TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/9 W266 2240590-1

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Veröffentlicht am 09.09.2021
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Entscheidungsdatum

09.09.2021

Norm

AVG §34
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W266 2240590-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan WAGNER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Andreas KARWAS und Mag. Wolfgang SCHIELER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Laxenburger Straße vom 10.03.2021 betreffend Verhängung einer Ordnungsstrafe zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem im Spruch zitierten Bescheid des Arbeitsmarktservice (in der Folge AMS oder belangte Behörde) vom 10.03.2021 wurde über den Beschwerdeführer (BF) eine Ordnungsstrafe in Höhe von € 200,-- verhängt.

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF sich in einer schriftlichen Stellungnahme zur Höhe seines Leistungsanspruches einer beleidigenden Schreibweise bedient hat.

Dagegen erhob der BF fristgerecht Beschwerde, in der er im Wesentlichen ausführte, dass er an paranoider Schizophrenie leider, welche bei erhöhtem Stress akut werde. Aufgrund mehrerer Ereignisse in den letzten Monaten sei er sehr im Stress und wäre sein Schreiben nicht persönlich gemeint gewesen, sondern sei nur als öffnen eines Ventils zu betrachten. Weiters erläuterte er, dass sein Text gar nicht beleidigend sei.

Die Beschwerde sowie der Vorlageantrag samt bezugnehmendem Akt langten am 19.03.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Nach Einsicht in den verwaltungsbehördlichen Akt, insbesondere in die Beschwerde und die vorgelegten Beweismittel steht folgender Sachverhalt fest:

Der BF hat am 23.02.2021 (Tag der Geltendmachung) einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt.

In Reaktion auf die Mitteilung der Höhe seines Leistungsanspruches hat der BF am 5.3.2021 via eAMS zwei Nachrichten mit folgendem Inhalt an das AMS übermittelt:

„Betreff: 991 €

Mit BMG 2707€?

Der größte Beschiss!!!

So eine Frechheit!

Gebens weiter an dir Zuständigen das DRECKSCHWEINE sind!“

„Betreff: Richtens N Kanzler und da Arbeitsministerin aus, SIE SAN RICHTIGE WICHSER!!!

991€????

LECKTS MI IN ORSCH!!!! KRIPPELN OIDA.“

Am 17.3.2021 wurde der BF vom AMS im Rahmen des Beschwerdeverfahrens aufgefordert, aktuelle Unterlagen bzw. Befunde vorzulegen.

Der BF legte daraufhin am 23.3.2021 einen Befund vom 19.6.2019 vor.

Der BF leidet an einer schizomanischen Störung, welche zum Zeitpunkt des Schreibens und auch Absendens der beiden eAMS Nachrichten vom 5.3.2021 jedoch gut remittiert war und

war sich der BF darüber bewusst was er schrieb und welche Formulierungen er wählte.

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Verwaltungsakt der belangten Behörde und dem vorliegenden Gerichtsakt.

Das Datum der Geltendmachung bzw. Antragstellung ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Antrag des BF. Die Texte der eAMS Nachrichten vom 5.3.2021 ergeben sich aus den im Akt einliegenden Nachrichten des BF. Der BF wendet sich explizit nicht gegen den festgestellten Sachverhalt. Vielmehr bringt er vor, dass er aufgrund seiner Erkrankung die Fassung verlor und erläutert, dass die von ihm verwendeten Ausrücke weder persönlich gemeint gewesen wären noch beleidigend seien.

Dass sich der BF seiner Schreibweise bzw. seiner Formulierungen bewusst war ergibt sich aus dem vom BF vorgelegten Befund vom 19.6.2019. Der Beschwerdeführer hat diesen Befund im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nach einer entsprechenden Aufforderung durch das AMS selbst vorgelegt und geht daher der erkennende Senat davon aus, dass dieser weiterhin Gültigkeit hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Anzuwendendes Recht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG lauten:

„§ 34. (1) Das Verwaltungsorgan, das eine Verhandlung, Vernehmung, einen Augenschein oder eine Beweisaufnahme leitet, hat für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für die Wahrung des Anstandes zu sorgen.

(2) Personen, die die Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, sind zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen werden oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis 726 Euro verhängt werden.

(3) Die gleichen Ordnungsstrafen können von der Behörde gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.“

Daraus folgt:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine beleidigende Schreibweise vor, wenn eine Eingabe ein unsachliches Vorbringen enthält, das in einer Art gehalten ist, die ein ungeziemendes Verhalten gegenüber der Behörde darstellt. Dabei ist es ohne Belang, ob sich die beleidigende Schreibweise gegen die Behörde, gegen das Verwaltungsorgan oder gegen eine einzige Amtshandlung richtet. Eine in einer Eingabe an die Behörde gerichtete Kritik ist dann gerechtfertigt und schließt die Anwendung des § 34 Abs. 3 AVG aus, wenn sich die Kritik auf die Sache beschränkt, in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht wird und nicht Behauptungen enthält, die einer Beweiswürdigung nicht zugänglich sind (vgl. VwGH vom 15.10.2009, 2008/09/0344).

Mit dem Begriff der „Beleidigung“ müssen „Ausdrucksweisen verbunden werden, die kränkend, verletzend, demütigend, entwürdigend, erniedrigend, herabsetzend, schimpflich, verunglimpfend, schmähend, verspottend, verhöhnend, der Lächerlichkeit aussetzend wirken sollen, die den Vorwurf eines verächtlichen, schändlichen, schmachvollen, sittlich verwerflichen Handelns zum Ausdruck bringen sollen, kurzum Behauptungen sind, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind ? und für die ein Wahrheitsbeweis nicht in Frage kommen kann“ (VwGH 27. 10. 1997, 97/17/0187). Bei der Lösung der Rechtsfrage, ob eine Schreibweise in diesem Sinn den Anstand verletzt (VwGH 11. 5. 1998, 96/10/0033), ist auch zu veranschlagen, dass die Behörden in einer demokratischen Gesellschaft Äußerungen der Kritik, des Unmuts und des Vorwurfs ohne übertriebene Empfindlichkeit hinnehmen müssen (VwGH 27. 10. 1997, 97/17/0187; 15. 10. 2009, 2008/09/0344; vgl auch VfSlg 13.035/1992 sowie Rz 17) (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 34 (Stand 1.1.2014, rdb.at).

Gegenständlich ist nach dem Gesagten daher nicht daran zu zweifeln, dass die vom Beschwerdeführer getätigten schriftlichen Aussagen beleidigender Natur waren und dass diese über jenes Maß hinausgehen, die Behörden noch hinnehmen müssen.

Entsprechend dem Erkenntnis des VwGH vom 15.10.2009, 2008/09/0344, reicht es für die Strafbarkeit nach § 34 Abs. 3 AVG hin, dass die in der schriftlichen Eingabe verwendete Ausdrucksweise den Mindestanforderungen des Anstands nicht gerecht werden und damit objektiv beleidigenden Charakter hat; auf das Vorliegen einer Beleidigungsabsicht kommt es hingegen nicht an (vgl. VwGH vom 27.10.1997, 97/17/0187).

Nach der Rechtsprechung des OGH zur vergleichbaren Bestimmung des § 86 ZPO, die aus Sicht des erkennenden Senates auf diesen Fall umgelegt werden kann, hat eine Ordnungsstrafe jedenfalls zu unterbleiben, wenn Unzurechnungsfähigkeit vorliegt (vgl. OHG vom 11.6.2008, 3Ob102/08h). Soweit der OGH in diesem Erkenntnis auch ausgesprochen hat, dass ausreichend konkrete Schuldausschließungsgründe nicht vorliegen, geht der erkennende Senat davon aus, dass auch andere Gründe als eine Unzurechnungsfähigkeit dazu führen können, dass eine Ordnungsstrafe zu unterbleiben hat. Solche liegen aber im Gegenstand nicht vor, da, wie bereits festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, der BF sich trotz seiner schizomanischen Störung bewusst war, was er schreibt und welchen Formulierungen er sich bediente.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt werden konnte und der Beschwerdeführer den Sachverhalt, soweit verfahrensgegenständlich relevant, auch bestätigt bzw. sich dieser aus den vom BF selbst vorgelegten Unterlagen ergibt. Soweit sich der Beschwerdeführer auf die Verbindlichkeit seiner Betreuungsvereinbarung beruft, macht er damit eine Rechtsfrage geltend. Eine mündliche Erörterung würde sohin nicht zur Klärung der Rechtssache beitragen. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C83 vom 30.03.2010, S. 389, entgegen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es liegt zwar, soweit erkenntlich keine Rechtsprechung des VwGH vor, jedoch konnte sich das Bundesverwaltungsgericht bei allen erheblichen Rechtsfragen auf die klare und eindeutige Rechtslage stützen.

Schlagworte

Beleidigung Ordnungsstrafe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W266.2240590.1.00

Im RIS seit

27.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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