TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/3 I417 2221975-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.02.2021
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Entscheidungsdatum

03.02.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z6
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I417 2221975-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Friedrich ZANIER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Tunesien, vertreten durch: BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 4.Stock, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 29.12.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 10.12.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer in der Erstbefragung vor der PI XXXX zu Protokoll, dass er in seinem Geschäft in Tunesien Alkohol verkauft und auch selbst konsumiert habe. Deshalb wäre er von der Salafistengruppe „Okba Ebn Nafaa“ bedroht worden und hätte im Fall einer Rückkehr nach Tunesien Angst davor, von diesen deswegen getötet zu werden.

In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde führte der Beschwerdeführer am 17.12.2020 aus, dass ihn diese Gruppe bereits im Jahr 2014 bedroht und auch einmal zusammengeschlagen hätte. Im Herbst des Jahres 2014 sei dann auch auf ihn geschossen worden, weshalb er dann seine Heimatstadt Jendouba verlassen hätte und nach Hammamet gezogen wäre. In den Jahren 2014 bis 2017 hätte er dann keine weiteren Probleme gehabt (AS 103). Nach Österreich sei er im Jahr 2017 gekommen, da er ein Visum beantragt und erhalten habe, um mit seiner Frau und seiner älteren Tochter in Österreich leben zu können (AS 104).

Mit dem Bescheid vom 29.12.2020, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Tunesien (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) und erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 26.01.2021 (bei der belangten Behörde eingelangt am 26.01.2021).

Mit Schriftsatz vom 27.01.2021, beim Bundesverwaltungsgericht – Außenstelle Innsbruck eingelangt am 29.01.2021, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist geschieden, Vater zweier Kinder, Staatsangehöriger von Tunesien und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der Araber an. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. In Österreich leben der Onkel und der Cousin des Beschwerdeführers. Seine frühere Schwiegermutter ist zugleich die frühere Frau seines Onkels.

Die Familie des Beschwerdeführers bestehend aus dem Vater XXXX , der Mutter XXXX , dem Bruder Hassan und der Schwester XXXX lebt in Tunesien. Mit ihnen steht der Beschwerdeführer regelmäßig über Videotelefonie in Kontakt. Seine Familie in Tunesien gehört zur Mittelschicht Tunesiens, welche keine wirtschaftlichen Probleme hat.

Der Beschwerdeführer besuchte in Tunesien die Volks- und die Grundschule. Er arbeitete zunächst als KFZ-Mechaniker für LKW, zuletzt war er als freier Verkäufer tätig. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung in Tunesien hat er eine Chance auch hinkünftig im tunesischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Der Beschwerdeführer heiratete im Jahr 2013 in Tunesien eine österreichische Staatsbürgerin; diese Ehe wurde in Österreich anerkannt. Von 2013 bis 2017 führte das Paar eine Fernbeziehung, wobei seine damalige Ehefrau den Beschwerdeführer wiederholt in Tunesien besuchte. Die gemeinsame Tochter A. wurde am XXXX .2016 geboren.

Der Beschwerdeführer reiste im März 2017 auf Basis eines Visums in das österreichische Bundesgebiet ein, und es wurde ihm ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" vom 15.02.2017 bis zum 14.02.2018 erteilt.

Kurz nach der Ankunft des Beschwerdeführers in Österreich kam es bereits zu ersten Auseinandersetzungen und Übergriffen in der Familie. Von August bis Dezember 2017 hielt sich seine damalige Ehefrau mit der gemeinsamen Tochter A. aufgrund von häuslicher Gewalt für etwa sechs Monate in einem Frauenhaus auf. Seine Tochter J. wurde am XXXX .2018 geboren. Danach wurde wieder ein gemeinsamer Haushalt gegründet.

Aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung im Jänner 2018 wurde nach der Antragstellung des Beschwerdeführers auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels vom Amt der XXXX Landesregierung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) um eine Überprüfung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung ersucht.

Die Kinder des Beschwerdeführers befanden sich ab Juli bzw. August 2018 auf einem Krisenpflegeplatz, sind inzwischen aber wieder gemeinsam mit der Kindesmutter untergebracht. Die Obsorge liegt bei der Kindesmutter. Die Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Frau wurde am 19.04.2019 geschieden.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 17.12.2018 in Haft. Er hatte am 12.07.2018 seiner sechs Monate alten Tochter körperliche Qualen zugefügt, indem er sie heftig schüttelte, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung mit Dauerfolgen, nämlich ein Subduralhämatom des rechten Großhirns und des gesamten Kleinhirns, Netzhauteinblutungen in beide Augen, beidseitige Lidschlussdefizite, generalisierte Krampfanfälle sowie eine behandlungsbedürftige Blutungsanämie ("Schütteltrauma-Syndrom") zur Folge hatte. Er hat dadurch bei seiner Tochter eine schwere Schädigung des Sehvermögens und anhaltende neurologische Defekte herbeigeführt. Im Zuge der Untersuchungen im Krankenhaus wurden bei der Tochter beidseitige Ober- und Unterschenkelbrüche festgestellt, die auf eine mehrzeitige Gewalteinwirkung gegen den kindlichen Körper schließen lassen. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX zu XXXX vom 04.02.2019 wegen des Vergehens des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen (§ 92 Abs. 1 StGB) und des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 Abs. 2 iVm Abs. 1 Z 1 und Z 3 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von vierzig Monaten verurteilt. Die dem Beschwerdeführer gewährte bedingte Strafnachsicht zum Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 25.01.2018, Zl. XXXX wurde widerrufen.

Aufgrund der Berufung der Staatsanwaltschaft XXXX wurde die vierzig monatige Freiheitsstrafe mit Urteil des OLG XXXX vom 22.05.2019, zu XXXX auf fünf Jahre angehoben. Vom OLG XXXX wurde vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht allerdings unter Setzung einer Probezeit von fünf Jahren abgesehen. Der Beschwerdeführer zeigte bei den verschiedenen Einvernahmen keine Reue in Bezug auf seine Straftaten.

Mit Bescheid des BFA vom 02.07.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt I.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Zudem wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 09.08.2019 zu I403 2221975-1/5E als unbegründet abgewiesen.

Insgesamt wurde der Beschwerdeführer in Österreich drei Mal strafrechtlich verurteilt:

?        Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 25.01.2018, zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Diebstahles nach § 127 StGB, des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB, des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB und des Vergehens der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Mildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit, der teilweise Versuch und das Teilgeständnis gewertet, erschwerend das Zusammentreffen von zahlreichen Vergehen.

?        Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX zu XXXX vom 04.02.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen (§ 92 Abs. 1 StGB) und des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 Abs. 2 iVm Abs. 1 Z 1 und Z 3 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von vierzig Monaten verurteilt. Die dem Beschwerdeführer gewährte bedingte Strafnachsicht zum Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 25.01.2018, Zl. XXXX wurde widerrufen. Bei der Strafzumessung wurde als erschwerend das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen, das Vorliegen einer einschlägigen Vorstrafe angesehen. Als mildernd war seitens des Gerichtes nichts zu werten.
Aufgrund der Berufung der Staatsanwaltschaft XXXX wurde die Freiheitsstrafe mit Urteil des OLG XXXX vom 22.05.2019, zu XXXX , auf fünf Jahre angehoben. Vom OLG XXXX wurde vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht - allerdings unter Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre - abgesehen. Das OLG Graz räumte ein, dass „bei Gewichtung der persönlichen Schuld des Angeklagten auch die Tatbegehung während der Probezeit aus dem Verfahren XXXX des Landesgerichtes XXXX ebenso berücksichtigt werden muss (RIS-Justiz RS0090597) wie der rasche Rückfall nach dieser Verurteilung. Zudem liegt auch der besondere Erschwerungsgrund des § 33 Abs. 1 Z 7 StGB durch die Ausnützung der Wehr- und Hilflosigkeit der erst sechs Monate alten Tochter (s Ebner in WK² StGB § 33 Rz 37) sowie jener des § 33 Abs. 3 Z 1 StGB vor. Die Würdigung des entsprechenden Strafzumessungssachverhaltes erfordert die im Spruch ersichtliche, dem Tatunrecht und der personalen Täterschuld entsprechende Anhebung der Freiheitsstrafe.“

?        Zu XXXX des Bezirksgerichtes XXXX - XXXX wurde der Beschwerdeführer am 21.10.2019, rechtskräftig seit 25.10.2019, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Als mildernd wertete das Gericht das Geständnis, als erschwerend wurden zwei einschlägige Vorstrafen sowie die Tatbegehung während offener Probezeit gewertet.

Hinsichtlich des Privat-und Familienlebens des Beschwerdeführers haben sich seit dem Erkenntnis des BVwG vom 09.08.2019 keine entscheidungswesentlichen Veränderungen ergeben. Der Beschwerdeführer befindet sich nach wie vor in Strafhaft.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Tunesien aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde.

Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Tunesien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existenziellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Tunesien:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 29.12.2021 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle (Stand 31.10.2019, letzte Information eingefügt am 30.06.2020) „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Tunesien vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Tunesien ist ein sicherer Herkunftsstaat, der willens und im Stande ist, seine Staatsbürger zu schützen. Die Grund- und Freiheitsrechte, insbesondere die Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit, sind in Tunesien seit der Revolution von 2011 faktisch gewährleistet. Die Versammlungsfreiheit wurde nach 2011 wiederhergestellt und eine Amnestie für politische Gefangene durchgeführt. Die neue tunesische Verfassung enthält umfangreiche Garantien bürgerlicher, politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Grundrechte. Das Recht friedlicher Versammlungen und Demonstrationen ist verfassungsrechtlich garantiert. Lediglich während des Ausnahmezustandes zuletzt im Jahr 2015 war dieses Recht eingeschränkt. De jure verbotene Demonstrationen wurden trotz Verbots de facto geduldet und auf deren gewaltsame Auflösung verzichtet. Die tunesische Verfassung garantiert den Schutz der Menschenwürde und der körperlichen Unversehrtheit. Tunesien hat das Zusatzprotokoll zur Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Strafe am 29.06.2011 ratifiziert. Im Zusammenhang mit Terrorabwehrmaßnahmen werden Misshandlungen von Inhaftierten durch Sicherheitskräfte gemeldet. Die in Tunesien für Mord, Vergewaltigung mit Todesfolge und Landesverrat sowie für bestimmte Delikte im Zusammenhang mit Terrorismus und Geldwäsche vorgesehene Todesstrafe wird von Gerichten verhängt, aber seit 1991 nicht mehr vollstreckt. Todesurteile werden häufig durch Amnestie in lebenslange Haftstrafen umgewandelt. Illegal aus Tunesien ausgereisten Personen droht nach dem Gesetz eine Geld- oder Freiheitsstrafe.

Die in Tunesien als terroristische Gruppe betrachtete „Okba Ibn Nafaa“ wird seitens der tunesischen Regierung und der tunesischen Armee verfolgt und wurden einige von den Anführenr bei konzertierten Aktionen in Haft genommen bzw. auch getötet.

Obwohl Tunesien ein islamisches Land ist, gibt es kein Alkoholverbot. Alkohol ist in Bars, Restaurants und einigen Supermärkten erhältlich. In Tunesien werden Tafelweine, Sekt, Bier, Aperitifs und einheimische Liköre wie „Boukha“ oder „Thibarine“ produziert.

Eine nach Tunesien zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Tunesien mit Stand 31.10.2019, letzte Information eingefügt am 30.06.2020.

Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Die belangte Behörde hat diese Feststellungen korrekt und nachvollziehbar gewürdigt. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufgekommen.

Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität fest.

Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers, sowie dessen strafrechtlicher Verurteilungen ergeben sich aus den dem erkennenden Gericht vorliegenden strafrechtlichen Urteilen des Landesgerichtes XXXX XXXX , des OLG XXXX , des Bezirksgerichts XXXX und dem Erkenntnis des BVwG zu 403 2221975-1/5E, sowie aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 28.01.2021.

Der in der Beschwerdeschrift vertretenen Ansicht, dass sich das Familienleben des Beschwerdeführers seit der Rechtskraft des Erkenntnis des BVwG vom 09.08.2019 geändert habe, vermag das erkennende Gericht nicht beizutreten. Auch wenn die minderjährigen Töchter mit Einverständnis der Kindesmutter einmal im Monat zum Beschwerdeführer in das Gefängnis gebracht werden, so bewirkt dieser Kontakt, der zudem hinter einer schützenden Scheibe von statten geht, ebenso wenig ein „schützenswertes Familienleben“ zu begründen, wie der öfter stattfindende Kontakt des Beschwerdeführers via Zoom mit seinen minderjährigen Töchtern. Die Qualität dieser derzeitigen Kontakte in der Justizanstalt wird der Beschwerdeführer ebenso aus seiner Heimat Tunesien aufrecht erhalten können.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer nannte als Fluchtgrund, von einer radikalen Salafistengruppe verfolgt und mit dem Tod bedroht worden zu sein. Einmal sei auf ihn sogar geschossen worden.

Es ist für das Bundesverwaltungsgericht schlüssig nachvollziehbar, dass die belangte Behörde dieses Fluchtvorbringen als unglaubwürdig einstuft. Dieser Beurteilung tritt auch die Beschwerde in keiner Weise schlüssig entgegen, sodass für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund besteht, an der Würdigung der belangten Behörde zu zweifeln. Daher schließt sich das Bundesverwaltungsgericht dieser Beweiswürdigung vollinhaltlich an.

Die vom Beschwerdeführer benannte Salafistengruppe wird in Tunesien von der Regierung und dem Militär verfolgt, da diese als terroristische Organisation eingestuft wird. Weite Erfolge sind bereits bekannt und wurden dementsprechend auch bereits in der Presse veröffentlicht. Sollte der Beschwerdeführer tatsächlich von dieser Gruppe bedroht bzw. verfolgt worden sein, so hätte sich der Beschwerdeführer zum einen dem Schutz des Staates, der in diesem Zusammenhang jedenfalls als schutzwillig und –fähig einzustufen ist, unterstellen können. Andererseits berichtete der Beschwerdeführer anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 17.12.2020 davon, dass er während seines dreijährigen Aufenthaltes in „al Hammamet“ zu keiner Zeit Probleme gehabt hätte.

Auch ist es für den erkennenden Richter nicht nachvollziehbar, warum gerade der Beschwerdeführer von dieser radikal-islamischen Gruppierung wegen Konsums und Verkaufs von Alkohol verfolgt werden sollte, zumal in Tunesien in Restaurants und Supermärkten alkoholische Getränke erhältlich sind – ein Umstand, der notorisch ist. Diesbezüglich verblieb das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinen niederschriftlichen Aussagen, wie auch in der Beschwerdeschrift lediglich in der Behauptungsebene und vermochte keine überzeugenden und nachvollziehbaren Gründe darzulegen.

Damit ist die Beurteilung der Fluchtgründe und die diesbezügliche Beweiswürdigung durch die belangte Behörde nicht zu beanstanden, sodass sich das Bundesverwaltungsgericht dieser anschließt.

Da der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde dem bekämpften Bescheid nicht substantiiert entgegen trat und sich seine Beschwerdebegründung darin erschöpfte, seine Fluchtgründe nach wie vor aufrecht zu halten und sie in seiner Beschwerde geltend zu machen, ergeben sich auch keine Zweifel am Zutreffen der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen und ihrer Beweiswürdigung.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Tunesien vom 31.10.2019, letzte Information eingefügt am 30.06.2020, samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Hinsichtlich der Feststellungen zur Verfolgung der radikal islamischen Gruppierung „Okba Ibn Nafaa“ durch den tunesischen Staat und dessen Militär stützt sich das erkennende Gericht auf die diesbezüglich leicht recherchierbaren Artikel in der Presse, wie beispielsweise der Mitteilung der Agentur Reuters vom 30.04.2017. Der Umstand, dass in Tunesien Alkohol produziert und konsumiert wird ergibt sich aus den unzähligen, vorliegenden Reiseführern über Tunesien.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Tunesien ergeben sich aus den folgenden Meldungen und Berichten: Der Standard (31.7.2016): Misstrauensvotum macht in Tunesien Weg für Machtwechsel frei, http://derstandard.at/2000042056233/Misstrauensvotum-macht-in-Tunesien-Weg-fuer-Machtwechsel-frei, Zugriff 1.8.2016, Jeuneafrique (30.7.2016): Tunisie: le gouvernement de Habib Essid démissionnaire, http://www.jeuneafrique.com/345902/politique/tunisie-gouvernement-de-habib-essid-demissionnaire/, Zugriff 1.8.2016, (bundesdeutsches) Auswärtiges Amt: Tunesien - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Tunesien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.2.2016, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Tunesischen Republik, des (bundesdeutschen) Auswärtigen Amtes: Tunesien - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Tunesien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.2.2016, Tunesien - Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/TunesienSicherheit_node.html, Zugriff 9.2.2016, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH: Tunesien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/tunesien/geschichte-staat/, Zugriff 9.2.2016, Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (9.2.2016): Tunesien - Sicherheit & Kriminalität, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/tunesien/, Zugriff 9.2.2016, France Diplomatie (9.2.2016): Tunisie - Sécurité, http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/tunisie/, Zugriff 9.2.2016, Stiftung Wissenschaft und Politik (10.2014): Tunesien: Sicherheitsprobleme gefährden die Demokratisierung, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2014A62_mlg_wrf.pdf, Zugriff 9.2.2016, Tagesschau (7.2.2016): Tunesien baut Sperranlage fertig - Grenzwall gegen Islamisten aus Libyen, http://www.tagesschau.de/ausland/tunesien-grenzwall-101.html, Zugriff 9.2.2016, Zeit online (25.11.2014): IS bekennt sich zu Bombenanschlag in Tunis, http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-11/tunesien-terroranschlag-tunis-islamischer-staat, Zugriff 9.2.2016, Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Tunisia, http://www.ecoi.net/local_link/306379/443654_de.html, Zugriff 9.2.2016, und des U.S. Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Tunisia, http://www.ecoi.net/local_link/306379/443654_de.html, Zugriff 9.2.2016, Transparency International (2016): Corruption Perceptions Index 2015 - Results, https://www.transparency.org/cpi2015#results-table, Zugriff 9.2.2016, Central Intelligence Agency (28.1.2016): The World Factbook - Tunisia, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ts.html, Zugriff 9.2. 2016.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.

Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1.    Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1.  Rechtslage

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinaus geht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3 bereits dargelegt, vermochte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keine wohlbegründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2.    Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1.  Rechtslage

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

3.2.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Dem Beschwerdeführer droht in Tunesien - wie oben bereits dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung.

Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Tunesien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund und somit arbeitsfähig. Auch aufgrund seiner Schulbildung und seiner bereits erworbenen Erfahrungen am tunesischen Arbeitsmarkt als KFZ-Mechaniker für LKW und freier Verkäufer wird der Beschwerdeführer in Hinkunft seine Existenz durch Aufnehme einer Beschäftigung leicht sichern können. Zudem kann der Beschwerdeführer auf seine Familie zurückgreifen, die wie der Beschwerdeführer selbst angab, zur Mittelschicht Tunesiens gehört (AS 101) und ihm so über etwaige anfängliche Schwierigkeiten hinweghelfen kann.

Damit ist der Beschwerdeführer durch die Abschiebung nach Tunesien nicht in seinem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Tunesien besser gestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Tunesien keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Ganz allgemein besteht in Tunesien derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für Tunesien, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw der Todesstrafe besteht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 1 Z 1 AsylG abzuweisen war.

3.3.    Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides)

3.3.1.  Rechtslage

Gemäß § 58 Abs 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

3.3.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 57 AsylG, abzuweisen war.

3.4.    Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG kann vom BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist.

Gegen den Beschwerdeführer besteht durch das Erkenntnis des BVwG zu I403 2221975-1/5E vom 09.08.2019 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung.

Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt ein Überwiegen der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides, weshalb die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den gegenständlichen bekämpften Bescheid zulässig war.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 18 Abs 1 BFA-VG abzuweisen war.

4.       Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn – wie im vorliegenden Fall – deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist – aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht lediglich fünf Wochen liegen – die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen wirft keine neuen oder noch zu klärenden Sachverhaltsfragen auf und richtet sich ausschließlich gegen die rechtliche Beurteilung. Er ist aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb keine neuen Beweise aufzunehmen waren.

Das Bundesverwaltungsgericht musste sich auch keinen persönlicher Eindruck vom Beschwerdeführer oder seiner geschiedenen Ehefrau im vorliegenden Fall verschaffen, da selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten auch dann für den Beschwerdeführer kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm bzw. seiner geschiedenen Ehefrau einen persönlichen Eindruck verschafft, weshalb eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 bis 0423, Ra 2017/19/0424).

Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Zudem liegt ein Verfahren nach § 18 BFA-VG vor, welches das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet innert 7 Tagen zu entscheiden, es sei denn es lägen Gründe vor, die aufschiebende Wirkung nach § 18 Abs 5 BFA-VG zuzuerkennen. Dies war im gegenständlichen Fall – wie oben dargelegt – aber nicht gegeben.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufrechte Rückkehrentscheidung aufschiebende Wirkung - Entfall begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe Fluchtgründe Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Interessenabwägung real risk reale Gefahr subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I417.2221975.2.00

Im RIS seit

25.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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