TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/18 95/20/0581

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Veröffentlicht am 18.12.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des H in G, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. August 1995, Zl. 4.288.735/20-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste - gemeinsam mit seinem Bruder G, Beschwerdeführer zur hg. Zl. 95/20/0580) am 27. Oktober 1989 in das Bundesgebiet ein und stellte noch am selben Tag den Antrag, ihm Asyl zu gewähren.

Anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 11. Dezember 1989 gab er an, er sei nicht vorbestraft und werde nicht gesucht, habe auch keine strafbaren Handlungen in seinem Heimatland begangen. Im September 1989 habe er zusammen mit seinem Bruder in dessen Wohnung verbotene Videofilme gesehen, als plötzlich Revolutionswächter die Wohnung durchsucht und Videofilme, Alkohol und Bilder des Kronprinzen Reza, die ebenfalls im Iran verboten seien, gefunden hätten. Er selbst und sein Bruder seien festgenommen und einen Monat angehalten und verhört worden, woher sie die Bilder hätten. Sie hätten dies nicht verraten und seien erst gegen Kaution freigelassen worden. Er selbst sei kein Anhänger der Monarchisten, aber Demokrat und würde sich von der Rückkehr des Schah die Wiedereinführung der Monarchie erwarten. In M habe er Bilder verteilt und Propaganda gemacht. Er sei auf der Liste der verdächtigen Personen im Iran, und habe auch deshalb das Land verlassen. Von den iranischen Behörden sei er weder verfolgt noch benachteiligt worden. Er sei auch nicht Mitglied einer legalen oder illegalen politischen Gruppierung im Iran gewesen und habe an keiner Demonstration teilgenommen. Bei Ausübung seines Glaubens sei er nicht benachteiligt worden. Er sei nach Österreich gekommen, weil er durch seine Arbeit für eine österreichische Firma die Österreicher schätzen gelernt habe. Er wolle in Österreich bleiben, um hier Maschinenbau zu studieren.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 22. März 1990 wurde formularmäßig festgestellt, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle. Die dagegen gerichtete Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. Mai 1990 (mangels eines begründeten Berufungsantrages) zurückgewiesen. Infolge der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof den bekämpften Bescheid mit (auch eine Beschwerde des Bruders G erledigenden gemeinsamen) Erkenntnis vom 21. November 1990, Zlen. 90/01/0126, 0127, auf. Zum weiteren Verfahrensgang wird im übrigen auf das inhaltsgleiche Verfahren betreffend den Bruder G zur hg. Zl. 95/20/0580 verwiesen.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid wiederholte die belangte Behörde (im dritten Rechtsgang) die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG und begründete dies nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der in Anwendung gebrachten Gesetzesbestimmungen im wesentlichen gleichlautend mit dem den Bruder des Beschwerdeführers G betreffenden Bescheid vom gleichen Tag.

Über die dagegen gerichtete - ebenfalls wortgleiche - Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der vorliegende Fall gleicht in allen wesentlichen Einzelheiten jenem den Bruder des Beschwerdeführers G betreffenden, zur hg. Zl. 95/20/0580, anhängigen Verfahren, sodaß auf die dortige Erledigung vom heutigen Tag, um Wiederholungen zu vermeiden, verwiesen wird.

Insoweit die belangte Behörde im vorliegenden Verfahren dem - im wesentlichen gleichlautenden - Vorbringen des Beschwerdeführers entgegenhält, die Festnahme durch die Revolutionswächter wegen Besitzes von Alkohol, Bildern des Kronprinzen und Videos sei vom Beschwerdeführer "lediglich behauptet" worden, diese Angaben seien derart dürftig, daß sie sich einer Überprüfung an der Wirklichkeit entzögen" und daher im Rahmen der von der erkennenden Behörde vorzunehmenden Beweiswürdigung "einen geringeren Grad der Glaubwürdigkeit" einnähmen, ist zu erwidern, daß unerfindlich ist und von der belangten Behörde auch nicht näher ausgeführt wird, was an diesen Angaben so nebulos gewesen sei, daß dies die Glaubwürdigkeit des Dargestellten beeinträchtigt. Dem Akt ist nicht zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer eingehender befragt, die Antworten darauf jedoch schuldig geblieben wäre. Dasselbe gilt auch für die Argumentation der belangten Behörde, der Angabe des Beschwerdeführers, auf der Liste der verdächtigen Personen im Iran zu stehen, müsse die Glaubwürdigkeit versagt bleiben, weil er nicht habe angeben können, woher er diese Information habe bzw. woraus er dies geschlossen habe. Daß er diesbezügliche Fragen unbeantwortet gelassen hat, ist jedenfalls nicht aktenkundig. Unverständlich ist die Argumentation der belangten Behörde auch dort, wo sie meint, die "überaus dürftigen Angaben" des Beschwerdeführers ließen keinen Schluß zu, daß die Behörden seines Heimatstaates überhaupt Kenntnis von der behaupteten Aktivität erlangt hätten. Anlaß zur Flucht war ja gewesen, daß regimekritische Videos und Schahbilder zu einer Hausdurchsuchung geführt hatten, die eine längerdauernde Verhaftung nach sich gezogen hat. Daß damit auch eine zumindest dissidente politische Ansicht offenkundig wurde, deren Asylrelevanz unter den gegebenen Gesamtumständen im Iran nicht geleugnet werden kann, wurde bereits in dem das den Bruder des Beschwerdeführers G betreffenden Verfahren erledigende Erkenntnis vom heutigen Tag zur Zl. 95/20/0580, ausgesprochen.

Auch dieser Bescheid war daher aus den im bereits zitierten Erkenntnis dargestellten, auf das vorliegende Verfahren zu übertragenden Erwägungen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200581.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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