TE Vwgh Beschluss 2021/10/4 Ra 2021/18/0281

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Veröffentlicht am 04.10.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A O, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das am 2. Juli 2021 mündlich verkündete und am 3. August 2021 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, I407 1438303-3/24E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 27. Juli 2020 den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz, welchen er (u.a.) damit begründete, dass er an gesundheitlichen Problemen leide und in seiner Heimat die für seine Behandlung notwendigen Medikamente nicht erhalten werde. Im Laufe des Verfahrens brachte der Revisionswerber außerdem vor, Opfer von Menschenhändlern geworden zu sein, die ihn nach Europa gebracht hätten und zum Drogenhandel zwingen würden.

2        Mit Bescheid vom 29. Dezember 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei und dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung erkannte die Behörde die aufschiebende Wirkung ab, sie erließ ein Einreiseverbot für die Dauer von 10 Jahren und sie sprach aus, dass der Revisionswerber sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 29. Juli 2014 verloren habe.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

4        In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das BVwG habe zu den aktenkundigen (schweren psychischen) Erkrankungen des Revisionswerbers keine Feststellungen getroffen und schon dadurch seine Begründungspflicht verletzt. Es habe seiner Entscheidung auch keine aktuellen Länderberichte zur Situation psychisch kranker Personen in Nigeria zu Grunde gelegt, sondern solche aus dem Jahr 2019. Selbst diese würden Personen wie dem Revisionswerber „eine äußerst prekäre Situation in Nigeria bescheinigen“. Hätte das BVwG sich umfassend mit dem psychischen Gesundheitszustand und der erforderlichen Medikation des Revisionswerbers auseinandergesetzt, wäre es im Hinblick auf die nicht vorhandene medizinische Versorgung für psychisch Erkrankte in Nigeria zu einem inhaltlich anderslautenden Ergebnis gelangt; dies im Hinblick darauf, dass eine adäquate medizinische Versorgung auch unter Zugrundelegung der Feststellungen zur Versorgung von psychisch Erkrankten in Nigeria nicht gegeben wäre und die nötigen Medikamente, wenn überhaupt, nur unter der Bedingung, dass ausreichende finanzielle Mittel vorhanden wären, für den Revisionswerber zu erlangen sein würden. Der Revisionswerber habe in seinem Vorbringen dargelegt, dass dies nicht der Fall sei.

5        Das BVwG habe auch gegen das Recht auf Parteiengehör verstoßen, indem es dem Revisionswerber keine ausreichende Frist zur Stellungnahme zum Gutachten des Sachverständigen G T (im Zusammenhang mit dem behaupteten Menschenhandel) gewährt habe. Im gegenständlichen Verfahren sei überdies davon auszugehen, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 zur weiteren Gewährleistung der Strafverfolgung wegen Menschenhandels, dessen Opfer der Revisionswerber geworden sei, erforderlich gewesen wäre, und zwar ungeachtet des Umstandes, dass das Strafverfahren abgebrochen worden sei. Zur Rechtsfrage, ob ein abgebrochenes/unterbrochenes Verfahren zu einem Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 führe, gebe es noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung.

6        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

8        Entgegen dem Revisionsvorbringen hat das BVwG die psychische Erkrankung des Revisionswerbers im Rahmen seiner Feststellungen nicht in Zweifel gezogen und ausgeführt, dass der Revisionswerber deshalb Medikamente einnehme, die er allerdings auch in Nigeria erhalten könne. Dass diese Einschätzung fehlerhaft erfolgt wäre, legt die Revision nicht hinreichend dar. Sie verweist zwar zu Recht auf den Umstand, dass die Behandlung psychischer Erkrankungen in Nigeria nach den vorliegenden Länderberichten qualitativ mit einer solchen in Österreich nicht vergleichbar sei. Dass der Revisionswerber die für die Behandlung seiner Krankheit notwendigen Medikamente in Nigeria entgegen den Annahmen des BVwG nicht bekommen werde, wird aber nicht näher begründet. Die Revision legt auch nicht dar, dass die Heranziehung aktuellerer Länderberichte (das BVwG verwertete solche aus dem Jahr 2019) im gegebenen Zusammenhang zu einer anderen Beurteilung hätte führen können.

9        Ausgehend davon vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass das BVwG unter Berücksichtigung der psychischen Erkrankung des Revisionswerbers zu einem (rechtlich) fehlerhaften Ergebnis gelangt wäre (vgl. zur Frage der Verletzung von Art. 3 EMRK in Fällen einer Erkrankung etwa VwGH 21.2.2017, Ra 2017/18/0008, 0009, unter Hinweis auf EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien).

10       Mit ihrem weiteren Zulassungsvorbringen bezieht sich die Revision darauf, dass der Revisionswerber behauptete, Opfer von Menschenhändlern geworden zu sein. Dabei übersieht sie, dass das BVwG diesem Vorbringen keinen Glauben schenkte. Richtig ist, dass es sich dabei beweiswürdigend zum Teil auch auf das Gutachten des Sachverständigen G T stützte. Wenn die Revision aber geltend macht, ihr sei keine ausreichend lange Frist zur Stellungnahme zu diesem Gutachten gewährt worden, legt sie nicht dar, welches Vorbringen im Falle einer längeren Frist hätte erstattet werden können. Schon deshalb erweist sich dieses Vorbringen als nicht geeignet, einen relevanten Verfahrensmangel darzutun.

11       Angesichts des Umstandes, dass dem Revisionswerber nicht geglaubt wurde, Opfer von Menschenhändlern geworden zu sein, erübrigt sich auch ein Eingehen auf die von der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen in Bezug auf § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, weil der Ausgang des Revisionsverfahrens davon nicht abhängt.

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. Oktober 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180281.L00

Im RIS seit

28.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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