Entscheidungsdatum
14.07.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I422 2240108-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , StA. Tunesien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Benno WAGENEDER, Promenade 3, 4910 Ried im Innkreis, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 26.05.2021, Zl. 317741210-180818962, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Aufgrund der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung eines tunesischen Staatsangehörigen (in Folge: Beschwerdeführer) leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: belangte Behörde) am 07.09.2018 ein fremdenpolizeiliches Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot ein.
Mit Bescheid vom 18.10.2018 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung, sie erklärte seine Abschiebung nach Tunesien für zulässig und räumte ihm keine Frist für die freiwillige Ausreise ein. Zugleich erließ sie über ihn ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot und erkannte einer gegen die Rückkehrentscheidung erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab.
Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 08.03.2021, zu GZ: I403 2240108-1 aufgrund des Vorliegens eines Zustellungsmangels und mangels daraus resultierender rechtswirksamer Erlassung des Bescheides als unzulässig zurück.
Die belangte Behörde stellte eine erneute „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“, datiert mit 15.03.2021, postalisch an den Beschwerdeführer zu. In diesem Schreiben wurde dieser darüber informiert, dass die belangte Behörde die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme überprüfe. Auf diese Verständigung langte am 30.03.2021 eine schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers ein.
Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 26.05.2021, Zl. 317741210-180818962 erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), erließ über ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und erklärte seine Abschiebung nach Tunesien für zulässig (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde räumte ihm keine Frist für seine freiwillige Ausreise ein (Spruchpunkt IV.) und erkannte einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der der Beschwerdeführer im Wesentlichen anführte, dass sein seit 2005 bestehendes Privat- und Familienleben die öffentlichen Interessen an seiner Aufenthaltsbeendigung überwiegen. Nach seiner Haftentlassung sei ihm der Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz im österreichischen Bundesgebiet leichter möglich als in Tunesien. Zudem könne er nach seiner Haftentlassung seine Kinder in Deutschland besuchen. Des Weiteren sei seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht erforderlich, zumal er bis September 2019 im Besitz einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus gewesen sei, er von 2005 bis 2018 mit Unterbrechungen gearbeitet habe und er auch nach seiner Haftentlassung eine umgehende Beschäftigung anstrebe.
Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht samt Akteninhalt am 01.07.2021 zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist tunesischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest. Er leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, ist erwerbs- und arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer wurde in Hammam Lif, Tunesien geboren, wo er auch aufgewachsen ist. In seinem Herkunftsstaat absolvierte der Beschwerdeführer eine Schulausbildung, eine Lehre zum Metallbearbeitungstechniker und arbeitete als Installateur sowie als Maler. Zuletzt war er in seinem Herkunftsstaat im Fremdenverkehr tätig, wo er unter anderem als Ton- und Lichttechniker sowie als Discjockey in verschiedenen Hotels und Discos arbeitete. Die Eltern des Beschwerdeführers sind bereits verstorben. Zu seinen in Tunesien aufhältigen Verwandten hat der Beschwerdeführer keinen Kontakt. Letztmalig reiste der Beschwerdeführer im Jahr 2015 nach Tunesien.
Anfang des Jahres 2005 reiste der Beschwerdeführer in das österreichische Bundesgebiet ein. Er war vom 14.01.2005 bis zum 21.07.2007 und vom 14.01.2008 bis zum 14.11.2018 mit Hauptwohnsitz im österreichischen Bundesgebiet gemeldet und hat im Zeitraum vom 02.11.2005 bis zum 30.04.2018 mit Unterbrechungen in Österreich gearbeitet. Sein Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet war während dieses Zeitraums rechtmäßig und fußte zuletzt auf dem Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot Karte Plus“, der bis zum 23.09.2019 gültig war. Im Herbst 2018 hielt sich der Beschwerdeführer in Frankreich auf. Er wurde in weiterer Folge in Deutschland angehalten und von dort aus zur Vollziehung einer Haftstrafe nach Österreich ausgeliefert. Seit 22.11.2019 ist der Beschwerdeführer aufgrund der Verbüßung einer Haftstrafe erneut im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Vom 22.11.2019 bis zum 09.01.2020 in der Justizanstalt Urstein und seit 09.01.2020 in der Justizanstalt Sonnberg.
Im Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anbindungen. Maßgebliche privaten Anbindungen an das Bundesgebiet liegen nicht vor und besteht auch kein besonderes Nahe- oder ein Abhängigkeitsverhältnis zu einer im österreichischen Bundesgebiet aufhältigen Person.
Der Beschwerdeführer verfügt im Schengenraum über familiäre Anknüpfungspunkte und ist er für vier minderjährige, in Deutschland wohnhafte Kinder aus einer früheren Beziehung unterhaltspflichtig.
Der Beschwerdeführer weist im österreichischen Bundesgebiet nachstehende strafgerichtliche Verurteilung auf:
Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom XXXX , zu XXXX wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB und des Vergehens eines Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt.
Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Beschwerdeführer hat in der Zeit vom Sommer 2006 bis Anfang Oktober 2007 in A.
I. In wiederholten, zumindest fünfmaligen Angriffen mit der am XXXX geborenen somit unmündigen A. R. den Beischlaf, und, indem er von ihr den Oralverkehr an sich vornehmen ließ, dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen;
II. Durch die unter I. angeführten Taten mit seinem minderjährigen Stiefkind A. R. eine geschlechtliche Handlung vorgenommen oder von einer solchen Person an sich vornehmen lassen.
Bei der Strafbemessung wertete das Strafgericht als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel sowie das Wohlverhalten des Angeklagten seit 2007, hingegen das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen als erschwerend.
Nach zweiseitiger Berufung wurde die Dauer der ausgesprochenen Strafe mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz XXXX vom XXXX auf zwei Jahre und zehn Monate angehoben.
1.2. Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
Tunesien ist ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne der Herkunftsstaaten-Verordnung und stellt sich die Lage in Tunesien im Wesentlichen wie folgt dar:
COVID-19:
Aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19), kommt es zu Einschränkungen im Flug- und Reiseverkehr und es ist mit weitgehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben zu rechnen (BMEIA 10.3.2021; vgl. AA 10.3.2021). Es gilt eine landesweite Ausgangssperre von 22:00 bis 05:00 Uhr, und generell gilt die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasenschutzes sowie eine Distanzpflicht im öffentlichen Raum (BMEIA 10.3.2021). Nach einem starken Anstieg der Infektionszahlen seit Herbst 2020 ist zuletzt eine rückläufige Tendenz zu verzeichnen. Tunesien wird als Risikogebiet eingestuft. Regionale Schwerpunkte sind der Großraum Tunis sowie Gabès. Aktuelle und detaillierte Zahlen bieten das tunesische Gesundheitsministerium und die Weltgesundheitsorganisation (AA 10.3.2021).
Allgemeine Menschenrechtslage:
Die tunesische Verfassung vom 26.1.2014 enthält umfangreiche Garantien bürgerlicher und politischer sowie wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Grundrechte. Tunesien hat die meisten Konventionen der Vereinten Nationen zum Schutz der Menschenrechte einschließlich der entsprechenden Zusatzprotokolle ratifiziert. Vereinzelt noch bestehende Vorbehalte wurden 2011 größtenteils zurückgezogen. Eine ständige Herausforderung bleibt die Anpassung der nationalen Rechtsordnung an die neue Verfassung (AA 19.2.2021). Im Jahr 2020 machte das Parlament keine Fortschritte bei der Reform von Gesetzen, die Menschenrechte verletzen oder bedrohen (HRW 13.1.2021).
Tunesien verfügt über eine Reihe an Institutionen, die sich mit Menschenrechten befassen. Das Land schneidet allerdings auch nach dem Umbruch in den Berichten internationaler Menschenrechtsorganisationen regelmäßig schlecht ab. Eingeschränkte Presse- und Meinungsfreiheit, Folter von Häftlingen und Attacken gegen Oppositionelle listet der aktuelle Jahresbericht von Amnesty International auf. Seit dem Sturz Ben Alis hat sich die Situation zwar gebessert, allerdings kommt es nach wie vor zu Menschenrechtsverletzungen, so die Internationale Menschenrechtsliga (FIDH) (GIZ 11.2020a).
Im Vergleich zu den weitreichenden Einschränkungen von Meinungs- und Pressefreiheit vor der Revolution 2011 haben sich die Bedingungen für unabhängige Medienberichterstattung in den letzten Jahren allerdings grundlegend verbessert. Es wurden wichtige rechtliche Grundlagen zum Schutz der freien Presse geschaffen und offizielle und informelle Strukturen, die zur Unterdrückung freier Meinungsäußerung eingesetzt wurden, größtenteils abgeschafft. Die Meinungs- und Pressefreiheit, sowie auch das Recht auf Zugang zu Informationen und Kommunikationsnetzwerken wurden in den Artikeln 31 und 32 der Verfassung von 2014 ausdrücklich gestärkt. Die Medien berichten - in unterschiedlicher Qualität - frei und offen (AA 19.2.2021; vgl. FH 3.3.2021). Die Öffnung der Medienszene hat in den letzten Jahren zum Entstehen einer lebendigen, teilweise wildwüchsigen Medienlandschaft geführt, die Missstände offen thematisiert (AA 19.2.2021).
Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit somit gewährleistet und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen, wie wohl es weiterhin Restriktionen gibt (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 3.3.2021). Diese Einschränkungen finden sich z. B. in Bezug auf sicherheitsrelevante Themen. Seit den Ausweitungen der Antiterrormaßnahmen hat sich diese Tendenz verstärkt. Journalisten und Blogger, die Kritik an Sicherheitskräften üben, müssen weiterhin mit Strafen rechnen (AA 19.2.2021). Mit der Verlängerung des Ausnahmezustands um weitere sechs Monate, verfügen nun auch die Sicherheitskräfte über erweiterte Befugnisse, was unter anderem zur Einschränkung der Pressefreiheit führen kann (BAMF 11.1.2021).
Während Online- und Printmedien häufig regierungskritische Artikel veröffentlichen, üben Journalisten und Aktivisten dennoch zeitweise Selbstzensur als Resultat von Gewaltakten gegen Journalisten. Meinungsäußerungen, welche "die öffentliche Ordnung oder Moral verletzen" oder "absichtlich Personen stören, auf eine Art und Weise, die den öffentlichen Anstand beleidigen" stehen weiterhin unter Strafe (USDOS 11.3.2020).
Ebenso existieren weiterhin Einschränkungen bei der Kritik an der Religion. Rechtlich verankert ist dies u.a. in Artikel 6 der Verfassung, der den "Schutz des Sakralen" garantiert. Es kommt immer wieder zu einzelnen Fällen von fragwürdiger Strafverfolgung von Journalisten und freischaffenden Bloggern (AA 19.2.2021). Entsprechende Verfahren gegen Zivilisten werden oft von Militärgerichten geführt – eine Praxis, die von tunesischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert wird (FH 3.3.2021; vgl. AA 19.2.2021). Am 4.5.2020 lud die Kriminalpolizei Emna Chargui vor, nachdem sie auf Facebook einen kurzen Text mit dem Titel "Sura Corona" gepostet hatte, geschrieben und formatiert im Stil eines Koranverses (Sure). Der Staatsanwalt beschuldigte Chargui der "Aufstachelung zum Hass zwischen den Religionen durch feindselige Mittel oder Gewalt" gemäß Artikel 52 des Pressefreiheitsdekret-Gesetzes. Am 17.7.2020 verurteilte ein Gericht der ersten Instanz in Tunis Chargui zu sechs Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe (HRW 13.1.2021).
Einige Journalisten sind im Zusammenhang mit ihrer Arbeit Druck und Einschüchterung durch Regierungsbeamte ausgesetzt. Reporter, die über die Sicherheitskräfte berichten, sind weiterhin besonders anfällig für Schikanen und Verhaftungen (FH 3.3.2021). Die Behörden stützten sich auf repressive Bestimmungen des Strafgesetzbuches sowie auf andere Gesetze, um Meinungsäußerungen zu bestrafen, darunter auch Kritik an Amtsträgern. Zwei Social-Media-Aktivisten wurden im April 2020 verhaftet und angeklagt, weil sie sich auf Facebook kritisch über die ihrer Meinung nach unzureichende oder korrupte Reaktion der Regierung auf die durch die Covid-19-Pandemie verursachte finanzielle Notlage äußerten (HRW 13.1.2021; vgl. FH 3.3.2021). Im November 2020 wurde ein Blogger zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt, weil er sich in einem Facebook-Video kritisch über einen Staatsanwalt geäußert hatte (FH 3.3.2021).
Im Vorfeld der Wahlen 2019 äußerten tunesische Journalisten ihre Besorgnis über den Einfluss der Regierung auf die öffentliche Rundfunkanstalt (FH 3.3.2021).
Die Verfassung garantiert das Recht auf friedliche Versammlungen und Demonstrationen (FH 3.3.2021; vgl. AA 19.2.2021, USDOS 11.3.2020). Zu Einschränkungen kommt es mehrfach aufgrund des weiterhin gültigen Ausnahmezustands. Die Übergänge zwischen legitimen Protesten gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik einerseits und periodisch auftretenden gewaltsamen Ausschreitungen und Plünderungen andererseits sind oft fließend. Grundsätzlich ist jedoch festzustellen, dass die Sicherheitsorgane friedliche Versammlungen und Demonstrationen in der Regel zuverlässig schützen, aber bei Rechtsverletzungen auch entsprechend robust auftreten. Nur vereinzelt kommt es dabei zu unverhältnismäßigem Einsatz polizeilicher Mittel (AA 19.2.2021).
Die Versammlungsfreiheit wurde auch unter den COVID-19-bezogenen Notstandsmaßnahmen Ende März 2020 eingeschränkt, die zunächst alle Versammlungen untersagten. Das Protestverbot wurde im November 2020 in eine weitere Anordnung aufgenommen, aber die Beschränkungen für Massenversammlungen wurden in einer Anordnung vom Dezember 2020 wieder gelockert. Dennoch kam es im Mai 2020 zu kleineren Protesten. Ende Juni 2020 protestierten Demonstranten in der Stadt Tataouine gegen die hohe Arbeitslosigkeit und stießen mit den Behörden zusammen, nachdem ein Aktivist festgenommen worden war. Das Innenministerium berichtete von zehn Verhaftungen nach diesen Zusammenstößen. Im Oktober 2020 protestierten Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude in Tunis gegen einen Gesetzesvorschlag, der dem Sicherheitspersonal Immunität gewähren würde; die Teilnehmer wurden von den Sicherheitskräften körperlich angegriffen und mehrere wurden festgenommen. Andere Demonstrationen verliefen im Laufe des Jahres jedoch ohne gewaltsames Eingreifen (FH 3.3.2021).
Vereinigungsfreiheit ist gesetzlich gewährleistet (FH 3.3.2021; vgl. AA 19.2.2021, USDOS 11.3.2020). Im Zuge der Bekämpfung von Terrorismus und Geldwäsche wird derzeit eine Reform des Vereinsrechts vorbereitet, die von der tunesischen Zivilgesellschaft sehr kritisch beobachtet wird, hinsichtlich ihrer abschließenden Gestalt aber noch nicht beurteilt werden kann (AA 19.2.2021).
Die primäre Behörde der Regierung zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und zum Kampf gegen Bedrohungen der Menschenrechte ist das Justizministerium. Das Ministerium versagt allerdings dabei, Fälle von Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Innerhalb des Präsidentenbüros ist der Hohe Ausschuss für Menschenrechte und Grundfreiheiten eine von der Regierung finanzierte Agentur, die mit der Überwachung der Menschenrechte und der Beratung des Präsidenten betraut ist. Das Ministerium für die Beziehungen zu den Verfassungsorganen, der Zivilgesellschaft und den Menschenrechten ist für die Koordinierung der Regierungsaktivitäten im Zusammenhang mit den Menschenrechten zuständig. Die Wahrheits- und Würdekommission (IVD) wurde 2014 gegründet, um schwere Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen (USDOS 11.3.2020). Anfang 2018 stimmte das Parlament gegen eine Verlängerung des Mandats der Kommission, eine Entscheidung, die sich kritisch äußerte, weil sie die Bemühungen um eine Übergangsjustiz schwächte. Die Kommission legte ihren Abschlussbericht im März 2019 vor und veröffentlichte ihn offiziell im Juni 2020. Sie stützte sich dabei auf mehr als 62.000 Beschwerden, die tunesische Bürger wegen Menschenrechtsverletzungen gegen den Staat eingereicht hatten. Tunesische Gerichte prüften zum Jahresende 69 Anklagen und 131 Überweisungen der IVD (FH 3.3.2021).
Rückkehr:
Es gibt keine speziellen Hilfsangebote für Rückkehrer. Soweit bekannt, werden zurückgeführte tunesische Staatsangehörige nach Übernahme durch die tunesische Grenzpolizei einzeln befragt und es erfolgt ein Abgleich mit den örtlichen erkennungsdienstlichen Registern. Sofern keine innerstaatlichen strafrechtlich relevanten Erkenntnisse vorliegen, erfolgt anschließend eine reguläre Einreise. Hinweise darauf, dass, wie früher üblich, den Rückgeführten nach Einreise der Pass entzogen und erst nach langer Wartezeit wieder ausgehändigt wird, liegen nicht vor. An der zugrundeliegenden Gesetzeslage für die strafrechtliche Behandlung von Rückkehrern hat sich indes nichts geändert. Sollte ein zurückgeführter tunesischer Staatsangehöriger sein Land illegal verlassen haben, ist mit einer Anwendung der Strafbestimmung in §35 des Gesetzes Nr. 40 vom 14.5.1975 zu rechnen: „Jeder Tunesier, der beabsichtigt, ohne offizielles Reisedokument das tunesische Territorium zu verlassen oder zu betreten, wird mit einer Gefängnisstrafe zwischen 15 Tagen und sechs Monaten sowie einer Geldstrafe zwischen 30 und 120 DT (ca. 15 bis 60 Euro) oder zu einer der beiden Strafarten verurteilt. Bei Wiederholung der Tat (Rückfälligkeit) kann sich das im vorhergehenden Absatz aufgeführte Strafmaß für den Täter verdoppeln.“ Soweit bekannt, wurden im vergangenen Jahr ausschließlich Geldstrafen verhängt. Die im Gesetz aufgeführten Strafen kommen dann nicht zur Anwendung, wenn Personen das tunesische Territorium aufgrund höherer Gewalt oder besonderer Umstände ohne Reisedokument betreten (AA 19.2.2021).
Eine „Bescheinigung des Genusses der Generalamnestie“ wird auf Antrag vom Justizministerium ausgestellt und gilt als Nachweis, dass die in dieser Bescheinigung ausdrücklich aufgeführten Verurteilungen - kraft Gesetz - erloschen sind. Eventuelle andere, nicht aufgeführte zivil- oder strafrechtliche Verurteilungen bleiben unberührt. Um zweifelsfrei festzustellen, ob gegen eine Person weitere Strafverfahren oder Verurteilungen vorliegen, kann ein Führungszeugnis (das sog. „Bulletin Numéro 3“) beantragt werden (AA 19.2.2021).
Seit der Revolution 2011 sind tausende Tunesier illegal emigriert. Vor allem junge Tunesier haben nach der Revolution das Land verlassen, kehren nun teilweise zurück und finden so gut wie keine staatliche Unterstützung zur Reintegration. Eine kontinuierliche Quelle der Spannung ist die Diskrepanz zwischen starkem Migrationsdruck und eingeschränkten legalen Migrationskanälen. Die Reintegration tunesischer Migranten wird durch eine Reihe von Projekten von IOM unterstützt. Sowohl IOM als auch der UNHCR übernehmen die Registrierung, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in Tunesien. Finanzielle Hilfe dafür kommt hauptsächlich von der EU, sowie aus humanitären Programmen der Schweiz und Norwegens. Die Schweiz ist dabei einer der größten Geber und verfügt über zwei Entwicklungshilfebüros vor Ort. Wesentlich für eine erfolgreiche Reintegration ist es, rückkehrenden Migranten zu ermöglichen, eine Lebensgrundlage aufzubauen. Rückkehrprojekte umfassen z.B. Unterstützung beim Aufbau von Mikrobetrieben, oder im Bereich der Landwirtschaft. Als zweite Institution ist das ICMPD [International Centre for Migration Policy Development] seit 2015 offizieller Partner in Tunesien im Rahmen des sogenannten „Dialog Süd“ – Programms (EUROMED Migrationsprogramm) (ÖB 1.10.2020).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde und den Gerichtsakten zu GZ: I403 2240108-1 sowie zu GZ: I422 2240108-2, unter zentraler Berücksichtigung des Bescheides der belangten Behörde vom 18.10.2018, der dagegen eingebrachten Bescheidbeschwerde vom 23.02.2021 und des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.03.2021, zu GZ: I403 2240108-1/3E sowie der seitens des Beschwerdeführers eingebrachten Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme vom 30.03.2021, der Vorlage von Lichtbildern vom 29.04.2021, des verfahrensgegenständlichen Bescheides vom 26.05.2021 und der Angaben im Beschwerdeschriftsatz vom 25.06.2021. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Betreuungsinformationssystems über die Grundversorgung (GVS), des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger (AJ-Web) und des Strafregisters eingeholt.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seiner Identität ergeben sich aus den glaubhaften Ausführungen des Beschwerdeführers in seinen Stellungnahmen und einer sich im Verwaltungsakt befindlichen Kopie seines tunesischen Reisepasses.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten leidet, begründet sich aus den Ausführungen in der Bescheidbeschwerde vom 23.02.2021. In dieser verwies der Beschwerdeführer darauf, dass der Beschwerdeführer an Borreliose und an nervlichen Problemen leide und er sich zur Durchführung von Tests in Frankreich aufgehalten habe. Als Nachweis für seinen Aufenthalt in Frankreich legte der Beschwerdeführer eine ärztliche Verschreibung des Hôpitaux Universitaires Paris Nord Val de Seine vom 01.10.2018, eine Rechnung vom 17.10.2018 und die Quittung einer Apotheke vom 22.11.2018 vor. Aktuelle medizinische Befunde, die sein Vorbringen belegen und aus den sich das Vorliegen einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung ergibt, wurden im gegenständlichen Verfahren nicht vorgelegt und wurde den dahingehenden Feststellungen im verfahrensgegenständlichen Bescheid in der Beschwerde auch nicht entgegengetreten. Aus der Zusammenschau seines Alters, seines Gesundheitszustandes und den bisherigen beruflichen Tätigkeiten resultiert die Feststellung zu seiner Erwerbs- und Arbeitsfähigkeit.
Die Feststellungen zu seiner Herkunft, seiner Schul- und Berufsausbildung und zu seinen bisherigen beruflichen Tätigkeiten ergeben sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben in der Stellungnahme vom 30.03.2021. In dieser Stellungnahme verwies der Beschwerdeführer auch, dass seine beiden Eltern bereits verstorben seien und er letztmalig im Jahr 2015, anlässlich der Beerdigung seiner Mutter, nach Tunesien gereist sei. Glaubhaft werden auch die Angaben in der Stellungnahme vom 30.03.2021 erachtet, wonach der Beschwerdeführer zu seinen in Tunesien aufhältigen Verwandten keinen Kontakt habe.
Die Feststellung zur Einreise des Beschwerdeführers in das österreichische Bundesgebiet fußt auf der Zusammenschau seiner Ausführungen in der Stellungnahme vom 30.03.2021 mit einem aktuellen Auszug des Zentralen Melderegisters. Aus Letzterem leitet sich auch die Feststellung zu seiner melderechtlichen Erfassung im Bundesgebiet ab. Dass der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 02.11.2005 bis zum 30.04.2018 mit Unterbrechungen in Österreich gearbeitet hat, ergibt sich einerseits aus den Angaben in seiner Stellungnahme vom 30.03.2021 und den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz. Diese Angaben decken sich mit dem Inhalt eines aktuellen Auszug des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger, aus dem die Beschäftigungsverhältnisse des Beschwerdeführers abgeleitet werden können und aus dem sich auch der zwischenzeitliche Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sowie aus der Notstands- und Überbrückungshilfe ergibt. Die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes im Bundesgebiet gründet ebenfalls aus der seiner Angaben mit Inhalt eines Auszuges des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister. Demzufolge stellte der Beschwerdeführer am 30.01.2008 bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung unter der GZ: 503-6-353/165/1/2-2008 einen Zweckänderungsantrag seiner Niederlassungsbewilligung. Diesem Antrag wurde jedoch am 19.10.2011 abgewiesen und der Akt abgetreten. Der Magistrat der Stadt Salzburg erteilte dem Beschwerdeführer auf Antrag vom 30.08.2008, unter der GZ: 501-1/01/2056/1/1-2011 am 03.01.2012 einen Aufenthaltstitel mit dem Zweck „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“. Dieser war zunächst bis zum 02.01.2013 gültig und lassen sich dem Auszug des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister weitere befristete Aufenthaltstitel für die Zeiträume vom 03.01.2014 bis zum 02.01.2015, vom 03.01.2015 bis zum 02.01.2018 und letztmalig vom 03.01.2018 bis zum 23.09.2019 entnehmen. Wie sich aus dem Auszuges des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister und den Angaben des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 30.03.2021 und dem Beschwerdeschriftsatz vom 25.06.2021 ergibt, stellte der Beschwerdeführer keinen weiteren Verlängerungsantrag mehr und ist sein Aufenthaltstitel in weiterer Folge abgelaufen. Dass sich der Beschwerdeführer im Herbst 2018 in Frankreich aufhielt und er in weiterer Folge in Deutschland angehalten und von dort aus zur Vollziehung einer Haftstrafe nach Österreich ausgeliefert wurde, gründet auf den Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde vom 23.02.2021. Dabei verwies er, dass er am 17.10.2018 in Paris gelebt habe und dort Tests durchgeführt worden seien. Des Weiteren brachte er vor, dass er in Deutschland angehalten und zur Vollziehung seiner Haftstrafe nach Österreich ausgeliefert worden sei. Auf einem aktuellen Auszug des Zentralen Melderegister basiert die Feststellung zu seiner seit 22.11.2019 andauernden Inhaftierung und seinem daraus resultierenden erneuten Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet über keine familiären Anbindungen verfügt, ergibt sich aus seinen Angaben in der Stellungnahme vom 30.03.2021. In dieser verwies er, dass er Ende 2004 die Ehe mit der österreichischen Staatsangehörigen Evelyn K. einging, die Ehe aber um 2008 wieder geschieden worden sei. In seiner Stellungnahme vom 30.03.2021 verwies er zudem, dass er im Bundesgebiet über keine familiären Anbindungen verfüge. Die Frage nach dem Vorliegen einer Familiengemeinschaft oder einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft verneinte der Beschwerdeführer ebenfalls. Zudem bestätigte er in dieser Stellungnahme, dass sich keine Verwandte von ihm im Bundesgebiet aufhalten. Dass keine maßgeblichen privaten Anbindungen an das Bundesgebiet vorliegen, begründet sich ebenfalls aus seinen Ausführungen in der Stellungnahme vom 30.03.2021. Hierbei brachte er vor, dass er die B1-Prüfung absolviert habe und es im Bundesgebiet Freunde gebe. In seiner Freizeit betreibe er Fitness, bastle er, höre Musik und mixe Musikstücke. Auf die Frage nach seinem sozialen Umfeld, wurde darauf verwiesen, dass er sich gegenwärtig noch in Haft befinde. Die Frage nach einem besonderen Nahe- oder einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer im österreichischen Bundesgebiet aufhältigen Person verneinte der Beschwerdeführer. Dem wurde auch im Beschwerdeschriftsatz nicht entgegengetreten und dahingehend auch kein anderslautendes Vorbringen erstattet.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Schengenraum über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt und er für vier minderjährige, in Deutschland wohnhafte Kinder aus einer früheren Beziehung unterhaltspflichtig ist, lässt sich ebenfalls aus seinen Angaben im Administrativverfahren ableiten. So verwies er bereits in seiner Bescheidbeschwerde vom 23.02.2021, dass seine Geschwister in Frankreich leben. In seiner Stellungnahme vom 30.03.2021 verwies er ergänzend, dass seine Schwestern in Paris leben und er auf deren Unterstützung angewiesen sei. Mit der Eingabe vom 29.04.2021 wurden Lichtbilder vorgelegt, auf denen die Schwestern des Beschwerdeführers und weitere Verwandten zu sehen seien. Zudem brachte er in dieser Bescheidbeschwerde vom 23.02.2021 vor, dass er aus einer früheren Beziehung vier liebliche Kinder habe, die in Deutschland, im Raum B. S., wohnhaft seien und wolle er den Kontakt mit ihnen per Telefonie und Videotelefonie aufrechthalten. Dies bestätigte der Beschwerdeführer auch in den Ausführungen seines Beschwerdeschriftsatzes vom 25.06.2021, demzufolge sei er nach dem Scheitern seiner Ehe mit Evelyn K. eine Beziehung mit einer deutschen Staatsangehörigen namens Jana eingegangen, die mit ihm in Österreich gemeinsam gearbeitet habe. Aus dieser Beziehung entstammen vier gemeinsame Kinder. Nachdem sich Jana und er getrennt haben, sei sie mit den gemeinsamen vier Kindern nach Deutschland zurückgegangen. Vorgelegt wurde auch ein Schreiben des Kreisausschusses des Kreises R.-T. vom 12.10.2020 betreffend die Überprüfung der Unterhaltsverpflichtungen seiner vier Kinder. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht ordnungsgemäß nachkomme und bestätigte er auch in seiner Beschwerde vom 25.06.2021, dass er nach seiner Haftentlassung Unterhalt leisten wolle.
Die Feststellung zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister. Im Verwaltungsakt liegt das Urteil des OLG Linz vom XXXX , zu XXXX auf und wurde das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom XXXX , zu XXXX ergänzend eingeholt.
1.3. Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
Die Feststellung, dass Tunesien ein sicherer Herkunftsstaat ist, gründet auf der Einsichtnahme in die Herkunftsstaaten-Verordnung.
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Tunesien samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Beschwerdeführer ist den Länderberichten in seiner Beschwerde nicht entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Zur Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels aus § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 hat die belangte Behörde die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt. Über das Ergebnis der vom Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 hat das Bundesamt gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht hat, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 war daher nicht zu erteilen.
Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 nicht ergeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg. cit. als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.
Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind dabei laut § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob dieser rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9) zu berücksichtigen.
Der Beschwerdeführer ist tunesischer Staatsbürger und somit Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Am 23.09.2019 endete der Aufenthaltstitel des Beschwerdeführers und ist sein Aufenthalt im Bundesgebiet seither nicht mehr rechtmäßig. Somit hat die belangte Behörde die Rückkehrentscheidung zutreffend die Bestimmungen des § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 1 Ziffer 1 FPG gestützt.
Zu prüfen ist daher, ob die von der belangten Behörde verfügte Rückkehrentscheidung mit Art. 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht käme.
Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere einer Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Im Zuge dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0362; 05.10.2020, Ra 2020/19/0330; 15.02.2021, Ra 2020/21/0301).
Der Beschwerdeführer weist im österreichischen Bundesgebiet kein Familienleben auf. Allerdings verfügt der Beschwerdeführer über familiäre Anbindungen in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und fließt dies auch bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung mit ein (vgl. VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0172).
Hinsichtlich seiner vier leiblichen, bei der Kindesmutter in Deutschland lebenden minderjährigen Kindern bleibt zu berücksichtigten, dass durch die Rückkehrentscheidung der Kontakt zu seinen Kindern nicht verunmöglicht wird. Die Beibehaltung des Kontaktes in Form moderner Kommunikationsmittel (Telefonate, WhatsApp und Videotelefonate) ist auch von Tunesien aus möglich. Gleiches gilt für die Besuchsmöglichkeiten. Es ist dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar, seine Kinder von Tunesien aus in Deutschland zu besuchen. Ebenso wird durch die Rückkehr des Beschwerdeführers nach Tunesien eine weitere Einreise nach Deutschland nicht verunmöglicht. Wie im Beschwerdeschriftsatz vollkommen richtig aufgezeigt wurde, wurde dem in der Europäischen Union bestehende Familienleben auch im gegenständlichen Bescheid dahingehend Rechnung getragen, indem das ursprünglich über ihn verhängte Einreiseverbot gänzlich entfiel.
Hinsichtlich seiner in Frankreich aufhältigen Familienangehörigen ist anzumerken, dass verwandtschaftliche Beziehungen unter erwachsenen Personen „nicht notwendigerweise“ in den Schutzbereich des Art 8 MRK fallen. Vielmehr sind „weitere Elemente der Abhängigkeit“ darzutun, die „über die normalen emotionalen Bindungen“ hinausgehen (vgl. VwGH 29.03.2007, 2005/20/0040). Die von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung geforderte Intensität der Abhängigkeit lässt sich weder aus dem Sachverhalt noch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ableiten. Dem Beschwerdevorbringen, dass er auf die Unterstützung seiner Schwestern angewiesen sei, ist entgegenzuhalten, dass seine Schwester in auch in Tunesien unterstützten können. Auch kann der Kontakt des Beschwerdeführers zu seinen in Frankreich lebenden Familienangehörigen mit modernen Kommunikationsmitteln von Tunesien aus aufrechterhalten werden. Durch die Rückkehrentscheidung wird eine Einreise des Beschwerdeführers nach Frankreich ebenfalls nicht verunmöglicht, weshalb auch gegenseitige Besuche möglich sind.
In weiterer Folge bleibt zu prüfen, inwieweit ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers erfolgt. Unter „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva u.a. gg Lettland, EuGRZ 2006, 554).
Die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG 2014 stellt nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. etwa VwGH vom 30. Juli 2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058).
Liegt eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des VwGH regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu rechtfertigen (vgl. etwa VwGH 10.04.2019 Ra 2019/18/0049, mwN). Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH 16.02.2021, Ra 2019/19/0212). Allerdings nimmt das persönliche Interesse des Fremden an einem Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet – unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände – ein großes Gewicht verleihen und ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen (vgl. VwGH 04.03.2020, Ra 2020/21/0010).
Der Aufenthalt des Beschwerdeführers umfasst, beginnend mit Anfang 2005 bis zum heutigen Datum, eine Zeitspanne von rund 16 Jahren. Sein mehrjähriger Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet fußte zudem bis zum 23.09.2019 auf einem rechtmäßigen Aufenthalt. Berücksichtigt wird in diesem Zusammenhang jedoch auch, dass er sich im Zeitraum von Oktober 2018 bis November 2019 in Frankreich bzw. in Deutschland aufhielt. Ebenso fließt mit ein, dass sich der Beschwerdeführer seit seiner Überstellung aus Deutschland, im November 2019, durchgehend in Haft befindet.
Für die Schutzwürdigkeit des Privatlebens spielt zwar die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, allerdings ist die bloße Aufenthaltsdauer freilich nicht allein maßgeblich. Es ist vor allem anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 05.10.2020, Ra 2020/19/0330). Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. VwGH 15.01.2021, Ra 2017/22/0047).
Wie umseits bereits dargelegt, konnten keine maßgeblichen sozialen oder sonstigen privaten Anbindungen des Beschwerdeführers an das Bundesgebiet festgestellt werden und besteht auch kein besonderes Nahe- oder ein Abhängigkeitsverhältnis zu einer im österreichischen Bundesgebiet aufhältigen Person. Demgegenüber hat der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 02.11.2005 bis zum 30.04.2018 mit Unterbrechungen in Österreich in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen gearbeitet, weshalb von einer beruflichen Integration auszugehen ist. Im gegenständlichen Fall spricht – ungeachtet der kaum vorhandenen sozialen und privaten Verfestigung – unter dem Lichte der zuvor genannten höchstgerichtlichen Judikatur sein Privatleben in Zusammenschau mit der langjährigen Aufenthaltsdauer für sich gesehen für ein Überwiegen seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet.
Hinsichtlich des Überwiegens der privaten Interessen bei einem langjährigen Aufenthalt ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Rechtsprechungslinie jene Konstellationen betraf, in denen der Inlandsaufenthalt bereits über zehn Jahre dauerte und sich aus dem Verhalten des Fremden - abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich - sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab (vgl. VwGH 28.11.2019, Ra 2018/19/0479).
Im gegenständlichen Fall erfährt der langjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers und sein sich daraus resultierendes Überwiegen seiner privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet eine derartige Relativierung, nachdem der Beschwerdeführer im Jahr 2018 durch ein österreichisches Strafgericht rechtskräftig wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB und des Vergehens eines Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 Z 1 StGB verurteilt wurde und daraus eine Haftstrafe in der Dauer von zwei Jahren und zehn Monaten resultiert. Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers ergibt sich eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zumal das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen eine schwere und besonders verwerfliche strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit darstellt und der Verwaltungsgerichtshof keine Zweifel daran hegt, dass es sich bei dem zu schützenden Rechtsgut der sexuellen Integrität von unmündigen Minderjährigen (also von Personen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben), mit dem Ziel Kindern eine ungestörte sexuelle und allgemeine psychische Entwicklung zu ermöglichen, um ein objektiv besonders wichtiges Rechtsgut handelt (vgl. VwGH 02.09.2008, 2006/18/0333; 05.04.2018, Ra 2017/19/0531).
Auch wenn der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat bereits im Jahr 2005 verlassen hat und er zu seinen dortigen Verwandten keine Kontakte mehr bestehen, ist im gegenständlichen Fall nicht von einer vollkommenen Entwurzelung des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat auszugehen. Dies vor allem deshalb, weil er in Tunesien geboren wurde, er dort die Schul- und Berufsbildung absolvierte, in seinem Herkunftsstaat den Großteil seines Lebens verbrachte, er dort beruflich tätig war und er auch muttersprachlich Arabisch spricht.
Berücksichtigt wird im Rahmen der Abwägung auch der Beschwerdeeinwand, dass ihm im österreichischen Bundesgebiet ein Existenzaufbau leichter falle, als in Tunesien. Allerdings darf dahingehend nicht außer Acht gelassen werde, dass der Beschwerdeführer eine mehrjährige Schulbildung und eine Berufsausbildung als Lehre zum Metallbearbeitungstechniker aufweist und er bereits vor seiner Ausreise in seinem Herkunftsstaat als Installateur, als Maler und Fremdenverkehr arbeitete. Auch wenn die wirtschaftliche Lage Tunesiens mit der Österreichs nicht vergleichbar ist und im Falle einer Rückkehr mit Schwierigkeiten bei der Beschäftigungsaufnahme und dem Existenzaufbau zu rechnen ist, war dieser Einwand zu Gunsten seiner privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet zu berücksichtigen, vermag aber für sich alleine betrachtet nicht die Unzulässigkeit der Rückkehrens bewirken (vgl. VwGH 12.03.2021, Ra 2020/19/0440).
Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber. Dieses beinhaltet einerseits das öffentliche Interesse an einem geordneten Asyl- und Fremdenwesen und dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden und andererseits auch dem Schutz der körperlichen und sexuellen Integrität Minderjähriger sowie der Verhinderung von Sexualstraftaten (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034; 05.11.2019, Ro 2019/01/0008; 19.10.2004, 2001/21/0191).
Im Rahmen der nach § 9 BFA-VG gebotenen Gesamtabwägung sind die öffentlichen Interessen an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme höher zu gewichten als die gegenläufigen, privaten Interessen des Beschwerdeführers an seinem Verbleib im Bundesgebiet. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Rückkehrentscheidung und der Eingriff in sein nach Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten (vgl. VwGH 06.12.2019, Ra 2019/18/0437).
Die Beschwerde war daher somit auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.3. Zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Tunesien (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Tunesien zulässig ist.
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09; sowie Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0036 sowie vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3). Dies wurde vom Beschwerdeführer nicht substantiiert dargelegt.
Bei Tunesien handelt es um einen sicheren Herkunftsstaat gemäß § 1 Z 11 der Herkunftsstaaten-Verordnung und wurde keinerlei gegen seine Person gerichteten Bedrohungs- oder Verfolgungshandlungen behauptet.
Nach der ständigen Judikatur des VwGH reicht eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 MRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (vgl. VwGH 01.10.2020, Ra 2020/19/0196).
Ohne die wirtschaftliche Situation für die Masse der Bevölkerung in Tunesien beschönigen zu wollen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass es dem volljährigen, erwerbs- und arbeitsfähigen Beschwerdeführer, der über eine mehrjährige Schul- und Berufsbildung verfügt und der nachweislich über eine längere Zeit am tunesischen und österreichischen Arbeitsmarkt integriert war, nicht möglich sein sollte, sich im Falle einer Rückkehr nach Tunesien einer Beschäftigung nachzugehen und sich daraus auch seine existentiellen Grundbedürfnisse befriedigen zu können. Es ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät.
Es ergibt sich insgesamt kein reales Risiko, dass es durch die Rückführung des Beschwerdeführers nach Tunesien zu einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 52 Abs. 9 FPG abzuweisen war.
3.4. Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides) und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):
Die belangte Behörde hat der Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt und dies mit der Voraussetzung des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG begründet. Nach § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.
Mit dem Bescheid der belangten Behörde wurde die abschiebende Wirkung der Rückkehrentscheidung aberkannt. Damit ist, wie in § 55 Abs. 4 FPG vorgesehen, eine Frist für die freiwillige Ausreise abzuerkennen.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich der Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.5. Entfallen einer mündlichen Verhandlung:
Es kann im vorliegenden Fall von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 08.03.2021, Ra 2020/14/0341).
Auch unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgerichtshof immer wieder postulierten Wichtigkeit der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, stellt sich der vorliegende Fall nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes als eindeutiger Fall dar, in dem bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten wäre, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschaffen würde (vgl. VwGH 14.04.2021, Ra 2020/22/0257).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In der gegenständlichen Angelegenheit setzte sich das erkennende Gericht ausführlich mit der Thematik der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bei einer über zehnjährigen Aufenthaltsdauer eines Drittstaatsangehörigen auseinander und orientierte sich das erkennende Gericht dabei an der höchstgerichtlichen Judikatur. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abschiebung Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall berücksichtigungswürdige Gründe freiwillige Ausreise Frist Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung sicherer HerkunftsstaatEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I422.2240108.2.00Im RIS seit
27.10.2021Zuletzt aktualisiert am
27.10.2021