Entscheidungsdatum
14.06.2021Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22Spruch
W266 2167583-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stephan WAGNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, vom 14.7.2017, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der damals minderjährige Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seiner Tante, XXXX , und seinem Cousin XXXX , in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 27.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Am selben Tag fand die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab er an, in Pakistan geboren und mit seiner Mutter und seinem Bruder nach Österreich eingereist zu sein. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass seine Mutter mit ihm nicht darüber gesprochen habe und sie dazu gefragt werden müsse.
Am 8.6.2017 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg (im Folgenden: belangte Behörde oder BFA), statt, in welcher der Beschwerdeführer klarstellte, dass er in der Erstbefragung seine Tante als Mutter angegeben habe, da sie wie eine Mutter für ihn sei. Weiters gab er an, in Pakistan geboren und schiitischer Hazara zu sein. Seine Muttersprache sei Dari, er spreche auch Urdu. Er habe keine Schulbildung, weil er in Pakistan keine Dokumente gehabt habe. Er habe auch noch nie gearbeitet. Seine Mutter sei gestorben, als er zwei bis drei Jahre alt gewesen sei. Er habe damals anscheinend ein bis zwei Jahre bei seinem Vater gewohnt, dieser habe den Beschwerdeführer eines Tages bei seiner Tante im Hotel abgesetzt. Nachdem er nicht mehr zurückgekommen sei, habe die Tante gesagt, der Beschwerdeführer solle bei ihnen bleiben. Sie habe sich um ihn wie um einen eigenen Sohn gekümmert. Alles sei in Ordnung gewesen, bis der Mann und der Sohn der Tante bei einem Attentat ermordet worden seien.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass seine Tante Probleme mit ihrem Schwager gehabt habe, da der sie immer bedroht habe. Die Tante habe zwar nie etwas darüber erzählt, aber man habe es ihr angesehen, dass sie Probleme gehabt habe. Der Beschwerdeführer sei mit ihr mitgegangen, da er niemand außer ihr habe und sie ihn nicht alleine zurücklassen habe wollen. Er könne nicht nach Afghanistan zurück, weil er noch nie dort gewesen sei und dort niemanden habe.
Der Beschwerdeführer legte einige Integrationsunterlagen vor.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 13.7.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).
Der Beschwerdeführer erhob gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides fristgerecht Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl im Rahmen eines Familienverfahrens abgeleitet von XXXX vorlägen.
Die Beschwerde samt den dazugehörigen Verwaltungsakten langte am 14.8.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Im Rahmen des Parteiengehörs vom 11.1.2021 wurde dem Beschwerdeführer die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan: Gesetzliche Vertretung von Minderjährigen, Übertragung der Sorgepflicht vom 18.7.2018 übermittelt und ihm eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt.
Am 21.1.2021 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wird, dass die Anfragebeantwortung das bereits in der Beschwerde und im übrigen Verfahren Vorgebrachte bestätige.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Auf Grundlage des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, der Einvernahme des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde, der Beschwerde gegen den nunmehr angefochtenen Bescheid, der im Verfahren vorgelegten Dokumente und der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:
Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen sowie das dort genannte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zum schiitischen Islam. Seine Muttersprache ist Dari. Der Beschwerdeführer ist in XXXX , Pakistan geboren und aufgewachsen. Er hat keine Schule besucht und keine Berufserfahrung.
Seine Mutter starb, als der Beschwerdeführer etwa XXXX Jahre alt war. Etwa ein Jahr später nahm seine Tante mütterlicherseits, XXXX , geboren am XXXX , den Beschwerdeführer zu sich und ihrem Ehemann, kümmerte sich um ihn und zog ihn wie einen Sohn auf. Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben. Der Beschwerdeführer hat keine ihm bekannten Familienangehörigen in Afghanistan. Der Ehemann seiner Tante ist ebenfalls verstorben.
Der damals minderjährige Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seiner Tante und deren leiblichen Sohn, XXXX , geboren am XXXX , im Oktober 2015 nach Österreich ein, stellte am 27.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und wohnte mit diesen anschließend in einem gemeinsamen Haushalt.
Mit Bescheid des BFA vom 12.7.2017 wurde XXXX der Status der Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihr kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 13.7.2017, XXXX , wurde XXXX die Obsorge hinsichtlich des damalig minderjährigen Beschwerdeführers übertragen.
Mit Bescheid des BFA vom 14.7.2017 wurde XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wurde abgewiesen, die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit dem am 7.6.2018 mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, XXXX , abgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Das Bundesverwaltungsgericht trifft folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 1.4.2021 [Schreibfehler teilweise korrigiert]:
Familienrecht
Artikel 54 der Verfassung Afghanistans besagt, dass die Familie der Grundpfeiler der Gesellschaft ist und vom Staat geschützt werden soll. Er verpflichtet den Staat, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die körperliche und geistige Gesundheit der Familie, insbesondere des Kindes und der Mutter, die Erziehung der Kinder sowie die Beseitigung damit verbundener Traditionen, die den Prinzipien des Islam widersprechen, zu erreichen (Musawah 11.2019; cf. CoA 26.1.2004).
Die Regelungen zum afghanischen Familienrecht für die sunnitische Mehrheit sind im afghanischen Zivilgesetzbuch von 1977 festgeschrieben (VfSt 31.10.1990; vgl. MPI-AoRuVR 7.2012, Musawah 2.2020, ACCORD 22.1.2021, ZGB-AFGH 5.1.1977). Für die schiitische Minderheit in Afghanistan gilt seit 2009 das schiitische Personenstandsrecht (Musawah 2.2020; vgl. SPSL 2009).
Sorgerecht und Vormundschaft
Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht führt an, dass die elterliche Obsorge ein Schutzverhältnis ist, das den Interessen des minderjährigen Kindes dient. Sie stellt ein Recht dar, an das sich Verpflichtungen knüpfen und das für alle gilt. Das Hauptaugenmerk liegt auf der elterlichen Verantwortung und damit auf dem verpflichtenden Aspekt. Im islamischen Recht ist das elterliche Sorgerecht in drei Kategorien eingeteilt: Sorgerecht, Vormundschaft der Person bzw. der Erziehung und Vormundschaft des Eigentums (ACCORD 22.1.2021; vgl. MPI-AoRuVR 7.2012).
Sorgerecht
Sorgerecht (hedänat) bezieht sich auf die Betreuung eines Kleinkindes in seinen frühen Lebensjahren, wenn es von einer Frau betreut wird. Diese Pflege wird von der Mutter oder einer anderen zu diesem Zweck beauftragten Frau übernommen (ACCORD 22.1.2021; vgl. MPI-Ao- RuVR 7.2012, ZGB-AFGH 5.1.1977).
Die Voraussetzungen, die eine Frau vorweisen muss, um das Sorgerecht übernehmen zu können, werden in Artikel 238 des afghanischen Zivilgesetzbuchs angeführt: eine Frau, die das Sorgerecht für ein Kind übernimmt, muss zurechnungsfähig, reif und vertrauenswürdig sein. Sie muss die Fähigkeit haben, das Kind zu pflegen und zu erziehen (ACCORD 22.1.2021; vgl. ZGB-AFGH 5.1.1977)
Dieses Sorgerecht gilt laut afghanischem Zivilgesetzbuch und schiitischem Personenstandsrecht für Söhne bis zum Alter von sieben Jahren und für Töchter bis zum Alter von neun Jahren (ACCORD 21.1.2021; vgl. ZGB-AFGH 5.1.1977, SPSL-AFGH 2009). Die Kosten für die Obsorge hat der Vater des Kindes zu tragen, außer das Kind besitzt Eigentum, dann werden die Kosten für die Obsorge davon bezahlt, außer wenn der Vater sie trotzdem übernimmt (ACCORD 21.1.2021; vgl. ZGB-AFGH 5.1.1977).
Vormundschaft
Wenn das Sorgerecht der Mutter endet, beginnt die Phase der Vormundschaft der Person durch den gesetzlichen Vormund. Die Vormundschaft der Person (veläyat-e nafs) oder Vormundschaft der Erziehung (veläyat-e tarbiyat) bezieht sich auf die Verpflichtung des gesetzlichen Vertreters, für Bildung, Erziehung, Entwicklung, Gesundheit und Sicherheit des Kindes zu sorgen. Der Vater des Kindes wird vor allen anderen als sein gesetzlicher Vertreter zum Vormund der Person ernannt (ACCORD 22.1.2021; vgl. MPI-AoRuVR 7.2012).
Die Vormundschaft des Eigentums (veläyat-e amväl) bezieht sich auf die Verpflichtung des gesetzlichen Vertreters, das Eigentum des Kindes zu verwalten. Auch hier ist zunächst der Vater als gesetzlicher Vertreter verpflichtet, das Vermögen des Kindes zu verwalten (ACCORD 22.1.2021; vgl. MPI-AoRuVR 7.2012).
Die Vormundschaft der Person endet mit dem Erreichen der Volljährigkeit (ACCORD 21.1.2021; vgl. ZGB-AFGH 5.1.1977, SPSL-AFGH 2009).
In der Praxis ist es möglich und auch üblich, dass ein Familienmitglied, zum Beispiel die ältere, verheiratete Schwester, die Vormundschaft für einen verwaisten Teenager übernimmt, ohne dass dies formell geklärt werde. Es ist aus rechtlicher oder religiöser Sicht für eine erwachsene, verheiratete Schwester möglich, die Vormundschaft für einen Teenager zu übernehmen, auch wenn es andere Verwandte gäbe, die in der Reihenfolge der Zuständigkeit vor ihr stünden, jedoch benötigt es in diesem Fall aus rechtlicher Sicht die Zustimmung derer, die in der Reihenfolge davor stünden. Ansonsten könnte dies rechtlich vor Gericht beeinsprucht werden. Auch sollte die Schwester in diesem Fall in der Lage sein, darzulegen, dass sie und ihr Mann die Interessen des Kindes besser wahrnehmen könnten, als die, welche in der Reihenfolge vor ihnen stehen (ACCORD 22.1.2021).
Das afghanische Zivilgesetzbuch hat einen „Rechtsansatz“ für die Vormundschaft des Kindes und keinen „Verantwortungsansatz“, so dass sie auch leicht von den Eltern auf andere Personen in der Reihe übertragen werden kann. Aber unter allen Umständen ist der Vater für den Unterhalt des Kindes (zur Deckung der finanziellen Kosten) bzw. für die Zahlung einer Vormundschaftsgebühr an den Vormund (Verwandten), wenn dieser solche Zahlungen verlangt, verantwortlich (RA KBL 15.7.2018).
Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan: Gesetzliche Vertretung von Minderjährigen, Übertragung der Sorgepflicht vom Juli 2018:
Die Mutter hat das Vorrecht bei Obsorge und Vormundschaft, egal ob sie verheiratet oder geschieden ist, unter der Voraussetzung, dass sie die Qualifikationen einer fürsorgenden Frau erfüllt (weise, reif, ehrlich, keine Bedenken wegen schlechter Behandlung des Kindes, Fähigkeit, für das Kind zu sorgen und es zu schützen). Falls die Kindesmutter nicht am Leben ist oder nicht für die Vormundschaft qualifiziert sein sollte, geht die Vormundschaft anhand folgender Rangordnung an folgende Personen. Diese Personen sind berechtigt, die Vormundschaft für ein Kind zu übernehmen:
1. Großmutter und Urgroßmutter
2. Mutter des Vaters
3. Schwester
4. Stiefschwester
5. Nichte (Tochter der Schwester)
6. Halbnichte
7. Tante (Schwester der Mutter)
8. Halbtante
9. Tante des Vaters (Schwester der Mutter des Vaters)
10. Halbtante des Vaters
11. Tante der Mutter (Schwester des Vaters der Mutter)
12. Tante des Vaters (Schwester des Vaters des Vaters). […]
Wenn eine Person von Vormundschaft oder Unterhaltspflicht aus verschiedenen Gründen entbunden wird (Tod, Abwesenheit oder Unfähigkeit), wird die nächstrangige Person, die für die Vormundschaft bzw. Unterhaltspflicht qualifiziert ist, nominiert.
In der Praxis werden formelle Regelungen zur Übertragung der Vormundschaft oder Sorgepflicht selten eingehalten. Falls es Streitigkeiten gibt und der Fall einem Gericht übertragen wird, ist es verpflichtend, die formellen Regelungen zur Übertragung der Vormundschaft oder Sorgepflicht einzuhalten.
Es ist möglich, die Sorgepflicht oder die Vormundschaft von den Eltern auf andere verwandte gemäß oben stehender Rangordnung zu übertragen, jedoch verbleibt in allen Fällen die Unterhaltsverpflichtung beim Vater, unabhängig davon, ob er emigriert ist oder die Familie verlässt.
Formalitäten, um die Vormundschaft zu übertragen, sind die Antragstellung an das Civil Department des Justizministeriums. Der Fall wird einem Gericht übertragen, das daraufhin eine Entscheidung fällt.
In der Praxis erfolgt die Übertragung der Vormundschaft in vielen Fällen informell und ohne Rücksicht auf die o.a. Rangordnung. In den meisten Fällen übernimmt ein großzügiger Angehöriger – unabhängig seines Standes in der Rangordnung – die Fürsorge für das Kind. Nur wenn es zu formellen Disputen oder Rechtsstreitigkeiten kommt, geht die Sache an ein Gericht.
Auszug aus der ACCORD Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Obsorge: Reihenfolge nach Tod der Eltern, Kriterien, Verfahren zur Klärung, Sorgerecht und Vormundschaft in der rechtlichen und informellen Praxis vom 21.1.2021:
Ehsan Qaane, Jurist und Referent für Recht und Politik des Afghanistan Analysts Network, einer regierungsunabhängigen, gemeinnützigen Forschungsorganisation mit Hauptsitz in Kabul, erteilte ACCORD am 19. Jänner 2021 in einem Email Auskunft zu Fragestellungen des Sorgerechts und der Vormundschaft in Afghanistan, wofür er sich laut seinen Angaben auch mit einem Anwalt beraten habe. In dieser Email-Auskunft beschreibt Ehsan Qaane die Voraussetzungen, die für das Sorgerecht bestehen müssen: das Sorgerecht gehe an weibliche Verwandte. Die das Sorgerecht übernehmende Frau solle mental dafür geeignet, über 18 Jahre alt und moralisch einwandfrei seien, und außerdem über die physischen und ökonomischen Voraussetzungen verfügen, sich um das Kind zu kümmern […].
Sorgerecht und Vormundschaft in der rechtlichen und informellen Praxis
In der bereits oben zitierten Email-Auskunft von Ehsan Qaane vom Jänner 2021 schreibt dieser, dass die Verantwortlichkeit für das Sorgerecht in entsprechender Reihenfolge – erst die Mutter, gefolgt von der Mutter der Mutter (und weiter entsprechend der oben angegebenen Reihenfolge) – ein sehr gut etablierter Grundsatz der hanafitischen Jurisprudenz und des afghanischen Zivilrechts sei. Es sei daher nicht notwendig, dass ein Gericht darüber entscheide. Natürlich könne es aber zu Konflikten über die Verantwortlichkeiten kommen, wenn beispielsweise die Rechte der Mutter angefochten würden. Der Anspruch auf das Sorgerecht („guardianship“) erfordere aber keinen formalen Akt. Wenn es zu Konflikten komme, könne es sein, dass ein Gericht oder ein Ältestenrat interveniere. Eine Intervention durch einen Ältestenrat sei aber nicht gesetzlich legitimiert […].
Qaane schildert in der schriftlichen Auskunft vom Jänner 2021 weiters, dass ein Kind, das älter als sieben (Bub) oder neun (Mädchen) Jahre sei, das Recht habe zu entscheiden, wo es leben möchte. Wenn es zu Konflikten mit einem selbsternannten Vormund komme, würde das Gericht die finale Entscheidung basierend auf der Bereitschaft des Kindes und den Voraussetzungen der KandidatInnen auf eine Weise treffen, die den Interessen des Kindes am besten entspreche […].
Auf die Frage, ob es in der Praxis üblich oder möglich sei, dass ein Familienmitglied, zum Beispiel die ältere, verheiratete Schwester, die Vormundschaft für einen verwaisten Teenager übernehme, ohne dass dies formell geklärt werde, antwortet Qaane, dass dies so sei. Auf die weitere Frage ob es aus rechtlicher oder religiöser Sicht für eine erwachsene, verheiratete Schwester möglich sei die Vormundschaft für einen Teenager zu übernehmen, auch wenn es andere Verwandte gebe, die in der Reihenfolge der Zuständigkeit vor ihr stünden, antwortete Qaane, dass es in diesem Fall aus rechtlicher Sicht die Zustimmung derer, die in der Reihenfolge davor stünden, brauche. Ansonsten könne dies rechtlich vor Gericht beeinsprucht werden. Auch solle die Schwester in diesem Fall in der Lage sein darzulegen, dass sie und ihr Mann die Interessen des Kindes besser wahrnehmen könnten, als die, welche in der Reihenfolge vor ihnen stehen […].
Der von der BFA Staatendokumentation befragte Anwalt aus Kabul merkt in seiner Email-Auskunft vom Juli 2018 zudem an, dass das afghanische Zivilgesetzbuch das Thema Vormundschaft von Kindern als rechtliches Konzept und nicht bezogen auf den Verantwortungsaspekt verstehe. Deshalb könne die Vormundschaft leicht von den Eltern auf andere Personen in der obengenannten Abfolge übertragen werden. Auch das Gericht könne die Vormundschaft auf Personen in der obengenannten Abfolge übertragen, selbst wenn die Eltern noch am Leben seien, aber aufgrund von oben genannten Gründen nicht berechtigt seien, die Vormundschaft zu übernehmen. In jedem Fall sei der Vater aber für den Unterhalt verantwortlich […].
Die schwedische Einwanderungsbehörde (Migrationsverket) schreibt in der englischen Zusammenfassung ihres Berichts zum Sorgerecht in Afghanistan im Juni 2018, dass das Familienrecht in Afghanistan auf einer Vielzahl an Rechtsquellen wie dem Zivilgesetzbuch (1977), dem schiitischen Personenstandsgesetz (2009), dem islamischen Recht sowie dem lokalen Gewohnheitsrecht basiere. Die Gerichte seien verpflichtet, zunächst das gesatzte Recht anzuwenden, und wenn keine Bestimmungen in diesen Gesetzen gefunden würden, könnten sie den Prinzipien des islamischen Rechts folgen. In Fällen, in denen nach wie vor ein Rechtsvakuum bestehe, könnten die Gerichte auf die Anwendung des örtlichen Gewohnheitsrechts zurückgreifen. Trotz dieser Bestimmungen würden afghanische JuristInnen in Familienangelegenheiten häufig von Beginn an dem Gewohnheitsrecht folgen. Angelegenheiten, die die Vormundschaft von Kindern betreffen, seien sowohl im Zivilgesetzbuch als auch im schiitischen Personenstandsgesetz geregelt. Die Regelungen in den Gesetzbüchern würden in erster Linie auf dem islamischen Recht basieren, wobei der Vater als natürlicher Vormund eines Kindes angegeben sei, während die Mutter das Recht und die Verantwortung für das Sorgerecht und damit die tägliche Betreuung von Kleinkindern (Töchter bis zum Alter von neun Jahren und Söhne bis zum Alter von sieben Jahren) habe. Es sei jedoch üblich, dass die gesetzlichen Rechte von Frauen in Familienangelegenheiten in der afghanischen Gesellschaft aufgrund der anhaltenden kulturellen Anschauung und der stark patriarchalen Gesellschaftsordnung nicht beachtet würden […].
2. Beweiswürdigung:
Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Person, Staatsangehörigkeit, zur Herkunft des Beschwerdeführers und zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit ergeben sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA. Dies trifft ebenso auf die Feststellungen zur fehlenden Schulbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers zu.
Die Feststellungen zu seiner Familie beruhen ebenso auf den Angaben des Beschwerdeführers, insbesondere vor dem BFA, und ergibt sich daraus, dass seine Tante mütterlicherseits den Beschwerdeführer nach dem Tod seiner Eltern aufzog und für ihn sorgte wie für einen eigenen Sohn.
Dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit XXXX und XXXX nach Österreich einreiste, ergibt sich insbesondere aus dem Protokoll der Erstbefragung vom 27.10.2015. Die Feststellungen zum jeweiligen Aufenthaltsstatus der Tante sowie des Cousins ergeben sich sowohl aus der Beschwerde vom 10.8.2017 sowie aus der Einsicht in den Akt des Bundesverwaltungsgerichts zu XXXX .
Der Beschluss über die Übertragung der Obsorge des Bezirksgerichts XXXX vom 13.7.2017 liegt im Akt ein.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsicht in das Strafregister vom 7.6.2021, in welcher keine Verurteilungen aufscheinen.
Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur aktuellen Situation in Afghanistan beruhen auf den im Verwaltungsakt befindlichen bzw. den im Rahmen der Beschwerde und der Stellungnahme zu den vom Bundesverwaltungsgericht eingebrachten, oder vom Beschwerdeführer vorgelegten Länderberichten. Aus Sicht des erkennenden Gerichts ist den gegenständlichen Länderberichten eine im Wesentlichen gleichlautende Schilderung der aktuellen Situation in Afghanistan zu entnehmen.
Insbesondere stützen sich die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat auf die folgenden Quellen:
? Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 1.4.2021,
? Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan: Gesetzliche Vertretung von Minderjährigen, Übertragung der Sorgepflicht vom Juli 2018,
? ACCORD Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Obsorge: Reihenfolge nach Tod der Eltern, Kriterien, Verfahren zur Klärung, Sorgerecht und Vormundschaft in der rechtlichen und informellen Praxis vom 21.1.2021.
3. Rechtliche Beurteilung:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Stattgabe der Beschwerde – Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Begründete Furcht liegt vor, wenn diese objektiv nachvollziehbar ist und sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation ebenfalls aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0370). Eine wohlbegründete Furcht liegt zudem nur dann vor, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH vom 30.8.2007, 2006/19/0400). Relevant ist eine Verfolgungsgefahr auch nur dann, wenn diese aktuell ist (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Unter Verfolgung ist ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.6.1998, 96/20/0287). Eine Verfolgungshandlung ist nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt wurde, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 17.9.2003, 2001/20/0177). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen, infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt, nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.3.2000, 99/01/0256 mwN).
Gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 AsylG gilt der Antrag eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, auf internationalen Schutz als „Antrag auf Gewährung desselben Schutzes“. Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG ist auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn 1. dieser nicht straffällig geworden ist; 3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist. Die Behörde hat gemäß § 34 Abs. 4 AsylG Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind „unter einem“ zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Die Bestimmungen des Familienverfahrens sind gemäß § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG nicht anzuwenden auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Familienverfahrens zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat.
Daraus folgt für den gegenständlichen Fall:
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt wurde XXXX mit Bescheid des BFA vom 12.7.2017 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, nahm die Tante mütterlicherseits des Beschwerdeführers, XXXX , diesen im Kleinkindalter bei sich auf, kümmerte sich um ihn und wurde von ihm als Mutter angesehen. Auch wurde ihr in Österreich die Obsorge über den Beschwerdeführer übertragen. Aus den festgestellten Länderinformationen ist ersichtlich, dass die Übertragung des Sorgerechts bzw. Vormundschaft an weibliche Verwandte nach einer bestimmten Rangordnung ein gut etablierter Grundsatz in Afghanistan ist. Es ist nicht notwendig, dass ein Gericht darüber entscheidet, dies erfolgt lediglich dann, wenn Konflikte auftreten. So ist es in der Praxis durchaus üblich, dass ein weibliches Familienmitglied etwa die Vormundschaft für einen verwaisten Teenager übernimmt, ohne dass dies formell geklärt wird. XXXX ist die Schwester der Mutter des Beschwerdeführers und die einzige Verwandte, die dem Beschwerdeführer bekannt ist. Ihr kam somit bereits vor der Einreise in Österreich die gesetzliche Vertretung für den damals minderjährigen und ledigen Beschwerdeführer zu. Zum Zeitpunkt der Antragstellung handelte es sich beim Beschwerdeführer somit um einen Familienangehörigen von XXXX iSd § 2 Abs. 1 Z 22 lit. d AsylG.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. Das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes (Artikel 1 Abschnitt D, F der GFK und § 6 AsylG) oder eines Endigungsgrundes (Artikel 1 Abschnitt C der GFK) ist nicht hervorgekommen.
Es war dem Beschwerdeführer somit gemäß § 34 Abs. 2 AsylG derselbe Schutzstatus wie seiner gesetzlichen Vertreterin, der obsorgeberechtigten Tante XXXX , nämlich der Status des Asylberechtigten, zuzuerkennen.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Hinsichtlich des Beschwerdeführers kann aus Gründen der Verfahrensökonomie eine rechtliche Prüfung seiner etwaigen eigenen Fluchtgründen entfallen. Weiters kann die Wortfolge „iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005“ im Spruch dieses Erkenntnisses entfallen, da eine Differenzierung im Status des Asylberechtigten vom Gesetz nicht vorgesehen, und daher rechtlich unbeachtlich ist. Etwaige damit verbundene Rechtsfolgen bleiben davon unberührt. (vgl. VwGH 30.4.2018, Ra 2017/01/0418 mwN.).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Asylgewährung von Familienangehörigen Asylverfahren Familienangehöriger Familienleben Familienverfahren Flüchtlingseigenschaft mündliche VerhandlungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W266.2167583.1.00Im RIS seit
27.10.2021Zuletzt aktualisiert am
27.10.2021