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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / Prozeßvoraussetzungen / IndividualantragLeitsatz
Zur aktuellen Beeinträchtigung von Interessen der Antragsteller und zur Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges (hier: Zurückweisung der Anträge auf Aufhebung des Tir GVG 1993 und des Tir RaumOG 1994 zur Gänze bzw teilweise. Normiert ein Gesetz in Zusammenhang mit einem Verbot ein Bewilligungsverfahren, demzufolge unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen eine Bewilligung ansonsten verbotenen Verhaltens vorgesehen ist, so greift erst der die Bewilligung versagende Bescheid unmittelbar in die Rechtssphäre des Normadressaten ein. Die Einleitung eines Bewilligungsverfahrens hält der Verfassungsgerichtshof selbst dann für zumutbar, wenn der Antragsteller selbst Zweifel über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Bewilligungserteilung hegt (vgl. VfSlg. 13171/1992, VfGH 22.3.1993, G1/93, 22.3.1993,.Spruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Durch §15 Abs1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994, LGBl. für Tirol 81/1993 (im folgenden: TROG 1994), wird die Errichtung von Gebäuden, die ganz oder teilweise als Freizeitwohnsitze verwendet werden sollen, ausgeschlossen. Gleiches gilt für Zubauten bzw. Änderungen des Verwendungszweckes von bisher anderweitig verwendeten Gebäuden oder Gebäudeteilen, durch die Freizeitwohnsitze neu geschaffen oder bestehende Freizeitwohnsitze vergrößert werden sollen. Infolgedessen ist - anders als nach dem Tiroler Raumordnungsgesetz 1984, LGBl. für Tirol 4/1984, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. für Tirol 76/1990 - keine eigene Widmungskategorie für solche Einrichtungen mehr vorgesehen. Bestehende Freizeitwohnsitze unterliegen einer Anmeldung gemäß §16 TROG 1994 und Wohnsitze dürfen in nur sehr eingeschränkter Weise als Freizeitwohnsitze verwendet werden (vgl. §15 Abs3 leg.cit.). Rechtserwerbe an Freizeitwohnsitzen werden dem Regime des neuen Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. für Tirol 82/1993 (im folgenden: TGVG 1993), unterstellt. Eine Begriffsbestimmung des Freizeitwohnsitzes findet sich in §15 Abs2 TROG 1994 und in gleicher Weise auch in §2 Abs6 TGVG 1993. Das TROG 1994 ist gemäß seinem §119 Abs1 mit 1. Jänner 1994 in Kraft getreten; gleiches gilt im wesentlichen auch für das TGVG 1993 gemäß dessen §41 Abs1; nur §3 betreffend "Gleichbehandlung auf Grund des EWR-Abkommens" tritt erst mit 1. Jänner 1996 in Kraft (§41 Abs2 TGVG 1993).
Die Umsetzung der raumordnungspolitischen Zielsetzung der Einschränkung der Schaffung bzw. Benützung von Freizeitwohnsitzen erfolgt insbesondere durch §14 TGVG 1993. Bei allen der grundverkehrsbehördlichen Genehmigungspflicht unterworfenen Rechtserwerben sowohl an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken, vor allem aber an Baugrundstücken ist neben den sonstigen Voraussetzungen nach dem zweiten bzw. dritten Abschnitt des Gesetzes auch zu prüfen, ob durch den beabsichtigten Rechtserwerb nicht etwa ein Freizeitwohnsitz geschaffen werden soll. Die Prüfung dieser Frage entfällt bei jenen Rechtserwerben, die nach den §§5 und 10 TGVG 1993 von der Genehmigungspflicht ausgenommen sind.
Wurde bzw. wird ein zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TROG 1994 (das war, wie erwähnt, der 1. Jänner 1994) bestehender, den Tiroler Raumordnungsvorschriften nicht widersprechender Freizeitwohnsitz ordnungsgemäß nach §16 leg.cit. angemeldet, kann dieser zur Verwendung als Freizeitwohnsitz erworben werden, wenn der Rechtserwerb im Sinne der zitierten Regelungen keiner grundverkehrsbehördlichen Genehmigungspflicht unterliegt. Besteht aber eine grundverkehrsrechtliche Genehmigungspflicht, so ist zu unterscheiden, ob der Freizeitwohnsitz für eine ganzjährige Wohnnutzung geeignet ist oder nicht. Ist er hiefür nicht geeignet, kann er von jedermann erworben werden, der einen mindestens fünfjährigen ordentlichen Wohnsitz in Österreich nachweisen kann (§14 Abs2 TGVG 1993). Bei einem ganzjährig zur Wohnnutzung geeigneten Objekt liegt ein grundverkehrsbehördlicher Versagungsgrund vor, wenn der Rechtserwerber nicht glaubhaft macht, daß durch den Rechtserwerb kein Freizeitwohnsitz geschaffen werden soll. Bei Verletzung des gesetzlichen Verbotes der Schaffung von Freizeitwohnsitzen droht nicht nur die Verhängung einer Verwaltungsstrafe (§36 Abs1 litd TGVG 1993), sondern ist letztlich auch die Möglichkeit der Zwangsversteigerung des betreffenden Freizeitwohnsitzes möglich (§14 Abs4 leg.cit.).
2. Mit der Behauptung, durch die neuen, als verfassungswidrig erachteten Regelungen unmittelbar in ihren Rechten verletzt zu sein, begehren die Antragsteller - unter Berufung darauf, ein ihnen in Tirol gehörendes Grundstück samt darauf befindlichem, erst im Jahre 1994 fertiggestellten Zweifamilienwohnhaus an Zweitwohnsitznehmer verkaufen, gegebenenfalls vermieten zu wollen - gemäß Art140 Abs1, letzter Satz, B-VG, das TGVG 1993 sowie das TROG 1994 zur Gänze bzw. einzelne Bestimmungen derselben kostenpflichtig aufzuheben.
Die Anträge enthalten Darlegungen zur Rechtslage, Ausführungen zur Antragslegitimation und jene Erwägungen, aus welchen die bekämpften Gesetze bzw. die bekämpften Regelungen als verfassungswidrig erachtet werden.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Anträge, die er in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm. §35 VerfGG 1953 zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden hat, erwogen:
1. Zur Antragslegitimation wird im wesentlichen ausgeführt, die Antragsteller, österreichische Staatsbürger, seien Miteigentümer eines in Tirol gelegenen Grundstückes. Sie hätten dieses Grundstück im Sommer 1992 allein zu dem Zweck erworben, darauf ein Zweifamilienwohnhaus zu errichten und dieses sodann entweder an Zweitwohnsitznehmer zu verkaufen oder zu vermieten. Im September 1993 sei ihnen die Baubewilligung ua. gemäß dem damals in Geltung gestandenen Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 erteilt worden. Wäre schon damals eine Verwendung zu Freizeitwohnsitzzwecken nicht möglich gewesen, hätten sie das Projekt unterlassen, da sie bei ihrer Kalkulation die gehobenen Preise mitberücksichtigt hätten, die zu bezahlen die heimische Bevölkerung kaum bereit oder in der Lage sei. Trotz intensiver Bemühungen hätten weder geeignete Käufer noch Mieter gefunden werden können. Ein allfälliger Erwerber, so sich einer fände, müßte die grundverkehrsbehördliche Zustimmung zum Rechtserwerb zur Schaffung eines Freizeitwohnsitzes beantragen, um den zu erwartenden abweisenden Bescheid der Grundverkehrsbehörde zweiter Instanz bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes anzufechten. Dies sei jedoch angesichts des Kostenrisikos und der im TGVG 1993 vorgesehenen Sanktionen iS der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes unzumutbar.
2. Die Anträge erweisen sich insgesamt als nicht zulässig.
Ehe der Gerichtshof näher darauf eingeht, erscheint es jedoch geboten, auf die ständige, auch hier beizubehaltende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit von Individualanträgen auf Gesetzesprüfung sowie zur Festlegung des Anfechtungs- und Prüfungsumfanges im Verfahren zur Gesetzesprüfung hinzuweisen:
Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).
In von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren hat der Gerichtshof den Standpunkt eingenommen, er habe den Umfang der zu prüfenden und im Fall ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, daß einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlaßfall ist, daß aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden könnten, habe der Verfassungsgerichtshof in jedem einzelnen Fall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt. Die Grenzen der Aufhebung einer in Prüfung stehenden Gesetzesbestimmung müssen - wie der Gerichtshof weiters darlegte - so gezogen werden, daß einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und daß andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfaßt werden; dies treffe sowohl auf von Amts wegen als auch auf auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zu (s. VfSlg. 8155/1977, 8461/1978, 12465/1990, 13140/1992).
Kraft §62 Abs1 VerfGG 1953 hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken "im einzelnen darzulegen". Es ist daher Prozeßvoraussetzung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nach Art140 Abs1 B-VG, daß sich aus dem Inhalt des Antrages eine Darlegung der gegen die Verfassungsmäßigkeit der aufzuhebenden Normen im einzelnen sprechenden Bedenken ergibt (VfSlg. 8594/1979, 11610/1988). Bei Beurteilung der Antragslegitimation ist weiters lediglich zu untersuchen, ob das angefochtene Gesetz für den Antragsteller die im Antrag ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen hat und ob diese Wirkungen den Anforderungen des Art140 Abs1, letzter Satz, B-VG genügen. Nicht zu untersuchen ist hingegen, ob die besagten Gesetzesstellen für den Antragsteller sonstige (unmittelbare) Wirkungen entfalten. Es kommt nämlich ausschließlich auf die Behauptung des Antragstellers an, in welcher Hinsicht das bekämpfte Gesetz seine Rechtssphäre berührt und - im Fall der Verfassungswidrigkeit - verletzt (vgl. zB VfSlg. 9185/1981, 10353/1985, 11610/1988).
Wendet man diese ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auf die vorliegenden Anträge an, ergibt sich folgendes:
A. Anträge auf Aufhebung des gesamten TGVG 1993 und des gesamten TROG 1994 bzw. auf Aufhebung des §14 TGVG 1993 und der §§15 und 16 TROG 1994, jeweils zur Gänze:
Diese Primär- bzw. Eventualanträge erweisen sich schon deshalb als unzulässig, weil es offenkundig ist, daß keineswegs alle der genannten Bestimmungen des TGVG 1993 und des TROG 1994 zur Gänze unmittelbar in die Rechtssphäre der Antragsteller eingreifen können (vgl. etwa VfSlg. 9620/1983, 12442/1990). Auch die Anträge selbst enthalten keine iS des §62 Abs1 VerfGG 1953 erforderliche Darlegung darüber, daß alle genannten Regelungen für die Antragsteller ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides wirksam geworden sind.
B. Was die von den Antragstellern bekämpfte Genehmigungspflicht von Rechtserwerben an Baugrundstücken nach den §§9ff. TGVG 1993 sowie die Genehmigungspflicht der Verwendung von Wohnsitzen als Freizeitwohnsitze nach §15 Abs3 TROG 1994 anlangt, ist ihnen einzuräumen, daß diese Bestimmungen (jeweils in einem bestimmten Umfang), insbesondere auch §14 Abs1 TGVG 1993 und §15 Abs3 TROG 1994, zwar in ihre Rechtssphäre eingreifen, doch werden ihre Interessen erst durch den die Genehmigung verweigernden Bescheid aktuell beeinträchtigt: Normiert ein Gesetz in Zusammenhang mit einem Verbot ein Bewilligungsverfahren, demzufolge unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen eine Bewilligung ansonsten verbotenen Verhaltens vorgesehen ist, so greift erst der die Bewilligung versagende Bescheid unmittelbar in die Rechtssphäre des Normadressaten ein. Die Einleitung eines Bewilligungsverfahrens hält der Verfassungsgerichtshof selbst dann für zumutbar, wenn der Antragsteller selbst Zweifel über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Bewilligungserteilung hegt (vgl. VfSlg. 13171/1992, VfGH 22.3.1993, G1/93, 22.3.1993, G-12/93; s. auch VfSlg. 12874/1991).
3. Bei diesem Ergebnis kann außer Betracht bleiben, ob allenfalls weitere Zurückweisungsgründe vorliegen.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:G280.1994Dokumentnummer
JFT_10049772_94G00280_00