Entscheidungsdatum
21.10.2021Norm
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §4 Abs2 Z1Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Mag. Dr. Goldstein als Einzelrichter über den Antrag von Rechtsanwalt A, ***, ***, vom 16.10.2021 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in der Vergabesache „Rechtsberatungsleistungen ***“ (öffentlicher Auftraggeber: B, ***, ***), folgenden
BESCHLUSS
1. Dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wird insofern Folge gegeben, als der B als öffentliche Auftraggeberin im Vergabeverfahren „Rechtsberatungsleistungen ***“ für die Dauer des beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (zu LVwG-VG-12/002-2021) anhängigen Nachprüfungsverfahrens untersagt wird, die Bewerber betreffend Los *** zur Angebotslegung einzuladen.
2. Das darüber hinausgehende Begehren wird abgewiesen.
3. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 4 Abs. 2 Z 1, § 14 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz (NÖ VNG)
§§ 28, 31 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG)
Hinweis: Die Entscheidung über den Antrag auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren ergeht nach Erlassung der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung.
Begründung:
I. Verfahrensgang
1. Nachprüfungsantrag
Mit dem am 18.10.2021 beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingelangten Nachprüfungsantrag vom 16.10.2021 begehrt der Antragsteller, die Ausscheidensentscheidung der B vom 12.10.2021, mit welcher sein Teilnahmeantrag betreffend das Vergabeverfahren „Rechtsberatungsleistungen ***“ mangels Eignung bzw. nicht behobener Mängel vom weiteren Verfahren ausgeschieden worden ist, für nichtig zu erklären und der Antragsgegnerin den Ersatz der Pauschalgebühren aufzutragen.
Begründend führt der Antragsteller auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass die von ihm vorgelegten Referenzen entgegen der Ansicht der Auftraggeberin die in der Teilnahmeunterlage formulierten Anforderungen erfüllten. Die Referenzen ***, *** und *** würden die Voraussetzungen für die Referenzart c) erfüllen und die Referenzen *** und *** (auch) die Voraussetzungen für die Referenzart a) erfüllen. Das Ausscheiden sei daher ausschreibungswidrig und zu Unrecht erfolgt.
Der Antragsteller erachte sich in seinen Rechten auf Unterlassung des Ausscheidens mangels Vorliegens von Ausscheidungsgründen, Durchführung eines rechtskonformen Vergabeverfahrens, Zulassung zum weiteren Vergabeverfahren bei Erfüllung der Vorgaben der Ausschreibung, Vergabe nach den Grundsätzen eines freien und lauteren Wettbewerbs und der Gleichbehandlung aller Bieter sowie auf rechtskonforme Anwendung der bestandsfesten Ausschreibungskriterien verletzt.
Der Antragsteller habe ein massives wirtschaftliches und rechtliches Interesse am Abschluss eines den vergaberechtlichen Bestimmungen unterliegenden Vertrages. Ihm drohe durch die aufgezeigten Rechtswidrigkeiten ein unmittelbarer, gravierender Schaden, falls er nicht für das weitere Vergabeverfahren berücksichtigt werden sollte. Dieser Schaden ergebe sich aus den bisherigen Aufwendungen für den Teilnahmeantrag und die Fragenbeantwortung von zumindest 30 Arbeitsstunden korrespondierend gut EUR ***. Der weiter drohende Schaden umfasse unter Beachtung der von der Auftraggeberin prognostizierten Beratungstage jedenfalls einen Verdienstentgang (Deckungsbeitrag), zumindest in der Größenordnung von EUR ***. Überdies ergebe sich aus der Ausführung von rechtskonform erteilten Aufträgen eine bedeutende Referenzwirkung, die ihm im Falle der rechtswidrigen Ausscheidung entgehen würde.
2. Antrag auf einstweilige Verfügung
Unter einem beantragte der Antragsteller, das Landesverwaltungsgericht möge die nachstehende einstweilige Verfügung erlassen:
„Das Vergabeverfahren zu Los *** wird für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens ausgesetzt.
Dem Auftraggeber wird für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens verboten, das Vergabeverfahren zu Los *** fortzusetzen, insbesondere Bieter zur Angebotslegung einzuladen und Rahmenvereinbarungen zu schließen.“
Weiters möge der Antragsgegnerin der Ersatz der von dem Antragsteller entrichteten Pauschalgebühren binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution aufgetragen werden.
Zur Begründung dieses Antrages verweist der Antragsteller auf sein Vorbringen im Nachprüfungsantrag. Zusätzlich bestehe kein besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens, weil unaufschiebbare Maßnahmen außerhalb des gegenständlichen Vergabeverfahrens abgeführt werden könnten. Zudem sei eine Leistungserbringung nach der Ausschreibung ohnehin
(voraussichtlich) erst ab 2022 vorgesehen.
Mit der beantragten einstweiligen Verfügung solle verhindert werden, dass der Nachprüfungsantrag vor seiner Erledigung unzulässig bzw. sinnentleert wird bzw. der Antragsteller geschädigt wird, indem er zu Unrecht vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschieden wird.
3. Stellungnahme der Antragsgegnerin
Mit Schreiben vom 18.10.2021 übermittelte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der öffentliche Auftraggeberin eine Ausfertigung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung samt Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung zur allfälligen Stellungnahme.
Die Auftraggeberin führte in ihrer Stellungnahme vom 19.10.2021 zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus, dass dem Antragsteller durch die Weiterführung des Verfahrens kein unmittelbarer Schaden drohe, weil ihm bis zu seinem rechtskräftigen Ausscheiden noch die Auswahlentscheidung mitzuteilen sei, die von ihm neuerlich mittels Nachprüfungsantrag bekämpft werden könne. Es wurde beantragt, die Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung daher zurück-, in eventu abzuweisen.
Für den Fall, dass das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich von der Zulässigkeit der Erlassung einer einstweiligen Verfügung ausgeht, bestünden aus Sicht der Antragsgegnerin keine Einwände gegen die Erlassung einer solchen einstweiligen Verfügung.
Weiters teilte die Auftraggeberin mit, dass noch keine die zweite Verfahrensstufe betreffenden Schritte gesetzt worden sind und insbesondere noch keine Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert worden sind. Es sei beabsichtigt, das Vergabeverfahren erst nach erstinstanzlichem Abschluss des vorliegenden Nichtigerklärungsverfahrens fortzusetzen.
II. Feststellungen
Aufgrund der vorgelegten Stellungnahmen sowie der Teilnahmeunterlage für das Vergabeverfahren zum Abschluss von Rahmenvereinbarungen über Rechtsberatungsleistungen, ***, wird im Rahmen des Provisorialverfahrens folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt festgestellt:
Die B führt unter der Bezeichnung „Rechtsberatungsleistungen ***“ ein in 5 Lose unterteiltes Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zum Abschluss mehrerer Rahmenvereinbarungen durch.
Nach den Festlegungen der Teilnahmeunterlage prüft die Auftraggeberin in der ersten Stufe des Verfahrens die fristgerecht eingereichten Teilnahmeanträge der Bewerber anhand der festgelegten Eignungskriterien. Von den geeigneten Bewerbern werden gemäß den in den Unterlagen der ersten Verfahrensstufe aufgestellten Auswahlkriterien je Los die fünf Bestqualifizierten zur Angebotslegung und somit zur Teilnahme an der zweiten Stufe des Verfahrens eingeladen (Punkte 2.2 und 5 der Teilnahmeunterlage).
Der Antragsteller hat rechtzeitig einen Teilnahmeantrag eingereicht. Mit Aufklärungsschreiben vom 27.09.2021 wurde er von der Auftraggeberin zu Aufklärungen bzw. Nachreichungen zu den vorgelegten Referenzen aufgefordert. Der Antragsteller hat am 04.10.2021 fristgerecht über das Vergabeportal eine Nachreichung bzw. Aufklärung übermittelt.
Mit Schreiben vom 12.10.2021 teilte die Auftraggeberin dem Antragsteller mit, dass sein Teilnahmeantrag im Los *** des Vergabeverfahrens wegen mangelnder Eignung bzw. nicht behobener Mängel ausgeschieden werden musste. Es wurde festgehalten, dass die vorgelegten Referenzen Nr. ***,*** und *** nicht die Mindestanforderungen der Referenzart a) erfüllen und die vorgelegte Referenz Nr. *** nicht die Mindestanforderungen der Referenzart c) erfülle. Im Ergebnis liege daher nur eine Referenz der Referenzart a) vor und keine Referenz der Referenzart c). Der Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit betreffend die Unternehmensreferenzen sei daher nicht erbracht worden.
Eine Aufforderung zur Angebotsabgabe wurde für das gegenständlich angefochtene Los *** noch nicht versendet.
III. Rechtslage
Gemäß § 4 Abs. 1 NÖ VNG obliegt die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.
Gemäß § 4 Abs. 2 Z 1 leg.cit. ist bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf des Vergabeverfahrens das Landesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens
(Artikel 14b Abs. 1 und 5 B-VG) oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (§ 14) zuständig.
Gemäß § 12 Abs. 1 NÖ VNG sind Anträge auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung bei einer Übermittlung bzw. Bereitstellung der Entscheidung auf elektronischem Weg sowie bei einer Bekanntmachung der Entscheidung binnen zehn Tagen einzubringen, bei einer Übermittlung über den Postweg oder einen anderen geeigneten Weg binnen 15 Tagen. Die Frist beginnt mit der Übermittlung bzw. Bereitstellung der Entscheidung bzw. mit der erstmaligen Verfügbarkeit der Bekanntmachung.
Gemäß § 14 Abs. 1 NÖ VNG hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 6 leg.cit. nicht offensichtlich fehlen, das Landesverwaltungsgericht durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
Gemäß Abs. 4 leg.cit. hat vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung das Landesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicher Weise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, so ist der Antrag abzuweisen.
Gemäß Abs. 5 leg.cit. können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
Gemäß Abs. 6 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit einer Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft. Das Landesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Landesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Frist fortbestehen.
Gemäß Abs. 7 leg.cit. sind einstweilige Verfügungen sofort vollstreckbar.
Gemäß § 19 Abs. 2, erster Satz, leg.cit. ist über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung unverzüglich, längstens jedoch binnen zehn Tagen nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.
IV. Erwägungen
1. Zur Zuständigkeit und Rechtzeitigkeit
Öffentliche Auftraggeberin im verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahren ist die B.
Gemäß § 4 Abs. 1 und Abs. 2 NÖ VNG unterliegt das gegenständliche Vergabeverfahren somit dem sachlichen und persönlichen Geltungsbereich der Bestimmungen des NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetzes iVm den materiell-rechtlichen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2018.
Die Ausscheidensentscheidung wurde von der Auftraggeberin gegenüber dem Antragsteller mit Schriftsatz vom 12.10.2021 bekannt gegeben. Die 10-tägige Anfechtungsfrist gemäß § 12 Abs. 1 NÖ VNG endet für den Antragsteller mit Ablauf des 22.10.2021, weshalb der am 18.10.2021 beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingelangte Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung fristgerecht gestellt wurde.
2. Zum Anfechtungsgegenstand
Der Antragsteller begehrt die Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung vom 12.10.2021.
Mit dieser Entscheidung hat die Auftraggeberin dem Antragsteller mitgeteilt, dass sein Teilnahmeantrag im Los *** des Vergabeverfahrens wegen mangelnder Eignung sowie einem nicht behobenen Mangel ausgeschieden werden musste.
Diese Mitteilung stützt sich ausdrücklich auf § 141 BVergG 2018, welcher die Tatbestände normiert, bei deren Vorliegen Angebote aus dem Vergabeverfahren auszuscheiden sind.
Im gegenständlichen Fall wurde der Antragsteller jedoch noch gar nicht zur Angebotslegung eingeladen und hat dementsprechend noch kein Angebot gelegt, welches gemäß § 141 BVergG 2018 ausgeschieden werden könnte.
Nach den Festlegungen der Teilnahmeunterlage prüft die Auftraggeberin in der ersten Stufe des Verfahrens die fristgerecht eingereichten Teilnahmeanträge der Bewerber anhand der festgelegten Eignungskriterien. Von den geeigneten Bewerbern werden gemäß den in den Unterlagen der ersten Verfahrensstufe aufgestellten Auswahlkriterien je Los die fünf Bestqualifizierten zur Angebotslegung und somit zur Teilnahme an der zweiten Stufe des Verfahrens eingeladen.
Das Anführen des § 141 BVergG 2018 in der Mitteilung der Auftraggeberin war daher im Rahmen des Provisorialverfahrens als ein Vergreifen in der Rechtsgrundlage zu bewerten. In einer Gesamtbetrachtung handelt es sich bei der Mitteilung der Auftraggeberin um eine nach außen in Erscheinung getretene Willenserklärungen mit dem objektiven Erklärungswert, dass der Teilnahmeantrag des Antragstellers ausgeschieden worden ist und er daher nicht zur Angebotslegung bzw. zur Teilnahme an der zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens zugelassen wird.
Gegen diese, gemäß § 2 Z 15 lit. a sublit. dd gesondert anfechtbare Entscheidung, richtet sich der Antrag auf Nachprüfung sowie der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Antragstellers.
3. Zu den weiteren Antragsvoraussetzungen
Eine Grobprüfung des Vorbringens des Antragstellers ergab, dass die Antragsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 NÖ VNG nicht offensichtlich fehlen.
Der Antragsteller hat sein Interesse an der Teilnahme am gegenständlichen Vergabeverfahren, am Vertragsabschluss und an der Erfüllung des gegenständlichen Auftrages nachvollziehbar dargelegt.
Der Antragsteller hat weiters in seinem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung die Formalerfordernisse nach § 14 Abs. 2 NÖ VNG erfüllt, da er das betreffende Vergabeverfahren sowie die gesondert anfechtbare Entscheidung und die Auftraggeberin bezeichnete, eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der im § 6 Abs. 1 NÖ VNG genannten Voraussetzungen vorgenommen, die behauptete Rechtswidrigkeit bezeichnet, die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen des Antragstellers und eine Darlegung der maßgeblichen Tatsachen vorgenommen, die begehrte vorläufige Maßnahme bezeichnet und die sonstigen Angaben erstattet hat, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.
Die Pauschalgebühr wurde bezahlt.
4. Zur inhaltlichen Beurteilung des Antrages
Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 14 Abs. 4 NÖ VNG sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberin die Einladung der geeigneten Bewerber zur Angebotslegung und anschließend die Durchführung von Verhandlungen beabsichtigt ist, ohne den Antragsteller einzubeziehen.
Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die vom Antragsteller relevierten Rechtswidrigkeiten zutreffen und er daher an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen wird können, wodurch ihm auf Grund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Auftrages mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung müssen daher - bei Nichtüberwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 14 Abs. 4 NÖ VNG - Maßnahmen getroffen werden, die eine spätere den Grundprinzipien des Vergaberechts entsprechende Teilnahme am Vergabeverfahren über die ausgeschriebenen Leistungen und eine Zuschlagserteilung ermöglicht. Zur wirksamen Sicherung dieser möglicherweise bestehenden Ansprüche muss daher das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in einem Stand gehalten werden, der eine allfällige spätere Teilnahme und Zuschlagserteilung an den Antragsteller ermöglicht.
Die Interessen des Antragstellers bestehen im Wesentlichen im Erhalt des Auftrags und zu diesem Zweck der Teilnahme an der zweiten Stufe des Vergabeverfahrens.
Die Auftraggeberin brachte keine gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung sprechenden eigenen und öffentlichen Interessen vor.
Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVA 14. 5. 2010, N/0038-BVA/10/2010-EV19), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 14 Abs. 4 NÖ VNG von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt.
Öffentliche Interessen, die eine sofortige Vergabe des Auftrags erforderlich machen würden, sind nicht ersichtlich.
Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen des Antragstellers den öffentlichen Interessen sowie den Interessen der Auftraggeberin gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und einer Auftragserteilung an den allenfalls obsiegenden Antragsteller ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten.
Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es demnach, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 14 Abs. 4 NÖ VNG die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
Die beantragten Maßnahmen können unabhängig voneinander angeordnet werden. Der Antrag ist daher diesbezüglich trennbar.
Bei der beabsichtigten Einladung von Bewerbern zur Angebotslegung durch die Auftraggeberin ist die vorläufige Untersagung dieser Einladung die gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme (BVwG 31.03.2016, W138 2123604-1).
Durch diese verfügte Maßnahme erübrigen sich auch die weitergehenden Untersagungen, das gesamte Vergabeverfahren fortzusetzen bzw. die Rahmenvereinbarung zu schließen, ist doch der Antragsteller durch die verfügte Untersagung der Einladung von Bewerbern zur Angebotslegung vollständig in seinen Rechten geschützt. Darüber hinaus wäre das Begehren des Antragstellers auf (generelle) Aussetzung des Vergabeverfahrens zu Los *** überschießend (vgl. BVwG 21.02.2019, W139 2214380-1/2E mwN).
Den Ausführungen der Auftraggeberin zur Unzulässigkeit des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung konnte aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden:
Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung um einen gänzlich anderen Verfahrenstypus handelt als etwa bei einem offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung, welches der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 08.08.2019, Ro 2018/04/0020, zugrunde lag (ebenso VwGH 23.11.2016, Ra 2015/04/0029).
So fehlt bei einem offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung gerade das charakteristische Element des hier gegenständlichen Verfahrenstypus, der Verhandlung.
Die Grundsätze der Bietergleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung gebieten es nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes, mit der Einladung zur zweiten Stufe dieses Verfahrens und der damit verbundenen Übermittlung der detaillierten Angebotsunterlagen zuzuwarten, bis feststeht, welche Bieter in der zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens überhaupt teilnehmen werden. Durch eine (im Vergleich zum Antragsteller) frühzeitige Angebotserstellung und dem Beginn der Verhandlungen könnte sich für die anderen Bewerber nämlich ein gegenüber dem Antragsteller zeitlicher und inhaltlicher Wettbewerbsvorteil ergeben, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein später der zweiten Stufe beizuziehender Bieter aufgrund der vorangeschrittenen Verhandlungen mit den anderen Bietern faktisch schlechter gestellt ist. Die Zulässigkeit von Anträgen auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in dieser Stufe eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung entspricht auch der Praxis der gerichtlichen Vergabenachkontrolle (siehe z.B. BVwG 31.03.2016, W138 2123604-1; 23.01.2019, W123 2213111-1; VwG Wien 25.08.2020, VGW-124/087/9927/2020)
Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht. Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 14 Abs. 6 NÖ VNG verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit und legt keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Der Auftraggeber ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die achtwöchige Entscheidungsfrist des Landesverwaltungsgerichtes gemäß § 19 Abs. 3 NÖ VNG dadurch nicht verlängert wird, er jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag ohnehin außer Kraft tritt (vgl. dazu die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, z.B. zuletzt W273 2238848-1 vom 29.1.2021).
Die beantragte einstweilige Verfügung war daher spruchgemäß zu erlassen.
Gemäß § 15 Abs. 3 NÖ VNG konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung entfallen.
Die Entscheidungen über die Anträge auf Nichtigerklärung und auf Ersatz der Pauschalgebühren werden separat ergehen.
V. Zur Zulässigkeit der Revision
Die Revision ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Zulässigkeit von Anträgen auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch Bewerber fehlt, die mangels Eignung im Sinne des § 123 Abs. 2 BVergG 2018 nicht zur Teilnahme an der zweiten Stufe eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung zugelassen worden sind.
Schlagworte
Vergabe; einstweilige Verfügung; Ausscheidung; Angebot; Verhandlungsverfahren; Einladung zur Angebotslegung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.VG.12.001.2021Zuletzt aktualisiert am
25.10.2021