TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/15 I411 2117673-1

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Veröffentlicht am 15.07.2021
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Entscheidungsdatum

15.07.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I411 2117673-1/85E

E r s a t z e n s c h e i d u n g

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SUDAN, vertreten durch Mag. Nadja LORENZ, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116/17-19, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 03.11.2015,
Zl. XXXX , nach Durchführung der mündlichen Verhandlungen vom 06.10.2016, 12.04.2017, 08.05.2018 und 13.07.2021 zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides  wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer XXXX , ein sudanesischer Staatsangehöriger, reiste am 10.06.2014 mit einem von der österreichischen Botschaft in Kairo ausgestellten Visum für Schengener Staaten in das österreichische Bundesgebiet ein um am 12.06.2014 an einem Einstufungsstest für ein Master-Degree-Programm der Fachhochschule XXXX teilzunehmen.

2.       Am 15.07.2014 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz, den er bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes damit begründete, dass er aus innerer Überzeugung die Absolvierung seines Wehrdienstes verweigere und deshalb von der Regierung verfolgt werde.

3.       Am 01.09.2015 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde bei der er die Richtigkeit seines bisherigen Vorbringens bestätigte. Hinsichtlich seiner Fluchtmotive brachte er im Wesentlichen ergänzend vor, dass er bereits einmal beim Militär als Arzt in einer Krisenregion gearbeitet habe. Nunmehr hätte er erneut in ein Kampfgebiet versandt werden sollen. Man habe ihn jedoch nicht als Arzt in diese Krisenregion versandt, sondern von ihm verlangt, dass er Waffen tragen und mitkämpfen solle. Der Beschwerdeführer habe dies verweigert und sei daraufhin wieder in das Hauptquartier nach XXXX zurückgekehrt, wo er für elf Tage angehalten und eingesperrt worden sei. Nach seiner Freilassung habe er seinen Militärdienst ungehindert fortgeführt und sich in Österreich, Kanada und Norwegen für ein Masterprogramm angemeldet. Mit E-Mail der Universität XXXX vom 06.06.2014 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er zu einem Eistufungstest am 12.06.2014 zugelassen worden sei. Nachdem der Beschwerdeführer erfahren habe, dass er erneut in eine Krisenregion entsandt werden solle, sei er nach Ägypten gereist und habe dort ein Visum für Österreich beantragt, mit welchem er in das Bundesgebiet eingereist sei.

4.       Mit dem angefochtenen Bescheid vom 03.11.2015 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten „gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr.100/2005 (AsylG) idgF“ (Spruchpunkt I) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Sudan „gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG“ (Spruchpunkt II) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen „gemäß §§ 57 und 55 AsylG“ nicht erteilt. „Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung „gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ erlassen. Weiters wurde „gemäß § 52 Absatz 9 FPG“ festgestellt, dass seine Abschiebung „gemäß § 46 FPG“ in den Sudan zulässig ist. „Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG“ beträgt seine Frist für eine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III).

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen mit der Unglaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens und dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr in keine lebensbedrohliche Notlage geraten würde. Darüber hinaus läge ein schützenswertes Privat- und Familienleben im Bundesgebiet nicht vor.

5.       Mit Schriftsatz vom 17.11.2015, erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen damaligen Rechtsvertreter Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und begründete dies im Wesentlichen mit einem mangelhaften Ermittlungsverfahren der belangten Behörde und einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

6.       Auf Grund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 24.03.2016 wurde die Rechtsache der Gerichtsabteilung I407 abgenommen und neu zugewiesen.

7.       Am 06.10.2016 fand am Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Vertreter Dr. Ernst Löschner, Alpine Peace Crossing – Verein für Sozial- und Flüchtlingshilfe, sowie Mag. Thomas Becker, Caritas Österreich, eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt. Eine Zustellvollmacht wurde nicht erteilt.

8.       Am 12.04.2017 fand am Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Vertreter Dr. Ernst Löschner, Alpine Peace Crossing – Verein für Sozial- und Flüchtlingshilfe, sowie Mag. Agata Forys, Caritas Österreich, eine weitere mündliche Beschwerdeverhandlung statt. Eine Zustellvollmacht wurde abermals nicht erteilt.

9.       Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.05.2017, GZ I411 2117673-1/27E, wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und die Revision für unzulässig erklärt.

10.     Mit Schriftsatz vom 16.06.2017 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine nunmehrige Vertreterin Mag. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin, eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof und beantragte die Gewährung von Verfahrenshilfe betreffend die Gebühr gemäß § 24a VwGG sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

11.     Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 03.07.2017 wurde dem Beschwerdeführer die Verfahrenshilfe im beantragten Umfang gewährt. Mit Beschluss vom 27.07.2017 zuerkannte der Verwaltungsgerichtshof der erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung.

12.     Mit Erkenntnis vom 19.10.2017, Ra 2017/20/0211 hob der Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Begründend wurde ausgeführt, dass es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen habe, festzustellen, ob der Revisionswerber den Wehrdienst im Sudan (teilweise) abgeleistet habe oder nicht. In der Ermangelung dieser Feststellung sei das angefochtene Erkenntnis einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zugänglich. Ferner stehe die rechtliche Beurteilung zu den aufgrund des Länderberichts getroffenen Feststellung bezüglich der Haftbedingungen in Widerspruch. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht sich nicht mit dem vorgelegten Schreiben zur Bestätigung des Fluchtvorbringens, insbesondere der behaupteten Desertation, auseinandergesetzt.

13.      Mit Schriftsatz der Rechtsvertreterin vom 16.02.2018 wurde eine Beschwerdeergänzung übermittelt, die (bereits im Administrativverfahren vorgelegte) Arbeitsbestätigung vom 28.05.2013 sowie die Kopie einer weiteren Arbeitsbestätigung vom 12.09.2013 vorgelegt. Darüber hinaus verweist die Rechtsvertreterin auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung und die Gefahr, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr unmenschliche Haftbedingungen drohen würde.

14.      Vom Bundesverwaltungsgericht wurde die Übersetzung der vorgelegten Dokumente aus dem Arabischen veranlasst.

15.     Am 08.05.2017 fand neuerlich eine Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertreterin sowie Dr. Ernst Löschner statt, in der der Beschwerdeführer abermals einvernommen wurde.

16.      Mit Erkenntnis (Ersatzentscheidung) des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.07.2018, GZ I411 2117673-1/57E wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers abermals als unbegründet abgewiesen und die Revision für unzulässig erklärt.

17.      Mit Schriftsatz vom 24.07.2018 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Vertreterin Mag. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin, eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof und beantragte die Gewährung von Verfahrenshilfe betreffend die Gebühr gemäß § 24a VwGG sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

18.     Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 14.08.2018 wurde dem Beschwerdeführer die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Eingabegebühr gewährt. Mit Beschluss vom 22.08.2018 erkannte der Verwaltungsgerichtshof der erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zu.

19.     Mit Erkenntnis vom 27.11.2018, Ra 2018/14/0050, hob der Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf. Begründend wurde ausgeführt, dass es das Bundesverwaltungsgericht neuerlich unterlassen habe, festzustellen, ob bzw. in welchem Zeitraum der Revisionswerber den Wehrdienst abgeleistet habe oder nicht, obwohl ihm solche Feststellungen durch das Vorerkenntnis Ra 2017/20/0211 ausdrücklich aufgetragen worden sind.

20.      Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.03.2019, GZ I411 2117673-1/69E wurde die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II und den ersten Satz des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. (im Umfang des zweiten, dritten und vierten Satzes) des angefochtenen Bescheides stattgegeben und diese behoben. Eine Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 9 BFA-Verfahrensgesetz auf Dauer für unzulässig erklärt. XXXX wurde gemäß §§ 54, 55 Abs. 1 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

21.      Mit Schriftsatz vom 07.05.2019 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Vertreterin Mag. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin, eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof und beantragte die Gewährung von Verfahrenshilfe betreffend die Gebühr gemäß § 24a VwGG sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

22.     Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.05.2019 wurde dem Beschwerdeführer die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Eingabegebühr gewährt.

23.      Mit Erkenntnis vom 23.03.2021, Ra 2019/19/0431-8, hob der Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis abermals wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf. Begründend wurde ausgeführt, dass es das Bundesverwaltungsgericht neuerlich unterlassen habe, festzustellen, ob bzw. in welchem Zeitraum der Revisionswerber den Wehrdienst abgeleistet habe oder nicht, obwohl ihm solche Feststellungen durch das Vorerkenntnis Ra 2017/20/0211 ausdrücklich aufgetragen worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof trug dem BVwG auf: „Im fortgesetzten Verfahren wird das BVwG demnach unter Einbeziehung aller vom Revisionswerber im bisherigen Verfahren vorgelegten Dokumente insbesondere darlegen müssen, ob es - vor dem Hintergrund der festgestellten Dauer des Wehrdienstes im Sudan von einem Jahr - den behaupteten Antritt des Wehrdienstes durch den Revisionswerber am 16. Mai 2013 und das behauptete Verlassen des Sudans vor dem 16. Mai 2014 für glaubwürdig erachtet. Zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung im Sudan wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Vorerkenntnis Ra 2018/14/0050, insb. Rn. 11 und 13, verwiesen.“

24.     Am 13.07.2021 fand eine weitere mündliche Verhandlung statt, in der die Dauer des abgeleisteten Wehrdienstes sowie der aktuelle Länderbericht zum Sudan erörtert wurde. Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Sudan (Gesamtaktualisierung am 15.02.2021) führt unter Punkt 9. aus wie folgt:

„9. Wehrdienst und Rekrutierungen

In Sudan gibt es eine Wehrpflicht in Verbindung mit einem freiwilligen Armeedienst (CEIP 20.5.2020). Laut dem „Gesetz über den Nationalen Dienst“ aus dem Jahr 2013, das weiterhin gültig ist, besteht für Männer im Alter zwischen 18 und 33 Jahren eine einjährige Dienstpflicht (AA 28.6.2020; vgl. CIA 1.2.2021). Sie kann bei der Polizei, bei den sudanesischen Streitkräften („Sudanese Armed Forces“, SAF), aber auch als Ersatzdienst bei anderen staatlichen Organisationen abgeleistet werden. Bei den Universitätsabsolventen bestimmter Fachrichtungen, insbesondere Ärzte und Apotheker, wird diese Ersatzpflicht durchgesetzt (AA 28.6.2020).

Die gesetzlich bestehende Wehrpflicht für Frauen (IE 5.3.2020; vgl. CIA 1.2.2021) wird in der Praxis nicht durchgesetzt (IE 5.3.2020). Frauen müssen ein einjähriges „soziales Jahr“ absolvieren, wobei dieses de facto auch nur bei Studentinnen bestimmter Fachrichtungen (z. B. Medizin, Buchhaltung) durchgesetzt wird (AA 28.6.2020).

Seit 2015 wurden keine Fälle dokumentiert, in denen die sudanesische Armee Kindersoldaten rekrutiert hätte (AA 28.6.2020). Die staatliche Armee wird durch staatlich finanzierte oder institutionalisierte Milizen ergänzt (CEIP 20.5.2020). Immer wieder hört man jedoch, dass solche Milizen auch Minderjährige rekrutieren (AA 28.6.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

Weder längere Auslandsaufenthalte noch Asylanträge im Ausland führten bisher zu einer Gefährdung bei Rückkehr, dies gilt auch für Deserteure und Wehrdienstverweigerer (AA 28.6.2020).“

25.     Am Tag der Verhandlung wurde von der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers nachstehender Schriftsatz übermittelt:

„Zum übermittelten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung vom 15.02.2021, erstattet der Beschwerdeführer (BF) durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin die nachstehende Stellungnahme und führt darin aus, wie folgt:

Der BF hat im gegenständlichen Verfahren durchwegs vorgebracht, den Wehrdienst im Sudan aus konkreten Gründen vorzeitig verlassen zu haben und desertiert zu sein. Er brachte in diesem Zusammenhang vor, dass er nach Antritt am 16.05.2013 den Sudan vor Ablauf des einjährigen Wehrdienstes verlassen hatte. Der Verwaltungsgerichtshof hat dem BVwG mit Erkenntnis vom 23.03.2021, Ra 2019/19/0431-8 aufgetragen, im fortgesetzten Verfahren unter Einbeziehung aller vom BF im bisherigen Verfahren vorgelegten Dokumente darzulegen, ob es dieses Vorbringen und die konkreten Angaben des BF für glaubwürdig erachtet und verwies dabei auch auf die mögliche Asylrelevanz der Wehrdienstverweigerung.

Im nunmehr übermittelten Länderinformationsblatt finden sich keine hinreichend aussagekräftigen Berichte zur aktuellen Gefährdung von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren im Sudan. So lautet es lediglich auf Seite 16 unter „Wehrdienst und Rekrutierungen“, dass weder längere Auslandsaufenthalte noch Asylanträge im Ausland bisher zu einer Gefährdung im Fall einer Rückkehr geführt hätten, „dies gilt auch für Deserteure und Wehrdienstverweigerer (AA 28.6.2020)“. In Anbetracht dieser knappen Anmerkung wäre eine Kenntnis der entsprechenden Quelle, laut Verzeichnis der Bericht des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland „Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Sudan“ vom Stand Juni 2020, erforderlich. Da jedoch weder der beigefügte Link zu genanntem Bericht abrufbar noch der Bericht selbst online auffindbar ist, lässt sich der Kontext und der nähere Zusammenhang dieser Gefahreneinschätzung Deserteure betreffend nicht restlos nachvollziehen. Es kann sohin zur fluchtrelevanten Berichtslage das Parteiengehör nicht wirksam wahrgenommen werden.

Sonstige (aktuellen) Länderberichten wurden der Rechtsvertreterin nicht zur Kenntnis gebracht.

Weiters ist daran zu erinnern, dass der BF aus bereits dargelegten, persönlichen Gründen frühzeitig aus dem Wehrdienst austrat, diese Gründe nach wie vor aufrecht sind und vor dem Hintergrund aussagekräftigerer Berichte zu überprüfen wäre, mit welcher Wahrscheinlichkeit der BF im Fall einer Rückkehr welcher Art von Konsequenzen, wie etwa Festnahme, Haft oder Zwangsrekrutierung, ausgesetzt wäre. Dabei können nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch solche Strafmaßnahmen asylrelevant sein, welche für den BF in sonstiger Weise existenzbedrohende Auswirkungen haben.

Dazu ist festzuhalten, dass sich die Berichtslage zu den Haftbedingungen im Sudan nicht maßgeblich verändert hat und diese nach wie vor als „hart und lebensbedrohlich“ beschrieben werden (LIB S. 18).

Abschließend wird nochmals auf die Unvollständigkeit und mangelnde Aktualität der übermittelten Länderberichte, bezogen auf das Fluchtvorbringen des BF, hingewiesen. Der BF hält sein hierzu bereits mehrmals persönlich geschildertes Vorbringen aufrecht, sodass sich eine darüberhinausgehende persönliche Befragung des BF nach drei erfolgten mündlichen Verhandlungen in den nunmehr entscheidungsrelevanten Fragen als nicht erforderlich erweist.“

Weiters bringt die ausgewiesene Rechtsvertreterin im Wege der nachfolgenden Eingabe dem BVwG die anstehende Stellungnahme des BF zur Kenntnis:

„Sehr geehrter Herr Mag. Pollanz,

es ist mir nicht möglich, Ihrer Einladung zur Verhandlung persönlich nachzukommen. Auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin wird auch meine Rechtsanwältin der morgigen Verhandlung fernbleiben. Ihre Art der Fragestellung in den bisherigen Verhandlungen war für mich traumatisierend, wie Sie es selber miterleben konnten. Ihnen neuerlich zu begegnen ist für mich völlig unzumutbar. Ich will Sie nie mehr wieder sehen. Ich ersuche Sie nun höflich, eine nunmehr hoffentlich positive Entscheidung auch ohne mein persönliches Erscheinen zu treffen. Inhaltlich habe ich Ihnen bereits in den bisherigen Verhandlungen alle dazu relevanten Fakten kommuniziert.

Zu Ihrer Information möchte ich Ihnen noch mitteilen: Ich verfüge seit März 2020 über die RWR Plus-Karte, habe bereits ca. eineinhalb Jahre als Arzt in Österreich gearbeitet und habe mich nun beim AKH XXXX für eine frei gewordene Stelle als Facharzt für Radiologie beworben; ein diesbezüglicher Interview-Termin ist bereits für den Herbst 2021 anberaumt. Ich habe die Absicht, in ca. eineinhalb Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Meine Beschwerdeanträge halte ich ausdrücklich für aufrecht.

Mit freundlichen Grüßen,

XXXX “

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Vorgeschichte wird auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.05.2017, I411 2117673-1/27E, vom 13.07.2028, I411 2117673-1/57E und vom 26.03.2019, I411 2117673-1/69E sowie die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.10.2017, Ra 2017/20/0211, vom 27.11.2018, Ra 2018/14/0050 und vom 23.03.2021, Ra 2019/19/0431 (ex Ra 2019/14/0237) verwiesen.

Um Wiederholungen zu vermeiden und da mit dem Erkenntnis des BVwG vom 23.03.2019 der Beschwerde des Beschwerdeführers dahingehend Folge gegeben wurde, als dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt wurde und ihm der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt wurde, wird hinsichtlich der Feststellungen und der Beweiswürdigung ebenfalls auf die Vorentscheidungen verwiesen.

Da der VwGH in seiner Entscheidung vom 23.03.2021 festgestellt hat, dass es das Bundesverwaltungsgericht neuerlich unterlassen habe, festzustellen, ob bzw. in welchem Zeitraum der Revisionswerber den Wehrdienst abgeleistet habe oder nicht, obwohl ihm solche Feststellungen durch das Vorerkenntnis Ra 2017/20/0211 ausdrücklich aufgetragen worden sind, ist nunmehr ausschließlich dieser Themenbereich für die Entscheidungsfindung ausschlaggebend. Die weiteren Ausführungen zu den Feststellungen und der Beweiswürdigung wurde vom VwGH nicht beanstandet und sind daher nicht mehr Gegenstand dieser Entscheidung.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer seinen Wehrdienst am 16.05.2013 angetreten hat.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer am 29.04.2014 den Sudan verlassen hat.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer am 05.05.2014 bei der österreichischen Botschaft in Kairo, Ägypten, einen Visaantrag eingebracht hat.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer am 10.06.2014 mit einem von der österreichischen Botschaft in Kairo ausgestellten Visum für Schengener Staaten in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer seinen Wehrdienst bei den sudanesischen Streitkräften zur Gänze abgeleistet hat.

Es wird festgestellt, dass weder längere Auslandsaufenthalte noch Asylanträge im Ausland bisher zu einer Gefährdung bei der Rückkehr in den Sudan führen. Es wird festgestellt, dass dies auch für Deserteure und Wehrdienstverweigerer gilt.

Im Falle seiner Rückkehr droht dem Beschwerdeführer im Sudan keine reale Gefahr, in seinem Leben bedroht zu werden, Folter oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung zu erleiden oder in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt zu werden. Ihm droht im Falle der Rückkehr in den Sudan weder die Todesstrafe, noch besteht eine reale Gefahr, dass sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in seinem Herkunftsstaat gefährdet wäre.

Es wird weiters festgestellt, dass der Beschwerdeführer seine Mitwirkungspflicht an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts im Beschwerdeverfahren verletzt hat.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer am 16.05.2013 seinen Wehrdienst angetreten hat, resultiert auf der mit der Beschwerdeergänzung vom 16.02.2018 (und mit der außerordentlichen Revision vom 07.05.2019 in Übersetzung) vorgelegten Bestätigung der Personalabteilung des Ministeriums für nationale Verteidigung vom 28.05.2013, wonach der Beschwerdeführer seine „Arbeit bei uns“ am 16.05.2013 angetreten habe.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer am 29.04.2014 den Sudan verlassen hat, resultiert auf den Angaben des Beschwerdeführers.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer am 05.05.2014 einen Visaantrag bei der österreichischen Botschaft in Kairo gestellt hat, resultiert auf dem Schreiben der österreichischen Botschaft Kairo vom 12.05.2015 und dem übermittelten Visa-Akt.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer am 10.06.2014 mit einem von der österreichischen Botschaft in Kairo ausgestellten Visum für Schengener Staaten in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist, resultiert auf den Angaben des Beschwerdeführers.

Die Feststellung, dass nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer seinen Wehrdienst zur Gänze abgeleistet hat, ist dem Umstand geschuldet, dass der Beschwerdeführer nicht zur mündlichen Verhandlung am 13.07.2021 an der Außenstelle Innsbruck erschienen und damit seiner Mitwirkungspflicht an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts nicht nachgekommen ist. Er konnte sohin nicht dazu befragt werden, ob ihm als Rekrut der sudanesischen Streitkräfte während des Wehrdienstes ein Urlaub zustand, er bejahendenfalls diesen konsumiert hatte und wann er diesen konsumiert hatte. Weiters konnte er nicht dazu befragt werden, ob er als Rekrut während eines allfälligen Urlaubes sanktionslos aus dem Sudan ausreisen durfte. Diese für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts notwendigen Fragen konnten mangels Teilnahme des Beschwerdeführers an der mündlichen Verhandlung nicht geklärt werden. Sie betreffen seine persönliche Sphäre und können nur durch Mitwirkung des Beschwerdeführers an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts geklärt werden. Dieser Mitwirkung hat sich der Beschwerdeführer entzogen, indem er es für unzumutbar ansieht sich berechtigten Fragen zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes zu stellen (siehe Schriftsatz vom 12.07.2021).

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Sudan keine asylrelevante Verfolgung droht, basiert auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Sudan (Gesamtaktualisierung am 15.02.2021). Dort wird unter Punkt 9. ausgeführt: „Weder längere Auslandsaufenthalte noch Asylanträge im Ausland führten bisher zu einer Gefährdung bei Rückkehr, dies gilt auch für Deserteure und Wehrdienstverweigerer (AA 28.6.2020).“ Diese Feststellung fußt auf dem Bericht des Auswärtigen Amtes vom 28.06.2020 über die asyl- und sicherheitsrelevante Lage im Sudan. Ihr treten weder die Rechtsvertreterin noch der Beschwerdeführer substantiell entgegen. In der Ladung wurde deutlich auf die Kernpunkte der Verhandlung (Dauer des abgeleisteten Wehrdienstes und der aktuelle Länderbericht zum Sudan) hingewiesen. Dennoch äußerten sie sich im Schriftsatz vom 12.07.2021 nicht hierzu. Der bloße Verweis darauf, dass zur fluchtrelevanten Berichtslage das Parteiengehör nicht wirksam wahrgenommen werden könne, ist nicht ausreichend, die Unzutreffenheit des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation glaubhaft zu machen. Zudem wäre es dem rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer möglich und zumutbar gewesen, im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 13.07.2021 hierzu substantiiert Stellung zu nehmen, zumal das BVwG das Länderinformationsblatt, insbesondere Punkt 9. (Wehrdienst und Rekrutierungen) ausführlich erörterte. Da der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertreterin der mündlichen Verhandlung bewusst fernblieben, ist dem Beschwerdeführer die mangelnde Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes anzulasten. Mangels gegenteiliger Bescheinigungsmittel ist von der Richtigkeit des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation auch in diesem Punkt, dass Deserteuren keine Verfolgung im Sudan droht, auszugehen und die entsprechenden Feststellungen zu treffen.

Vor dem Hintergrund diese eindeutigen Aussagen des Auswärtigen Amtes, ist auch der Auftrag des VwGH vom 27.11.2018, Ra 2018/14/0050 (insb. Rn. 11 und 13), sich mit der möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung im Sudan auseinanderzusetzen, obsolet.

Im Zusammenhang mit der Feststellung der Verletzung der Mitwirkungspflicht ist auszuführen, dass die Ladung mit dem ausdrücklichen Hinweis auf den Gegenstand der Verhandlung (Dauer des abgeleisteten Wehrdienstes und der aktuelle Länderbericht zum Sudan) seiner RV per ERV am 15.06.2021 übermittelt wurde.

Mit Schriftsatz vom 12.07.2021, per ERV eingebracht am 12.07.2021 um 18:54:15 Uhr (also nach Ablauf der Amtsstunden und somit beim BVwG eingelangt am 13.07.2021 um 08:00 Uhr), bringt die ausgewiesene Rechtsvertreterin die im Verfahrensgang zitierte Stellungnahme samt Eingabe des Beschwerdeführers dem BVwG zur Kenntnis.

Es gibt keinen Hinweis darauf, warum es dem Beschwerdeführer oder seiner Rechtsvertreterin nicht möglich gewesen wäre, vor dem Tag der mündlichen Verhandlung das Vorbringen zu erstatten, zumal alle erheblichen Umstände aus dem Vorverfahren und dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation ersichtlich und dem Beschwerdeführer sowie seiner Rechtsvertreterin bekannt waren. In der gewählten Vorgangsweise – in Verbindung mit dem persönlichen Schreiben des Beschwerdeführers an den erkennenden Richter – zeigt sich ein offenkundiges Desinteresse des Beschwerdeführers an der Erledigung der Sache. Weiters wird die Formulierung der „traumatisierenden Befragung“ als Versuch verstanden, eine Befangenheit des erkennenden Richters zu konstruieren, die jedoch nicht vorliegt. Gerade der persönliche Eindruck in den Verhandlungen hat dazu geführt, dass der Beschwerdeführer im vorhergehenden Rechtsgang den Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ zuerkannt wurde. In der gewissenhaften Ermittlung und Bewertung des Sachverhalts – auch unter Einbeziehung von für den Beschwerdeführer nicht günstigen Länderfeststellungen ist eine Befangenheit ausgeschlossen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.    Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1.  Rechtslage

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Wie in der Beweiswürdigung dargestellt, droht dem BESCHWERDEFÜHRER im Sudan keine Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK). Der Beschwerdeführer brachte zunächst vor, den Wehrdienst im Sudan verweigert zu haben und adaptierte dieses Vorbringen dahingehend, dass er den einjährigen Wehrdienst zwar angetreten habe, allerdings vor Ablauf des Jahres den Sudan verlassen habe und somit als Deserteur gelte. Es wurde vom BVwG festgestellt, dass er den Sudan vor Ablauf des Wehrdienstes verlassen hat, es konnte allerdings nicht festgestellt werden, ob die Ausreise nach Ägypten unrechtmäßig gewesen ist. Allerdings kommt es darauf gegenständlich gar nicht mehr an. Dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Sudan (Gesamtaktualisierung am 15.02.2021) ist nämlich zu entnehmen, dass „weder längere Auslandsaufenthalte noch Asylanträge im Ausland bisher zu einer Gefährdung bei Rückkehr führen, dies gilt auch für Deserteure und Wehrdienstverweigerer (AA 28.6.2020).“ Somit ist selbst bei der hypothetischen Annahme, dass der Beschwerdeführer vor der vollständigen Absolvierung seines einjährigen Wehrdienstes den Sudan verlassen hätte und somit als Deserteur zu betrachten wäre, keine gegen ihn gerichtete Verfolgung zu erwarten.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl nicht gegeben sind, war die Beschwerde gemäß Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2.    Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1.  Rechtslage

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptionellen Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

3.2.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Dem Beschwerdeführer droht im Sudan - wie oben bereits dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung.

Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Sudan die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer ist volljährig, weist eine mehrjährige Schulbildung und eine medizinische Hochschulausbildung auf, ist arbeitsfähig und arbeitswillig. Der Beschwerdeführer war bislang zum Verdienst seines Lebensunterhaltes als Arzt imstande, sodass er sich im Falle seiner Rückkehr durch die Wiederaufnahme einer adäquaten Tätigkeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen im Stande sein sollte. Auch wenn sich seine Eltern derzeit in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufhalten, ist zu bedenken, dass er als Arzt einer sozial besser gestellten Schicht angehört, er zuletzt alleine in Karthum lebte und sich dort versorgen konnte. Hinzu kommt, dass sich ein Teil seiner Familie – in Form seiner Onkel und Tanten – nach wie vor im Sudan aufhalten und er auch auf die Unterstützung durch seinen Stamm (der Mahas) zählen kann, sodass er bei seiner Rückkehr auch nicht auf sich alleine gestellt ist. Dies wurde vom Beschwerdeführer auch anlässlich der (zweiten) Beschwerdeverhandlung bestätigt.

Außerdem besteht ganz allgemein im Sudan derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Artikel 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Artikel 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Das Vorliegen dermaßen akuter und schwerwiegender Erkrankungen, welche im Sudan nicht behandelbar wären und im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat allenfalls zu einer Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK führen könnten, wurde weder behauptet noch bot sich dafür im Beschwerdefall ein Anhaltspunkt.

Wie bereits ausgeführt, liegt beim Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vor. Dem Beschwerdeführer droht im Herkunftsstaat daher auch kein Strafverfahren wegen Desertation bzw. unmenschliche Haftbedingungen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 1 Z 1 AsylG abzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren begründete Furcht vor Verfolgung Bürgerkrieg Desertion Ersatzentscheidung Fluchtgründe Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Militärdienst mündliche Verhandlung real risk reale Gefahr subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht Zwangsrekrutierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I411.2117673.1.00

Im RIS seit

27.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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