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf:
Es liegen beim BF fortgesetzt Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf iSd § 76 Abs. 3 FPG vor.
Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht, was schon alleine seine massive Straffälligkeit indiziert, er ist nicht kooperativ; er wirkt zudem nicht an dem HRZ-Verfahren mit, um solcherart seine drohende Abschiebung zu verhindern. Er versuchte bis dato durch geradezu unzählige Alias-Identitäten die notwendigen Angaben zu seiner Identifizierung zu behindern. Der Beschwerdeführer tut dies in der offenkundigen Absicht, um dadurch seine Abschiebung zu verhindern beziehungsweise massiv zu erschweren. § 76 Abs. 3 Z 1 FPG ist daher erfüllt.
Weiters bestand zum Zeitpunkt des Folgeantrags des Beschwerdeführers im Stande der Schubhaft bereits seit geraumer Zeit eine ihm gegenüber durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme in Form der Rückkehrentscheidung vom April 2019. § 76 Abs. 3 Z 5 FPG ist somit ebenfalls erfüllt.
Der BF verfügt über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG ist daher ebenfalls fortgesetzt erfüllt.
Sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose haben bei dem Beschwerdeführer ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf ergeben. Der BF hat seine in diesem Fall besonders ausgeprägte Vertrauensunwürdigkeit und seine Unzuverlässigkeit durch sein unkooperatives Verhalten und seine ständig wechselnden Angaben über seine Identität demonstriert.
Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, 5 und 9 FPG vor und es ist auch Sicherungsbedarf gegeben.
3.3.2 Zur Verhältnismäßigkeit
Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich weder sozial noch familiär verankert. Er ist beruflich nicht verwurzelt und hat auch keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.
Im Hinblick auf die Straffälligkeit des BF, die gemäß § 76 Abs. 2a FPG bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen ist, ist festzuhalten, dass er aufgrund seiner gewerbsmäßig begangenen schweren Einbruchsdiebstähle und auch einer Urkundenunterdrückung bereits zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Fallbezogen kommt in Zusammenhalt mit dem zuvor Gesagten einer gesicherten Aufenthaltsbeendigung iSd § 76 Abs. 2a FPG daher ein sehr hohes öffentliches Interesse hinzu.
Der BF wird erst seit 04.06.2021 in Schubhaft angehalten. Die Dauer seiner Anhaltung in Schubhaft ist maßgeblich auf die Dauer des Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates und seiner mangelnden Mitwirkung sowie allenfalls mittelbar auf die aktuell vorherrschende COVID-19 Pandemie zurückzuführen. Verzögerungen, die in der Sphäre des BFA liegen würden, sind nicht zu erkennen. Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, hat das BFA vielmehr rechtzeitig und zielführend Verfahren mit Algerien zur Erlangung eines HRZ geführt, die allerdings aufgrund der Folgeantragstellung des BF zwischenzeitlich unterbrochen waren.
In Zusammenschau mit der Tatsache, dass Flüge aus der EU nach Algier wieder buchbar sind, ist die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft nach derzeitigem Stand - kooperatives Verhalten des BF vorausgesetzt - mit wenigen Monaten einzustufen und eine Abschiebung aus derzeitiger Sicht jedenfalls innerhalb der zulässigen Höchstdauer der Schubhaft selbst bei zwischenzeitlicher Verschärfung der COVID-Pandemie durchaus realistisch. Eine bereits jetzt klar sichtbare bestehende faktische Unmöglichkeit oder Unwahrscheinlichkeit der Abschiebung des BF ist aufgrund der oben erörterten Lageeinschätzung nicht gegeben.
Unter Berücksichtigung dieser weiteren Umstände bleibt im Zuge der durchzuführenden Abwägung festzuhalten, dass aufgrund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens (Unwilligkeit mit den Behörden zu kooperieren und die erhebliche Straffälligkeit), das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung und eines geordneten Fremdenwesens das Interesse des Beschwerdeführers am Schutz der persönlichen Freiheit seiner Person weiterhin überwiegt und auch der Gesundheitszustand des BF der weiteren Anhaltung in Schubhaft nicht entgegensteht.
Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.
Das Bundesverwaltungsgericht geht sohin davon aus, dass die seit 04.06.2021aufrechte Schubhaft im Entscheidungszeitpunkt auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist zudem jedenfalls gewährleistet, dass eine allfällige weitere längere Anhaltedauer aufgrund von Verzögerungen im HRZ-Verfahren oder einer mangelnden Abschiebemöglichkeit durch Reiseeinschränkungen und damit auch die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft einer neuerlichen gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen sein wird. Dabei wird abermals eine Prognoseentscheidung hinsichtlich einer zeitnahen Effektuierung der Außerlandesbringung des BF durchzuführen sein.
Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens und angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des BF besteht. Außerdem würde sich im Falle einer angebotenen Sicherheitsleistung die Frage nach der – nach den Umständen des Falles möglicherweise zweifelhaften – Herkunft des Geldbetrages stellen. Auch fehlt es dem Beschwerdeführer – wie oben festgestellt – an einem gesicherten Wohnsitz.
Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.
Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).
Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben (Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch) zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, in der jeweiligen Fassung.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Einreiseverbot Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Identität Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Ultima Ratio VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W150.2244780.2.00Im RIS seit
28.10.2021Zuletzt aktualisiert am
28.10.2021