Entscheidungsdatum
06.07.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I408 2169144-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Irak, vertreten durch RA Mag. Dr. Bernhard ROSENKRANZ, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.06.2021 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 10.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und gab im Rahmen der Erstbefragung am darauffolgenden Tag zu seinem Fluchtgrund an, dass er von einer islamischen Gruppe zur Zusammenarbeit aufgefordert worden sei, er dies verweigert habe und deshalb mit dem Tod bedroht worden sei. Außerdem sei die Sicherheitslage im Irak sehr schlecht.
2. Bei seiner Einvernahme am 07.04.2017 führte er dann im Wesentlichen aus, dass er zum Christentum konvertiert und deshalb von seinem Bruder geschlagen worden sei. Außerdem sei er mehrfach von ihm unbekannten Personen telefonisch mit dem Tod bedroht worden.
3. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 09.08.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.). Gegen diesen Bescheid richtete sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 21.08.2017.
4. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 14.01.2021 wurde die Rechtssache dem erkennenden Richter neu zugewiesen.
5. Auf Nachfrage vom 22.02.2021 teilte die schwedische Migrationsbehörde dem Bundesverwaltungsgericht am 23.02.2021 mit, dass der Beschwerdeführer bereits am 06.11.2007 in Schweden einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, welcher letztlich am 26.02.2010 abgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer habe zudem am 15.12.2013 in der schwedischen Botschaft in Teheran einen Aufenthaltstitel als Familienangehöriger beantragt, welcher nach Berufung am 14.04.2014 letztlich nicht erteilt worden sei.
6. Am 04.04.2021 und 07.04.2021 brachte der Beschwerdeführer jeweils ein Konvolut an Unterlagen zum Nachweis seiner Integration sowie seiner Konversion zum christlichen Glauben in Vorlage.
7. Am 11.06.2021 erfolgte vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung. Dabei beantragte der Beschwerdeführer, binnen zwei Wochen neue Unterlagen zum Nachweis seiner Beziehung und zur Untermauerung seines Vorbringens vorlegen zu können, brachte jedoch in der Folge keine Unterlagen mehr in Vorlage.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der XXXX -jährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger des Irak, stammt aus XXXX und gibt an, zum christlichen Glauben konvertiert zu sein. Vormals wäre er muslimischen Glaubens sunnitischer Ausrichtung gewesen. Er gehört der Volksgruppe der Kurden an. Seine Identität steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer stellte erstmals am 06.11.2007 in Schweden einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher letztlich am 26.02.2010 abgewiesen wurde. Er wartete den Ausgang seines Verfahrens jedoch nicht ab, sondern hielt sich für zwei Jahre in Deutschland auf. Auch dort stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz, kehrte jaber im Jahr 2011 freiwillig in den Irak zurück. Dort verlobte er sich mit einer in Schweden lebenden Kurdin und beantragt am 15.12.2013 in der schwedischen Botschaft in Teheran einen Aufenthaltstitel als Familienangehöriger, welcher nach Berufung am 14.04.2014 letztlich nicht erteilt wurde. Die Verlobung wurde nach rund drei Monaten gelöst.
Im Dezember 2014 verließ der Beschwerdeführer den Irak erneut und reiste zunächst auf dem Luftweg von Sulaimaniyya in die Türkei und anschließend schlepperunterstützt über mehrere Länder nach Österreich, wo er am 10.01.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte und sich seither aufhält.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Seine Familie bestehend aus Mutter, zwei Brüdern, vier Schwestern sowie fünf Onkeln und sieben Tanten samt Familien lebt in der kurdischen Region des Irak. Ein Bruder des Beschwerdeführers lebt in Deutschland und ist sein dortiges Asylverfahren noch nicht abgeschlossen.
Der Beschwerdeführer hat im Irak die Grundschule besucht und bestritt seinen Lebensunterhalt als LKW-Fahrer. In Deutschland hat er ein Jahr die Berufsschule besucht. Aufgrund seiner Ausbildung und Arbeitserfahrung sollte er auch künftig am irakischen Arbeitsmarkt unterkommen können.
In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten, hat jedoch mehrere Bekanntschaften geschlossen. Er führt im Bundesgebiet eine Beziehung, jedoch konnte diesbezüglich keine besondere Intensität festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer hat eine A1 Prüfung abgelegt und einen A2 Kurs besucht. Er kann sich auf niedrigem Niveau auf Deutsch verständigen. Der Beschwerdeführer ging in Österreich bisher keiner Erwerbstätigkeit nach, ist nicht selbsterhaltungsfähig und lebt von Leistungen der Grundversorgung. Er verfügte über eine aufschiebend bedingte Einstellzusage als LKW-Fahrer, welche jedoch mit Ende April 2021 befristet war. Der Beschwerdeführer lebt alleine in einem Zimmer einer privaten Flüchtlingsunterkunft und bezahlt dafür € 150,- an Miete pro Monat. Er hat sich während seines Aufenthaltes für vier Monate in einem Seniorenwohnheim sowie in einem Verein seiner Gemeinde ehrenamtlich betätigt. Darüber hinaus hat er drei Jahre lang auf freiwilliger Basis die örtliche Kirche gereinigt.
Der Beschwerdeführer konsumierte im Jahr 2016 zwei Mal Cannabiskraut und wurde deshalb am 15.12.2016 zur Anzeige gebracht. Von der Verfolgung trat die Staatsanwaltschaft XXXX am 22.02.2018 endgültig zurück und ist der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer war entgegen seinem Vorbringen keiner Verfolgung aufgrund seiner Konversion zum christlichen Glauben durch seinen Bruder oder salafistische Gruppierungen ausgesetzt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert ist.
Der Beschwerdeführer wird im Falle seiner Rückkehr in den Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein. Weder wird ihm seine Lebensgrundlage gänzlich entzogen, noch besteht für ihn die reale Gefahr einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
1.3. Zur Lage im Irak:
Die aktuelle Lage im Irak hat sich seit dem militärischen Sieg über den IS zunehmend stabilisiert.
Im gegebenen Zusammenhang sind die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:
Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen, territorialen Sieg über den Islamischen Staat (IS) (Reuters 9.12.2017; vgl. AI 26.2.2019). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem verbessert (FH 4.3.2020). Ende 2018 befanden sich die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) in der nominellen Kontrolle über alle vom IS befreiten Gebiete (USDOS 1.11.2019).
In Erbil bzw. Sulaymaniyah und unmittelbarer Umgebung erscheint die Sicherheitssituation vergleichsweise besser als in anderen Teilen des Irak. Allerdings kommt es immer wieder zu militärischen Zusammenstößen, in die auch kurdische Streitkräfte (Peshmerga) verwickelt sind, weshalb sich die Lage jederzeit ändern kann. Insbesondere Einrichtungen der kurdischen Regionalregierung und politischer Parteien sowie militärische und polizeiliche Einrichtungen können immer wieder Ziele terroristischer Attacken sein (BMEIA 19.2.2020).
ACLED meldete zuletzt im Zeitraum 01.2019 bis 31.07.2020 insgesamt 393 Sicherheitsvorfälle, das sind 6 Sicherheitsvorfälle pro Woche für den gesamten Bezugszeitraum. UNAMI verzeichnete in diesem Zeitraum insgesamt 58 zivile Opfer, das entspricht einem zivilen Opfer pro 100 000 Einwohner.
Dazu wird auf den EASO-Bericht Country Guidance zum Irak mit Stand Jänner 2021 (Seiten 134-136) verwiesen.
Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten (AA 12.1.2019). Der irakische humanitäre Reaktionsplan schätzt, dass im Jahr 2019 etwa 6,7 Millionen Menschen dringend Unterstützung benötigten (IOM o.D.; vgl. USAID 30.9.2019). Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten schwierig. Die grassierende Korruption verstärkt vorhandene Defizite zusätzlich. In vom Islamischen Staat (IS) befreiten Gebieten muss eine Grundversorgung nach Räumung der Kampfmittel erst wiederhergestellt werden. Einige Städte sind weitgehend zerstört. Die Stabilisierungsbemühungen und der Wiederaufbau durch die irakische Regierung werden intensiv vom United Nations Development Programme (UNDP) und internationalen Gebern unterstützt (AA 12.1.2019).
Nach Angaben der UN-Agentur UN-Habitat leben 70% der Iraker in Städten, die Lebensbedingungen von einem großen Teil der städtischen Bevölkerung gleichen denen von Slums (AA 12.1.2019). Die Iraker haben eine dramatische Verschlechterung in Bezug auf die Zurverfügungstellung von Strom, Wasser, Abwasser- und Abfallentsorgung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Verkehr und Sicherheit erlebt. Der Konflikt hat nicht nur in Bezug auf die Armutsraten, sondern auch bei der Erbringung staatlicher Dienste zu stärker ausgeprägten räumlichen Unterschieden geführt. Der Zugang zu diesen Diensten und deren Qualität variiert demnach im gesamten Land erheblich (K4D 18.5.2018). Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig (AA 12.1.2019).
Die Preise für Grundnahrungsmittel haben sich im Irak nicht wesentlich verändert; bei bestimmten Gütern kam es jedoch zu standortspezifischen Preisschwankungen. In einer offiziellen Erklärung erklärte das Handelsministerium, dass der Mangel an finanziellen Zuweisungen die Fähigkeit des Ministeriums in Frage stelle, PDS-Güter (Public Distribution System) konsequent zu beschaffen (WFP 2.6.2020)
Der Irak erholt sich nur langsam vom Terror des IS und seinen Folgen. Nicht nur sind ökonomisch wichtige Städte wie Mossul zerstört worden. Dies trifft das Land, nachdem es seit Jahrzehnten durch Krieg, Bürgerkrieg, Sanktionen zerrüttet wurde. Wiederaufbauprogramme laufen bereits, vorsichtig-positive Wirtschaftsprognosen traf die Weltbank im April 2019 (GIZ 1.2020c). Iraks Wirtschaft erholt sich allmählich nach den wirtschaftlichen Herausforderungen und innenpolitischen Spannungen der letzten Jahre. Während das BIP 2016 noch um 11% wuchs, verzeichnete der Irak 2017 ein Minus von 2,1%. 2018 zog die Wirtschaft wieder an und verzeichnete ein Plus von ca. 1,2% aufgrund einer spürbaren Verbesserung der Sicherheitsbedingungen und höherer Ölpreise. Für 2019 wurde ein Wachstum von 4,5% und für die Jahre 2020–23 ebenfalls ein Aufschwung um die 2-3%-Marke erwartet (WKO 18.10.2019).
Das Erdöl stellt immer noch die Haupteinnahmequelle des irakischen Staates dar (GIZ 1.2020c). Rund 90% der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor. Der Irak besitzt kaum eigene Industrie jenseits des Ölsektors. Hauptarbeitgeber ist der Staat (AA 12.1.2019).
Die Arbeitslosenquote, die vor der IS-Krise rückläufig war, ist über das Niveau von 2012 hinaus auf 9,9% im Jahr 2017/18 gestiegen. Unterbeschäftigung ist besonders hoch bei IDPs. Fast 24% der IDPs sind arbeitslos oder unterbeschäftigt (im Vergleich zu 17% im Landesdurchschnitt). Ein Fünftel der wirtschaftlich aktiven Jugendlichen ist arbeitslos, ein weiters Fünftel weder erwerbstätig noch in Ausbildung (WB 12.2019).
Die Armutsrate im Irak ist aufgrund der Aktivitäten des IS und des Rückgangs der Öleinnahmen gestiegen (OHCHR 11.9.2019). Während sie 2012 bei 18,9% lag, stieg sie während der Krise 2014 auf 22,5% an (WB 19.4.2019). Einer Studie von 2018 zufolge ist die Armutsrate im Irak zwar wieder gesunken, aber nach wie vor auf einem höheren Niveau als vor dem Beginn des IS-Konflikt 2014, wobei sich die Werte, abhängig vom Gouvernement, stark unterscheiden. Die südlichen Gouvernements Muthanna (52%), Diwaniya (48%), Maisan (45%) und Dhi Qar (44%) weisen die höchsten Armutsraten auf, gefolgt von Ninewa (37,7%) und Diyala (22,5%). Die niedrigsten Armutsraten weisen die Gouvernements Dohuk (8,5%), Kirkuk (7,6%), Erbil (6,7%) und Sulaymaniyah (4,5%) auf. Diese regionalen Unterschiede bestehen schon lange und sind einerseits auf die Vernachlässigung des Südens und andererseits auf die hohen Investitionen durch die Regionalregierung Kurdistans in ihre Gebiete zurückzuführen (Joel Wing 18.2.2020). Die Regierung strebt bis Ende 2022 eine Senkung der Armutsrate auf 16% an (Rudaw 16.2.2020).
Grundsätzlich ist der öffentliche Sektor sehr gefragt. Die IS-Krise und die Kürzung des Budgets haben Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im privaten und öffentlichen Sektor. Arbeitsmöglichkeiten haben im Allgemeinen abgenommen. Die monatlichen Einkommen im Irak liegen in einer Bandbreite zwischen 200 und 2.500 USD (Anm.: ca. 185-2.312 EUR), je nach Position und Ausbildung. Das Ministerium für Arbeit und Soziales bietet Unterstützung bei der Arbeitssuche und stellt Arbeitsagenturen in den meisten Städten. Die Regierung hat auch ein Programm gestartet, um irakische Arbeitslose und Arbeiter, die weniger als 1 USD (Anm.: ca. 0,9 EUR) pro Tag verdienen, zu unterstützen. Aufgrund der Situation im Land wurde die Hilfe jedoch eingestellt. Weiterbildungsmöglichkeiten werden durch Berufsschulen, Trainingszentren und Agenturen angeboten. Aufgrund der derzeitigen Situation im Land sind derzeit keine dieser Weiterbildungsprogramme, die nur durch spezielle Fonds zugänglich sind, aktiv (IOM 1.4.2019).
Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können - für den Zugang zum Gesundheitswesen wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt - haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 1.4.2019). Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 12.2019).
Die COVID-19-Pandemie stellte den Irak weiterhin vor gesundheitliche und andere Herausforderungen, obwohl die von der Regierung gemeldete Übertragungsrate stetig zurückgeht. Obwohl die Zahl der vom Gesundheitsministerium gemeldeten Fälle auf 602.938 (einschließlich 12.895 Todesfälle, Stand: 10. Januar) anstieg, erhöhte sich die Heilungsrate auf mehr als 92 Prozent, während die Sterberate bei 2,1 Prozent blieb. Nach Angaben der irakischen Regierung erhöhten die Gesundheitsbehörden die Zahl der COVID-19-Tests auf 30.000 bis 40.000 täglich. Die täglich gemeldete Zahl der Fälle erreichte ihren Höhepunkt und ging dann im Berichtszeitraum zurück, was auf einen Rückgang der Übertragungsrate (0,86) im gesamten Irak hinweist. Im Vergleich zu Anfang November sank die wöchentliche Zahl der Infektionen und COVID-19-bedingten Todesfälle um 70 bzw. 60 Prozent. Die Rate der positiven Tests fiel auf 2,3 Prozent, was darauf hindeutet, dass eine angemessene Menge an Tests durchgeführt wurde. Dennoch stellte COVID-19 weiterhin eine Bedrohung für das fragile Gesundheitssystem des Landes dar.
Die Weltgesundheitsorganisation arbeitete weiterhin mit Regierungsministerien und -institutionen zusammen, um Aufklärungskampagnen über COVID-19 in den Gemeinden durchzuführen, die Millionen von Irakern, einschließlich Flüchtlingen und Binnenvertriebenen, erreichten. Die Internationale Organisation für Migration unterstützte das Screening und Triaging für COVID-19 in 28 Gesundheitseinrichtungen. 53 Mitarbeiter des Gesundheitswesens wurden in der Infektionsprävention und -kontrolle geschult. Beamte des öffentlichen Gesundheitswesens an der Grenze erhielten Schulungen zu internationalen Gesundheitsvorschriften. Die Internationale Organisation für Migration unterstützte die Hotline des irakischen Hochkommissariats für Menschenrechte in Bagdad, indem sie psychosoziale Unterstützung für die von der Pandemie Betroffenen leistete. Bislang wurden über 500 Menschen erreicht. (UN Bericht, Security Council vom 08.02.2021, S/+2021/120_Seite 12-13).
Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Kurdischen Region im Irak (KRI) finden regelmäßig statt. In der KRI gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Eine Fortführung dieser Tendenzen wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der KRI kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.1.2019).
Studien zufolge ist die größte Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017).
Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger (IOM 1.4.2019). Die Miete für 250 m² in Bagdad liegt bei ca. 320 USD (Anm.: ca. 296 EUR) (IOM 13.6.2018). Die Wohnungspreise in der KRI sind 2018 um 20% gestiegen, während die Miete um 15% gestiegen ist, wobei noch höhere Preise prognostiziert werden (Ekurd 8.1.2019). In den Städten der KRI liegt die Miete bei 200-600 USD (Anm.: ca. 185-554 EUR) für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (Anm.: ca. 12 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (Anm.: ca. 8-19 EUR) für Wasser, 30.000-40.000 IQD (Anm.: ca. 23-31 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000-60.000 IQD (Anm.: ca. 31-46 EUR) für privaten oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom. Die Rückkehr von IDPs in ihre Heimatorte hat eine leichte Senkung der Mietpreise bewirkt. Generell ist es für alleinstehende Männer schwierig Häuser zu mieten, während es in Hinblick auf Wohnungen einfacher ist (IOM 1.4.2019).
Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser, jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote. In der Zeit nach Saddam Hussen sind die Besitzverhältnisse von Immobilien zuweilen noch ungeklärt. Nicht jeder Vermieter besitzt auch eine ausreichende Legitimation zur Vermietung (GIZ 12.2019).
Im Zuge seines Rückzugs aus der nordwestlichen Region des Irak, 2016 und 2017, hat der Islamische Staat (IS) die landwirtschaftlichen Ressourcen vieler ländlicher Gemeinden ausgelöscht, indem er Brunnen, Obstgärten und Infrastruktur zerstörte. Für viele Bauerngemeinschaften gibt es kaum noch eine Lebensgrundlage (USCIRF 4.2019). Im Rahmen eines Projekts der UN-Agentur UN-Habitat und des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) wurden im Distrikt Sinjar, Gouvernement Ninewa, binnen zweier Jahre 1.064 Häuser saniert, die während der IS-Besatzung stark beschädigt worden waren. 1.501 Wohnzertifikate wurden an jesidische Heimkehrer vergeben (UNDP 28.4.2019).
Es besteht keine öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche für Rückkehrer. Private Immobilienfirmen können jedoch helfen (IOM 1.4.2019).
Schätzungen gehen davon aus, dass heute noch etwa 200.000 bis 400.000 Christen im Irak leben (zum Vergleich 2003: 1,5 Mio.) (AA 12.1.2019). Nach Angaben christlicher Führer sind weniger als 250.000 Christen im Irak verblieben (USCIRF 4.2019; vgl. USDOS 21.6.2019). Kernland der christlichen Gemeinschaften im Irak ist der Nordwesten des Landes, die Ninewa-Ebene (USCIRF 4.2019). Ca. 67% der irakischen Christen sind chaldäische Katholiken, fast 20% Mitglieder der Assyrischen Kirche des Ostens. Der Rest sind syrisch-orthodoxe, syrisch-katholische, armenisch-katholische, armenisch-apostolische, anglikanische Christen und andere Protestanten. In der Kurdischen Region im Irak (KRI) gibt es etwa 3.000 evangelikale Christen (Angehörige protestantischer Freikirchen) (USDOS 21.6.2019).
In der KRI haben seit 2003 viele christliche Flüchtlinge aus anderen Landesteilen Zuflucht gefunden. Es gibt dort keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung. Viele Christen haben bereits seit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein in der KRI Zuflucht gefunden. Es gibt christliche Städte oder auch große christliche Viertel in Großstädten wie beispielsweise Ankawa in Erbil, in denen Christen in Frieden leben können (AA 12.1.2019). Die kurdischen Regionalregierung (KRG) hat zusätzlich zu den durch die Zentralregierung anerkannten Religionsgemeinschaften elf evangelikale und andere protestantische Kirchen registriert: die Nahda al-Qadassa Kirche in Erbil und Dohuk, die evangelische Nasari Kirche in Dohuk, die kurdisch-zamanische Kirche in Erbil, die evangelische Ashti Kirche in Sulaymaniyah, die evangelische Freikirche in Dohuk, die Baptistenkirche des Guten Hirten in Erbil, die internationale evangelische al-Tasbih Kirche in Dohuk, die Rasolia Kirche in Erbil, die Vereinigte evangelische Kirche in Erbil, die Assemblies of God in Erbil und die Kirche der Siebenten-Tages-Adventisten in Erbil. Die KRG gestattet die Registrierung neuer christlicher Kirchen ab mindestens 50 Gläubigen. Außerdem können sich christliche Gruppen beim Rat der irakischen christlichen Kirchenführer registrieren, was ihnen Zugang zu Leistungen des kurdischen Ministeriums für Stiftungen und religiöse Angelegenheiten (MERA) und christlichen Stiftung gewährt (USDOS 21.6.2019).
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich zunächst aus dem Inhalt des Behörden- und Gerichtsaktes, insbesondere aus den Angaben des Beschwerdeführers bei seinen Einvernahmen im Zuge des Verwaltungsverfahrens und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Hinzu kommen die von ihm vorgelegten Unterlagen sowie Abfragen aus ZMR, AJ-Web, IZR und Strafregister.
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seiner Volksgruppenzugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde sowie in der in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch zum Fluchtzeitpunkt und der Fluchtroute konnte dem Beschwerdeführer gefolgt werden. Mangels Vorlage eines unbedenklichen Identitätsdokumentes steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.
Die Feststellungen zur Asylantragstellung in Schweden und zum am 15.12.2013 in der schwedischen Botschaft in Teheran gestellten Antrag auf einen Aufenthaltstitel ergeben sich aus der am 23.02.2021 übermittelten Anfragebeantwortung des „Swedish Migration Board“ und wurde auch vom Beschwerdeführer nie bestritten. Die Feststellungen zum Aufenthalt in Deutschland, der freiwilligen Rückkehr in den Irak und der gelösten Verlobung folgen den Angaben des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme am 07.04.2017.
Die Asylantragstellung am 10.01.2015 und der seither andauernde Aufenthalt sind durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes und den eingeholten Melderegisterauszug belegt.
In der mündlichen Verhandlung am 11.06.2021 gab der Beschwerdeführer ausdrücklich an, gesund zu sein, weshalb in Zusammenschau mit seinem erwerbsfähigen Alter die entsprechenden Feststellungen zu treffen waren. Auch die Feststellungen zu seinen in der kurdischen Region des Irak lebenden Familienangehörigen und seinem Bruder in Deutschland folgen seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung und der niederschriftlichen Einvernahme. Selbiges gilt für die Feststellungen zu seiner Schulbildung und Berufserfahrung.
Verwandtschaftliche Verhältnisse in Österreich wurden nicht behauptet. Aus den vorgelegten Unterstützungsschreiben ist zwar das Bestehen von Bekanntschaften abzuleiten, auf vertiefte Beziehungen ist aus den allgemein gehaltenen Schreiben allerdings nicht zu schließen.
Die erstmals in der mündlichen Verhandlung behauptete Beziehung wird dem Beschwerdeführer zwar geglaubt, allerdings ist aus den Umständen, dass ihn seine Freundin nicht zur Verhandlung begleitet hat, keine gemeinsamer Haushalt besteht und auch sonst keine wechselseitigen Abhängigkeiten behauptet wurden, nicht auf eine besondere Intensität zu schließen. Insbesondere fällt bei dieser Einschätzung auch ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer gegen Ende der mündlichen Verhandlung noch beantragte, Unterlagen zum Nachweis seiner Beziehungsintensität nachzureichen, dem aber binnen der gewährten Frist von zwei Wochen (und auch nicht später) nicht nachgekommen ist. Auf Nachfrage des erkennenden Richters, warum er kein Unterstützungsschreiben seiner Freundin vorgelegt hat, antwortete der Beschwerdeführer nur, dass er sie nicht darum gebeten hat. Diese Erklärung ist nicht besonders überzeugend, da der Beschwerdeführer offenbar alle seine entfernten Bekanntschaften (sieben an der Zahl) um ein Empfehlungsschreiben gebeten hat. In einer Gesamtbetrachtung ergibt sich daher kein Bild, welches für eine intensive Lebensgemeinschaft sprechen würde.
Das erworbene A1 Zertifikat liegt im Verwaltungsakt ein. Dass der Beschwerdeführer einen A2 Kurs besucht jedoch die entsprechende Prüfung nicht abgelegt hat, gab er in der mündlichen Verhandlung an und war aufgrund des dabei gewonnenen persönlichen Eindrucks festzustellen, dass sich der Beschwerdeführer auf niedrigem Niveau auf Deutsch verständigen kann.
Aus dem eingeholten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem ist der Bezug von Leistungen der Grundversorgung belegt, weshalb schon aus diesem Grund die mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit festzustellen war. Dass der Beschwerdeführer in Österreich bisher keiner Erwerbstätigkeit nachging, ergibt sich aus dem eingeholten Sozialversicherungsauszug. Die vorgelegte Einstellzusage als LKW-Fahrer ist aufgrund der Qualifikation des Beschwerdeführers plausibel, wird jedoch dadurch relativiert, dass die enthaltene Befristung (April 2021) bereits zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weit abgelaufen war und dem Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt auch die Aufnahme der Tätigkeit nicht möglich gewesen wäre, da er seinen irakischen Führerschein nicht umschreiben hat lassen (Verhandlungsprotokoll, S. 6). Die Feststellungen zu den Wohnverhältnissen und zu seinen ehrenamtlichen Tätigkeiten folgen den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und sind durch die in Vorlage gebrachten Bestätigungen belegt.
Der Konsum von Cannabiskraut im Jahr 2016 ist durch den im Verwaltungsakt einliegenden Abtretungsbericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 15.12.2016 belegt und gestand der Beschwerdeführer dies in der mündlichen Verhandlung auch ein. Dass die Staatsanwaltschaft XXXX am 22.02.2018 endgültig von der Verfolgung zurückgetreten ist, ergibt sich aus der entsprechenden - vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten - Mitteilung und stimmt insoweit auch mit der durchgeführten Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich überein, welche den Beschwerdeführer als unbescholten ausweist.
2.2. Zu den Fluchtgründen und einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:
Im Rahmen des Asylverfahrens trifft den Asylwerber eine Mitwirkungspflicht. Er muss eine ihm drohende Behandlung oder Verfolgung im Herkunftsstaat glaubhaft machen.
Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, genügt zur Dartuung von selbst Erlebtem grundsätzlich nicht. Das Vorbringen des Asylwerbers ist auch nicht hinreichend substantiiert, wenn Sachverhalte nur sehr vage geschildert werden und der Asylwerber nicht in der Lage ist, detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Der Beschwerdeführer hatte insgesamt dreimal die Gelegenheit seine Fluchtgründe zu schildern. Dabei war er nicht in der Lage, die erlittene Verfolgung konsistenten und plausibel darzulegen und erachtet das Bundesverwaltungsgericht das gesamte Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als äußerst unglaubwürdig, wie im Folgenden näher erläutert wird:
So wird die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers bereits dadurch schwer belastet, dass er bei seiner Ersteinvernahme am 11.01.2015 seinen Antrag auf internationalen Schutz damit begründete, dass er von einer islamistischen Gruppe zur Zusammenarbeit aufgefordert worden sei, er dies verweigert habe und deshalb mit dem Tod bedroht worden sei. Außerdem sei die Sicherheitslage im Irak sehr schlecht.
Zwei Jahre später, bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am 07.04.2017 war die Aufforderung einer islamistischen Gruppe zur Zusammenarbeit kein Thema, sondern nur mehr seine Konversion zum Christentum, die Unmöglichkeit, seine neue Religion auszuüben und sein Bruder, welcher ihn geschlagen hat. Außerdem sei er von salafistischen Gruppen telefonisch mit dem Tod bedroht worden.
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die Erstbefragung nicht der Erörterung der Fluchtgründe dient, es ist aber davon auszugehen, dass ein Schutzsuchender, der einen langwierigen, anstrengenden und letztendlich auch schlepperunterstützen und damit kostspieligen Weg auf sich nimmt, von Anbeginn die essentiellen Bestandteile seiner Fluchtgeschichte stringent und widerspruchsfrei vorbringt.
Nicht umsonst obliegt es einem Asylwerber, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.
Derart divergierende Fluchtvorbringen, wie im gegenständlichen Fall, sind weder durch Stress noch durch mangelhafte Dolmetscherleistungen zu erklären. Sie stellen nur untaugliche Versuche dar, über eine konstruierte und nicht erlebte Fluchtgeschichte eine Aufenthaltsberechtigung zu erlangen. Unabhängig davon wurden dem Beschwerdeführer seine Angaben unmittelbar nach seiner Ersteinvernahme rückübersetzt und von ihm in dieser Form bestätigt. Auch widersprach sich der Beschwerdeführer selbst in seinen Erklärungen für die widersprüchlichen Angaben. So gab er zunächst an, dass er bei der Erstbefragung nur angegeben habe, von einer islamischen Gruppe bedroht worden zu sein, mehr sei er nicht gefragt worden (Niederschrift vom 07.04.2017, S. 4). Dem entgegenstehend führte er später in derselben Einvernahme aus, dass er in der Erstbefragung nie gesagt habe, dass er von islamischen Gruppen zur Zusammenarbeit aufgefordert worden sei (S. 8).
Unabhängig davon ist für den erkennenden Richter auch nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert ist. So konnte er in der niederschriftlichen Einvernahme am 07.04.2017 etwa nicht angeben, welches Fest am darauffolgen Sonntag dem 16.04.2017 (Anm. Ostersonntag) gefeiert wird, obwohl er zu diesem Zeitpunkt schon den überwiegenden Teil seines Taufvorbereitungskurses der katholischen Pfarre seiner Heimatgemeinde besucht hat. Auch seine orthodoxe Taufe bei einer holländischen Kirche ist nicht geeignet, eine anderslautende Einschätzung zu tragen, zumal der Beschwerdeführer nie in Holland war und es sich dabei laut seinen eigenen Angaben um eine online durchgeführte „Sammeltaufe“ gehandelt hat. Zudem sind auch die übrigen Angaben des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit seinem christlichen Glauben äußerst vage und substanzlos.
So gab er in der niederschriftlichen Einvernahme auf die Frage, was ihm am Christentum gefällt, etwa an: „Die Freiheit der Person und somit ist die ganze Welt frei.“ Auf Nachfrage: „Und wenn man zur Kirche geht oder nicht, wird man nicht dazu gezwungen hinzugehen. Da ist nochmal Freiheit gegeben.“ (Niederschrift vom 07.04.2017, S. 6). Alleinig der Pauschalverweis auf im Christentum gelebte Freiheiten ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch nicht geeignet, eine solche innere Überzeugung glaubhaft zu machen, welche den Anfall von der eigenen Religion, massive Verwerfungen mit der eigenen Familie und letztlich ein Verlassen des Heimatlandes rechtfertigen würde. Bei Wahrunterstellung des Vorbringens wären in einem solchen Fall grundsätzlichere Überlegungen des Beschwerdeführers in Verbindung mit einer tatsächlichen und tiefgehenden Auseinandersetzung mit Werten, Moralvorstellungen, Überzeugungen oder Glaubensinhalten im Allgemeinen - sowohl des Islams als auch des Christentums - zu erwarten.
Aus den getroffenen Länderfeststellungen ergibt sich außerdem, dass Christen in der kurdischen Region des Irak keinerlei Verfolgung ausgesetzt sind. Es steht daher zweifelsfrei fest, dass der Beschwerdeführer den Irak weder aufgrund einer Bedrohung durch seinen Bruder noch durch salafistische Gruppen oder wegen seines Bekenntnis zum christlichen Glauben im Allgemeinen verlassen hat. Vielmehr ist in Übereinstimmung mit der Tatsache, dass der Beschwerdeführer bereits 2009 in Schweden, anschließend in Deutschland und zuletzt erneut in der schwedischen Botschaft in Teheran 2013 versucht hat, eine Aufenthaltsberichtigung für europäische Staaten zu erlangen, davon auszugehen, dass er dies nun auf dem Weg seiner gegenständlichen Asylantragstellung erneut versucht.
Die belangte Behörde hatte den verfahrensgegenständlichen Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht geht ebenfalls davon aus, dass ein gesunder Mann im arbeitsfähigen Alter mit Berufserfahrung und ohne Sorgepflichten durchaus in der Lage sein wird, sich im Irak (wieder) eine Lebensgrundlage zu schaffen. Es sind keinerlei Gründe ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Sulaimaniyya, wo nach wie vor seine gesamte Großfamilie lebt, nicht durch die Aufnahme einer Tätigkeit, selbst wenn es sich dabei um eine Hilfstätigkeit handelt, seinen Lebensunterhalt bestreiten können sollte. Auch aus der aktuellen Covid-Lage ergibt sich keine unmittelbare Bedrohung für den jungen und gesunden Beschwerdeführer.
2.3. Zum Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für den Irak samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen und iVm den aktuelleren Berichten von EASO.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Die allgemeine Lage im Herkunftsstaat und die dem BVwG dazu vorliegenden Berichte wurden im Zuge der Verhandlung mit dem Beschwerdeführer erörtert (Verhandlungsprotokoll, S 9 f). Der Beschwerdeführer gab an, sich nicht gegen diese Ausführungen aussprechen zu können. Er verwies lediglich auf eine im Irak bestehende Bedrohung durch Salafisten. Den Berichten wurde somit nicht entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Absch. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Art. 1 Absch. A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Der Beschwerdeführer konnte – wie in der Beweiswürdigung dargelegt – keine Gründe glaubhaft machen, die auf eine persönliche Verfolgung iSd § 3 Abs. 1 AsylG schließen ließen. Das gesamte Fluchtvorbringen ist nicht glaubhaft, sondern vage, allgemein gehalten und unplausibel. Insbesondere ist eine, aus innerer Überzeugung erfolgte Konversion zum christlichen Glauben nicht plausibel. Allein aus der allgemeinen Sicherheitslage im Irak zum Ausreisezeitpunkt im Zusammenhang mit salafistischen Gruppierungen lässt sich keine persönliche Verfolgung ableiten.
3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - „real risk“ einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (vgl. VwGH 29.08.2019, Ra 2019/19/0143).
Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK angenommen werden kann Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372).
Dem Beschwerdeführer droht im Irak wie oben bereits dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung.
Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund und arbeitsfähig. Zwar ergibt sich aus den Feststellungen, dass das Land sich immer noch von den Folgen des IS-Terrors erholt und die Arbeitslosigkeit hoch ist, andererseits trifft die irakische Regierung Maßnahmen zur Stabilisierung und zum Wiederaufbau der Wirtschaft, welche intensiv vom United Nations Development Programm (UNDP) unterstützt werden. Aufgrund seiner Ausbildung und Arbeitserfahrung im Irak sollte der Beschwerdeführer aller Wahrscheinlichkeit nach in der Lage sein, eine Anstellung zu finden, welche ihm eine zumindest einfache Lebensführung ermöglicht. Zudem lebt seine Großfamilie nach wie vor in seiner Heimatstadt XXXX und ist bei lebensnaher Betrachtungsweise davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr von seinen Verwandten Unterstützung zu erwarten haben wird.
Der Vollständigkeit halber ist aufgrund der aktuellen Situation festzuhalten, dass auch die Ausbreitung der Covid-19 Infektion einer Rückkehr nicht entgegensteht. So ist der Beschwerdeführer XXXX Jahre alt und leidet an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und fällt damit nicht unter die Covid-Risikogruppe.
Damit ist der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak nicht in seinem Recht gemäß Art. 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation im Irak bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde dort keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Ganz allgemein besteht im Irak derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides, erster Spruchteil):
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides, zweiter Spruchteil):
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
Zu prüfen ist, ob die von der belangten Behörde verfügte Rückkehrentscheidung mit Art. 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art. 8 EMRK ist aus den folgenden Gründen gegeben:
Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner schlepperunterstützen Einreise im Jänner 2015 rund sechseinhalb Jahre in Österreich auf. Die Aufenthaltsdauer für sich stellt lediglich eines von mehreren im Zuge der Interessensabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar und das persönliche Interesse des Fremden an einem Verbleib in Österreich nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Daneben ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (VwGH 12.11.2019, Ra 2019/20/0422).
Der seit Jänner 2015 andauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers beruht auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb dieser während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann. Zudem musste sich der Beschwerdeführer bereits mit der Abweisung seines Asylantrages mit Bescheid vom 09.08.2017 - sohin bereits rund zweieinhalb Jahre nach seiner Einreise - seines unsicheren Aufenthaltes bewusst sein und verliert ein allfälliges Privat- und Familienleben, welches erst nach der Abweisung seines Asylantrages entstanden ist, dadurch deutlich an Gewicht. Unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK muss zudem nicht akzeptiert werden, dass ein Fremder mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. VwGH 06.05.2020, Ra 2020/20/0093; 27.02.2020, Ra 2019/01/0471; 28.02.2019, Ro 2019/01/0003).
Familiäre Anbindungen des ledigen und kinderlosen Beschwerdeführers bestehen in Österreich nicht. Hinsichtlich seines Privatlebens ist auszuführen, dass die bisherige Aufenthaltsdauer rund sechseinhalb Jahre beträgt, woraus sich per se das Vorhandensein eines Privatlebens ergibt. Auch sind seine geschlossenen Bekanntschaften unbestritten und er lebt nach eigenen Angaben in einer Beziehung. Allerdings haben sich keine Hinweise auf eine außergewöhnliche Intensität der privaten Bindungen oder Merkmale einer wechselseitigen Abhängigkeit ergeben und kann auf solche auch aus dem zeitlichen Ablauf nicht geschlossen werden. Mit seiner Freundin lebt er nicht im gemeinsamen Haushalt und liegen - wie umseits ausgeführt - auch sonst keine Anhaltspunkte für eine maßgebliche Intensität der Beziehung vor.
Des Weiteren ist die Integration des Beschwerdeführers zu beurteilen, wobei miteinzufließen hat, ob und inwieweit der Beschwerdeführer die in Österreich verbrachte Zeit genutzt hat um sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/20/0422). Anhaltspunkte für eine außergewöhnliche Integration des Beschwerdeführers in Österreich haben sich weder im Privatleben noch in sprachlicher, beruflicher oder kultureller Hinsicht ergeben. Er spricht nur auf Niveau A1 Deutsch, ist auf staatliche Leistungen angewiesen und vermag seine vorgelegte Einstellzusage allein eine berücksichtigungswürdige Integration nicht zu belegen (vgl. VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0277), zumal diese auch bereits abgelaufen ist und dem Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt die Voraussetzungen für die Tätigkeit als LKW-Fahrer fehlen. Zwar ist er mehrmals ehrenamtlichen Arbeiten nachgegangen, jedoch ist auch diesbezüglich keine außergewöhnliche Intensität seiner ehrenamtlichen Bemühungen erkennbar.
Demgegenüber hat der XXXX -jährige Beschwerdeführer im Irak den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht, hat sprachliche, familiäre und kulturelle Verbindungen und besteht kein Anhaltspunkt für eine völlige Entfremdung. Er ist gesund, arbeitsfähig und verfügt über grundlegende Schulbildung und Berufserfahrung. Es ist somit davon auszugehen, dass er in der Lage sein wird, einen zumindest bescheidenen Lebensunterhalt zu verdienen, selbst wenn er keine Unterstützung seiner nach wie vor in seiner Heimatstadt XXXX lebenden Großfamilie erfahren sollte. Raum für die Annahme einer völligen Entwurzelung im Hinblick auf seinen Herkunftsstaat besteht sohin nicht.
Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Auch wenn der Beschwerdeführer durchaus gewisse Integrationsbemühungen erkennen hat lassen, wiegt bei einer Gesamtbetrachtung unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 02.09.2019, Ra 2019/20/0407), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers vermag seine persönlichen Interessen nicht entscheidend zu stärken (vgl. VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029) und ist auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer bereits durch den Konsum von Suchtmitteln polizeilich in Erscheinung getreten ist.
Die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessenabwägung schlägt somit im Rahmen einer Gesamtschau zuungunsten des Beschwerdeführers und zugunsten des öffentlichen Interesses an seiner Ausreise aus. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ergibt eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Ausreise als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann und war die von der belangten Behörde erlassene Rückkehrentscheidung daher nicht zu beanstanden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.
3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides, dritter Spruchteil):
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist.
Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2019/19/0399).
Da dem Beschwerdeführer auch keine Flüchtlingseigenschaft zukommt und der Abschiebung keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht, erfolgte die getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak zu Recht.
3.6. Zum Ausspruch über die Frist zur freiwilligen Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Derartige Umstände sind nicht hervorgekommen.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abschiebung Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe Fluchtgründe freiwillige Ausreise Frist Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Interessenabwägung mündliche Verhandlung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I408.2169144.1.00Im RIS seit
27.10.2021Zuletzt aktualisiert am
27.10.2021