TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/6 I416 2172235-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.05.2021
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Entscheidungsdatum

06.05.2021

Norm

ASVG §5 Abs2
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8
AVG §13 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55 Abs2
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs2

Spruch


I416 2172235-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH – BBU gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 12.09.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.04.2021 den Beschluss gefasst:

A)

Das Beschwerdeverfahren wird hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. des im Spruch angeführten Bescheides nach Beschwerdezurückziehung im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung eingestellt.

zu Recht erkannt:

B)

I.       Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. erster Satz als unbegründet abgewiesen.

II.      Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. zweiter Satz Folge gegeben und die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG idgF iVm § 9 BFA-VG idgF für auf Dauer unzulässig erklärt.

„ XXXX wird gemäß §§ 54, 55 Abs.2 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.“

C)

In Erledigung der Beschwerde werden Spruchpunkt III. dritter Satz und Spruchpunkt IV. ersatzlos behoben.

D)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste illegal aus dem Irak aus und stellte nach schlepperunterstützter, illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 12.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Am 12.10.2015 wurde er durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen. Dabei gab er befragt zu seinen persönlichen Verhältnissen an, dass er XXXX heiße, am XXXX geboren und Staatsangehöriger des Irak sei. Er sei ledig, seine Muttersprache sei arabisch er gehöre der Volksgruppe der Araber an und sei muslimischen/sunnitischen Glaubens. Im Irak habe er sechs Jahre lang die Grundschule und danach vier Jahre das Gymnasium besucht, im Irak, würden noch seine Eltern sein Bruder und eine Schwester leben, zuletzt habe er im Irak als Hilfsarbeiter gearbeitet. Zu seiner Fluchtroute gab er an, dass er mit dem Bus illegal in die Türkei ausgereist sei und von dort über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Ungarn nach Österreich gelangt sei. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte er wörtlich aus: „Aufgrund des Krieges im Irak, zwischen den Sunniten und Schiiten, hatte ich Angst getötet zu werden, da ich Sunnit bin. Meine Familie ist schon geflohen in einen anderen Ort im Irak. Da zwei Onkel bereits ermordet wurden und unser Haus bombardiert wurde, bin ich nach Österreich geflohen.“ Im Fall seiner Rückkehr fürchte er den Tod.

3.       Mit Schriftsatz vom 08.08.2016 erfolgte die Vollmachtsbekanntgabe des „MigrantInnenverein Sankt Marx“ und wurde gleichzeitig um Entscheidung ersucht. Mit Schriftsatz vom 10.7.2017 erhob der Beschwerdeführer Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, da die Behörde über den Antrag auf Gewährung von internationalen Schutz vom 12.10.2015 bisher nicht entschieden habe.

4.       Am 14.08.2017 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Befragt zu seinen persönlichen Verhältnissen führte er aus, dass er am XXXX in Bagdad geboren sei, dass er Araber sei, dem moslemischen Glauben (Sunnite) angehöre und Staatsangehöriger des Irak sei. Er gab weiters an, dass er nicht verheiratet sei und keine Kinder habe. In Bagdad würden noch sein Vater, seine Mutter und seine beiden Geschwister leben. Im Irak habe er 11 Jahre die Grundschule in Diyala bzw. Bagdad besucht und als Hilfsarbeiter in Bagdad gearbeitet. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte er zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass an seinem 15. Lebensjahr in Bagdad der Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten begonnen habe, sie seien als Sunniten von schiitischen Milizen bedroht worden, eine Onkel väterlicherseits sei entführt worden und zwei Onkel mütterlicherseits seien von den schiitischen Milizen umgebracht worden. Sie seien im Jahr 2009 aufgrund allgemeinen Bürgerkriegssituation nach Diyala gezogen, wo Ende 2014 ihr Stadtteil von Milizen bombardiert und ihr Haus zerstört wurde. Er und seine Mutter seien dabei verletzt worden, im Jänner 2015 sei die schiitischen Miliz Asa’ib Ahl Al Haq in ihren Stadtteil gekommen und habe diese über 90 unschuldige Sunniten getötet, daraufhin sei seine Familie nach Bagdad und er und sein Onkel in der Türkei geflüchtet. Nachgefragt, führte er aus, dass es keine konkrete Bedrohung gegen seine Person gegeben habe, es sei die allgemeine Lage gegen die Sunniten gewesen, die schiitischen Milizen seien gegen die Sunniten und hätten sie keine Wahl, entweder würden sie zwangsrekrutiert oder umgebracht werden. Er sei aufgrund der aktuellen Bürgerkriegssituation aus dem Irak geflüchtet. Nachgefragt, ob er den Irak nur aufgrund der aktuellen Bürgerkriegssituation verlassen habe, antwortete der Beschwerdeführer wörtlich: „Ja das stimmt.“ Nachgefragt, warum zwei seiner Onkel ermordet worden seien, gab er an, dass diese die Zwangsrekrutierung verweigert hätten und seien diese aufgrund der Kriegssituation zwischen Sunniten und Schiiten ermordet worden. Er führte weiters aus, dass es für Sunniten überall gefährlich sei, da die schiitischen Milizen hinter ihnen her seien, nachgefragt, wie es seiner Familie im Irak gehen würde, gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater und seine Geschwister nicht hinausgehen würden, seine Mutter würde arbeiten gehen. Letztlich führte er aus, dass der im Falle einer Rückkehr in seinen Heimatsstaat von den schiitischen Milizen umgebracht werden würde. Auf die Abgabe einer Stellungnahme zu den Länderfeststellungen zum Irak verzichtete der Beschwerdeführer. Zu seinen persönlichen Lebensumständen im Bundesgebiet, führte er aus, dass er noch einen Onkel in Österreich habe, er von der Grundversorgung leben würde, einen Deutschkurs besucht habe, Mitglied in einem Fitnessstudio sei und Fußball spielen würde. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden neben der Bestätigung über den Besuch eines A1 Deutschkurses, folgende Unterlagen seitens des Beschwerdeführers, mit dem von ihm angegeben Inhalt vorgelegt: Kopie irakischer Personalausweis, Kopie irakisches Zeugnis (arabisch), zwei Todesurkunden seiner Onkel mütterlicherseits und Fotos eines Gebäudes in Diyala.

5.       Mit Bescheid vom 12.09.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten „gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF“ (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak gemäß „§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG“ (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen „gemäß § 57 AsylG“ nicht erteilt und wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF eine Rückkehrentscheidung „gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ erlassen, sowie „gemäß § 52 Absatz 9 FPG“ festgestellt, dass seine Abschiebung „gemäß § 46 FPG“ in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

6.       Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 12.09.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE-Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3, 1170 Wien als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

7.       Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer durch seine gewillkürte Rechtsvertretung, den MigrantInnenverein St. Marx mit Schriftsatz vom 28.09.2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte unrichtige Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung. Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass die Erklärungen des Bundesamtes bei näherer Begutachtung nicht stichhaltig seien, da der Beschwerdeführer konkrete Angaben gemacht habe und dies seitens der belangten Behörde entsprechend zu würdigen gewesen wären. Zudem würden auch die Länderberichte die Bedrohung des Beschwerdeführers sehr eindrücklich schildern und sei die Frage der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der der irakischen Behörden gegenüber Personen, die von schiitischen Milizen verfolgt werden, nicht untersucht worden. Letztlich wurde ausgeführt, dass die Entscheidung der belangten Behörde der ständigen Rechtsprechung bezüglich irakischer Flüchtlinge in Österreich widersprechen würde, da die notorische Situation im Irak eine Rückkehr von jemanden wie dem Beschwerdeführer nicht zulassen würde, sodass ihm zumindest subsidiärer Schutz zu gewähren wäre. Außerdem habe sich der Beschwerdeführer in der Zeit seines Aufenthalts in Österreich intensiv um eine Integration bemüht, die deutsche Sprache bereits im beeindruckenden Maße erlernt und sowie soziale und familiäre Kontakte geknüpft, zudem sei arbeitsfähig und arbeitswillig und wäre er bei Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung keinesfalls eine Belastung für die Gebietskörperschaft. Es werde daher beantragt, dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft zu zusprechen, allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren, allenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die erste Instanz zurückzuverweisen, einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen der sich mit der aktuellen Situation im Irak befasst, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, damit der Beschwerdeführer die vorgeworfene Kritik an seinem Vorbringen widerlegen kann, allenfalls die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären, allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen und allenfalls festzustellen, dass die Abschiebung in den Irak unzulässig ist.

8.       Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 03.10.2017 vorgelegt.

9.       Mit Schriftsatz vom 10.4.2018 wurde seitens der gewillkürte Rechtsvertretung um Entscheidung ersucht. Mit weiterem Schriftsatz vom 10.9.2018 wurde das Vollmachtsverhältnis aufgelöst.

10.      Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.09.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung L 504 abgenommen und der Gerichtsabteilung I 416 neu zugewiesen. Am 04.10.2018 langte der verfahrensgegenständliche Beschwerdeakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung I 416 ein.

11.      Mit Schriftsatz vom 27.5.2019 wurde die Vollmacht für RA Dr. Michael Drexler bekannt gegeben und gleichzeitig um Bekanntgabe des Verfahrensstandes ersucht.

12.      Am 26.03.2021 wurde die Vollmacht der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH – BBU vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 07.04.2021 wurden folgende Urkunden durch die BBU vorgelegt: Arbeitsvorvertrag vom 06.04.2021, Kontoauszug vom 06.04.2021, Verdienstnachweise Mai 2018 - Dezember 2018 und Januar 2019 - April 2019, Deutschkursbesuchsbestätigung vom 08.11.2018, Bestätigung über freiwillige Tätigkeit beim Verein XXXX in den Jahren 2019 und 2020, Nachunternehmervertrag zwischen XXXX vom 12.3.2021 und ein personalisiertes Empfehlungsschreiben vom 19.03.2021.

13.      Am 13.04.2021 erfolgte in Anwesenheit des Beschwerdeführers eine mündliche Beschwerdeverhandlung am Bundesverwaltungsgericht, in welcher der Beschwerdeführer erklärte, dass die Vollmacht von RA Dr. Michael Drexler nicht mehr aufrecht sei und er nunmehr von der BBU-GmbH vertreten werde. Der Beschwerdeführer legte noch folgende Unterlagen vor: Rechnung Nr. 2021-01 vom 31.03.2020 betreffend XXXX .

Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung zog der Beschwerdeführer seine Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des im Spruch genannten Bescheides zurück.

Seitens der RV wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung beantragt, eine 14-tägige Frist zur Vorlage folgender Unterlagen einzuräumen: Untermietvertrag, Anmeldebescheinigung der Sozialversicherung, Unterlagen hinsichtlich seiner Gewerbeberechtigung und Anmeldebestätigung hinsichtlich eines Sprachkurses. Mit Schriftsätzen vom 23.04.2021 und 26.04.2021 langten die Unterlagen bei Gericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Der Beschwerdeführer ist volljährig, ledig und kinderlos. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum moslemischen/sunnitischen Glauben. Der Beschwerdeführer hat in seinem Herkunftsstaat 12 Jahre die Schule besucht und als Koch und Bäcker gearbeitet.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Der Beschwerdeführer gehört keiner Risikogruppe im Sinne der COVID 19 Pandemie an.

Der Beschwerdeführer hat im Irak zusammen mit seiner Familie in Bagdad und vor seiner Ausreise im Gouvernement Diyala gelebt. Die Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus seinen Eltern seinem Bruder und seiner Schwester, leben im Irak, nicht festgestellt werden kann, ob der Beschwerdeführer noch Kontakt zu diesen hat.

In Österreich lebt der Onkel des Beschwerdeführers, der über den Status eines subsidiär Schutzberechtigten verfügt und zudem der Beschwerdeführer unregelmäßigen Kontakt hat.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 12.10.2015 durchgehend im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.

Der Beschwerdeführer hat in den Jahren 2019 und 2020 beim Verein XXXX ehrenamtlich gearbeitet und war von Juni 2018 bis April 2019 geringfügig bei einem Imbissstand beschäftigt, hat seit März 2021 ein freies Gewerbe angemeldet und ist seit dem 01.03.2021 in der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) kranken-, pensions- und unfallversichert. Zum Entscheidungszeitpunkt bezieht er keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer verfügt über einen Arbeitsvortrag vom 26.04.2021 hinsichtlich einer Beschäftigung als Küchenhelfer und in Bezug auf sein Gewerbe über einen Nachunternehmervertrag mit der Firma XXXX und erfolgten diesbezüglich bereits Rechnungslegungen für März und April 2021.

Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über eine ortsübliche Unterkunft, hat umfangreiche soziale und private Kontakte und eine österreichische Freundin.

Der Beschwerdeführer verfügt, trotz mangels einer abgelegten Deutschprüfung, über relevante Kenntnisse der deutschen Sprache und hat sich mittlerweile verbindlich für einen Deutschkurs A2 zur Absolvierung der Deutschprüfung angemeldet.

Die vom Beschwerdeführer seit 2018 gesetzten integrativen Schritte erreichen aufgrund des persönlichen Eindrucks des erkennenden Richters die erforderliche Schwelle im Sinne des Art. 8 EMRK, sodass die Feststellung zutreffen war, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet über ein schützenswertes Privatleben im Sinne des Art. 8 EMRK verfügt.

Der Beschwerdeführer hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 13.04.2021 seine Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten Spruchpunkt II.) zurückgezogen.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerden folgende Erwägungen getroffen:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Grundversorgung (GVS) und dem AJ-WEB Auskunftsverfahren wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Außerdem konnte im vorliegenden Beschwerdefall auf die Ermittlungsergebnisse im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2021 vor dem Bundesverwaltungsgericht und den übermittelten Unterlagen zurückgegriffen werden.

Die Identität des Beschwerdeführers steht durch die Vorlage seiner identitätsbezeugenden Dokumente fest.

Die Feststellungen betreffend die Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zur Arbeitserfahrung, seinen Lebensumständen und zur Familie des Beschwerdeführers im Irak, ergeben sich aus seinen Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahmen vor der belangten Behörde und insbesondere aus seinen Angaben und vorgelegten Unterlagen im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Die Feststellungen zu den persönlichen Lebensumständen, sowie der Integration des Beschwerdeführers in Österreich, insbesondere seiner Selbsterhaltungsfähigkeit beruhen auf seinen Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und den vorgelegten Unterlagen. Daraus ergibt sich insbesondere die Feststellung, dass der Beschwerdeführer über ein schützenswertes Privatleben im Sinne des Art. 8 EMRK in Österreich verfügt.

Die Feststellungen hinsichtlich der Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. ergeben sich unstrittig aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2021 (Protokoll der Niederschrift der mündlichen Verhandlung Seite 20).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Die Einstellung hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. ergibt sich aus der Zurückziehung in der mündlichen Verhandlung.

Zu B I.)

Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. erster Satz des angefochtenen Bescheides)

Im Spruchpunkt III. erster Satz des angefochtenen Bescheides sprach die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Asylgesetz 2005 nicht erteilt werde.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahe legen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Asylgesetz 2005 nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. erster Satz des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

Zu B II. und C)

Zur Rückkehrentscheidung, Abschiebung und Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III. zweiter und dritter Satz und Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die aufenthaltsbeendende Maßnahme einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Sisojeva ua. gegen Lettland, EuGRZ 2006, 554). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessensabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt.

Bei dieser Interessensabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007 sowie VwGH 03.04.2009, 2008/22/0592; 17.12.2007, 2006/01/0216; 26.06.2007, 2007/01/0479;26.01.2006, 2002/20/0423).

Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen sowie der in § 9 Abs. 2 BFA-VG normierten Integrationstatbestände, die bei der Beurteilung eines schützenswerten Privatlebens im Sinn des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen sind, ist im gegenständlichen Fall der Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers nicht durch die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen gerechtfertigt. Dies aus folgenden Gründen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nehmen die persönlichen Interessen des Fremden an seinem Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer seines bisherigen Aufenthalts zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist jedoch nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (VwGH 12.11.2019, Ra 2019/20/0422).

Im gegenständlichen Fall ist der BF nunmehr seit 5 ½ Jahren im Bundesgebiet aufhältig, sodass die seitens des VwGH geforderten „außergewöhnlichen Umstände“, deretwegen dem Beschwerdeführer ein dauernder Aufenthalt in Österreich ermöglicht werden müsste, nicht mehr erforderlich sind (vgl. dazu VwGH vom 10.04.2019, Ra, 2019/18/0049 und Ra 2019/18/0058, VwGH 19.06.2019, Ra 2019/01/0051).

Zugunsten des Beschwerdeführers ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer während seines bisherigen Aufenthalts in Österreich unter Berücksichtigung der vorgelegten Nachweise jedenfalls bemüht war berücksichtigungswürdige Schritte betreffend seiner Integration zu setzten.

Es wird vom erkennenden Richter nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer den überwiegenden entscheidungsrelevanten Teil seiner integrativen Schritte erst im Vorfeld der mündlichen Verhandlung gesetzt hat, es wird aber auch nicht verkannt, dass es dem Beschwerdeführer innerhalb kurzer Zeit gelungen ist, seine Selbsterhaltungsfähigkeit herzustellen. Es wird dahingehend auch nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer derzeit noch keine Deutschprüfung positiv abgelegt hat, es konnte sich der erkennende Richter jedoch im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung davon überzeugen, dass der Beschwerdeführer über Deutschkenntnisse verfügt und die auf Deutsch gestellten Fragen des erkennenden Richters sowohl verstehen als auch beantworten konnte. Zudem hat sich der Beschwerdeführer mittlerweile auch verbindlich für einen Deutschkurs A2 angemeldet und ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sohin in absehbarer Zeit eine Deutschprüfung ablegen wird.

Der Beschwerdeführer verfügt mittlerweile über eine ortsübliche Unterkunft und besteht ein vollumfänglicher Krankenversicherungsschutz, sodass auch dahingehend derzeit nicht davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft wird.

Hinsichtlich seiner bisherigen Integrationsbemühungen, kann dem Beschwerdeführer auch nicht zur Last gelegt werden, dass er diese Integrationsschritte während seines unsicheren Aufenthaltes im Sinne des § 9 Abs. 2 Z. 8 FPG gesetzt hat, da die lange Verfahrensdauer nicht zu seinem Nachteil ausgelegt werden kann.

Der erkennende Richter, hat sich auch aufgrund des persönlichen Eindrucks im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung davon überzeugen können, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet über maßgebliche private Kontakte verfügt und am sozialen Leben teilnimmt, sodass dahingehend zweifellos die geforderte Intensität hinsichtlich eines schützenswerten Privatlebens im Bundesgebiet vorliegt.

In einer Gesamtschau seines bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet und der in dieser Zeit erlangten integrativen Schritte, darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Beschwerdeverfahren noch anhängig war und für den Beschwerdeführer noch keine rechtskräftig auferlegte Rückkehrverpflichtung bestand (vgl. zu dieser Abgrenzung schon VfGH 7.10.2010, B 950/10 ua, VfSlg. 19.203, Punkt II.2.4. der Entscheidungsgründe).

Auch der Verwaltungsgerichtshof hat im Anschluss an diese Entscheidung schon dargelegt, dass „freilich“ ein gradueller Unterschied dahin zu machen sei, ob die Integration auf einem nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus basiere oder während eines einzigen, ohne schuldhafte Verzögerung durch den Fremden lange dauernden Asylverfahrens erfolgt sei (siehe VwGH 29.2.2012, 2010/21/0233, und daran anschließend VwGH 20.3.2012, 2010/21/0471 bis 475). Somit, war auch die - ohne sein Verschulden - unangemessen lange Dauer des gegenständlichen Verfahrens von mehr als 5 ½ Jahren unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG („Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist“) zu seinen Gunsten zu berücksichtigen (siehe VwGH vom 27.04.2020, Ra 2020/21/0121-3).

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass grundsätzlich ein hohes öffentliches Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen besteht (VwGH 18.03.2010, 2010/22/0023), dass das Privatleben während seines unsicheren Aufenthaltsstatus entstand, der Beschwerdeführer sich dessen auch bewusst sein musste und der Umstand, dass er nicht straffällig geworden ist, keine Erhöhung des Gewichts der Schutzwürdigkeit der persönlichen Interessen bewirkt (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112). Dennoch ist es so, dass im gegenständlichen Fall aus den eben dargelegten Gründen in einer Gesamtschau und Abwägung aller Umstände das private Interesse an der - nicht nur vorübergehenden - Fortführung des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich höher zu bewerten ist, als das öffentliche Interesse an einer Rückkehrentscheidung.

Dies selbst unter Berücksichtigung, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er geboren, aufgewachsen ist und den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, über sprachliche und kulturelle Verbindungen und auch über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. zweiter Satz des angefochtenen Bescheides war daher stattzugeben und festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen.

Mit Behebung der Rückkehrentscheidung wurde auch der Feststellung, dass die Ausweisung in den Irak zulässig sei und der Festsetzung der Frist für die freiwillige Ausreise die Grundlage entzogen, weshalb korrespondierend dazu, Spruchpunkt III. dritter Satz und Spruchpunkt IV. zu beheben waren.

Zur Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung plus“:

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" die Voraussetzungen nach Z 1 und Z 2 des § 55 Abs. 1 AsylG kumulativ vorliegen müssen und ist daher nicht nur zu prüfen, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Beschwerdeführer zur Aufrechterhaltung seines Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist, sondern auch, ob der Beschwerdeführer entweder das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz erfüllt, oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen hat der Beschwerdeführer den erforderlichen Nachweis über ein Einkommen welches die monatliche Geringfügigkeitsgrenze erreicht erbracht, weshalb ihm auch bei Nichtvorliegen der Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß §§ 9 und 10 IntG, eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG zu erteilen ist. Der Aufenthaltstitel ist gemäß § 54 Abs. 2 Z 2 AsylG auf die Dauer von 12 Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen und ist nicht verlängerbar. Die belangte Behörde hat diesen Aufenthaltstitel gemäß § 58 AsylG auszufolgen und hat der Beschwerdeführer daran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG mitzuwirken.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Abs. 1 AsylG sind im gegenständlichen Fall somit gegeben, sodass dem Beschwerdeführer eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen war.

Der Vollständigkeithalber wird hinsichtlich der im Rahmen der mündlichen Verhandlung zurückgenommenen Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des bekämpften Bescheides ausgeführt, dass diese mit Zurücknahme in Rechtskraft erwachsen sind, sodass weder eine kassatorische noch meritorische Entscheidung hinsichtlich dieser Spruchpunkte zu treffen war.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass es sich bei den Aussprüchen, mit denen der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel nach § 55 und § 57 A.sylG 2005 nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wird, dass die Abschiebung in ein bestimmtes Land zulässig ist, um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche handelt. Demgemäß sind diese Aussprüche separat anfechtbar; sie können auch unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen. Es besteht

zwischen diesen gemäß den maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 und des FPG insofern ein rechtlicher Zusammenhang, als es für manche Aussprüche Tatbestandsvoraussetzung ist, dass bereits andere Aussprüche getätigt wurden und zudem manche Aussprüche miteinander zu verbinden sind, sodass im Fall der Aufhebung eines Spruches ein darauf rechtlich aufbauender Ausspruch seine Grundlage verlieren kann (vgl. VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001). Letztere Konstellation liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.

Zu D) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltstitel Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK befristete Aufenthaltsberechtigung Beschwerdeverzicht Beschwerdezurückziehung Einstellung Einstellung des (Beschwerde) Verfahrens ersatzlose Teilbehebung Erwerbstätigkeit Geringfügigkeitsgrenze Integration Integrationsvereinbarung Interessenabwägung Kassation mündliche Verhandlung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Rückkehrentscheidung behoben Selbsterhaltungsfähigkeit Spruchpunktbehebung subsidiärer Schutz Verfahrenseinstellung Zurückziehung Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I416.2172235.1.00

Im RIS seit

27.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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