Entscheidungsdatum
07.07.2021Norm
BVergG 2018 §2 Z5Spruch
W139 2243795-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER über den Antrag der XXXX vertreten durch Niederhuber & Partner Rechtsanwälte, Wollzeile 24, 1010 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren „Archivierung“, BBG-GZ 2791.03901, der Auftraggeberin Republik Österreich (Bund), vertreten durch den Bundesminister für Finanzen, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien:
A)
Dem Antrag, „das Bundesverwaltungsgericht möge für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens eine einstweilige Verfügung erlassen, in welcher der Auftraggeberin untersagt werde, den Abschluss einer Vereinbarung über die Erbringung von Archivierungsleistungen mit eines von der Antragstellerin fremden Unternehmens durchzuführen“, wird dahingehend stattgegeben, als der Auftraggeberin für die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens untersagt wird, im Vergabeverfahren „Archivierung“, BBG-GZ 2791.03901, den Zuschlag zu erteilen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Vorbringen der Parteien/Verfahrensgang:
1. Am 25.06.2021 stellte die Antragstellerin den gegenständlichen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, verbunden mit den Anträgen ein Verfahren zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidungen einzuleiten, die Zuschlags- und Ausscheidensentscheidung vom 18.06.2021 jeweils für nichtig zu erklären, eine mündliche Verhandlung durchzuführen sowie auf Gebührenersatz der von ihr entrichteten Pauschalgebühren.
Begründend führte die Antragstellerin zusammengefasst im Wesentlichen Folgendes aus:
Das betreffende Vergabeverfahren sei in Form eines Aufrufs zum erneuten Wettbewerb auf Basis der Rahmenvereinbarung „Archivierung“ BBG-GZ: 2701.03835 und der dort gegenständlichen Rahmenvereinbarung durchgeführt worden. Ausgeschrieben sei der Einzelauftrag „Archivierung“ über die Erbringung von Archivierungsdienstleistungen.
Die Antragstellerin beantrage die Einleitung und Durchführung des Nachprüfungsverfahrens bezüglich der gesondert anfechtbaren Entscheidung der Auftraggeberin, wonach diese beabsichtige, der Mitbieterin XXXX den Zuschlag zu erteilen. Gleichzeitig habe die Auftraggeberin der Antragstellerin mit der Zuschlags- und Ausscheidensentscheidung vom 18.06.2021 mitgeteilt, dass eine Prüfung deren Angebotes ergeben hätte, dass dieses auszuscheiden gewesen sei.
Das Angebot der Antragstellerin sei aufgrund des anzuwendenden Billigstbieterprinzips an erster Stelle gereiht, sodass sie bei gesetzes- und ausschreibungskonformer Durchführung des Vergabeverfahrens den Zuschlag erhalten hätte.
Die Antragstellerin bezeichnete ihr Interesse am Vertragsabschluss, den ihr drohenden Schaden und die Rechte, in denen sie sich verletzt erachte.
Zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Ausscheidensentscheidung führte die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass ihre dargelegten betriebswirtschaftlichen Überlegungen XXXX bei der vertieften Angebotsprüfung nicht berücksichtigt worden seien. Die Antragstellerin habe im Leistungsverzeichnis XXXX angeboten, was der Auftraggeberin als nicht plausibel erschienen sei. Im Zuge der beiden Antwortschreiben vom 14. und 17.06.2021 habe die Antragstellerin detailliert dargelegt, XXXX Es sei daher aus betriebswirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt XXXX anzubieten. Darin könne keine spekulative Preisgestaltung oder eine unzulässige Mischkalkulation erblickt werden. XXXX Die Ausscheidensentscheidung sei daher in diesem Punkt aufzuheben.
Es liege auch keine unzulässige Mischkalkulation vor, da die Antragstellerin insbesondere mit dem Schreiben vom 17.06.2021 dargelegt habe, dass XXXX Die Antragstellerin habe plausibel erklärt, dass sie XXXX Diese Erläuterung beziehe sich XXXX In den Aufklärungsrunden habe die Antragstellerin die Plausibilisierung und Erklärung getrennt XXXX vorgenommen. Die Behauptung der Auftraggeberin, dass die Aufklärung eine „klare Mischkalkulation“ ergeben habe, sei unrichtig.
Es werde darauf hingewiesen, dass die von der Antragstellerin bereits im Rahmen des Verfahrens zum Abschluss der Rahmenvereinbarung angebotenen Preise für die Dienstleistung der Archivierung als so günstig eingestuft worden seien, dass es zum Abschluss der gegenständlichen Rahmenvereinbarung mit der Antragstellerin gekommen sei. XXXX Daher verstoße die angefochtene Entscheidung gegen den vergaberechtlichen Grundsatz des freien und lauteren Wettbewerbes.
Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung führte die Antragstellerin im Wesentlichen folgendes aus:
Die Antragstellerin erkläre ihr Vorbringen im Nachprüfungsantrag ausdrücklich auch zum Vorbringen auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Da dem Antrag auf Nachprüfung und Nichtigerklärung keine aufschiebende Wirkung zukomme, hätte die Auftraggeberin die Möglichkeit, mit anderen Mitbietern eine Vereinbarung abzuschließen. Die Antragstellerin würde ihre Chance auf Erhalt des Zuschlages in einem vergaberechtskonformen Verfahren endgültig verlieren. Es drohe dadurch ein bedeutender Schaden in der Höhe frustrierter Aufwendungen und in Gestalt des Verlusts eines notwendigen Referenzprojekts. Die Antragstellerin beantrage daher die vorübergehende Untersagung des Abschlusses einer Vereinbarung über die Erbringung von Archivierungsleistungen. Die Erlassung der einstweiligen Verfügung stelle weder für die Auftraggeberin noch für sonstige Bieter eine unverhältnismäßige Belastung dar. Ein besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens bestehe nicht und stelle die Untersagung des Abschlusses einer Vereinbarung das gelindeste Mittel dar.
2. Am 01.07.2021 erteilte die Auftraggeberin zunächst allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung führte die Auftraggeberin zusammengefasst aus, dass das besondere Interesse der Auftraggeberin an der Fortführung des Verfahrens darin bestehe, dass ein dringender Beschaffungsbedarf bestehe, da die gegenständliche Beschaffung zur Erfüllung der gesetzlich bestimmten Aufgaben der Auftraggeberin benötigt werde. Es könne nicht beurteilt werden, ob Interessen sonstiger Bieter durch die Erlassung der einstweiligen Verfügung beeinträchtigt werden. Aufgrund des dringenden Beschaffungsbedarfs der Auftraggeberin werde im Falle der Erlassung der Einstweiligen Verfügung um Beschränkung dieser auf die gesetzlich vorgesehene Höchstdauer eines Nachprüfungsverfahrens, sohin auf sechs Wochen ab Erlass der einstweiligen Verfügung, ersucht.
3. Mit Schriftsatz vom 01.07.2021 äußerte sich die präsumtive Zuschlagsempfängerin und führte zur beantragten Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus, die Antragstellerin habe den Schaden nicht schlüssig dargestellt. Dagegen drohe der präsumtiven Zuschlagsempfängerin bei Erlassung der einstweiligen Verfügung ein Schaden, da sie bereits entsprechende Vorbereitungshandlungen zur Erfüllung der aufgrund des Zuschlags abzuwickelnden Lieferungen und Leistungen bzw. Einzelrechtsgeschäfte getätigt habe, weswegen sie anrege, dem betreffenden Antrag nicht nachzukommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt:
Aufgrund der vorgelegten Stellungnahmen sowie der Bezug nehmenden Beilagen und Unterlagen des Vergabeverfahrens wird vorerst im Rahmen des Provisorialverfahrens folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt festgestellt:
Die Republik Österreich (Bund), die Bundesbeschaffung GmbH sowie alle weiteren Auftraggeber gemäß der den Ausschreibungsunterlagen beiliegenden Kundenliste schrieben unter der Bezeichnung „Archivierung“ BBG-GZ: 2701.03835, einen Dienstleistungsauftrag im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip mit dem Ziel des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung mit vier Unternehmern über die Erbringung von Archivierungsdienstleistungen in ganz Österreich für öffentliche Auftraggeber aus. An diesem Vergabeverfahren beteiligte sich unter anderem die Antragstellerin. Die Rahmenvereinbarung wurde am 26.04.2021 unter anderem mit der Antragstellerin abgeschlossen.
Mit erneutem Aufruf zum Wettbewerb zur Abgabe eines neuerlichen Angebotes für den konkretisierten unter der Bezeichnung „Archivierung“, BBG-GZ 2791.03901, geführten Einzelauftrag der Republik Österreich (Bund) wurde unter anderem die Antragstellerin eingeladen, ein Angebot auf Grundlage der ursprünglichen, nunmehr vervollständigten Bedingungen der Rahmenvereinbarung zu legen. Die Antragstellerin legte fristgerecht ein Angebot.
Am 18.06.2021 wurde der Antragstellerin über die Vergabeplattform mitgeteilt, dass ihr Angebot auszuscheiden sei. Begründend wurde ausgeführt, dass hinsichtlich des Angebotes der Antragstellerin eine spekulative Preisgestaltung und eine unzulässige Mischkalkulation vorliege. Unter einem wurde überdies über die Vergabeplattform mitgeteilt, dass die Auftraggeberin aufgrund der Ergebnisse der Billigstbieterermittlung beabsichtige, den Zuschlag an die XXXX zu erteilen.
Mit Schriftsatz vom 25.06.2021, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am selben Tag, brachte die Antragstellerin den gegenständlichen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbunden mit einem Nachprüfungsantrag gegen die Ausscheidens- und Zuschlagsentscheidung vom 18.06.2021 ein. Die Antragstellerin entrichtete die Pauschalgebühr in entsprechender Höhe.
Es wurde weder der Zuschlag erteilt noch wurde eine Widerrufsentscheidung bekanntgegeben oder der Widerruf erklärt.
2. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung
1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zur Zulässigkeit des Antrages
Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs 1 BVergG 2018 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Somit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Republik Österreich (Bund), vertreten durch den Bundesminister für Finanzen.
Bei der gegenständlichen Vergabe aufgrund einer Rahmenvereinbarung nach Erneutem Aufruf zum Wettbewerb handelt es sich gemäß § 7 BVergG 2018 um einen Dienstleistungsauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt gemäß den Angaben der Auftraggeberin unter dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 2 BVergG 2018, sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich handelt.
Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und damit zur Erlassung einstweiliger Verfügungen und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 334 Abs 2 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 B-VG ist sohin gegeben.
Da darüber hinaus laut Stellungnahme der Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs 2 BVergG zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen eines Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.
Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 350 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen.
Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde in entsprechender Höhe bezahlt (§ 318 Abs 1 Z 1 und 4 BVergG 2018 iVm § 1 BVwG-PauschGebV Vergabe). Der Nachprüfungsantrag richtet sich gegen die Ausscheidensentscheidung sowie die Entscheidung, welchem Unternehmer der Zuschlag erteilt werden soll. Dabei handelt es sich um gesondert anfechtbare Entscheidungen gemäß § 2 Z 15 lit a sublit jj BVergG 2018. An dieser Stelle darf in Erinnerung gerufen werden, dass gemäß Art 1 Abs 1 der Rechtsmittelrichtlinie Aufträge im Sinne der Richtlinie ua auch Rahmenvereinbarungen umfassen und damit der Rechtsschutz jenem der Vergabe von Aufträgen gleichgestellt wird (ua BVwG 10.06.2020, W187 2231549-1/2E).
2. Inhaltliche Beurteilung des Antrages
Gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
Gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
Gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
Gemäß § 351 Abs 4 BVergG 2018 ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.
Die Antragstellerin behauptet die Rechtswidrigkeit der Ausscheidensentscheidung und der Entscheidung der Auftraggeberin, der Bieterin XXXX den Zuschlag im unter der Bezeichnung „Archivierung“, BBG-GZ 2791.033901, geführten Vergabeverfahren nach Erneutem Aufruf zum Wettbewerb erteilen zu wollen. Diese Behauptung erscheint zumindest nicht denkunmöglich. Über die inhaltliche Begründetheit ist im Provisorialverfahren schon angesichts der kurzen Entscheidungsfrist nicht abzusprechen (siehe etwa VwGH 04.11.2013, AW 2013/04/0045). Diese wird im Hauptverfahren durch den zuständigen Senat zu beurteilen sein.
Da bei Zutreffen der Behauptung der Antragstellerin die Zuschlagserteilung an die präsumtive Zuschlagsempfängern rechtswidrig sein könnte und der Antragstellerin bei Fortführung des Vergabeverfahrens die Vereitelung einer Zuschlagschance mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht, ist es erforderlich, das Vergabeverfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand zu halten, der die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht ins Leere laufen lässt und der die grundsätzliche Möglichkeit der Auftragserteilung an die Antragstellerin im Rahmen eines vergaberechtskonformen Verfahrens wahrt (siehe zum Zweck einer einstweiligen Verfügung auch EBRV 69 BlgNr XXVI. GP 203).
Im Rahmen der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin ua auf finanzielle Einbußen, nämlich ua die frustrierten Kosten der Rechtsvertretung und der Angebotserstellung, sowie auf den Verlust eines notwendigen Referenzprojektes verweist. Am Vorliegen dieses drohenden Schadens besteht dem Grunde nach kein Zweifel. Die entsprechende Behauptung ist plausibel. Ins Einzelne gehende (genaueste) Darlegungen sind nicht geboten (siehe VwGH 22.06.2011, 2009/04/0128; VwGH 24.02.2006, 2004/04/0127). Beim Verlust eines Referenzprojektes handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um einen im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigenden (Vermögens)Nachteil (VwGH 14.04.2011, 2008/04/0065; BVwG 20.03.2014, W139 2003185-1/11E; BVA 21.02.2007, N/0012-BVA/07/2007-13; BVA 09.06.2010, N/0008-BVA/02/2010-7 uva).
Im Rahmen der Interessenabwägung ist darüber hinaus auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs hinsichtlich des Vorrangs des primären – durch Nichtigerklärung rechtswidriger Auftraggeberentscheidungen zu gewährleistenden – Rechtsschutzes (EuGH 28.10.1999, Rs C-81/98, Alcatel Austria AG ua; 18.06.2002, Rs C-92/00, Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik Planungs-Gesellschaft mbH) sowie die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs Bedacht zu nehmen, wonach in der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter ein öffentliches Interesse liegt (VfGH 25.10.2002, B1369/01; siehe insb. bereits BVA 25.01.2002, N-128/01-45 uvm).
Die Auftraggeberin führt aus, dass ein besonderes Interesse der Auftraggeberin an der Fortführung des Verfahrens darin bestehe, dass ein dringender Beschaffungsbedarf vorliege, da die gegenständliche Beschaffung zur Erfüllung der gesetzlich bestimmten Aufgaben benötigt werde. Die Auftraggeberin habe die Dauer eines möglichen Nachprüfungsverfahrens im Rahmen des Vergabeverfahrens im Ausmaß der gesetzlich vorgesehenen Entscheidungsfrist von sechs Wochen in der Planung des Vergabeverfahrens berücksichtigt. Aufgrund des dringenden Beschaffungsbedarfs der Auftraggeberin werde im Falle der Erlassung der Einstweiligen Verfügung um Beschränkung dieser auf die gesetzlich vorgesehene Höchstdauer eines Nachprüfungsverfahrens, sohin auf sechs Wochen ab Erlass der einstweiligen Verfügung, ersucht.
Mit ihrem Vorbringen beschränkt sich die Auftraggeberin auf einen allgemeinen Verweis auf die Dringlichkeit der gegenständlichen Beschaffung, ohne die drohende Beeinträchtigung ihrer oder sonstiger Interessen durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung substantiiert zu begründen, näher zu determinieren und zu belegen. Das Vorbringen kann damit nicht Grundlage einer Interessenabwägung sein (ua BVwG 01.03.2019, W131 2214957-1/3E; BVwG 13.12.2018, W131 2210854-1/2E; 16.11.2018, W139 2209121-1/9E; Kahl in Gast (Hrsg.), BVergG-Leitsatzkommentar, E 1, 37 zu § 351).
Die präsumtive Zuschlagsempfängerin sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus und führte die aus ihrer Sicht gegen die Erlassung sprechenden Interessen an (= bereits erfolgte Vorbereitungshandlungen). Abgesehen davon, dass eine nähere Determinierung der möglicherweise geschädigten Interessen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin unterblieb, ist zu berücksichtigen, dass im gegebenen Umfeld jeder Bieter gewisse (Vorhalte)Kosten trägt und sich diese von der Art mit jenen der Antragstellerin decken werden, weswegen die subjektiven Interessen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin einen vergabespezifischen Rechtsschutz insofern nicht verhindern können (siehe BVwG 07.11.2014, W187 2013567-1/3E). Soweit die Vorbereitungshandlungen möglicherweise aber sogar darüber hinaus gehen, ist festzuhalten, dass ein hieraus entstandener Schaden schon insofern nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ins Treffen geführt werden kann, als diese Leistungen als überschießend anzusehen wären, da sich das Vergabeverfahren gerade noch nicht im Stadium nach Zuschlagserteilung befindet.
Im Übrigen sind dem Bundesverwaltungsgericht keine möglicherweise geschädigten Interessen sonstiger Bieter sowie sonstige besondere öffentliche Interessen, die zum derzeitigen Zeitpunkt gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung sprechen würden, bekannt und wurden solche auch nicht bezeichnet.
Unter Zugrundelegung obiger Überlegungen ist somit mangels substantiiert vorgebrachter und mangels sonst erkennbarer gegenteiliger Interessen ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 nicht anzunehmen, sondern vielmehr das Interesse der Antragstellerin an der Prüfung der angefochtenen Entscheidung der Auftraggeberin als überwiegend anzusehen, weswegen die im Spruch ersichtliche Sicherungsmaßnahme als gelindeste noch zum Ziel führende Maßnahme iSd § 351 Abs 3 BVergG 2018 auszusprechen war, als damit die Schaffung von unumkehrbaren Tatsachen zum Nachteil der Wettbewerbsposition der Antragstellerin im gegenständlichen Vergabeverfahren vermieden wird. Die Antragstellerin begehrte die Untersagung des Vertragsabschlusses, worunter unmissverständlich die Untersagung der Zuschlagserteilung zu verstehen ist (§ 2 Z 49 BVergG 2018).
Zur Dauer der Provisorialmaßnahme ist auszuführen, dass nach nunmehr ständiger Rechtsprechung eine einstweilige Verfügung mit der Dauer des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 351 Abs 4 BVergG 2018 als hinreichend befristet zu bewerten ist (ua BVwG 10.01.2014, W187 2000170-1/11; BVwG 20.03.2014, W139 2003185-1/11E; BVwG 23.10.2014, W114 2013254-1/6E; BVA 10.02.2011, N/0011-BVA/10/2011-9, BVA 10.05.2011, N/0035-BVA/08/2011-12 mwN; siehe auch VwGH 10.12.2007, AW 2007/04/0054). Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit und legt keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, und zwar der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Die Auftraggeberin und die präsumtive Zuschlagsempfängerin sind durch eine derartige Bestimmung der Dauer nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichtes davon nicht verlängert wird, bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung jederzeit deren Aufhebung beantragt werden kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum festgesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 04.05.2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10.12.2007, AW 2007/04/0054).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu VwGH 06.11.2002, 2002/04/0138; 30.06.2004, 2004/04/0028; 01.02.2005, 2005/04/0004; 29.06.2005, 2005/04/0024; 24.02.2006, 2004/04/0127; 01.03.2007, 2005/04/0239; 27.06.2007, 2005/04/0254; 29.02.2008, 2008/04/0019; 14.01.2009, 2008/04/0143; 14.04.2011, 2008/04/0065; 22.06.2011, 2009/04/0128; 29.09.2011, 2011/04/0153; 10.12.2007, AW 2007/04/0054) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ist die Rechtslage klar und eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (siehe VwGH 12.11.2020, Ra 2020/16/0159). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Ausscheidensentscheidung Dauer der Maßnahme Dienstleistungsauftrag einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist Interessenabwägung Mischkalkulation Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen öffentlicher Auftraggeber Plausibilität Provisorialverfahren Rahmenvereinbarung Schaden spekulativer Preis Untersagung der Zuschlagserteilung Vergabeverfahren Verhandlungsverfahren vertiefte Angebotsprüfung Zuschlagsverbot für die Dauer des NachprüfungsverfahrensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W139.2243795.1.00Im RIS seit
27.10.2021Zuletzt aktualisiert am
27.10.2021