TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/28 I416 2216523-2

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Veröffentlicht am 28.05.2021
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Entscheidungsdatum

28.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §20 Abs1
AsylG 2005 §56
AsylG 2005 §58
AsylG 2005 §60 Abs1
AsylG 2005 §60 Abs2
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z2
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z3
AsylG-DV 2005 §4 Abs2
AsylG-DV 2005 §8 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
IntG §9 Abs4
NAG §11
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I416 2216523-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , StA. Ägypten, vertreten durch den RA Dr. Gregor KLAMMER, Lerchenfelder Gürtel 45/11, 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.01.2021, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Die Beschwerdeführerin war zwischen 01.04.2014 und 02.04.2016 im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels in Österreich mit dem Zweck Familiengemeinschaft. Den Verlängerungsantrag vom 14.03.2016 wies das Amt der XXXX Landesregierung, Magistratsabteilung 35, mit Bescheid vom 21.06.2016, Zl. XXXX , ab.

2.       Die damals minderjährige Beschwerdeführerin stellte erstmals am 30.06.2017, vertreten durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin, einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) am 22.02.2019, Zl. XXXX , hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten abgewiesen wurde. Außerdem wurde der Beschwerdeführerin kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Ägypten zulässig ist. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.04.2019, GZ: I422 2216523-1/7E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die von der gesetzlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin erhobene außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 18.02.2020, XXXX , zurückgewiesen.

3.       Mit dem persönlich abgegebenen Antrag vom 12.03.2020 ersuchte die Beschwerdeführerin die belangte Behörde um Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ gemäß § 56 Abs. 1 AsylG und fügte dem Antrag neben einer Schulbesuchsbestätigung und einem Auszug aus dem Geburtenregister ein begründendes Schreiben in deutscher Sprache an, in welchem sie zudem einen Antrag auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG-DV stellte.

4.       Mit Verbesserungsauftrag der belangten Behörde vom 12.03.2020 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, binnen vier Wochen ein Lichtbild gemäß § 5 AsylG-DV, einen Nachweis der ortsüblichen Unterkunft und einen Nachweis der Krankenversicherung vorzulegen. Es erfolgte zudem eine Belehrung über die Folgen einer mangelnden Mitwirkung gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG sowie die Möglichkeit der Einbringung eines begründeten Antrags auf Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV samt Nachweis der Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der Beschaffung der erforderlichen Dokumente. Die Beschwerdeführerin beantragte mit E-Mail vom 06.04.2020 eine Fristverlängerung zur Vorlage der entsprechenden Unterlagen.

5.       Mit Schreiben vom 27.08.2020 gab der nunmehr ausgewiesene Rechtsvertreter seine Vertretungs- sowie Zustellvollmacht bekannt und legte zudem einen Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung sowie eine Wohnrechtsvereinbarung datiert mit 24.08.2020 vor.

6.       Die belangte Behörde sendete der Beschwerdeführerin am 03.09.2020 eine Ladung zur persönlichen Antragstellung und zur Beibringung von Unterlagen und forderte mit Verbesserungsauftrag vom 03.09.2020 die Vorlage einer schriftlichen Antragsbegründung in deutscher Sprache, eines Lichtbildes, eines gültigen Reisedokuments im Original, einer Geburtsurkunde oder eines dieser gleichzuhaltendes Dokuments im Original sowie eines Nachweises der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung bzw. eines Nachweises der Ausübung einer erlaubten Erwerbstätigkeit.

7.       Am 14.09.2020 langte bei der belangten Behörde die schriftliche Antragsbegründung vom 12.03.2020 sowie verschiedene Unterlagen wie eine Deutschkursanmeldung bzw. ein Jahreszeugnis ein.

8.       Mit E-Mail des ausgewiesenen Rechtsvertreters vom 27.10.2020 langte bei der belangten Behörde das Reifeprüfungszeugnis der Beschwerdeführerin datiert mit 30.09.2020 ein.

9.       Mit der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 04.12.2020 wurde die Beschwerdeführerin unter anderem darüber informiert, dass sie die Voraussetzung der Selbsterhaltungsfähigkeit nicht erfülle und ihr Aufenthalt zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könne, weshalb sie ihren Antrag binnen zwei Wochen zu einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG modifizieren könne. Zudem wurde die Beschwerdeführerin abermals dazu aufgefordert, einen Nachweis ihrer Originalidentität auf geeignete Art und Weise beizubringen.

10.      Am 24.12.2020 langte bei der belangten Behörde eine Stellungnahme des ausgewiesenen Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin zum gestellten Antrag auf Mängelheilung ein und wurden ein Auszug aus dem Geburtenregister, das Reifeprüfungszeugnis, die Kopie eines Lichtbildes, zwei Einstellungszusagen und Unterstützungsschreiben beigelegt.

11.      Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid der belangten Behörde vom 26.01.2021 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.) und wurde ihr Antrag auf Mängelheilung gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 iVm § 8 AsylG-DV abgewiesen (Spruchpunkt V.).

12.      Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob die Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 26.02.2021 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

13.      Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 10.03.2021 vorgelegt.

14.      Mit einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme wurde die Beschwerdeführerin am 26.04.2021 dazu aufgefordert, Unterlagen zu den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG ergänzend einzubringen und wurde ihr das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Ägypten mit Stand 01.02.2021 zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführerin wurde die Möglichkeit eingeräumt, binnen 14 Tagen ab Zustellung zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen.

15.      Am 12.05.2021 langte beim erkennenden Gericht ein Schreiben des ausgewiesenen Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin ein, mit welchem die Wohnrechtsvereinbarung datiert mit 24.08.2020, ein Nachweis der erhaltenen Grundversorgung, eine Bestätigung einer Modelagentur sowie ein E-Mail-Verlauf vom 21.04.2021 vorgelegt wurde. Zudem wurde zur Vorlage des Mietvertrages mit der Wohnrechtsüberlasserin um Fristerstreckung bis zum 18.05.2021 ersucht, wobei bis dato keine neuerliche Eingabe stattgefunden hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der zuvor unter Punkt I. ausgeführte Verfahrensgang wird als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt und werden darüber hinaus folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die volljährige Beschwerdeführerin ist ägyptische Staatsangehörige und somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Sie ist keine begünstigte Drittstaatsangehörige und es kommt ihr kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Ihre Identität steht fest.

Die Beschwerdeführerin ist gesund und sohin arbeitsfähig. Zudem gehört sie keiner Risikogruppe im Sinne der COVID-19 Pandemie an.

Sie ist ledig und hat keine Kinder oder anderweitige Sorgepflichten.

Die Beschwerdeführerin reiste legal aus Ägypten nach Österreich ein. Sie hält sich seit 01.07.2014 im österreichischen Bundesgebiet auf, da ihr eine Aufenthaltsbewilligung in Österreich für den Zeitraum 01.04.2014 bis 02.04.2015 erteilt wurde, welche nach entsprechendem Antrag um ein Jahr verlängert wurde. Am 14.03.2016 beantragte sie neuerlich die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Familiengemeinschaft, wobei ihr Antrag mit Bescheid der MA 35 vom 21.06.2016 abgewiesen wurde. Die Beschwerdeführerin verblieb dessen ungeachtet weiterhin im Bundesgebiet.

Am 30.06.2017 stellte die damals minderjährige Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre Mutter, schließlich einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.04.2019, I422 2216523-1/7E, negativ entschieden wurde. Seither besteht eine aufrechte Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin, wobei sie ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist und sich weiterhin unrechtmäßig in Österreich aufhält. Die Beschwerdeführerin ist seit 01.07.2014 durchgehend in Österreich melderechtlich erfasst.

In Ägypten besuchte die Beschwerdeführerin acht Jahre die Schule, spricht Arabisch und verfügt zudem über familiäre Anknüpfungspunkte.

In Österreich besuchte sie zuletzt ein Oberstufenrealgymnasium und absolvierte am 30.09.2020 positiv die Reifeprüfung. Aufgrund ihrer Schulbildung und der bestandenen Reifeprüfung beherrscht die Beschwerdeführerin die Sprache Deutsch.

Ihre Mutter XXXX lebt derzeit in Österreich und verfügt ebenfalls über keine Aufenthaltsberechtigung in Österreich. Darüber hinaus verfügt die Beschwerdeführerin in Österreich über keine familiären Anbindungen. Es bestehen allerdings private Anbindungen in Form eines Freundes- und Bekanntenkreises.

Die Beschwerdeführerin ist Mitglied im Verein XXXX und unterstützte den Verein bereits ehrenamtlich bei verschiedenen Veranstaltungen. Sie beschäftigt sich in ihrer Freizeit mit Kultur und Kunst, wobei nicht festgestellt werden konnte, dass die Beschwerdeführerin einem Kunststudium nachgeht.

Sie lebt gemeinsam mit ihrer Mutter in einer 35 m2 großen Einzimmerwohnung und weist die abgeschlossene Wohnrechtsvereinbarung eine Befristung bis August 2022 auf. Die Mitbenutzung der Unterkunft erfolgt durch Beteiligung in der Höhe von monatlich EUR 300,00.

Die Beschwerdeführerin verfügt über zwei Einstellungszusagen, einen mit Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung aufschiebend bedingten Dienstvertrag legte sie jedoch nicht vor. Die Firma XXXX stellte ihr am 08.12.2020 eine Stelle als Social Media Assistentin in Aussicht, für welche der Monatslohn bei einer 38,5 Stunden Woche je nach Arbeitsvertrag circa EUR 1.450,00 betragen würde. Das Unternehmen XXXX sicherte der Beschwerdeführerin ab 01.04.2021 eine Stelle im Unternehmensbereich International & Sondersparten zu, wobei die Höhe ihrer Bezüge noch offen waren. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin über eine Einstellungszusage bei der XXXX verfügt.

Die Beschwerdeführerin ging während ihrem Aufenthalt in Österreich bislang zu keiner Zeit einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nach und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Vielmehr bezieht sie seit ihrer Asylantragstellung Leistungen der staatlichen Grundversorgung. Die monatlichen Versorgungsleistungen bestehen aus Verpflegungsgeld in der Höhe von EUR 215,00 und Mietzuschuss in der Höhe von EUR 150,00, sohin gesamt EUR 365,00.

Des Weiteren ist sie in einer Modelagentur als selbständiges Model vertreten. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, ob und in welcher Höhe sie daraus Einkommen erzielt.

Eine Selbstversicherung in der Krankenversicherung liegt nicht vor, vielmehr befindet sich die Beschwerdeführerin bereits seit 03.07.2017 aufgrund ihres damaligen Status als Asylwerberin bzw. Flüchtling nach wie vor – trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung - in der Krankenversicherung im Rahmen der Grundversorgung.

Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten.

Die Beschwerdeführerin legte im gegenständlichen Verfahren keinen gültigen Reisepass vor und stellte dazu einen Antrag auf Mängelheilung gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV. Sie legte keinen Nachweis vor, dass es ihr unmöglich bzw. unzumutbar war oder sie sich ernsthaft darum bemüht hätte, sich ein Reisedokument zu beschaffen. Sie kam ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach.

1.2. Zur Lage in Ägypten:

Der Beschwerdeführerin wurde im Zuge des Parteiengehörs vom 26.04.2021 das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Ägypten vom 01.02.2021 übermittelt. Daraus ergeben sich folgende entscheidungswesentliche Feststellungen:

1.2.1. Politische Lage:

Die 2014 in Kraft getretene Verfassung sieht für das Land das Regierungssystem eines demokratischen Rechtsstaats vor. Viele der darin garantierten Grundrechte finden jedoch keine Anwendung, die Verfassung wird zunehmend ausgehöhlt (AA 13.6.2020). Präsident Abdel Fatah Al-Sisi regiert Ägypten seit seiner Machtübernahme auf eine immer autoritärere Weise (FH 4.3.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Die Lage in Ägypten unter Staatspräsident Al-Sisi ist durch ein hohes Maß an staatlicher Repression und eine Politik geprägt, die – dominiert durch Militär und Sicherheitsbehörden und vermeintlich im übergeordneten Interesse der Stabilität – für oppositionspolitische Betätigungen und die Entfaltung bürgerlicher Freiheiten kaum noch Raum lässt (AA 13.6.2020; vgl. ÖB 25.11.2020).

Abdel Fatah Al-Sisi ist seit dem 8.6.2014 Präsident Ägyptens. Ende März 2014 gab er seine Kandidatur um das ägyptische Präsidentenamt bekannt. Er musste aus dem Militärdienst ausscheiden, um bei den Wahlen antreten zu können. Der Verfassung zufolge ist eine Kandidatur nur einem Zivilisten erlaubt. Al-Sisi war seit dem 12.8.2012 Minister für Verteidigung und Militärproduktion unter dem Ministerpräsidenten Hesham Kandil in der Regierung von Mohamed Mursi. Am 3.7.2013 war die Absetzung von Mursi durch das Militär erfolgt, mit Unterstützung der Bevölkerung, nachdem dieser versucht hatte, dem Präsidentenamt große Machtbefugnisse zuzuteilen, und das Land zu islamisieren. Bereits zu diesem Zeitpunkt erfolgte die de-facto Machtübernahme Al-Sisis (GIZ 6.2020a; vgl. ÖB 25.11.2020).

Der Präsident wird durch Volksabstimmung für bis zu zwei Amtszeiten gewählt. Bei den Präsidentschaftswahlen 2014 und 2018 gewann Präsident Al-Sisi mit jeweils 97% der Stimmen (FH 4.3.2020). Die Präsidentschaftswahlen im März 2018 waren weder frei noch fair. Eine politische Debatte wurde rigoros unterbunden und eine Opposition nicht zugelassen. Der aussichtsreichste Präsidentschaftskandidat, der ehemalige Stabschef der ägyptischen Streitkräfte Sami Anan, wurde nur wenige Tage nach der Ankündigung seiner Kandidatur verhaftet und blieb bis Dezember 2019 in Haft (AA 13.6.2020). Die anderen Kandidaten wurden durch Druck und unfaire Wettbewerbsbedingungen aus dem Rennen gedrängt (AA 13.6.2020; vgl. FH 4.3.2020). Die Wahl wurde durch eine geringe Wahlbeteiligung, die Nutzung staatlicher Ressourcen und Medien zur Unterstützung der Kandidatur von Al-Sisi, Einschüchterung der Wähler und Stimmenkauf beeinträchtigt. Die Wahlkommission drohte Nichtwählern mit Geldstrafen, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen (FH 4.3.2020).

Der Großteil der Abgeordneten des von etwa 25% der ägyptischen Wahlberechtigten gewählten und im Jänner 2016 konstituierten ägyptischen Parlaments ist regierungstreu. Das Parlament führt kaum kritische Debatten und nimmt im Grunde die Rolle einer Legitimierungsinstitution für Regierungshandeln ein. Eine vergleichsweise kleine Gruppe von kritischen oppositionellen Abgeordneten erfährt immer wieder Restriktionen bis hin zu Ausschlüssen (AA 13.6.2020).

Im April 2019 trat nach einem Referendum eine Verfassungsänderung in Kraft, die dem Staatspräsidenten die Möglichkeit bietet, über die gegenwärtig festgelegten zwei Amtsperioden hinaus bis 2030 im Amt zu bleiben. Der Präsident erhielt des Weiteren mehr Macht über den Justizapparat und es kam zu einer Stärkung der Kontrolle des Militärs über das zivile Leben (DP 23.4.2019; vgl. ÖB 25.11.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021

-        DP - Die Presse (23.4.2019): Ägypten: Referendum ermöglicht al-Sisi, bis 2030 Präsident zu bleiben, https://www.diepresse.com/5617070/agypten-referendum-ermoglicht-al-sisi-bis-2030-prasident-zu-bleiben, Zugriff 18.1.2020

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025912.html, Zugriff 18.1.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2020a): Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 18.1.2020

-        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043578.html, Zugriff 18.1.2021

-        ÖB - Österreichische Botschaft Kairo (25.11.2020): Asylländerbericht Ägypten 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042213/%C3%84GYPTEN__Asyll%C3%A4nderbericht_%28ALB%29_f%C3%Bcr_2020__finale_Version_%28GZ_Kairo-%C3%96B_KONS_1165_2020%29.pdf, Zugriff 21.1.2021

1.2.2. Sicherheitslage:

Die Bedrohung durch Terrorismus ist hoch. Anfällig für Angriffe sind z.B. religiöse Stätten, Touristenattraktionen und Regierungsgebäude (MSZ o.D.; vgl. MEAE/FD 15.1.2021, AA 21.1.2021). Der Ausnahmezustand wurde 2017 zunächst nach der Explosion mehrerer Bomben gegen Kirchen in den Gouvernements Kairo und Alexandria verhängt und in Folge immer wieder verlängert (MAE 16.1.2021; vgl. MSZ o.D., ÖB 25.11.2020, MEAE/FD 15.1.2021, AA 22.1.2021).

Die Lage auf der Sinai-Halbinsel ist sehr angespannt (MAE 16.1.2021; vgl. ÖB 25.11.2020). Der Einsatz der Sicherheitskräfte im Kampf gegen den Terrorismus hat vielfach dazu beigetragen, die Spannungen zwischen Beduinen und den staatlichen Institutionen zu verschärfen (AA 13.6.2020). Beduinenstämme sind für Einschüchterungsversuche und Gewalttaten verantwortlich (MAE 16.1.2021).

Terroristische Organisationen sind vor allem, aber nicht ausschließlich, in den nordöstlichen Teilen des Gouvernements Sinai aktiv (OSAC 30.4.2020; vgl. MAE 16.1.2021). Die meisten Anschläge im Nordsinai richten sich gegen militärische Einrichtungen und Personal (OSAC 30.4.2020; vgl. ÖB 25.11.2020). Sowohl Terroranschläge als auch Militäroperationen führen immer wieder zu zivilen Opfern (FH 4.3.2020; vgl. OSAC 30.4.2020, ACLED 14.5.2020).

Im Jahr 2018 führte die „Operation Sinai 2018“ zu einer deutlichen Intensivierung der militärischen Aktivitäten im Nordsinai (OSAC 30.4.2020; vgl. MAE 16.1.2021, MEAE/FD 15.1.2021, ÖB 25.11.2020). Die Kämpfe zwischen Sicherheitskräften und Anhängern des Islamischen Staates (IS) in der Region Nordsinai dauern weiterhin an (FH 4.3.2020; vgl. OSAC 30.4.2020, MEAE/FD 15.1.2021, AI 18.2.2020, ÖB 25.11.2020), wenn auch deren Häufigkeit reduziert wurde (AI 18.2.2020; vgl. ÖB 25.11.2020). Im Sog der Gesundheitskrise und öffentlichen Unordnung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie konnte der Islamische Staat seine Aktivitäten auf der Halbinsel Sinai jedoch wieder verstärken (ACLED 14.5.2020, 9.4.2020).

Das Wüstengebiet von der libyschen Grenze im Westen bis zur sudanesischen Grenze im Süden ist ein Risikogebiet, in dem die Streitkräfte regelmäßig Operationen gegen Schlepper durchführen (MEAE/FD 15.1.2021; vgl. ÖB 25.11.2020) und Terroristen Anschläge verüben (OSAC 30.4.2020). Die Infiltration von terroristischen Elementen aus Libyen kann nicht ausgeschlossen werden (MEAE/FD 15.1.2021).

Es kommt gelegentlich zu Attentaten in den Großstädten (ÖB 25.11.2020).

In Ägypten sind folgende terroristische Organisationen aktiv. Der Islamischer Staat - Wilayat Sinai (auch: Ansar Bayt al-Maqdis - ABM) ist die aktivste Terrorgruppe in Ägypten (OSAC 30.4.2020; vgl. ÖB 25.11.2020). Darüber hinaus gibt es den Islamischen Staat in Ägypten, Harakat Sawa'd Misr (HASM), Liwa al-Thawra, mit al-Qaida verbundene Gruppen, Harket Elmokawma Elsha'biya alias "Volkswiderstand" und andere verschiedene kleinere Terrorgruppen (OSAC 30.4.2020). Seit Mitte 2016 sind die neuen Terrorgruppen HASM und „Liwaa al-Thawra“ mit islamistisch-nationalistischer Ausrichtung im ägyptischen Kernland für mehrere schwere Anschläge, v.a. gegen Sicherheitskräfte u. Justiz, verantwortlich. Anschläge haben seit 2019 etwas abgenommen aber nicht aufgehört (ÖB 25.11.2020).

Das Antiterrorismusgesetz von 2015 sieht für Journalisten empfindliche Geldstrafen für das Abweichen von der offiziellen Linie der Berichterstattung, etwa über Terroranschläge, vor (AA 13.6.2020; vgl. RSF 2020) und gelegentlich wird die Berichterstattung vollständig untersagt (ACLED 14.5.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.1.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622, Zugriff 29.1.2021

-        ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (14.5.2020): CDT Spotlight: Egypt, https://acleddata.com/2020/05/14/cdt-spotlight-egypt/, Zugriff 29.1.2021

-        ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (9.4.2020): CDT Spotlight: Islamic State Attacks, https://acleddata.com/2020/04/09/cdt-spotlight-renewed-attacks-by-the-islamic-state/, Zugriff 29.1.2021

-        AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025829.html, Zugriff 19.1.2021

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (18.12.2020): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/, Zugriff 22.1.2021

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025912.html, Zugriff 18.1.2020

-        MAE - Ministero degli Affari Esteri e della Cooperazione Internazionale [Außenministerium Italien] (16.1.2021): Viaggiare Sicuri informatevi – Egitto, http://www.viaggiaresicuri.it/country/EGY, Zugriff 29.1.2021

-        MEAE/FD - Ministère de l’Europe et des Affaires Étrangères / France diplomatique [Außenministerium Frankreich] (15.1.2021): Egypte - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/#securite, Zugriff 29.1.2021

-        MSZ - Ministerstwo Spraw Zagranicznych / Außenministerium Polen (o.D.): Informacje dla podró?uj?cych – Egipt, https://www.gov.pl/web/dyplomacja/egipt, Zugriff 20.1.2021

-        ÖB - Österreichische Botschaft Kairo (25.11.2020): Asylländerbericht Ägypten 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042213/%C3%84GYPTEN__Asyll%C3%A4nderbericht_%28ALB%29_f%C3%Bcr_2020__finale_Version_%28GZ_Kairo-%C3%96B_KONS_1165_2020%29.pdf, Zugriff 21.1.2021

-        OSAC - Overseas Security Advisory Council (30.4.2020): Egypt 2020 Crime & Safety Report, https://www.osac.gov/Country/Egypt/Content/Detail/Report/d1dea62c-57dd-4b34-bbb1-189224fb1423, Zugriff 29.1.2021

-        RSF - Reporters sans frontières / Reporter ohne Grenzen (2020): Ägypten, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/aegypten, Zugriff 28.1.2021

1.2.3. Rechtsschutz/Justizwesen:

Die Verfassung sieht die Unabhängigkeit und Immunität der Richter vor. Einzelnen Gerichten fehlt es manchmal an Unparteilichkeit und diese gelangen zu politisch motivierten Ergebnissen. Die Regierung respektiert in der Regel Gerichtsbeschlüsse (USDOS 11.3.2020). Die Unabhängigkeit der Justiz ist vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt. Willkürliche Verhaftungen, Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen von Personen durch die Staatssicherheit und politisch motivierte Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Folter und Misshandlungen in Haft sind verbreitet. Die Sicherheitsdienste genießen de facto Straffreiheit. Sie agieren zunehmend außerhalb jedweder rechtlicher Vorgaben und entziehen sich der Kontrolle durch Justiz und Politik (AA 13.6.2020; vgl. ÖB 25.11.2020). Im April 2019 führten Verfassungsänderungen zur Ausweitung der Befugnisse von Militärgerichten bei der Verfolgung von Zivilisten. Sie unterminierten die Unabhängigkeit der Justiz durch die Ausstattung des Präsidenten mit der Befugnis, Vorsitzende von Körperschaften der Justiz zu ernennen (AI 18.2.2020).

Die ägyptische Justiz ist in Zivil- und Strafgerichte einerseits und Verwaltungsgerichte andererseits unterteilt. Jeweils höchste Instanz ist das Kassationsgericht bzw. das Hohe Verwaltungsgericht. Darüber hinaus existieren Sonder- und Militärgerichte. Seit 1969 ist das Oberste Verfassungsgericht das höchste Gericht. Obwohl die Gerichte in Ägypten - mit gewissen Einschränkungen - als relativ unabhängig gelten und sich Richter immer wieder offen gegen den Präsidenten stellten, gab es immer wieder Vorwürfe gegen Richter, Prozesse im Sinn des Regimes zu manipulieren. Solche Vorwürfe werden auch heute noch in Bezug auf die Prozessführung gegen die angeklagten Spitzen des alten Regimes sowie hohe Offiziere der Sicherheitskräfte erhoben. Das Mubarak-Regime bediente sich immer wieder der durch den Ausnahmezustand legitimierten Militärgerichte, um politische Urteile durchzusetzen. Auch nach der Revolution wurden zahlreiche Zivilisten vor Militärgerichten angeklagt (GIZ 6.2020a).

In Ägypten existieren Straftatbestände, die als solche oder in ihrer konkreten Anwendung, eine Diskriminierung aufgrund bestimmter Merkmale darstellen. So wird der Blasphemieparagraph überproportional gegen Christen und Atheisten angewendet. Der Unzuchtparagraph wird nahezu ausschließlich auf homosexuelle Männer angewendet. Harte Strafen gegen Angehörige der Muslimbruderschaft und oppositionspolitische Aktivisten sind häufig Ausdruck einer politisierten Justiz, die nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen verfährt. Anlässlich ägyptischer Feiertage und Großereignisse werden immer wieder Gefangene amnestiert bzw. im formellen Sinne begnadigt. Allerdings profitieren hiervon in der Regel keine politischen Gefangenen, sondern ausschließlich„normale“Strafgefangene. Allgemeine Voraussetzungen sind in der Regel die Verbüßung von mindestens der Hälfte der Haftzeit und gute Führung in Haft. Das Parlament hat im März 2020 Gesetzesänderungen verabschiedet, die eine vorzeitige Haftentlassung von Personen ausschließen, die aufgrund der Straftatbestände Terrorismus, Geldwäsche, Drogenhandel und illegales Demonstrieren verurteilt sind (AA 13.6.2020).

Gesetzlich ist das Recht auf ein faires Verfahren vorgesehen, aber die Justiz kann dieses Recht oft nicht gewährleisten. Das Gesetz geht von einer Unschuld der Angeklagten aus und die Behörden informieren sie in der Regel unverzüglich und im Detail über die Anklagen gegen sie. Die Angeklagten haben das Recht, bei den Verfahren anwesend zu sein. Die Teilnahme ist verpflichtend für Personen, die eines Verbrechens angeklagt werden, und fakultativ für diejenigen, die wegen Vergehen angeklagt sind. Zivilverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Die Angeklagten haben das Recht, einen Anwalt zu konsultieren, und die Regierung ist zuständig für den Rechtsbeistand, wenn der Angeklagte sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Angeklagte haben das Recht auf Berufung. Verhandlungen vor dem Militärgericht sind nicht öffentlich (USDOS 11.3.2020). Die weitgehende Nutzung von außerordentlichen Gerichten, darunter Terrorismusgerichte [orig. terrorism circuits], Militärgerichte und Staatssicherheitsgerichte, führt zu unfairen Verfahren. Es kommt bei Verfahren der Terrorismusgerichte zu Vorwürfen von zwangsweisem Verschwindenlassen und Folter (AI 18.2.2020).

Auch lang andauernde Haft ohne Anklage aufgrund Veranlassung der Sicherheitsbehörden ist verbreitet, die Zahl solcher Haftfälle steigt. Urteile in politisch motivierten Verfahren basieren in der Regel nicht auf rechtsstaatlichen Grundsätzen (AA 13.6.2020).

Besonders in Oberägypten kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, deren Ursache häufig in Streitigkeiten auf lokaler Ebene liegen. Traditionelle Vorstellungen von (Blut-)Rache und (kollektiver) Vergeltung sind in den ländlichen Gebieten Oberägyptens nach wie vor vorherrschend. Traditionelle Streitschlichtungsmechanismen spielen auch aufgrund der Abwesenheit funktionierender staatlicher Institutionen eine große Rolle. Dabei kommt es regelmäßig zu strukturellen Benachteiligungen der Christen (AA 13.6.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021

-        AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025829.html, Zugriff 19.1.2021

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2020a): Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 18.1.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Kairo (25.11.2020): Asylländerbericht Ägypten 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042213/%C3%84GYPTEN__Asyll%C3%A4nderbericht_%28ALB%29_f%C3%Bcr_2020__finale_Version_%28GZ_Kairo-%C3%96B_KONS_1165_2020%29.pdf, Zugriff 21.1.2021

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026355.html, Zugriff 19.1.2021

1.2.4. Sicherheitsbehörden:

Das Innenministerium ist zuständig für die Durchsetzung der Gesetze und innere Sicherheit, ihm unterstehen die Polizei (Public Police), die Zentralen Sicherheitkräfte (Central Security Force – CSF), der Nationale Sicherheitssektor (National Security Sector – NSS) sowie Zoll und Immigration. Die Polizei ist für die Strafverfolgung bundesweit verantwortlich. Die Zentralen Sicherheitskräfte sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und führen Einsätze bei Demonstrationen durch. Der NSS ist bei Bedrohungen der inneren Sicherheit zuständig sowie für die Bekämpfung des Terrorismus, gemeinsam mit anderen ägyptischen Sicherheitskräften. Zivile Behörden haben eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 11.3.2020).

Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und anderen Verfassungsorganen weitgehend entzogen. Polizei und Staatsschutz (National Security Services) sind formal getrennt, unterstehen jedoch gemeinsam dem Innenministerium (AA 13.6.2020). Der nach einem Terroranschlag im April 2017 verhängte landesweite Ausnahmezustand dauert weiterhin an und geht mit erhöhten Eingriffsbefugnissen für Sicherheitskräfte und Militär einher (AA 22.1.2021).

Die Regierung bestraft oder verfolgt Beamte, die Vergehen begehen, nur inkonsistent. Dies gilt sowohl für die Sicherheitskräfte als auch andere Regierungsstellen. Die nicht umfassende Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen, vor allem innerhalb der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straffreiheit bei (USDOS 11.3.2020).

Nicht zu unterschätzen ist die Rolle des Militärs auch im wirtschaftlichen Umfeld. Die traditionell starke Verflechtung des Militärs in sämtlichen ägyptischen Strukturen ist laut Schätzungen für bis zu 45% des BIP verantwortlich, auch wenn es dazu aus Gründen der Geheimhaltung keine offiziellen/verlässlichen Zahlen gibt (Präsident Al-Sisi spricht von knapp 2%). Das Militär ist in sämtlichen Infrastrukturbereichen ebenso tätig wie beispielsweise beim Abfüllen von Wasser oder der Produktion von Pasta und beim Import von Babymilchpulver (WKO 9.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.1.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622, Zugriff 29.1.2021

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026355.html, Zugriff 19.1.2021

-        WKO - Wirtschaftskammer Österreich | AußenwirtschaftsCenter Kairo (22.9.2020): Außenwirtschaftsbericht Ägypten, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/aegypten-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.1.2021

1.2.5. NGOs und Menschenrechtsaktivisten:

Die Bedingungen für NGOs sind in der Praxis sehr repressiv (FH 4.3.2020). Internationale und lokale Menschenrechtsorganisationen bestätigten, dass die Regierung weiterhin unkooperativ ist (USDOS 11.3.2020). NGOs bleiben weiterhin Belästigungen und Einschränkungen ausgesetzt und sehen sich mit Massenschließungen und Schikanen in Form von Bürodurchsuchungen, Verhaftungen von Mitgliedern, langwierigen Rechtsfällen und Reisebeschränkungen konfrontiert (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020, USDOS 11.3.2020).

Das im Mai 2017 ratifizierte, repressive Gesetz betreffend Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) wurde im Juli 2019 infolge heftiger internationaler und nationaler Kritik geändert. Die Regierung führte im Vorfeld umfangreiche Konsultationen mit (unkritischer) Zivilgesellschaft und internationalen Gebern durch. Zwar sieht das reformierte Gesetz einige Verbesserungen bei administrativen Abläufen, Strafen und Zusammenarbeit mit ausländischen Geldgebern vor, bleibt aber in seinem Grundcharakter repressiv und ein potentes Instrument, um unliebsame Arbeit der ägyptischen Zivilgesellschaft zu unterbinden. Das Gesetz schränkt die Arbeit von NGOs und Vereinigungen so weit ein, dass eine freie Zivilgesellschaft unmöglich gemacht wird (AA 13.6.2020).

Die drakonischsten Bestimmungen des NGO-Gesetzes von 2017, das vom Gesetz 2019 ersetzt wurde, wurden beibehalten und die Behörden erhalten u. a. weitreichende Befugnisse zur Auflösung unabhängiger Menschenrechtsgruppen und zur Kriminalisierung legitimer Aktivitäten von NGOs (AI 18.2.2020; vgl. HRW 13.1.2021; USDOS 11.3.2020). Verstöße gegen das Gesetz können zur Auflösung oder zu empfindlichen Geldstrafen führen; die Möglichkeit von Haftstrafen wurde in einer im August 2019 unterzeichneten überarbeiteten Version des Gesetzes ausgeschlossen (FH 4.3.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 29.12.2020

-        AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019 – Egypt, https://www.ecoi.net/en/document/2025829.html, Zugriff 29.12.2020

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Egypt, https://www.ecoi.net/en/document/2025912.html, Zugriff 29.12.2020

-        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043578.html, Zugriff 18.1.2021

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Egypt, https://www.ecoi.net/en/document/2026355.html, Zugriff 29.12.2020

1.2.6. Allgemeine Menschenrechtslage:

Die Menschenrechtslage in Ägypten hat sich – bei bereits Besorgnis erregendem Niveau – [im Zeitraum 2019/2020] in fast allen Bereichen weiter verschlechtert (AA 13.6.2020).

Die nach 2011 angestoßene politische Konsolidierung hin zu einem auf einem Rechtsstaat basierenden demokratischen System ist zum Stillstand gekommen. Freiheitsrechte werden systematisch abgebaut. Die 2014 in Kraft getretene Verfassung sieht für das Land das Regierungssystem eines demokratischen Rechtsstaats vor. Viele der darin garantierten Grundrechte finden jedoch keine Anwendung, die Verfassung wird zunehmend ausgehöhlt. Die Präsidentschaftswahlen im März 2018 waren weder frei noch fair. Eine politische Debatte wurde rigoros unterbunden und eine Opposition nicht zugelassen. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie Meinungs- und Pressefreiheit sind erheblich eingeschränkt (AA 13.6.2020; vgl. AI 18.2.2020).

Ägypten hat einige internationale Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert, so etwa den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Pakt über wirtschaftliche und soziale Rechte, die Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, die UN-Folterkonvention und die UN-Behindertenrechtskonvention, wie auch das Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Erhebliche Vorbehalte zu diesen Instrumenten betreffen unter anderem Bestimmungen betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Hintergrund islamischen Rechts (Scharia-Vorbehalt) (AA 13.6.2020).

Obwohl Ägypten alle wichtigen internationalen Menschenrechtskonventionen unterzeichnete und Personen- und Freiheitsrechte in der Verfassung geschützt sind, wurde und wird das Land regelmäßig wegen Menschenrechtsverletzungen stark kritisiert. Internationale Menschenrechtsorganisationen sowie viele der über 30 ägyptischen Menschenrechtsorganisationen veröffentlichen regelmäßig englisch- und arabischsprachige Berichte zur Menschenrechtslage in Ägypten, darunter die Egyptian Organization for Human Rights EOHR, das Nadim Zentrum für Gewaltopfer, die Egyptian Initiative for Personal Rights EIPR und das Budgetary and Human Rights Observatory (GIZ 6.2020a).

Die bedeutendsten Menschenrechtsprobleme waren der übermäßige Einsatz von Gewalt durch Sicherheitskräfte, Defizite in ordentlichen Gerichtsverfahren und die Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten. Übermäßiger Einsatz von Gewalt umfasste rechtswidrige Tötungen und Folter. Zu den prozessbedingten Problemen gehörten die übermäßige Verwendung von präventiver Haft und Untersuchungshaft. Das Problemfeld bei den bürgerlichen Freiheiten beinhaltet gesellschaftliche und staatliche Beschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit, sowie der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Andere Menschenrechtsprobleme beinhalteten das Verschwindenlassen, harte Gefängnisbedingungen, willkürliche Verhaftungen, eine Justiz, die in einigen Fällen zu Ergebnissen kam, die nicht durch öffentlich zugängliche Beweise gestützt wurden oder die politische Motivationen zu reflektieren schienen, Straflosigkeit für Sicherheitskräfte, Begrenzung der Religionsfreiheit, Korruption, Gewalt, Belästigung und gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen und Mädchen, einschließlich weiblicher Genitalverstümmelung, Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, Menschenhandel, gesellschaftliche Diskriminierung religiöser Minderheiten, Diskriminierung und Verhaftungen auf der Grundlage sexueller Orientierung (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 18.2.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 29.12.2020

-        AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025829.html, Zugriff 19.1.2021

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2020a): Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 29.12.2020

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Egypt, https://www.ecoi.net/en/document/2026355.html, Zugriff 29.12.2020

1.2.7. Meinungs- und Pressefreiheit:

Die Verfassung sieht Meinungs- und Pressefreiheit vor, beinhaltet aber eine Klausel, wonach diese in Kriegszeiten oder anlässlich einer öffentlichen Mobilisierung einer begrenzten Zensur unterworfen werden kann. Die Regierung hat diese Rechte oft nicht respektiert (USDOS 11.3.2020) und die Meinungs- und Pressefreiheit sind stark eingeschränkt (AA 13.6.2020; vgl. ÖB 25.11.2020). Im World Press Freedom Index 2020 belegt Ägypten Rang 166 von 180 (RSF 2020). Das Antiterrorismusgesetz von 2015 sieht für Journalisten empfindliche Geldstrafen für das Abweichen von der offiziellen Linie der Berichterstattung, etwa über Terroranschläge, vor (AA 13.6.2020; vgl. RSF 2020).

Kritische Stimmen finden in den Medien kaum Gehör – sei es in den direkt gesteuerten Staatsmedien oder in den privaten Medien, die durch Selbstzensur auf Regierungslinie berichten oder kommentieren. Nur einzelne Zeitungen und vor allem Onlineportale bieten kritischen Stimmen noch einen gewissen Raum. Auf diese Medien wird zunehmender Druck ausgeübt. Seit Mai 2017 sind über 400 Webseiten, darunter die von zahlreichen (Online-)Medien, wie u.a. Al Jazeera, Mada Masr, Daily News Egypt, ohne Angabe zu Urheber und Rechtsgrundlage gesperrt (AA 13.6.2020; vgl. USDOS 11.3.2020, AI 18.2.2020, FH 4.3.2020, ÖB 25.11.2020).

Das Anti-Terrorismusgesetz von 2015 stellt einen ebenso tiefen Einschnitt in die professionelle Arbeit von Journalisten in Ägypten dar. Durch das Gesetz sind Journalisten mit Strafen wegen „Verbreitung falscher Nachrichten“ bedroht. Es schränkt ihre Recherchemöglichkeiten erheblich ein und entzieht ihnen die freie Wahl ihrer Quellen. Das Abweichen von offiziellen Linien der Berichterstattung wird mit empfindlichen Geldstrafen sanktioniert (AA 13.6.2020; vgl. USDOS 11.3.2020, AI 18.2.2020, FH 4.3.2020, RSF 2020, ÖB 25.11.2020, ACLED 14.5.2020).

Es kommt regelmäßig zu Anhörungen und Verhaftungen von Journalisten (AA 13.6.2020; vgl. USDOS 11.3.2020, AI 18.2.2020, FH 4.3.2020, RSF 2020, ÖB 25.11.2020). Unter Präsident Abdel Fattah al-Sisi ist Ägypten eines der Länder mit den meisten inhaftierten Journalisten geworden. Manche werden jahrelang ohne Urteil oder Anklage festgehalten, andere in Massenprozessen zu langen Haftstrafen verurteilt. Kritische Journalist*innen werden als angebliche Unterstützer der verbotenen Muslimbruderschaft gebrandmarkt. Neue Sicherheits-, Medien- und Internetgesetze legalisieren weitreichende Strafverfolgung und Zensur (RSF 2020; vgl. FH 4.3.2020, AI 18.2.2020).

Mit dem Mediengesetz und dem Gesetz gegen Cyberkriminalität von 2018 wurden weitreichende Rechtsgrundlagen für die Kontrolle der Medien geschaffen und gleichzeitig verbleibende Freiräume in Internet und sozialen Medien eingeschränkt. Die Bestimmungen beinhalten u. a. die Unterstellung von Social-Media-Nutzern mit mehr als 5.000 Follower unter die Medienaufsicht, weitreichende Genehmigungspflichten sowie die Rechtsgrundlage für die Sperrung von Webseiten (AA 13.6.2020; vgl. USDOS 11.3.2020, ÖB 25.11.2020). Browsing von gesperrten Websites bzw. das Teilen von Inhalten gesperrter Websites wird mit Geld- und Haftstrafen bedroht (ÖB 25.11.2020). Die Repression richtet sich nicht allein gegen mutmaßliche Angehörige der verbotenen Muslimbruderschaft, sondern gegen sämtliche unabhängige zivilgesellschaftliche Akteure, Opposition und zunehmend auch Personen ohne direktes politisches Engagement (z.B. infolge von Facebook Posts oder zufälligen Handy-Durchsuchungen) (AA 13.6.2020).

Insbesondere im zeitlichen und räumlichen Umfeld von Protesten und Demonstrationen durchsucht die Polizei Mobiltelefone von Passanten ohne Rechtsgrundlage. Bei Weigerung ebenso wie beim Fund kleinster politischer Botschaften werden die Personen zur weiteren Befragung zur Polizeistation gebracht. Die meisten dieser Personen bleiben einige Tage in Gewahrsam (meo 22.2.2020; vgl. AI 2.10.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021

-        ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (14.5.2020): CDT Spotlight: Egypt, https://acleddata.com/2020/05/14/cdt-spotlight-egypt/, Zugriff 29.1.2021

-        AI - Amnesty International (2.10.2020): Egypt: Rare protests met with unlawful force and mass arrests, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2020/10/egypt-rare-protests-met-with-unlawful-force-and-mass-arrests/, Zugriff 28.1.2021

-        AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025829.html, Zugriff 19.1.2021

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025912.html, Zugriff 18.1.2020

-        meo - Middle East Online (22.2.2020): Egypt rights advocates raise alarm over privacy violations, https://middle-east-online.com/en/egypt-rights-advocates-raise-alarm-over-privacy-violations, Zugriff 28.1.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Kairo (25.11.2020): Asylländerbericht Ägypten 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042213/%C3%84GYPTEN__Asyll%C3%A4nderbericht_%28ALB%29_f%C3%Bcr_2020__finale_Version_%28GZ_Kairo-%C3%96B_KONS_1165_2020%29.pdf, Zugriff 21.1.2021

-        RSF - Reporters sans frontières / Reporter ohne Grenzen (2020): Ägypten, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/aegypten, Zugriff 28.1.2021

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026355.html, Zugriff 19.1.2021

1.2.8. Frauen:

Die Verfassung verpflichtet den Staat, die Gleichheit von Männern und Frauen zu gewährleisten (AA 13.6.2020; vgl USDOS 11.3.2020). Sie haben jedoch nicht die gleichen gesetzlichen Rechte und Chancen wie Männer. Gesetze und traditionelle Praktiken beeinträchtigten Frauen im Familien-, Sozial- und Wirtschaftsleben und Frauen sehen sich weit verbreiteter gesellschaftlicher Diskriminierung, Bedrohungen ihrer körperlichen Sicherheit und Vorurteilen am Arbeitsplatz ausgesetzt, die ihren sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt behindern (USDOS 11.3.2020). Frauen sind von Arbeitslosigkeit stärker betroffen als Männer (ET 15.12.2020).

Frauen werden auch durch Einzelvorschriften des ägyptischen Rechts diskriminiert. Insbesondere im Familienrecht kommt es zu einer systematischen Ungleichheit und auch im islamischen Erbrecht sind diskriminierende Regelungen vorhanden. Gesellschaftlich herrscht ein konservatives Rollenbild vor. Im öffentlichen Leben sind Frauen präsent, aber deutlich unterrepräsentiert. Bei der Beurteilung der Stellung der Frauen in der Gesellschaft ist nach der sozialen Stellung zu differenzieren. So sind die selbstbewusst und in angesehenen beruflichen Positionen oder öffentlichen Ämtern auftretenden Frauen in aller Regel Angehörige der Oberschicht (AA 13.6.2020).

Sexuelle Belästigungen und Übergriffe gegenüber Frauen finden häufig statt und werden in der Regel nicht strafrechtlich verfolgt (AA 13.6.2020; vgl. AI 18.2.2020, USDOS 11.3.2020). Die Regierung hat die Bemühungen zur Bekämpfung der sexuellen Belästigung priorisiert. Sexuelle Belästigung ist als Straftat definiert und kann mit bis zu sechs Monaten Haft geahndet werden (USDOS 11.3.2020). Dem Problem der verbreiteten sexuellen Gewalt wird vorherrschend durch Wegsehen und Verschweigen begegnet. Frauen, die sich öffentlich zu den Missständen und Übergriffen äußern, werden häufig in den Medien verunglimpft oder sogar strafrechtlich verfolgt. NGOs, die sich für die Rechte von Frauen und Gewaltopfern einsetzen, bemängeln das Fehlen einer Strategie der Regierung, sich dem Problem von Gewalt und Diskriminierung anzunehmen (AA 13.6.2020; vgl. AI 18.2.2020, ÖB 25.11.2020).

Genitalverstümmelung bei Frauen (englisches Akronym: FGM - Female Genital Mutilation) ist ein weit verbreitetes Phänomen, auch wenn die Praxis seit 2008 rechtlich verboten ist (AA 13.6.2020; vgl. USDOS 13.3.2019). Die Höchststrafe liegt bei 15 Jahren Haft. Einem Bericht von UNICEF aus dem Jahr 2016 zufolge befindet sich Ägypten unter den Ländern mit der höchsten FGM-Rate. Eine Umfrage der Regierung von 2015 schätzt, dass 87 % der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren betroffen sind. Die Praxis ist in allen sozialen Schichten und Religionen verbreitet, ist jedoch in den ländlichen Gegenden Oberägyptens besonders prominent. Im Durchschnitt wird der Eingriff im Alter von zehn Jahren durchgeführt (AA 13.6.2020; vgl. ÖB 25.11.2020).

Das Gesetz verbietet Vergewaltigung. Diese wird mit einer Freiheitsstrafe von 15 bis 25 Jahren bestraft. Das Gesetz wird jedoch nicht effektiv umgesetzt. Vergewaltigung in der Ehe ist nicht strafbar. Es gibt Berichte, dass die Polizei auf Opfer Druck ausübt, keine Anzeige zu erstatten (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 13.1.2021).

Häusliche Gewalt bleibt weiterhin ein Problem. Es gibt keine Gesetze, die häusliche Gewalt oder Missbrauch durch den Ehepartner verbieten. Sogenannte „Ehrverbrechen“ werden gesetzlich nicht anders geahndet als andere Verbrechen (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 13.1.2021).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021

-        AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025829.html, Zugriff 19.1.2021

-        ET - Egypt Today (15.12.2020): Decline in 2020 unemployment rate shows Egypt's economic progress amid COVID-19 crisis : Cabinet, https://www.egypttoday.com/Article/3/95376/Decline-in-2020-unemployment-rate-shows-Egypt-s-economic-progress, Zugriff 1.2.2021

-        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043578.html, Zugriff 18.1.2021

-        ÖB - Österreichische Botschaft Kairo (25.11.2020): Asylländerbericht Ägypten 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042213/%C3%84GYPTEN__Asyll%C3%A4nderbericht_%28ALB%29_f%C3%Bcr_2020__finale_Version_%28GZ_Kairo-%C3%96B_KONS_1165_2020%29.pdf, Zugriff 21.1.2021

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026355.html, Zugriff 19.1.2021

1.2.9. Bewegungsfreiheit:

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Wiedereinbürgerung vor. Zudem darf laut Verfassung kein Bürger daran gehindert werden, das Staatsgebiet zu verlassen. Dennoch dürfen Männer, die den Wehrdienst nicht absolviert und keine Ausnahmegenehmigung erhalten haben, nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Personalausweise belegen den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 11.3.2020).

Die Behörden verlangten sporadisch, dass Bürger im Alter von 18 bis 40 Jahren eine Erlaubnis des Innenministeriums vorlegen, um in bestimmte Länder zu reisen. Dies soll den Beitritt zu terroristischen Gruppen erschweren und die Flucht von Kriminellen verhindern (USDOS 11.3.2020).

Die Regierung verhängt zunehmend Reiseverbote für Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten, die wegen Straftaten angeklagt oder untersucht wurden. Weiters gibt es kein von der Regierung auferlegtes Exil, und die Verfassung verbietet der Regierung, Bürger auszuweisen oder Bürgern die Rückkehr ins Land zu verbieten. Einige Politiker leben freiwillig außerhalb des Landes, da sie von der Regierung mit Strafverfolgung bedroht wurden (USDOS 11.3.2020).

Zu internen Ausweichmöglichkeiten liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. Es ist grundsätzlich von einer unterschiedslosen Verfolgungspraxis auszugehen. Allerdings kann zumindest bei vergleichsweise minder schweren Verfolgungsgründen (z.B. niedrigschwelligem oppositionellen Engagement) der Ortswechsel innerhalb des Landes dazu führen, dass die Betroffenen unbehelligt bleiben. Auf dem Nordsinai und in entlegenen Wüstenregionen ist das staatliche Gewaltmonopol zum Teil faktisch eingeschränkt. Bei geschlechtsspezifischen Verfolgungsgründen (z.B. Genitalverstümmelung, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt) ist eine interne Ausweichmöglichkeit keine realistische Option (AA 13.6.2020). Die Regierung versucht, den Zugang zum Nordsinai einzuschränken (USDOS 11.3.2020).

Es besteht keine zentrale Meldepflicht (DEB 3.2014). Die Wohnadresse wird auf dem Personalausweis angeführt. Bei einem Umzug muss die Adresse aktualisiert werden. Es gibt aber keine Überprüfung der Wohnsitzdaten durch die Meldebehörde, wodurch veraltete oder falsche Adressen unentdeckt bleiben und es gibt keine Strafe für die Nichtaktualisierung der Adresse (DFAT 17.6.2019). Bei Forderungen gegen unbekannt verzogene ägyptische Staatsangehörige ist daher der Versuch einer Aufenthaltsermittlung nahezu aussichtslos (DEB 3.2014).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021

-        DEB - Deutsche Botschaft Kairo (03.2014): Rechtsverfolgung in Ägypten in Zivil- und Handelssachen, https://kairo.diplo.de/blob/1504098/ed993d3218a2f43cdbae47f47c9650da/merkblatt-rechtsverfolgung-in-aegypten-data.pdf, Zugriff 21.1.2021

-        DFAT – Department of Foreign Affairs and Trade / Australian Government (17.6.2019): DFAT Country Information Report – Egypt, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-egypt.pdf, Zugriff 21.1.2021

-        USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026355.html, Zugriff 19.1.2021

1.2.10. IDPs und Flüchtlinge:

Ägypten ist inzwischen vor allem zu einem Aufnahmeland ausländischer Flüchtlinge geworden. Die Regierung nennt rund sechs Millionen Migranten. Die Zahl ist wohl zu hoch, weil auch solche Flüchtlinge mitgerechnet werden, die seit Generationen hier lebend (vor allem Sudanesen, Syrer und Palästinenser) die Staatsbürgerschaft nicht erlangen konnten. Eine Zahl um drei Millionen Migranten ist realistisch (AA 13.6.2020). In Ägypten leben knapp 110.000 offiziell registrierte Flüchtlinge. Die tatsächliche Zahl der Flüchtlinge in Ägypten ist um ein Vielfaches höher, allerdings gehen die Schätzungen weit auseinander (GIZ 6.2020g). Die Zahl der beim UNHCR registrierten Flüchtlinge in Ägypten ist bis Ende 2020 auf rund 260.000 Personen gestiegen (ÖB 25.11.2020) Vor allem Menschen aus dem Sudan und aus anderen afrikanischen Ländern sowie Iraker und Palästinenser such

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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