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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / AllgLeitsatz
Zurückweisung von Individualanträgen auf Aufhebung einer Einreihungsverordnung und eines Verwaltungsaktes betreffend Beitragsleistung für einen Interessentenweg wegen rechtskräftig entschiedener Sache und mangels Verordnungscharakters des zweitgenannten Verwaltungsaktes; Bescheidcharakter dieser ErledigungSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1.a) Der Gemeinderat der Gemeinde Spital am Semmering faßte in seiner Sitzung am 18. Dezember 1975 den Beschluß, die sogenannte Aufschließungsstraße Stuhleckblick als öffentlichen Interessentenweg iS des §8 Abs2 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964 - LStVG 1964, LGBl. 154, idF des Gesetzes LGBl. 195/1969, einzureihen. Gleichzeitig beschloß er unter Berufung auf §45 LStVG 1964, den Beitrag der Gemeinde zu den Kosten der Herstellung und Erhaltung dieses öffentlichen Interessentenweges mit zwei Prozent und davon ausgehend den Beitrag eines jeden Eigentümers der durch den Weg erschlossenen Liegenschaften mit einem bestimmten Prozentsatz festzusetzen.
b) In der Folge wurde eine Verordnung mit nachstehendem Wortlaut durch Anschlag an der Amtstafel des Gemeindeamtes der Gemeinde Spital am Semmering (in der Zeit zwischen 29. Dezember 1975 und 10. Jänner 1976) kundgemacht.
"V e r o r d n u n g
Gemäß §8, Abs3 des Steiermärkischen Landesstraßenverwaltungsgesetzes vom 15.6.1964, LGBl. Nr. 154 i. d.g.F., hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am 18.12.1975 (Pkt. 6 der Tagesordnung) verordnet, die
Aufschließungsstraße 'Stuhleckblick' mit der Grundstücksbezeichnung 271/17, 271/18 u. 271/19 (Abteilungsplan 1 : 500 des Dipl.Ing. R F vom 27.6.1972, GZ. 433)als
ö f f e n t l i c h e n I n t e r e s s e n t e n w e g
einzureihen.
Diese Verordnung wird gem. §92 (1) der Gemeindeordnung vom 14.6.1967, LGBl. Nr. 115, durch zwei Wochen mit dem Hinweis kundgemacht, daß die Rechtswirksamkeit dieser Verordnung mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag beginnt."
c) Des weiteren erging unter dem Datum 8. April 1976 eine mit der Fertigungsklausel "Für den Gemeinderat: Der Bürgermeister:" versehene, nach dem Ausweis der Zustellverfügung an 127 namentlich bezeichnete Personen (i.w. die damaligen Eigentümer der durch die in Rede stehende Aufschließungsstraße erschlossenen Grundstücke, darunter auch der Zweitantragsteller) gerichtete Erledigung mit folgendem Wortlaut:
"B e s c h e i d
Spruch
Auf Grund des Antrages des Interessentenausschusses vom 20.9.1974 bzw. des Nachtrages hiezu vom 11.11.1975 hat der hsg. Gemeinderat in seiner Sitzung am 18. Dezember 1975 (Punkt 6 der Tagesordnung) gemäß §45, Abs1, 2 und 3 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964, LGBl. Nr. 154, in der Fassung der Landes-Straßenverwaltungsgesetznovelle 1969, LGBl. Nr. 195, den Beschluß gefaßt, die Aufschließungsstraße 'STUHLECKBLICK' mit der Grundstückbezeichnung 271/17, 271/18 und 271/19 (Abteilungsplan 1 : 500 des Dipl.Ing. R F vom 27.6.1972, GZ.: 433) als öffentlichen Interessentenweg zu erklären und die Beitragspflichtigen in eine öffentlich-rechtliche Weggenossenschaft zusammenzufassen.
Das Ausmaß der Beitragsleistungen der Gemeinde wurde mit 2 % der Gesamtkosten für die Herstellung und Erhaltung des gegenständlichen Weges festgesetzt.
Als Liegenschaftseigentümer bzw. Verkehrsinteressent im Einzugsgebiet des öffentlich-rechtlichen Interessentenweges sind Sie in die öffentlich-rechtliche Weggenossenschaft 'STUHLECKBLICK' mit der Wirkung einbezogen, daß die Mitgliedschaft und damit die Pflicht zur Beitragsleistung auf den jeweiligen Eigentümer der gegenständlichen Liegenschaft übergeht.
Gleichzeitig wird Ihre Beitragsleistung zu den Kosten der Wegherstellung mit 0,583 % und der Wegerhaltung mit 0,5798 %, aufgerundet
0,6 %
festgesetzt.
Begründung:
Die Vertreter des Interessentenausschusses 'STUHLECKBLICK' haben mit den eingangs angeführten Anträgen eröffnet, daß durch den erwähnten Interessentenweg 166 Baugrundstücke aufgeschlossen werden. Dazu kommen noch 3 Anteile des Grundeigentümers P W, sodaß insgesamt 169 Anteile für die Berechnung in Frage kommen.
Im Hinblick darauf, daß die Gemeinde einen 2 %igen Anteil leistet, kommen für die Kostenaufteilung 98 % als Berechnungsgrundlage in Frage.
Die Teilung dieses Prozentsatzes durch 169 Grundanteile ergibt den eingangs angeführten Prozentsatz von 0,5798, also 0,6 % je Baugrundstück bzw. Grundeigentümer.
Darüber hinaus entspricht die Einbeziehung in die öffentlich-rechtliche Weggenossenschaft dem Interesse der Liegenschaftsbesitzer bzw. dem Ausmaße des Verkehrsinteresses an der gegenständlichen Aufschließungsstraße.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen im eigenen Wirkungsbereich ergangenen Bescheid ist eine Berufung unzulässig.
Wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches im Bereiche der Landesvollziehung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann gem. §94 der Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115 i.d.g.F. binnen zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides dagegen Vorstellung erheben.
Die Vorstellung ist schriftlich oder telegrafisch bei der Gemeinde einzubringen; sie hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Antrag zu enthalten."
2.a) Die Antragsteller sind Miteigentümer einer - zunächst im Alleineigentum des Zweitantragstellers gestandenen - Liegenschaft, die durch die in Rede stehende Aufschließungsstraße erschlossen wird. Sie sind nach dem Antragsvorbringen Mitglieder der in der Erledigung vom 8. April 1976 erwähnten öffentlich-rechtlichen Wegegenossenschaft Stuhleckblick.
Mit Schriftsatz vom 1. Juni 1990 richteten sie (zusammen mit der genannten Wegegenossenschaft) mit näherer Begründung an den Verfassungsgerichtshof den auf Art139 Abs1 B-VG gestützten (Individual-)Antrag, "die Verordnung der Gemeinde Spital am Semmering vom 18.12.1975, mit welcher (nochmals) die Aufschließungsstraße Stuhleckblick mit den (damaligen) Grundstücken 271/217, 271/218 und 271/219 der EZ 11 KG Semmering als öffentlicher Interessentenweg erklärt wurde und die Beitragspflichtigen in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft (Erstantragstellerin Wegegenossenschaft Stuhleckblick) zusammengefaßt wurden, als gesetzwidrig aufzuheben".
Der Schriftsatz enthielt unter der Überschrift
"II. Anfechtungsgegenstand" unter anderem folgendes Vorbringen:
"Die notwendigerweise gemeinsam mit der Einreihung der genannten Grundstücke (Siedlungsstraße) als öffentlicher Interessentenweg gemäß §45 Abs3 des Stmk. LStVG mit Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Spital am Semmering vom 18.12.1975 erlassene Verordnung, mit welcher die Beitragspflichtigen (Grundeigentümer) in die öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft Stuhleckblick zusammengefaßt wurden, wird gleichfalls angefochten."
b) Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 15. Dezember 1990, V193,194/90, VfSlg. 12594/1990, (unter anderem) diese Anträge zurückgewiesen. Die Zurückweisung erfolgte, soweit sie den Antrag auf Aufhebung der Verordnung vom 18. Dezember 1975, mit welcher die Aufschließungsstraße Stuhleckblick als öffentlicher Interessentenweg eingereiht wurde, betraf, deshalb, weil der betreffende - in der Natur bereits bestehende - Weg nicht über das nach dem Vorbringen der Antragsteller in ihrem Eigentum stehende Grundstück (oder ein anderes in ihrem Eigentum stehendes Grundstück) verläuft, die bekämpfte Verordnung somit keinen Eingriff in die Rechtssphäre der (nunmehrigen) Erstantragstellerin und des (nunmehrigen) Zweitantragstellers bewirkt. Soweit der (Individual-)Antrag auf die Aufhebung der Zusammenfassung der Beitragspflichtigen in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft gerichtet war, wurde er allein schon wegen des Fehlens der (von §57 Abs1 zweiter Satz VerfGG geforderten, eine Prozeßvoraussetzung bildenden) Darlegung der gegen die Gesetzmäßigkeit dieser Festlegung sprechenden Bedenken zurückgewiesen.
3.a) Mit dem vorliegenden Schriftsatz stellen die Antragsteller unter Bezugnahme auf Art139 (Abs1 dritter Satz) B-VG die folgenden Anträge:
"1. Die Verordnung der Gemeinde Spital am Semmering vom 18.12.1975 zur Gänze aufzuheben
u n d
2. die Verordnung der Gemeinde Spital am Semmering vom 8.4.1976 zur Gänze aufzuheben
in eventu
3. die Verordnung der Gemeinde Spital am Semmering vom 8.4.1976 im Umfang der Wortfolgen:
'Das Ausmaß der Beitragsleistungen der Gemeinde wurde mit 2 % der Gesamtkosten für die Herstellung und Erhaltung des gegenständlichen Weges festgesetzt'
und
'Gleichzeitig wird Ihre Beitragsleistung zu den Kosten der Wegherstellung mit 0,583 % und der Wegerhaltung mit 0,5798 %, aufgerundet
0,6 %
festgesetzt'
in eventu
4. die Verordnung der Gemeinde Spital am Semmering vom 8.4.1976 im Umfang der Wortfolgen
'Gleichzeitig wird ihre Beitragsleistung zu den Kosten der Wegherstellung mit 0,583 % und der Wegerhaltung mit 0,5798 % aufgerundet
0,6 %
festgesetzt'
und
'Als Liegenschaftseigentümer bzw. Verkehrsinteressent im Einzugsgebiet des öffentlich-rechtlichen Interessentenweges sind Sie in die öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft 'Stuhleckblick' mit der Wirkung einbezogen, daß die Mitgliedschaft und damit die Pflicht zur Beitragsleistung auf den jeweiligen Eigentümer übergeht.'
in eventu
5. Die Verordnung der Gemeinde Spital am Semmering vom 8.4.1976 im Umfang der Wortfolge:
'Als Liegenschaftseigentümer bzw. Verkehrsinteressent im Einzugsgebiet des öffentlich-rechtlichen Interessentenweges sind Sie in die öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft 'Stuhleckblick' mit der Wirkung einbezogen, daß die Mitgliedschaft und damit die Pflicht zur Beitragsleistung auf den jeweiligen Eigentümer übergeht.'
aufzuheben.
6. Des weiteren wird der Zuspruch der regelmäßig anfallenden Kosten zuzüglich USt begehrt."
Im Schriftsatz findet sich ferner unter der Überschrift "II. Prüfungsgegenstand" einleitend folgender Absatz:
"Die Antragsteller bekämpfen gemäß Art139 B-VG die Verordnung der Gemeinde Spital am Semmering vom 18. Dezember 1975 sowie die ebenfalls als Verordnung zu qualifizierende 'Erledigung' vom 8.4.1976, und zwar jeweils zur Gänze wegen Gesetzwidrigkeit."
b) Die Antragsteller messen der (oben unter I.1.c im Wortlaut wiedergegebenen) Erledigung vom 8. April 1976 ungeachtet ihrer Bezeichnung als Bescheid die rechtliche Qualität einer Verordnung bei. Sie begründen ihren Standpunkt damit, daß die Erledigung nicht an eine bestimmt bezeichnete Einzelperson, sondern an einen nur aus dem Inhalt der Erledigung zu erschließenden Personenkreis
-
die Liegenschaftseigentümer bzw. Verkehrsinteressenten des Einzugsgebietes des öffentlichen Interessentenweges Stuhleckblick
-
gerichtet sei. Dies zeige sich auch darin, daß der Kreis der Normadressaten weiter sei als der Kreis der in der Zustellverfügung namentlich angeführten 127 Personen, weil bei der Festlegung des von jedem einzelnen Liegenschaftseigentümer bzw. Verkehrsinteressenten zu leistenden Beitrages von insgesamt 169 Anteilen ausgegangen worden sei. §45 Abs4 LStVG 1964 sehe denn auch die Festlegung des Maßstabes für die Ermittlung des Ausmaßes der Beitragsleistungen im Verordnungswege vor.
c) Zur Begründung ihrer Legitimation zur Anfechtung der Verordnung vom 18. Dezember 1975 über die Einreihung der Aufschließungsstraße Stuhleckblick als öffentlichen Interessentenweg führen die Antragsteller an, daß sich aus dieser Verordnung gemäß §45 Abs1 LStVG 1964 dem Grunde, aber auch der Höhe nach ihre Verpflichtung zur anteiligen Tragung der Kosten der Herstellung und Erhaltung des öffentlichen Interessentenweges ergebe, die Verordnung deshalb unmittelbar in das Eigentumsrecht der Antragsteller eingreife und ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam geworden sei. Ein solcher Eigentumseingriff liege auch deshalb vor, weil der Zweitantragsteller auf Grund des von ihm mit der Baugesellschaft, die die Siedlung errichtet und die Aufschließungsstraße gebaut habe, geschlossenen Kaufvertrages zur Benützung dieser Straße ohne Leistung von Straßenerhaltungsbeiträgen berechtigt sei, ein Recht, das infolge der Schenkung des Hälfteanteils an der Liegenschaft an die Erstantragstellerin auch dieser zustehe und in das durch die in Rede stehende Verordnung eingegriffen werde. Die (wie erwähnt, von den Antragstellern als Verordnung gewertete) Erledigung vom 8. April 1976, mit der die Einbeziehung der Antragsteller in die öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft vorgenommen und der von ihnen zu leistende Beitrag zu den Kosten der Herstellung und Erhaltung des öffentlichen Interessentenweges festgelegt worden sei, stehe in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Verordnung vom 18. Dezember 1975, weshalb auch diese in das Verordnungsprüfungsverfahren einbezogen werden müsse, wenn man die Legitimation der Antragsteller zur Anfechtung der Verordnung vom 8. April 1976 bejahe.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der (Individual-)Anträge erwogen:
1. Die hier maßgeblichen Vorschriften des LStVG 1964 (idF des Gesetzes LGBl. 195/1969) haben folgenden Wortlaut:
"Einteilung der Straßen.
§7. (1) Die unter dieses Gesetz fallenden Straßen sind in folgende Gattungen eingereiht:
...
5. Öffentliche Interessentenwege, das sind Straßen für den öffentlichen Verkehr von örtlicher Bedeutung, die überwiegend nur für die Besitzer oder Bewohner einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen und als solche erklärt wurden (§8).
..."
"§8.
...
(3) Die Einreihung ... eines öffentlichen Interessentenweges (§7 Abs1 Z. 5) erfolgt durch Verordnung der Gemeinde.
..."
"e) Öffentliche Interessentenwege.
(§7 Abs1 Z. 5.)
§45. (1) Die Kosten der Herstellung und Erhaltung öffentlicher Interessentenwege fallen den Liegenschaftsbesitzern oder sonstigen Verkehrsinteressenten zur Last. Die Gemeinde ist jedoch verpflichtet, nach Maßgabe ihres Interesses an dem Bestand einer solchen Straße Beiträge zu leisten.
(2) Über das Ausmaß und die Art der Beitragsleistung zu den Kosten der Herstellung und Erhaltung eines öffentlichen Interessentenweges entscheidet auf Antrag oder von Amts wegen die Gemeinde.
(3) Wenn es zur Sicherstellung der Erhaltung von öffentlichen Interessentenwegen erforderlich ist, kann die Gemeinde durch Verordnung die Zusammenfassung von Beitragspflichtigen in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft mit der Wirkung verfügen, daß die Mitgliedschaft und damit die Pflicht zur Beitragsleistung auf den jeweiligen Besitzer der beteiligten Liegenschaft übergeht.
(4) Die Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Wegegenossenschaften ist durch Satzungen zu regeln. Die Satzungen haben Bestimmungen zu enthalten über
a) ...
...
d) die Ermittlung des Maßstabes für die Aufteilung der Kosten, über die Festsetzung der Mitgliedsbeiträge und ihre Einhebung,
..."
2. Gemäß Art139 Abs1 dritter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
3. Die Antragsteller haben, wie schon unter I.2.a erwähnt, die (oben unter I.1.b im Wortlaut wiedergegebene) Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Spital am Semmering vom 18. Dezember 1975, mit der die (durch Angabe der Nummern der betreffenden Grundstücke näher bezeichnete) Aufschließungsstraße Stuhleckblick als öffentlicher Interessentenweg eingereiht wurde, bereits mit jenem auf Art139 (Abs1 dritter Satz) B-VG gestützten (Individual-)Antrag bekämpft, der vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 15. Dezember 1990, V193,194/90, VfSlg. 12594/1990, mangels Legitimation der Antragsteller zurückgewiesen wurde. Der Verfassungsgerichtshof ging unter Hinweis auf Vorjudikatur (VfSlg. 8156/1977, 10988/1986, 10989/1986, 12133/1989) davon aus, daß die Einreihung eines Weges als öffentlicher Interessentenweg einen (umittelbaren) Eingriff in die Rechtssphäre bloß jener Eigentümer von Grundstücken zu bewirken vermag, über deren Grundstücke dieser Weg führt, und selbst dies nur dann, wenn der Weg in der Natur bereits besteht.
Unter dieser Prämisse mußte, da die Aufschließungsstraße Stuhleckblick nicht über das nach dem damaligen Vorbringen der nunmehrigen Erstantragstellerin und des nunmehrigen Zweitantragstellers in ihrem Eigentum stehende Grundstück verlief, die bekämpfte Verordnung somit keinen Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller bewirkte, der (Individual-)Antrag zurückgewiesen werden. Die nunmehr angefochtene Rechtsvorschrift ist identisch mit jener, die Gegenstand des seinerzeitigen (Individual-)Antrages war. Dem nunmehrigen Antragsvorbringen ist nicht zu entnehmen, daß in den maßgeblichen Verhältnissen (Eigentum der Antragsteller, Verlauf der Aufschließungsstraße, Rechtslage) eine Änderung eingetreten wäre, die zu einer anderen Entscheidung führen müßte. Damit aber liegt, was die Anfechtung der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Spital am Semmering vom 18. Dezember 1975 über die Einreihung der Aufschließungsstraße Stuhleckblick als öffentlichen Interessentenweg betrifft, rechtskräftig entschiedene Sache vor. Der (Individual-)Antrag mußte daher insoweit wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurückewiesen werden (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VfGH 10.3.1994, G239/93).
4.a) Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrages nach Art139 Abs1 B-VG ist unter anderem, daß der behördliche Akt, dessen Aufhebung beantragt wird, Verordnungscharakter besitzt (vgl. dazu etwa VfSlg. 10224/1984, 10355/1985, 10988/1986, 11472/1987, 11894/1989).
b) Bei der (oben unter I.1.c im Wortlaut wiedergegebenen) Erledigung vom 8. April 1976 handelt es sich nicht um eine Verordnung, sondern um einen Bescheid.
Sie ist nicht nur ausdrücklich als Bescheid bezeichnet, sondern auch in Spruch und Begründung gegliedert und enthält - der Vorschrift des §93 Abs2 der (Stmk.) Gemeindeordnung 1967, LGBl. 115, idF des Gesetzes LGBl. 14/1976, entsprechend - eine Rechtsmittelbelehrung.
Auch ihrem Inhalt nach stellt sie sich als normativer Abspruch in einer Verwaltungsangelegenheit dar (vgl. etwa VfSlg. 9383/1982 mwH).
Ferner ist sie nicht, wie dies für Verordnungen kennzeichnend ist, an eine nach Gattungsmerkmalen bezeichnete Personenmehrheit gerichtet (s. dazu etwa VfSlg. 6291/1970). Vielmehr richtet sie sich, wie die Zustellverfügung erkennen läßt, an individuell bestimmte, nämlich mit ihrem Namen und unter Angabe ihrer Adresse bezeichnete Personen und weist demnach auch mit der Nennung von individuell bezeichneten Adressaten ein für einen Bescheid konstitutives Merkmal auf (s. zB VfSlg. 6490/1971; vgl. etwa auch Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht5, Rz 440;
Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2, S. 527).
Daß die Absicht der Behörde auf die Erlassung eines Bescheides (und nicht einer Verordnung) gerichtet war, wird etwa auch daraus deutlich, daß die Erledigung unter anderem die Erklärung der Aufschließungsstraße Stuhleckblick als öffentlichen Interessentenweg ausspricht. Da dies, als die Erledigung erging, bereits in der (oben unter I.1.b im Wortlaut wiedergegebenen) Verordnung des Gemeinderates vom 18. Dezember 1975 über die Einreihung dieses Weges als öffentlicher Interessentenweg festgelegt war, ist anzunehmen, daß die Absicht der Behörde nicht auf die neuerliche Erlassung einer solchen Verordnung, sondern darauf gerichtet war, den Inhalt der bereits in Geltung stehenden Verordnung gegenüber den in der Zustellverfügung genannten Adressaten zur Geltung zu bringen.
Da die angefochtene Erledigung vom 8. April 1976 nicht Verordnungsqualität besitzt, kann sie nicht Gegenstand eines Verordnungsprüfungsverfahrens nach Art139 Abs1 B-VG, somit auch nicht eines Antrages nach Art139 Abs1 dritter Satz B-VG sein. Der gegen die Erledigung vom 8. April 1976 gerichtete (Individual-)Antrag ist daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.
Im übrigen bleibt noch auf folgendes hinzuweisen: In der Zustellverfügung der Erledigung vom 8. April 1976 ist auch der Zweitantragsteller (als damaliger Alleineigentümer der nunmehr im Miteigentum der beiden Antragsteller stehenden Liegenschaft) angeführt. Er bringt nicht vor, daß ihm diese Erledigung nicht zugestellt worden sei. Mit der Anfechtung dieser Erledigung durch Erhebung einer Vorstellung an die Aufsichtsbehörde und in weiterer Folge durch Erhebung einer Beschwerde gegen den Vorstellungsbescheid an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes wäre es dem Zweitantragsteller möglich gewesen, die von ihm behauptete Gesetzwidrigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Spital am Semmering vom 18. Dezember 1975 vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes ebenso geltend zu machen wie die Gesetzwidrigkeit der mit der Erledigung vom 8. April 1976 vorgenommenen Zusammenfassung der Beitragspflichtigen zu einer öffentlich-rechtlichen Wegegenossenschaft und der gleichfalls mit dieser Erledigung vorgenommenen Festsetzung des Maßstabes der Beitragsleistung der Gemeinde und der einzelnen Grundstückseigentümer.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita und d VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Straßenverwaltung, Interessentenweg, Einreihungsverordnung (Straßenverwaltung), res iudicata, Bescheidbegriff, Verordnungsbegriff, WeggemeinschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:V88.1992Dokumentnummer
JFT_10049772_92V00088_00