Entscheidungsdatum
28.04.2021Norm
AsylG 2005 §11Spruch
I417 1410395-5/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Friedrich Johannes ZANIER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch Queer Base – Welcome and Support for LGBTIQ Refugees, Linke Wienzeile 102, 1060 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.06.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.02.2021, zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
III. Die Spruchpunkte II., III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 21.09.2009 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er im Wesentlichen damit begründete, dass er seit seinem 12. Lebensjahr bei einem Mann und dessen zwei Söhnen als Hausangestellter gearbeitet und dort gelebt habe. Dabei hätte er ein Treffen beobachtet, bei welchem die Teilnehmer viele Gewehre bei sich gehabt hätten. Dabei sei dem Beschwerdeführer bewusstgeworden, dass sein Unterkunftsgeber „ein Militanter“ sein müsse. Aufgrund dieser Entdeckung habe sein Unterkunftsgeber beabsichtigt, ihn umzubringen, weshalb der Beschwerdeführer geflohen sei.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.11.2009, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen und ihm der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Zudem wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.
3. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 04.11.2010, Zl. XXXX , abgewiesen und erwuchs diese Entscheidung in Rechtskraft.
4. Am 03.12.2010 beantragte der Beschwerdeführer abermals internationalen Schutz, wobei er seine bisherigen Fluchtgründe aufrechterhielt und ergänzend vorbrachte, dass er homosexuell sei und in Nigeria eine Beziehung mit einem Mann gehabt habe, dessen Frau sie eines Tages zusammen gesehen und gedroht hätte, die Polizei zu rufen. Nun befürchte er bei einer Rückkehr nach Nigeria seine Festnahme durch die Polizei bzw. seine Tötung. Er führte weiters an, dass er bisher seine Homosexualität verheimlicht habe, da er sich aufgrund seiner Erfahrungen in Nigeria vor Sanktionen durch die Sicherheitsbehörden gefürchtet habe und sich auch nicht der Relevanz seiner sexuellen Orientierung im Verfahren bewusst gewesen sei. Er verfüge über mehrere österreichische Freunde derselben Orientierung und führe eine Liebesbeziehung mit einem namentlich genannten Mann. Zudem verkehre er auf diversen einschlägigen Internetplattformen sowie in Szenelokalen und seien homosexuelle Personen in Nigeria gesellschaftlicher Ächtung ausgesetzt.
5. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.05.2011, Zl. XXXX , wurde der zweite Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.
6. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 21.07.2011, Zl XXXX abgewiesen und die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Nigeria bestätigt.
7. In weiterer Folge wurde die Entscheidung des Asylgerichtshofes mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 05.03.2012, Zl. XXXX , wegen Willkür aufgrund der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander aufgehoben.
8. Der Bescheid vom 30.05.2011 wurde sodann nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18.10.2012, Zl. XXXX , behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen.
9. Mit Bescheid vom 30.01.2013, Zl. XXXX , wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 03.12.2010 abermals gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Beschwerdeführer nach Nigeria ausgewiesen.
10. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 24.04.2013, Zl. XXXX , wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.
11. Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 24.04.2013 wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16.09.2013, Zl. XXXX aufgehoben, da die Entscheidung des Asylgerichtshofes mit Willkür belastet war.
12. In weiterer Folge wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.04.2014, Zl. XXXX , der Beschwerde stattgegeben und der bekämpfte Bescheid vom 30.01.2013 behoben.
13. Am 16.05.2017 erfolgte sodann eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) und gab der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen zu Protokoll, dass er homosexuell sei und man ihn in Nigeria mit einem Mann im Bett erwischt hätte. Bei einer Rückkehr nach Nigeria befürchte er gesteinigt bzw. getötet zu werden oder von der Polizei lebenslang eingesperrt zu werden.
14. Mit Stellungnahme der ausgewiesenen Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 28.05.2017 wurden Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung der vorgebrachten Fluchtgründe sowie zur faktischen Gefährdungslage Homosexueller in Nigeria getroffen.
15. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30.06.2017 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Zudem wurde ihm kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Dem Beschwerdeführer wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).
16. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung am 18.07.2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens, mangelhafter Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.
17. Am 27.07.2017 langte die Beschwerde samt Bezug habenden Akt am Bundesverwaltungsgericht ein.
18. Am 13.03.2020 sowie am 14.02.2021 langten beim Bundesverwaltungsgericht Stellungnahmen des Beschwerdeführers samt Beweismittelvorlagen und Anträgen ein.
19. Am 19.02.2021 erfolgte in Anwesenheit des Beschwerdeführers sowie seines Rechtsvertreters eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht, in welcher überdies die Zeugen XXXX (H.D.), XXXX (S.D.), XXXX (L.G.) und XXXX (A.T.) einvernommen wurden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der zuvor unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und dessen Ausführungen werden zu Feststellungen erhoben.
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria, Angehöriger der Volksgruppe der Ijaw und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig und leidet an keinen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen, die einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen.
Im Jahr 2009 reiste er zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Österreich und stellte bereits am 20.09.2009 seinen ersten Asylantrag. Die abweisende Entscheidung des Bundesasylamtes samt Ausspruch einer Ausweisung wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 04.11.2010, Zl. XXXX , rechtskräftig bestätigt.
Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, sondern stellte am 03.12.2010 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz, über welchen gegenständlich entschieden wird. Er ist nunmehr bereits seit seiner erstmaligen Asylantragstellung durchgehend im Bundesgebiet aufhältig und seit 21.10.2009 in Österreich melderechtlich erfasst.
Der Beschwerdeführer besuchte in Nigeria sechs Jahre eine Grundschule, erlernte allerdings nach eigenen Angaben keinen Beruf. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer nach wie vor über Verwandte oder Bekannte in Nigeria verfügt.
Der Beschwerdeführer begründete am 05.10.2020 mit L.G., einem deutschen Staatsbürger, eine Eingetragene Partnerschaft und hat keine Kinder. L.G. verfügt über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht für Österreich und ist Inhaber einer Anmeldebescheinigung, welche am 14.02.2024 außer Kraft tritt. Der Beschwerdeführer gilt somit als Familienangehöriger eines EWR-Bürgers und stellte daher am 23.10.2020 bei der zuständigen Niederlassungsbehörde eine Anfrage auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte als Angehöriger eines EWR-Bürgers, welche derzeit noch in Bearbeitung ist. Das Paar lernte sich im November 2017 kennen und lebt seit 06.09.2018 in einem gemeinsamen Haushalt, in welchem zudem zwei weitere Mitbewohnerinnen leben.
Außerdem hat der Beschwerdeführer in Österreich einen großen Freundes- und Bekanntenkreis und ist aktives Mitglied im Verein „ XXXX “, in welchem er sich regelmäßig ehrenamtlich in unterschiedlichen Projekten engagiert. Er nahm zudem an vielen LGBTIQ-Veranstaltungen in XXXX teil und war bereits Mitglied in weiteren LGBTIQ-Vereinen.
Der Beschwerdeführer besuchte bereits Deutschkurse auf dem Niveau A1 und A2 und verfügt über ein Sprachzertifikat auf dem Niveau A2, ausgestellt am 23.12.2011. Er weist zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch keine qualifizierten Deutschkenntnisse auf.
Er ging während seinem Aufenthalt in Österreich bereits mehrfach Beschäftigungen als Zeitungs- und Werbeausträger sowie im Winterdienst aufgrund bestehender Beschäftigungsbewilligungen nach. Zudem verfügt der Beschwerdeführer als Eingetragener Partner von L.G. nunmehr über einen freien Arbeitsmarktzugang und ist er bemüht, eine Arbeitsstelle zu finden.
Er geht derzeit keiner Erwerbstätigkeit nach. Der Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht nach wie vor Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.
Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist homosexuell und ist aufgrund der nachstehenden Berichte über die Situation Homosexueller in Nigeria unter Punkt 1.3. mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, sofern er seine sexuelle Orientierung nicht verleugnet bzw. äußerst gut verbirgt, Opfer von schweren Eingriffen in seine körperliche Integrität und in seine Person werden würde.
Der Beschwerdeführer wäre aufgrund seiner sexuellen Orientierung im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung und einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Dem Beschwerdeführer wurden im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria sowie ein Bericht zur Lage sexueller Minderheiten in Nigeria übermittelt. Daraus ergeben sich zur Lage Homosexueller in seinem Herkunftsstaat folgende entscheidungswesentliche Feststellungen:
Homosexuelle Handlungen jeglicher Art sind – unabhängig vom Geschlecht der betroffenen Personen – sowohl nach säkularem Recht (AA 16.1.2020; vgl. GIZ 3.2020b) als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar (AA 16.1.2020; vgl. ÖB 10.2019). § 214 des Strafgesetzbuchs sieht 14 Jahre Haft für gleichgeschlechtliche Beziehungen vor (ÖB 10.2019). Der im Jänner 2014 verabschiedete Same Sex Marriage Prohibition Act (SSMPA) sieht zudem vor, dass homosexuelle Paare, die heiraten oder öffentlich ihre Zuneigung zeigen, mit Haft bestraft werden können. Das Gesetz sieht bis zu 14 Jahre Haft für Eheschließungen und zivilrechtliche Partnerschaften zwischen zwei Frauen oder zwei Männern vor (ÖB 10.2019; vgl. USDOS 11.3.2020, GIZ 3.2020b). Wer seine Liebesbeziehung zu einem Menschen des gleichen Geschlechts direkt oder indirekt öffentlich zeigt, soll dem Gesetz zufolge mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden können (ÖB 10.2019). Die gleiche Strafe ist für die Gründung und Unterstützung von Clubs, Organisationen oder anderen Einrichtungen für Schwule und Lesben vorgesehen (ÖB 10.2019; vgl. AA 16.1.2020).
In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische Recht in Kraft ist, können homosexuelle Handlungen mit Haft, Stockschlägen oder Tod durch Steinigung bestraft werden. Im Jahr 2019 wurden von Scharia-Gerichten keine solchen Urteile verhängt. In den vergangenen Jahren kam es zu Verurteilungen zu Stockschlägen (USDOS 11.3.2020).
Homosexuelle versuchen aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und weitverbreiteter Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen (AA 16.1.2020). Der SSMPA hat zu einer weiteren Stigmatisierung von Lesben und Schwulen geführt. Diese werden oftmals von der Polizei schikaniert und misshandelt, sowie von der Bevölkerung gemobbt oder mittels Selbstjustiz verfolgt (GIZ 3.2020b). Gewalt seitens der Gesellschaft tritt häufig auf, öfter als seitens des Staates. Die meisten Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle gehen von nicht-staatlichen Akteuren aus (EMB B 9./10.2019). Das Ausmaß der physischen Gewalt ist allerdings zurückgegangen (LNGO C 9./10.2020). Der Staat ist in solchen Fällen nicht schutzfähig oder schutzwillig (EMB B 9./10.2019; vgl. LNGO C 9./10.2019; WHER 9./10.2019). Seit der Verabschiedung des SSMPA im Jahr 2014 ist es vorerst zu einem leichten Rückgang der Gewalt gegen Homosexuelle gekommen, aber zugleich zu einer Zunahme von Erpressungen (TIERS 12.2019; vgl. LNGO C 9./10.2019), Eindringen in die Privatsphäre und willkürlichen Verhaftungen. Im Jahr 2019 ist es zu einer sprunghaften Zunahme von illegalen Anhaltungen und Durchsuchungen, zielgerichtetem Missbrauch sowie ungesetzlichen Verhaftungen gekommen (TIERS 12.2019).
Im Rahmen der Verabschiedung des SSMPA 2014 kam es zu einer Zunahme an Fällen von Belästigung und Drohung. Es wurde von zahlreichen Verhaftungen berichtetet (USDOS 11.3.2020; vgl. WHER 9./10.2019). Im August 2018 wurden 57 Personen bei einer Hotelparty verhaftet, wo die Polizei „homosexuelle Aktivitäten“ feststellte. Ende 2019 lief das Verfahren noch (USDOS 11.3.2020). Eine generelle bzw. systematische „staatliche Verfolgung“ ist derzeit nicht gegeben (ÖB 10.2019; vgl. EMB A 9./10.2019). Die Rechtsänderung hat bisher nicht zu einer flächendeckenden verschärften Strafverfolgung geführt (AA 16.1.2020). Allerdings dient der SSMPA zur Rechtfertigung von Menschenrechtsverletzungen wie Folter, sexueller Gewalt, willkürlicher Haft, Erpressung von Geld sowie Verletzung von Prozessrechten (USDOS 11.3.2020).
Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem Zurschaustellen der sexuellen Orientierung ist vorhanden (ÖB 10.2019; vgl. AA 16.1.2020). Die Community wird nicht überwacht (EMB A 9./10.2019). Die Polizei wird nicht aus eigenem Antrieb aktiv oder sucht gezielt nach Homosexuellen (EMB B 9./10.2019; vgl. WHER 9./10.2019). Sie verhaftet Verdächtige in erster Linie mit dem Ziel, Geld zu erpressen (EMB A 9./10.2019; vgl EMB B 9./10.2019; LNGO C 9./10.2019; LHRL 9./10.2019). Grundsätzlich kommen Verdächtige nach der Zahlung einer „Kaution“ wieder frei (LNGO C 9./10.2019; vgl. LHRL 9./10.2019).
Auch für betroffene Homosexuellen-NGOs hatte der SSMPA kaum Auswirkungen, keine der Organisationen musste die Arbeit einstellen. Kurzfristig hatten einige Organisationen den Eindruck, von der Bildfläche verschwinden zu müssen. Das taten sie teilweise kurz, und als nichts passierte, tauchten sie wieder auf. Derzeit sieht man eine Professionalisierung bei den Organisationen. Zusammengefasst hatte das Gesetz kurz Auswirkungen auf NGOs, diese ist jedoch vorübergegangen. Eine Bedrohung ist allerdings immer noch spürbar (EMB B 9./10.2019). Der SSMPA hat neben einer Steigerung der Belästigungen von Homosexuellen auch zu einer erhöhten Sichtbarkeit der homosexuellen Community geführt, und zu dem Bewusstsein in der Bevölkerung, das Homosexualität in Nigeria existiert (WHER 9./10.2019).
Verschiedene NGOs bieten Angehörigen sexueller Minderheiten rechtliche Beratung und Schulungen in Meinungsbildung, Medienarbeit und Bewusstseinsbildung in Bezug auf HIV an (USDOS 11.3.2020). Gemäß zweier Quellen organisieren die Menschenrechtsgruppen im Bereich MSM und WSW (männliche und weibliche Angehörige sexueller Minderheiten) nach Anruf Anwälte, die im Falle einer Verhaftung tätig werden. Diese Gruppen kooperieren fallweise miteinander (NJA 9/10.2019; vgl. EMB B 9/10.2019). Manchmal werden solche Organisationen auch direkt seitens der Polizei kontaktiert (EMB B 9/10.2019). Die Organisation WHER organisiert bei betroffenen WSW eine Freilassung auf Kaution (WHER 9/10.2019).
Es existieren Netzwerke von Menschenrechtsanwälten, welche – im Falle der Verhaftung eines Homosexuellen – unmittelbar kontaktiert werden und die Person gegen „Kaution“ freizukaufen versuchen (IO1 20.11.2015). Allerdings gibt es nicht sehr viele Anwälte, die in diesem Bereich arbeiten wollen, da sie sich nicht exponieren wollen (NJA 9./10.2019) Homosexuellen-Netzwerke verschiedener Landesteile bzw. Städte stehen miteinander in Kontakt (LHRL 9./10.2019). Die Netzwerke und Organisationen bieten auch Unterstützung und Zufluchtsmöglichkeiten an (USDOS 11.3.2020). Es gibt einige Safe Houses aber die Finanzierung derselben ist nicht ausreichend (LNGO D 9/10.2019). Die NGO WHER betreibt etwa ein Safe House für Frauen, die etwa durch Familie oder Polizei einem unmittelbaren Sicherheitsrisiko ausgesetzt sind (WHER 9/10.2019).
Es gibt viele Fälle, in denen die Betroffenen nicht wissen, an wen sie sich wenden können (NJA 9./10.2019). Nach Angaben einer anderen Quelle sind die Homosexuellen-NGOs den Betroffenen üblicherweise zumindest in größeren Städten wie Lagos bekannt, in ländlichen Gegenden allerdings oftmals nicht. Dort wissen Betroffene nicht, an wen sie sich im Fall einer Verhaftung wenden können (EMB B 9./10.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)
- EMB A - westliche Botschaft A (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)
- EMB B - westliche Botschaft B (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 23.4.2020
- LHRL - Lokaler Menschenrechtsanwalt (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)
- LNGO C - Repräsentantin der lokalen NGO C (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)
- LNGO D - Repräsentant der lokalen NGO D (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)
- IO1 - International Health and Development Research Organisation (20.11.2015): Interview im Rahmen einer Fact Finding Mission
- NJA - Nigerianischer Journalist und Aktivist (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)
- ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2019): Asylländerbericht Nigeria
- TIERS - The Initiative for Equal Rights (12.2019): 2019 Human Rights Violations Report, https://theinitiativeforequalrights.org/wp-content/uploads/2019/12/2019-Human-Rights-Violations-Reports-Based-on-SOGI.pdf, Zugriff 23.4.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026341.html, Zugriff 20.4.2020
- WHER - Repräsentantin der Women’s Health and Equal Rights Initiative (9/10.2019): Interview im Rahmen der FFM Nigeria 2019 (BFA Staatendokumentation)
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Der zuvor unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, dessen Ausführungen zu Feststellungen erhoben wurden, ergibt sich aus den unzweifelhaften Akteninhalten des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie des Aktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den gegenständlichen Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, in das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria, in die vom Beschwerdeführer vorgelegten weiteren Unterlagen sowie in seine Aussage sowie die Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht am 19.02.2021. Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Strafregister der Republik Österreich, dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) und dem AJ-WEB wurden ergänzend eingeholt.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seiner Person, insbesondere zu seiner Volljährigkeit, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Glaubenszugehörigkeit, seinem gesundheitlichen Zustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seinen Sorgepflichten, seiner Schulbildung und Berufsausbildung in Nigeria gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde am 16.05.2017 (AS 1033 ff) und dem erkennenden Gericht am 19.02.2021 (OZ 12).
Aufgrund der Vorlage seines nigerianischen Reisepasses in der Beschwerdeverhandlung (S. 5 des Verhandlungsprotokolls vom 19.02.2021) mit der Nummer XXXX , ausgestellt am 20.07.2020 von der nigerianischen Botschaft in Wien, steht seine Identität zweifelsfrei fest.
Die Feststellungen zu seiner Einreise, seinen Asylantragstellungen und seinem Aufenthalt in Österreich ergeben sich aus der Einsichtnahme in den vorliegenden Behördenakt sowie in den aktuellen ZMR-Auszug, woraus sich seine durchgehende Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet seit 21.10.2009 ergibt.
Es war eine Negativfeststellung hinsichtlich seiner familiären Anknüpfungspunkte in Nigeria zu treffen, da der Beschwerdeführer in diesem Punkt vor dem erkennenden Gericht keine konkreten Aussagen tätigte. Er konnte somit das Fehlen sämtlicher Verwandten und Freunde in Nigeria nicht glaubhaft machen.
Die Feststellungen zu seiner Beziehung ergeben sich überwiegend aus den gleichlautenden Angaben des Beschwerdeführers und L.G. als Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht (OZ 12). Aus der vorgelegten Partnerschaftsurkunde, ausgestellt durch das Standesamt XXXX am 05.10.2020 (OZ 11), ergibt sich zweifelsfrei die zwischen dem Beschwerdeführer und dem Zeugen L.G. eingegangene Eingetragene Partnerschaft. Aus den eingeholten IZR-Auszügen des Paares lassen sich die Feststellungen zum unionsrechtlichen Aufenthalt, der Anmeldebescheinigung sowie der Anfrage auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte entnehmen. Die Feststellung zur gemeinsamen Wohnsitznahme gründet auf den eingeholten ZMR-Auszügen, welche übereinstimmende Meldeadressen aufweisen. Zudem ergibt sich aus der Zeugeneinvernahme von A.T. in der Beschwerdeverhandlung (S. 14 des Verhandlungsprotokolls vom 19.02.2021) das Bestehen einer Wohngemeinschaft.
Die Feststellungen zum Bestehen eines großen Freundes- und Bekanntenkreises sowie der Integration des Beschwerdeführers in Österreich gründen auf seinen eigenen Angaben sowie den glaubhaften und überzeugenden Aussagen der Zeugen H.D., S.D., L.G. und A.T. in der mündlichen Verhandlung am 19.02.2021 (OZ 12). Zudem legte der Beschwerdeführer unter anderem folgende bekräftigende Unterlagen im Laufe des Asylverfahrens vor: Konvolut an Lichtbildern (AS 1209), Sozialbericht „ XXXX “ datiert mit 10.05.2017 (AS 1053), Bestätigung „ XXXX – Kulturverein“ datiert mit 09.05.2017 (AS 1057), Bestätigung XXXX datiert mit 19.03.2013 (AS 1059), verschiedene Empfehlungsschreiben aus dem Jahr 2017 (AS 1061 ff), Sozialbericht der Caritas datiert mit 09.05.2017 (AS 1191).
Der Beschwerdeführer brachte im Behördenverfahren ein ÖSD-Sprachzertifikat der Sprache Deutsch auf dem Niveau A2, ausgestellt am 23.12.2011 (AS 1137), sowie Teilnahmebestätigungen an Deutschkursen auf den Niveaus A1 und A2 vom 29.07.2011 und 30.06.2016 (AS 1185ff) ein. Weitere Unterlagen hinsichtlich seiner sprachlichen Integration in Österreich langten jedoch bislang nicht ein und konnte sich der erkennende Richter in der mündlichen Verhandlung selbst von den – trotz elfjährigem Aufenthalt in Österreich - mangelnden Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers überzeugen (S. 9 des Verhandlungsprotokolls vom 19.02.2021).
Seine früheren Erwerbstätigkeiten im Bundesgebiet lassen sich dem Auszug aus dem AJ-Web entnehmen sowie den vorgelegten Honorarnoten der „ XXXX “ aus den Jahren 2013 und 2014 (AS 1073ff) und den Bestätigungen der „ XXXX “ aus den Jahren 2014 bis 2016 (AS 1085ff). Zudem liegen dem Behördenakt Beschäftigungsbewilligungen des Arbeitsmarktservice für die berufliche Tätigkeit als Schneeschaufler aus den Jahren 2013 und 2014 samt An- und Abmeldebestätigungen der Stadt XXXX , aus den Jahren 2013 bis 2015 ein (AS 1097ff). Der nunmehr freie Arbeitsmarktzugang des Beschwerdeführers ist aus der mit OZ 10 vorgelegten Bestätigung des Arbeitsmarktservice gemäß § 3 Abs. 8 AuslBG, ausgestellt am 11.12.2020, ersichtlich. Sein aktuelles Bemühen um eine Arbeitsstelle lässt sich anhand der Bewerbungsrückmeldungen verschiedenster Unternehmen erkennen, welche dem am 14.02.2021 eingelangten Schriftsatz (OZ 10) angehängt waren.
Die Feststellungen zur mangelnden Erwerbstätigkeit und Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers in Österreich sowie zum Leistungserhalt der staatlichen Grundversorgung gründen auf einem aktuellen Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem sowie der Einsichtnahme in die Datenbank der Sozialversicherungsträger.
Seine strafrechtliche Unbescholtenheit gründet auf der aktuellen Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.
2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer erklärte im gegenständlichen Verfahren zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen, dass er in seinem 13. oder 14. Lebensjahr festgestellt habe, homosexuell zu sein (AS 1041). Er habe seine sexuelle Orientierung stets verheimlicht, jedoch habe er kurzzeitig bei einem verheirateten Mann gelebt und dessen Ehegattin habe sie im Bett erwischt. Diese habe ihm gedroht, die Polizei zu rufen. Dem Beschwerdeführer sei es sodann mit Hilfe seines Liebhabers gelungen zu flüchten und habe der Beschwerdeführer daraufhin seinen Herkunftsstaat verlassen.
Diesem Vorbringen war von der belangten Behörde zur Gänze die Glaubwürdigkeit versagt worden. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist allerdings von Seiten des erkennenden Richters festzustellen, dass trotz einzelner Unstimmigkeiten der Kern des Fluchtvorbringens gleichbleibend und plausibel geschildert wurde.
Der Beschwerdeführer schildete in der mündlichen Beschwerdeverhandlung – wie schon vor der belangten Behörde am 16.05.2017 – die Vorkommnisse rund um „Mr. Peter“, als ihn dieser bei sich zuhause aufgenommen habe und der Beschwerdeführer seine Homosexualität erstmals ausgelebt habe (S. 6 des Verhandlungsprotokolls vom 19.02.2021), zusammenhängend und ausführlich. Auch in den Einzelheiten konnte der Beschwerdeführer einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern und war es ihm möglich, im Zuge der gerichtlichen Einvernahme auftretende Ungereimtheiten nachvollziehbar aufzulösen.
Insbesondere kommt das Bundesverwaltungsgericht jedoch bei der zentralen Frage der sexuellen Orientierung des Beschwerdeführers zu einem anderen Ergebnis als die belangte Behörde. Für das Bundesverwaltungsgericht steht es ohne Zweifel fest, dass der Beschwerdeführer, wie von ihm angegeben, homosexuell ist. Dies wurde im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen mit dem Argument verneint, dass der Beschwerdeführer im ersten Asylverfahren seine Homosexualität nicht erwähnt habe und die vorgelegten Fotos sowie die behauptete Beziehung nicht ausreichend seien, um eine Homosexualität zu beweisen.
Nun ist zunächst davon auszugehen, dass es nachvollziehbar ist, wenn sich ein offener Umgang mit der eigenen Homosexualität gegenüber Behörden für Personen, welche den Großteil ihres Lebens in einem Land verbracht haben, in dem diese sexuelle Orientierung stark tabuisiert und diskriminiert wird, schwer gestaltet. Auch der Europäische Gerichtshof (C-148/13 bis C-150/13, A, B und C gg Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie vom 2. Dezember 2014) stellte diesbezüglich fest: „Angesichts des sensiblen Charakters der Fragen, die die persönliche Sphäre einer Person, insbesondere ihre Sexualität betreffen, kann nicht allein daraus, dass diese Person, weil sie zögert, intime Aspekte ihres Lebens zu offenbaren, ihre Homosexualität nicht sofort angegeben hat, geschlossen werden, dass sie unglaubwürdig ist."
Daher können die erst im zweiten Asylverfahren getätigten Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Homosexualität im Einklang mit der vorher genannten Richtlinie plausibel erklärt werden.
Fernerhin ist festzuhalten, dass die Behauptung, homosexuell zu sein, kaum einer objektiven Überprüfung zugänglich ist und die Frage der Glaubwürdigkeit primär nur aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers bewertet werden kann. In diesem Zusammenhang hält der erkennende Richter fest, dass der Beschwerdeführer während seines gesamten Asylverfahrens, welches sich nunmehr über einen Zeitraum von über zehn Jahren erstreckte, durchgehend widerspruchsfreie und schlüssige Angaben hinsichtlich seiner behaupteten sexuellen Orientierung getätigt hat. Insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen seiner Homosexualität hinterließ der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht durchwegs einen persönlich glaubwürdigen und überzeugenden Eindruck und wurden dessen Angaben durch die Aussagen der vier einvernommenen Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 12) sowie durch die zahlreich vorgelegten Unterlagen bestätigt. Der Beschwerdeführer tätigte glaubhafte Angaben in Zusammenhang mit Aktivitäten in der LGBTIQ-Szene Österreichs und konnte auch glaubhaft vermitteln, dass er in Österreich homosexuelle Beziehungen gepflegt hat bzw. aktuell pflegt. Bekräftigend wirkt diesbezüglich auch, dass er mittlerweile eine Eingetragene Partnerschaft in Österreich begründet hat und seit etwa zweieinhalb Jahren in einem gemeinsamen Haushalt mit seinem derzeitigen Partner lebt.
Der erkennende Richter geht daher nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufgrund der glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers und seines hinterlassenen persönlichen Eindrucks samt seinem Auftreten zweifelsfrei davon aus, dass der Beschwerdeführer homosexuell orientiert ist und es ihm unzumutbar wäre, seine - in den letzten Jahren zunehmend bekannte - sexuelle Neigung im Falle einer Rückkehr nach Nigeria erneut zu unterdrücken. Zudem wäre es ihm nicht möglich, die homosexuelle Partnerschaft mit seinem Eingetragenen Partner L.G. in Nigeria offen auszuleben.
2.4. Zum Herkunftsstaat:
Die unter Punkt 1.3. getroffenen Feststellungen zur Lage in Nigeria basieren auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation sowie allgemein zugänglichen und abrufbaren Quellen. Zu den im Länderinformationsblatt verwendeten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Die Länderberichte wurden dem Beschwerdeführer vorab der mündlichen Verhandlung übermittelt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde mit ihm zudem der wesentliche Inhalt der Länderberichte erörtert und ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt. Sein Rechtsvertreter verwies sodann auf seine ausführliche schriftliche Stellungnahme vom 12.02.2021 (OZ 10) und besonders auf den darin enthaltenen EASO-Bericht auf Seite 14 dieses Schriftsatzes.
Somit steht anhand der ins Verfahren eingebrachten Länderfeststellungen fest, dass der Beschwerdeführer einer massiven Gefährdung in Nigeria ausgesetzt wäre. Aus dem Verfahren hat sich schließlich nicht ergeben, dass in einem Falle wie dem Vorliegenden dem Beschwerdeführer ein sicherer Aufenthalt in einer Großstadt oder einer anderen Region Nigerias zumutbar wäre. Die bestehende Wahrscheinlichkeit von gewalttätigen Übergriffen, würde auch hier jedenfalls ein gesichertes Überleben auf Dauer in einer maßgeblichen Weise erschweren.
Es wurden im gesamten Verfahren keinerlei substantiierte Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen, sodass an der Richtigkeit und am Zutreffen der Länderfeststellungen keine Zweifel bestehen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Rechtslage:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde.
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; 17.11.2017, Ra 2017/20/0404).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3. bereits dargelegt, vermochte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Grund glaubhaft zu machen.
Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Homosexualität ist als eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, nämlich der Gruppe der Homosexuellen, anzusehen (EuGH 7.11.2013, C-199/12). Verfolgung aufgrund der sexuellen Ausrichtung kann schon nach den eindeutigen ErläutRV zum AsylG 1991 unter den Tatbestand der Verfolgung wegen der Zugehörigkeit einer bestimmten sozialen Gruppe subsumiert werden. Auch die Qualifikationsrichtlinie (Rl 2011/95/EU) präzisiert, dass das bei der Definition der sozialen Gruppe geforderte gemeinsame Mittel auch die sexuelle Orientierung sein kann (Wiebke, Die "bestimmte soziale Gruppe" "queer" gelesen - eine kritische Analyse der unionsrechtlichen Definition, ZAR 11-12, 2014).
Art 10 Abs. 1 lit d der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13.12.2011 (Statusrichtlinie) definiert, dass eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe gilt, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird.
Je nach den Gegebenheiten im Herkunftsland kann als eine bestimmte soziale Gruppe auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet. Als sexuelle Orientierung dürfen keine Handlungen verstanden werden, die nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten als strafbar gelten. Geschlechtsbezogene Aspekte, einschließlich der geschlechtlichen Identität, werden zum Zweck der Bestimmung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der Ermittlung eines Merkmals einer solchen Gruppe angemessen berücksichtigt.
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 07.11.2013, C-199/12 bis C 201/12, insbesondere festgehalten, dass Art 9 Abs. 1 in Verbindung mit Art 9 Abs. 2 lit c der Statusrichtlinie dahingehend auszulegen ist, dass in einer bloßen Unterstrafestellung homosexueller Handlungen als solche keine Verfolgungshandlung zu erblicken ist. Hingegen sind drohende Freiheitsstrafen, die im Herkunftsland tatsächlich verhängt werden, als unverhältnismäßige oder diskriminierende Bestrafung und somit als eine Verfolgungshandlung zu betrachten. Art 10 Abs. 1 lit d in Verbindung mit Art 2 lit c der Statusrichtlinie ist dahin auszulegen, dass von ihrem Geltungsbereich nur homosexuelle Handlungen ausgeschlossen sind, die nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten strafbar sind.
Bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft können die zuständigen Behörden von dem Antragsteller auf internationalen Schutz nicht erwarten, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden. Auch dazu gezwungen zu sein, seine sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität zu verstecken oder aufzugeben, kann eine Verfolgung darstellen. Diesbezüglich gehen sowohl der EuGH und ihm folgend der VfGH davon aus, dass „von Personen mit homosexueller Orientierung nicht erwartet werden [dürfe], dass sie ihre Homosexualität in ihrem Herkunftsland geheim halten oder Zurückhaltung beim Leben ihrer sexuellen Ausrichtung ('l'expression de son orientation sexuelle') üben, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden" (VfGH 21.06.2017, E3074/2016 und VfGH 11.06.2019, E291/2019; unter Verweis auf EuGH 07.11.2013, verbRs C-199-201/12). Es wird unmittelbar einsichtig und offenkundig darauf abgestellt, dass es Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung ohne daraus resultierender Gefahr einer Verfolgung iSd §3 Abs1 AsylG 2005 iVm Art1 Abschnitt A Z2 GFK möglich sein muss, auch in der Öffentlichkeit zu ihrer geschlechtlichen Orientierung zu stehen und sich zu entsprechenden Beziehungen zu bekennen. Das einschlägige Diskriminierungsverbot soll sicherstellen, dass Menschen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung in Gesellschaften, in denen heterosexuelle Beziehungen als gesellschaftliche Norm gesehen werden, in der öffentlichen Anerkennung mit heterosexuell orientierten Menschen gleichgestellt und in diesem Sinne nicht gezwungen werden, ihre sexuelle Orientierung geheim halten zu müssen (vgl. VfGH 25.02.2020, E4470/2019).
Im Rahmen der UNHCR-Leitlinien zu Anerkennung von Anträgen auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestützt auf sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität (November 2008) wird insbesondere festgehalten, dass nicht nur die Kriminalisierung homosexuellen Verhaltens, sondern auch (sonstige) Diskriminierungsformen in Form von Gesetzen oder gesellschaftlicher Praxis Verfolgungscharakter aufweisen können, u.a., wenn sie bei der betroffenen Person ein Gefühl der Furcht und Unsicherheit im Hinblick auf ihre Zukunft hervorrufen.
Wie bei Anträgen, die auf Verfolgung aus Gründen der politischen Überzeugung beruhen, müssen Antragsteller, die sich auf eine Furcht vor Verfolgung wegen ihrer sexuellen Orientierung berufen, nicht nachweisen, dass die Behörden ihre sexuelle Orientierung kannten, bevor sie ihr Herkunftsland verließen. Die Begründetheit der Furcht leitet sich in solchen Fällen von der Beurteilung der Folgen ab, mit denen Antragsteller einer bestimmten sexuellen Orientierung im Falle ihrer Rückkehr rechnen müssen. Auch wenn LGBTIQ-Antragsteller nie tatsächlich wegen ihres homosexuellen Verhaltens verfolgt worden sind, kann bei ihnen dennoch begründete Furcht vor Verfolgung vorliegen.
Für das Bundesverwaltungsgericht steht aufgrund der oben zitierten Berichte fest, dass Homosexuelle in Nigeria neben den strafrechtlichen Bestimmungen mit verschiedenen Eingriffen konfrontiert sind. Auch geht der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 25.06.2020, Ra 2019/18/0444-13, von einer problematischen Situation hinsichtlich homosexueller Personen in Nigeria aus. So wird in den verschiedenen Quellen von willkürlichen Schikanen, Misshandlungen und willkürlichen Verhaftung durch die Polizei berichtet. Die meisten Menschenrechtsverletzungen sind allerdings auf nichtstaatliche Akteure zurückzuführen, die sich etwa als Mob formieren. Vorbehalte gegenüber Homosexuellen sind in der Bevölkerung weitverbreitet. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Anzahl von tatsächlichen Verurteilungen zu mehrjährigen Haftstrafen gering ist, muss aufgrund der Kumulierung der verschiedenen Übergriffe davon ausgegangen werden, dass in Nigeria eine Verfolgung homosexueller Personen, welche ihre sexuelle Orientierung nicht verbergen, erfolgt.
Wie bereits ausgeführt kann nach der Judikatur des EuGH nicht verlangt werden, dass eine Person die Gefahr der Verfolgung dadurch vermeiden könnte, dass er/sie seine/ihre Homosexualität geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben der sexuellen Ausrichtung übt. Der Beschwerdeführer wäre zu seinem eigenen Schutz in Nigeria dazu gezwungen, seine sexuelle Orientierung im Geheimen zu leben; angesichts des offenen Umgangs mit der Beziehung zu L.G. samt der offiziell eingegangenen Eingetragenen Partnerschaft erscheint ihm dies jedenfalls nicht zumutbar.
Die behauptete homosexuelle Orientierung des Beschwerdeführers wurde festgestellt. Unter Verweis auf den individuellen Charakter des vorliegenden Falles ergibt sich bei Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers in ihrem entscheidungsrelevanten Kern das Vorliegen einer aktuellen asylrelevanten Verfolgungsgefahr in Nigeria aufgrund Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu der sozialen Gruppe der Homosexuellen, die aufgrund des Bekanntwerdens ihrer Orientierung einer Gefährdungslage ausgesetzt sind. Im Falle der Rückkehr des Beschwerdeführers sind jedenfalls massive Diskriminierungen und Verfolgungshandlungen zu erwarten, gegen welche von staatlichen Organen, wenn diese nicht ohnehin selbst als Verfolger auftreten (in Form einer strafrechtlichen Verurteilung und Inhaftierung bzw. rechtsgrundlosen Maßnahmen wie Misshandlungen, Folter oder erheblichen Diskriminierungen durch Behördenvertreter) kein hinreichender Schutz erwartet werden kann. Die asylrelevante Intensität ergibt sich aus der Quellenlage. Auch eine innerstaatliche Relokationsalternative besteht vorliegend nicht, zumal die Bedrohungslage im gesamten Herkunftsstaat sowohl vor dem Hintergrund der festgestellten Rechtslage als auch der Scharia-Bestimmungen gegeben ist.
Im gegenständlichen Verfahren ist das Bundesverwaltungsgericht daher der Ansicht, dass die Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Homosexuellen aufgrund der äußeren Umstände objektiv betrachtet nachvollziehbar und somit wohlbegründet im Sinne der GFK ist. Somit befindet sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht, verfolgt zu werden, außerhalb Nigerias und ist im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt, in dieses Land zurückzukehren.
Das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes (Artikel 1 Abschnitt D, F der GFK und § 6 AsylG) oder eines Endigungsgrundes (Artikel 1 Abschnitt C der GFK) ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Dem Beschwerdeführer war daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 03.12.2010 - und somit vor dem 15.11.2015 - gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG idF BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 AsylG im konkreten Fall keine Anwendung finden.
3.2. Behebung der Spruchpunkte II. bis IV.:
Voraussetzung für die Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten eines Fremden ist die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten. Da dem Beschwerdeführer nunmehr der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, hat eine Prüfung hinsichtlich § 8 AsylG zu unterbleiben.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.
Da im gegenständlichen Fall dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen war, liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung einschließlich Zulässigkeit der Abschiebung und Fristsetzung für die freiwillige Ausreise aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat nicht (mehr) vor.
Daher waren die von der belangten Behörde in den Spruchpunkten II. bis IV. des angefochtenen Bescheides angeordnete „Nichterteilung" eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria und die Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 28 Abs. 2 iVm. § 27 VwGVG ersatzlos aufzuheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Bürgerkrieg ersatzlose Teilbehebung Fluchtgründe Flüchtlingseigenschaft Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Homosexualität inländische Schutzalternative innerstaatliche Fluchtalternative Kassation mündliche Verhandlung sexuelle Orientierung soziale Gruppe Spruchpunktbehebung Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I417.1410395.5.00Im RIS seit
27.10.2021Zuletzt aktualisiert am
27.10.2021