Entscheidungsdatum
09.09.2021Norm
AlVG §10Spruch
W266 2225416-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan WAGNER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Andreas KARWAS und Mag. Wolfgang SCHIELER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wiener Neustadt vom 9.8.2019, nach Beschwerdevorentscheidung vom 30.10.2019, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerdevorentscheidung vom 30.10.2019 wird infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde behoben.
II. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit dem im Spruch zitierten Bescheid des Arbeitsmarktservice Wiener Neustadt (im Folgenden: AMS oder belangte Behörde) wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum von 5.8.2019 bis 25.8.2019 verloren hat. Nachsicht wurde nicht erteilt.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nicht bereit bzw. nicht in der Lage gewesen sei, die vereinbarten Nachweise seiner Anstrengung zur Erlangung einer Beschäftigung vorzulegen. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen liegen nicht vor bzw. können nicht berücksichtigt werden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, die er am 21.8.2019 beim AMS persönlich einbrachte und in welcher er zusammengefasst ausführt, dass er nicht gewusst habe, dass er Eigenbewerbungen durchführen und nachweisen müsse. Er habe dazu von seiner Betreuerin keine Information bekommen.
Mit Bescheid des AMS vom 9.9.2019 wurde die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 9.8.2019 ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid keine Beschwerde.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 30.10.2019 wurde ausgesprochen, dass der Tatbestand des § 10 Abs. 1 iVm § 39 AlVG erfüllt sei und Nachsichtgründe nicht vorliegen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, in der am 15.3.2019 zwischen Beschwerdeführer und AMS abgeschlossenen Betreuungsvereinbarung sei festgehalten worden, dass der Beschwerdeführer nunmehr zwei Eigenbewerbungen pro Woche tätigen werde. Über die Rechtsfolgen sei der Beschwerdeführer informiert worden. Dem Beschwerdeführer sei zur leichteren Dokumentation eine Bewerbungsliste ausgehändigt worden. Beim nächsten Kontrollmeldetermin habe der Beschwerdeführer eine Liste vorgelegt, die jedoch die vom AMS vermittelte Stellenangebote zurückzuführen und somit keine eigeninitiativ getätigten Bewerbungen gewesen seien.
Am 30.8.2019 habe der Beschwerdeführer eine Bewerbungsliste vorgelegt. Das AMS habe zwei Bewerbungen, die bis zur Bescheiderlassung durchgeführt worden seien, überprüft. Hinsichtlich der ersten habe sich der Dienstgeber für einen anderen Bewerber entschieden. Hinsichtlich der zweiten habe der Dienstgeber angegeben, dass sich der Beschwerdeführer zwar beworben habe, jedoch keine Stelle frei gewesen sei. Eindeutig sei sohin, dass sich der Beschwerdeführer in der Zeit vom 15.3.2019 bis 9.8.2019 nur auf eine einzige freie Stelle beworben habe. Mit Stand 22.10.2019 habe der Beschwerdeführer keine neue Beschäftigung aufgenommen.
Die Beschwerdevorentscheidung wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung am 31.10.2019 zugestellt.
Der Beschwerdeführer brachte rechtzeitig einen Vorlageantrag ein, in welchem er ausführte, er sei der Amtssprache nicht mächtig und habe seine Unterschrift im Vertrauen geleistet. Er habe von seiner Betreuerin keine weiteren verständlichen Informationen erhalten. Von März bis August habe seine Betreuerin keine Bewerbungen verlangt, sondern dem Beschwerdeführer mitgeteilt, er solle warten, bis sie ihm Stellenangebote schicke.
Die Beschwerde sowie der Vorlageantrag samt bezugnehmendem Akt langten am 14.11.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Nach Einsicht in den verwaltungsbehördlichen Akt, insbesondere in die Beschwerde und die vorgelegten Beweismittel, steht folgender Sachverhalt fest:
Der Beschwerdeführer bezieht seit mehreren Jahren Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Zuletzt beantragte der Beschwerdeführer am 31.7.2018 (Tag der Geltendmachung) die Gewährung von Notstandshilfe und endete dieser Leistungsanspruch am 25.8.2019.
Die Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers ist um 30 % gemindert.
Am 12.11.2018 und 22.1.2019 legte der Beschwerdeführer dem AMS jeweils Listen über seine Eigenbewerbungen vor, welche teilweise undatiert waren, teilweise im Zeitraum zwischen 30.11.2018 und 18.1.2019 durchgeführt wurden.
In der zwischen dem Beschwerdeführer und dem AMS abgeschlossenen Betreuungsvereinbarung vom 15.3.2019 wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer seitens des AMS bei der Suche nach einer Stelle als Produktionsführer bzw. Maschinenführer (Lebensmittel) sowie Jobs den Zumutbarkeitsbestimmungen des AlVG entsprechend unterstützt werde. Der Beschwerdeführer habe gesundheitliche Einschränkungen, die bei der Stellensuche berücksichtigt werden müssen. Unter dem Punkt „Was wir von Ihnen erwarten“ wurde u.a. „laufend Eigenbewerbungen“ angeführt.
Weiters wurde vereinbart, dass der Beschwerdeführer nachweislich zwei Eigenbewerbungen pro Woche durchführen werde. Diesbezüglich wurde festgehalten, dass diese Vereinbarung 52 Wochen gelte. Die Rechtsfolgen für den Fall, dass keine ausreichenden Anstrengungen zur Erlangung der Beschäftigung glaubhaft gemacht werden können, wurden ebenso angeführt.
Die Betreuungsvereinbarung wurde vom Beschwerdeführer unterschrieben. Ihm wurde vom AMS eine Bewerbungsliste zur Dokumentation übergeben.
Am 30.4.2019 legte der Beschwerdeführer dem AMS eine Dokumentation über seine Bewerbungsaktivitäten vor, in welcher sechs Bewerbungen eingetragen waren. In der Spalte mit der Bezeichnung „Woher kam die Stelleninfo? (z.B. Zeitungen, Stellenliste, Empfehlungen, Aktivbewerbung)“ war bei allen Bewerbungen „Arbeitsmarktservice“ angeführt und lagen diesen Bewerbungen jeweils Vermittlungsvorschläge des AMS zugrunde.
Von 18.6.2019 bis 17.7.2019 befand sich der Beschwerdeführer im Krankenstand.
Am 30.8.2019 legte der Beschwerdeführer eine weitere Liste seiner Bewerbungsaktivitäten mit zwölf Bewerbungen für den Zeitraum von 6.8.2019 bis 11.9.2019 vor. Die Bewerbungen waren durch Stempel der jeweiligen Firma bestätigt. Davon waren zwei Bewerbungen vor Erlassung des gegenständlichen Bescheides, nämlich mit 6.8.2019 und 9.8.2019, datiert. In der Spalte mit der Bezeichnung „Woher kam die Stelleninfo? (z.B. Zeitungen, Stellenliste, Empfehlungen, Aktivbewerbung)“ war bei den Bewerbungen „selbst“ angeführt. Unter „Ergebnis der Bewerbung“ war bei der Bewerbung vom 6.8.2019 „negativ“ und bei jener vom 9.8.2019 „kein Bedarf“ angeführt.
Der Beschwerdeführer hat zeitnah keine vollversicherte Beschäftigung aufgenommen.
Aufgrund des neuerlichen Antrages des Beschwerdeführers auf Gewährung von Notstandshilfe sprach das AMS mit Bescheid vom 2.9.2019 den Verlust des Notstandshilfeanspruches vom 26.8.2019 bis 15.9.2019 aus. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer keine Beschwerde.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Verwaltungsakt der belangten Behörde und dem vorliegenden Gerichtsakt. Insbesondere liegen ein Versicherungsdatenauszug sowie die Betreuungsvereinbarung vom 15.3.2019, auf welcher die Unterschrift des Beschwerdeführers ersichtlich ist, im Akt ein.
Ebenso liegen die jeweiligen Bewerbungslisten, die der Beschwerdeführer dem AMS vorgelegt hat, im Akt ein. Das Datum der Abgabe ergibt sich aus den Eingangsstempeln des AMS sowie aus den korrespondierenden EDV-Vermerken des AMS „Dokumentation - Eigenbewerbung“ vom 12.11.2018, 22.1.2019 und 2.5.2019.
Dass der Beschwerdeführer zeitnah eine Beschäftigung aufgenommen hätte, ergibt sich weder aus dem Versicherungsdatenauszug vom 22.10.2019, noch wurde dies vom Beschwerdeführer vorgebracht.
Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde vorbringt, er habe nicht gewusst, dass er Eigenbewerbungen durchführen müsse, ist festzuhalten, dass er insbesondere bereits für den Zeitraum zwischen 30.11.2018 und 18.1.2019 mehrere Bewerbungen vorlegte, zu welchen jeweils vermerkt ist, dass er die Stelleninformation selbst gefunden habe. Da der Beschwerdeführer bereits mehrere Jahre im Leistungsbezug der Arbeitslosenversicherung steht, geht der erkennende Senat davon aus, dass dem Beschwerdeführer das Erfordernis der gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung auch bekannt war. Darüber hinaus ist auf die rechtliche Beurteilung zu verweisen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Anzuwendendes Recht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) I. Behebung der Beschwerdevorentscheidung vom 30.10.2019:
Der Beschwerdeführer erhob binnen offener Beschwerdefrist gegen den gegenständlichen Bescheid vom 9.8.2019 Beschwerde, welche er am 21.8.2019 persönlich beim AMS einbrachte. Die Beschwerdevorentscheidung vom 30.10.2019 wurde dem Beschwerdeführer am 31.10.2019 durch Hinterlegung zugestellt.
Dazu ist festzuhalten, dass die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle gemäß § 56 Abs. 2 AlVG zehn Wochen beträgt. Ausgehend von der Beschwerdeeinbringung am 21.8.2019 lief die zehnwöchige Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung am 30.10.2019 ab. Da die Beschwerdevorentscheidung erst mit Zustellung an die Partei (den Beschwerdeführer) als erlassen gilt und somit die Zustellung innerhalb der Entscheidungsfrist erfolgen muss, erweist sich die gegenständliche Beschwerdevorentscheidung als verspätet, da diese erst am 31.10.2019 zugestellt wurde.
Nach Verstreichen der Frist für die Beschwerdevorentscheidung geht die Zuständigkeit, über die Beschwerde zu entscheiden, auf das Bundesverwaltungsgericht über (vgl. VwGH 27.11.2017, Ra 2017/19/0421). Wird die Beschwerdevorentscheidung erst nach Ablauf der Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung erlassen, so ist diese infolge Unzuständigkeit der Behörde mit Rechtswidrigkeit behaftet (vgl. VwGH 4.11.1996, 96/10/0109). Aufgrund der Erhebung des rechtzeitigen Vorlageantrages durch den Beschwerdeführer, hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdevorentscheidung zu beheben und über die Beschwerde zu entscheiden (vgl. Julcher in Brandtner/Köhler/Schmelz (Hrsg), VwGVG Kommentar (2020) § 14 VwGVG Rz 14).
Dementsprechend war die Beschwerdevorentscheidung infolge (sachlicher) Unzuständigkeit der Behörde zu beheben und hatte der erkennende Senat über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 9.8.2019 zu entscheiden.
Zu A) II. Abweisung der Beschwerde:
Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes lauten auszugsweise:
„§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer
1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,
2. die Anwartschaft erfüllt und
3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.
(2) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist. […]
§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.
(2) Eine Beschäftigung ist zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.
(3) In den ersten 100 Tagen des Bezuges von Arbeitslosengeld auf Grund einer neu erworbenen Anwartschaft ist eine Vermittlung in eine nicht dem bisherigen Tätigkeitsbereich entsprechende Tätigkeit nicht zumutbar, wenn dadurch eine künftige Beschäftigung im bisherigen Beruf wesentlich erschwert wird. In den ersten 120 Tagen des Bezuges von Arbeitslosengeld auf Grund einer neu erworbenen Anwartschaft ist eine Beschäftigung in einem anderen Beruf oder eine Teilzeitbeschäftigung nur zumutbar, wenn das sozialversicherungspflichtige Entgelt mindestens 80 vH des der letzten Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld entsprechenden Entgelts beträgt. In der restlichen Zeit des Bezuges von Arbeitslosengeld ist eine Beschäftigung in einem anderen Beruf oder eine Teilzeitbeschäftigung nur zumutbar, wenn das sozialversicherungspflichtige Entgelt mindestens 75 vH des der letzten Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld entsprechenden Entgelts beträgt. Entfällt im maßgeblichen Bemessungszeitraum mindestens die Hälfte der Beschäftigungszeiten auf Teilzeitbeschäftigungen mit weniger als 75 vH der Normalarbeitszeit, so ist während des Bezuges von Arbeitslosengeld eine Beschäftigung in einem anderen Beruf oder eine Teilzeitbeschäftigung nur zumutbar, wenn das sozialversicherungspflichtige Entgelt mindestens die Höhe des der letzten Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld entsprechenden Entgelts erreicht. Der besondere Entgeltschutz nach Teilzeitbeschäftigungen gilt jedoch nur, wenn die arbeitslose Person dem Arbeitsmarktservice Umfang und Ausmaß der Teilzeitbeschäftigungen durch Vorlage von Bestätigungen ehemaliger Arbeitgeber nachgewiesen hat. Ist die Erbringung eines solchen Nachweises mit zumutbaren Bemühungen nicht möglich, so genügt die Glaubhaftmachung. […]
§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person
1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder
2. sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder
3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder
4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,
so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.
(2) Hat sich die arbeitslose Person auf einen durch unwahre Angaben über Umfang und Ausmaß von Teilzeitbeschäftigungen begründeten besonderen Entgeltschutz nach Teilzeitbeschäftigungen berufen, so erhöht sich die Mindestdauer des Anspruchsverlustes nach Abs. 1 um weitere zwei Wochen.
(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen. [...]
§ 38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden.“
Daraus folgt:
Die Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, d. h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein. (vgl. VwGH, 23.2.2005, 2003/08/0039).
Arbeitswilligkeit als eine der Voraussetzungen des Arbeitslosengeld- bzw. Notstandshilfeanspruchs ist nach § 9 Abs. 1 AlVG nur gegeben, wenn der Arbeitslose (unter anderem) von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung unternimmt, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist (vgl. VwGH 24.4.2014, 2013/08/0070).
Von einem Arbeitssuchenden ist zu erwarten, dass er für ausreichende Bemühungen zur Erlangung einer Beschäftigung die üblichen systematischen Vorgangsweisen wählt und etwa durch Studieren von Stellenanzeigen potentielle Arbeitgeber ausfindig macht oder Blindbewerbungen an im Branchenverzeichnis gefundene Unternehmen richtet (vgl. VwGH 22.12.2009, 2007/08/0323).
Die Sanktionierung mangelnder Eigeninitiative setzt nach § 10 Abs. 1 Z 4 AlVG voraus, dass die betreffende Person von der regionalen Geschäftsstelle aufgefordert wurde, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen, dazu aber nicht bereit oder nicht in der Lage ist. Hinsichtlich der Zahl der Mindestbewerbungen ist auf die konkrete Situation auf dem Arbeitsmarkt und die Möglichkeiten einer Beschäftigung Bedacht zu nehmen. Der Betreuer wird nach den Umständen des Einzelfalls der Arbeitslosen dabei entsprechend Hilfestellung geben. Für die Glaubhaftmachung der eigenen Anstrengungen genügen glaubwürdige Hinweise wie z.B. Kopien von Bewerbungsschreiben oder Angabe der Kontaktperson der Firma, mit der telefoniert wurde (vgl. Julcher in Pfeil (Hrsg), Der AlV-Komm § 10 AlVG, Rz 29; AB 1222 BlgNR 18. GP).
Hintergrund der Nachweispflicht ist, dass die – schon nach § 9 Abs. 1 AlVG gebotenen – eigenen Anstrengungen der persönlichen Sphäre der Arbeitslosen zuzuordnen sind und daher von der regionalen Geschäftsstelle des AMS nur eingeschränkt überprüft werden können. Die Arbeitslosen trifft insoweit eine spezifische Mitwirkungspflicht. Anders als bei der Verweigerung oder Vereitelung einer zugewiesenen Beschäftigung kommt es beim Nachweis ausreichender eigener Anstrengungen jedoch nicht notwendigerweise auf eine einzelne konkrete Bewerbung an, sondern ist das Gesamtverhalten der Arbeitslosen zu würdigen.
Auch wenn eine Aufforderung nach § 10 Abs. 1 Z 4 AlVG dahingehend konkretisiert wird, dass die Arbeitslose in bestimmter Zeit eine bestimmte Zahl von Bewerbungen nachweisen soll, kann dies nichts daran ändern, dass die Arbeitslose dennoch nur nachweisen muss, dass sie ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung gemacht hat.
Auch Blindbewerbungen erfüllen den Tatbestand der geforderten Eigeninitiative.
Unzulässig ist es, von vornherein aussichtslose Bewerbungen zu verlangen. Der bloße Umstand, dass die Zahl offener Stellen weiter geringer ist als jene der Stellensuchenden, macht allerdings weder Vermittlungsversuche des AMS entbehrlich noch Aufträge zu eigenen Bemühungen rechtswidrig. Eine Verpflichtung des AMS, der Arbeitslosen erst nach dem Scheitern des Einsatzes von Förderungsmitteln und –maßnahmen Bewerbungen vorzuschreiben, ist dem AlVG nicht zu entnehmen (vgl. Julcher in Pfeil (Hrsg), Der AlV-Komm § 10 AlVG, Rz 30 – 33).
Zwar ist im gegenständlichen Fall die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers gemindert, dennoch kann ihm als Arbeitslosen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - je nach der Zahl der angebotenen Stellen und im Umfang seiner konkreten Fähigkeiten – zugemutet werden, mit den anderen Arbeitslosen im Bemühen um Erlangung einer Stelle zu konkurrieren (vgl. VwGH 4.7.2007, 2006/08/0099).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, wurde der Beschwerdeführer in der Betreuungsvereinbarung vom 15.3.2019 darauf hingewiesen, dass er zwei Eigenbewerbungen pro Woche nachweisen müsse. Diese wurde vom Beschwerdeführer unterschrieben. Dass er die Betreuungsvereinbarung nicht erhalten habe, ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Der Hinweis in der Betreuungsvereinbarung auf die erforderliche Eigeninitiative war nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausreichend, um den Beschwerdeführer darüber in Kenntnis zu setzen. Einer weiteren diesbezüglichen Einvernahme durch das AMS bedurfte es nicht (vgl. VwGH 4.9.2013, 2011/08/0201).
Zwar legte der Beschwerdeführer am 30.4.2019 eine Bewerbungsliste vor, in welcher lediglich durch das AMS vermittelte Stellen angeführt waren, und brachte vor, nicht gewusst zu haben, dass er Eigenbewerbungen durchführen müsse. Dennoch ergibt sich aus den im November 2018 und Jänner 2019 vorgelegten Bewerbungslisten, dass der Beschwerdeführer bereits Eigenbewerbungen dokumentiert hat. Aufgrund dessen ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer bekannt war, dass das AMS Aufzeichnungen darüber kontrolliert.
Überdies wurde die Aufforderung zu zwei wöchentlichen Eigenbewerbungen in der Betreuungsvereinbarung festgehalten. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er habe dazu keine weiteren Informationen erhalten und im Vertrauen unterschrieben, ist darauf hinzuweisen, dass es im Verantwortungsbereich des Beschwerdeführers liegt, sich über den Inhalt der von ihm unterschriebenen Dokumente in Kenntnis zu setzen. Es wäre dem Beschwerdeführer insbesondere möglich gewesen, bei Unklarheiten bezüglich der Formulierung der Betreuungsvereinbarung beim AMS nachzufragen, etwa bei der ServiceLine oder im Rahmen einer persönlichen Vorsprache.
Hinsichtlich der Beurteilung der Eigeninitiative ist nicht eine konkrete Bewerbung maßgeblich, sondern ergeben sich die (fehlenden) ausreichenden Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung über einen längeren Betrachtungszeitraum sowie aus dem Gesamtverhalten der Arbeitslosen. Unter Berücksichtigung des Krankenstandes von 18.6.2019 bis 17.7.2019, wurden vom Beschwerdeführer im Zeitraum von 15.3.2019 bis 9.8.2019 lediglich zwei Eigenbewerbungen nachgewiesen. Diese Zahl ist jedenfalls nicht geeignet, die Vereinbarung von zwei wöchentlichen Eigenbewerbung zu erfüllen bzw. die gebotene Anstrengung, selbst eine Beschäftigung zu finden, nachzuweisen.
Dass der Beschwerdeführer im verfahrensgegenständlichen Zeitraum tatsächlich mehr als die dokumentierten Eigenbewerbungen durchgeführt hätte, wurde nicht vorgebracht. Aufgrund der – nach Erlassung des Bescheides – erfolgten Eigenbewerbungen des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, dass ihm die Einhaltung der Vereinbarung über die Eigenbewerbungen sehr wohl möglich ist. Dies auch unter Berücksichtigung seiner verminderten Arbeitsfähigkeit. Dass der Beschwerdeführer zuvor an der Erfüllung der Vereinbarung gehindert gewesen wäre, wurde von ihm nicht vorgebracht und ist auch sonst im Verfahren nicht hervorgekommen.
Der Vollständigkeit sei festgehalten, dass die belangte Behörde, wenn sie in der Beschwerdevorentscheidung vom 30.10.2019 ausführt, der Beschwerdeführer habe lediglich eine einzige Bewerbung auf eine offene Stelle durchgeführt, übersieht, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 4.9.2013, 2011/08/001) auch Blindbewerbungen den Tatbestand der geforderten Eigeninitiative erfüllen. Dies ergibt sich überdies auch aus den vom AMS ausgegebenen Formularen zur Dokumentation der Bewerbungsaktivitäten, in welchen in der Spalte „Woher kam die Stelleninfo?“ unter anderem Aktivbewerbungen angeführt sind. Es liegt in der Natur von Blindbewerbungen, dass diese nicht auf eine dezidiert ausgeschriebene offene Stelle erfolgen.
Zu den Rechtsfolgen der Vereitelung:
Die in § 10 Abs. 1 AlVG vorgesehene Sanktion besteht in einem Verlust des Arbeitslosengeldes für die Dauer von „mindestens der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen“. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Anspruchsverlust für den Zeitraum von 5.8.2019 bis 25.8.2019 (21 Tage) ausgesprochen. Wie bereits ausgeführt, erfolgte der Ausschluss für den Zeitraum von 26.8.2019 bis 15.9.2019 mit Bescheid vom 2.9.2019, welcher bereits in Rechtskraft erwachsen ist.
Zu berücksichtigungswürdigenden Gründen für eine Nachsicht:
Nach § 10 Abs. 3 AlVG ist der Verlust des Anspruches in berücksichtigungswürdigen Fällen wie z.B. bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.
Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG sind insbesondere die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Arbeitsaufnahme innerhalb des Beobachtungszeitraumes von acht Wochen nach Beginn der Ausschlussfrist (vgl. VwGH 01.06.2001, 2000/19/0136). Berücksichtigungswürdig im Sinn des § 10 Abs. 3 AlVG sind nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH Gründe, die dazu führen, dass der Ausschluss vom Bezug der Leistung den Arbeitslosen aus bestimmten Gründen unverhältnismäßig härter treffe, als dies sonst allgemein der Fall ist. Es kommt dabei aber nicht auf persönliche finanzielle Umstände an (vgl. VwGH 04.09.2013, 2011/08/0201).
Eine Beschäftigung wurde vom Beschwerdeführer nicht aufgenommen.
Im Verfahren sind keine weiteren berücksichtigungswürdigen Gründe für eine Nachsicht vorgebracht worden und sind auch keine zu Tage getreten.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt werden konnte und die Beschwerdeführerin den Sachverhalt, soweit verfahrensgegenständlich relevant, auch nicht bestreitet. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C83 vom 30.03.2010, S. 389, entgegen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Anspruchsverlust Arbeitswilligkeit Beschwerdevorentscheidung Bewerbung Nachweismangel Notstandshilfe Unzuständigkeit VerspätungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W266.2225416.1.00Im RIS seit
27.10.2021Zuletzt aktualisiert am
27.10.2021