TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/2 L511 2235857-1

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Veröffentlicht am 02.06.2021
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Entscheidungsdatum

02.06.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L511 2235857–1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a JICHA als Vorsitzende und den Richter Dr. DIEHSBACHER sowie den fachkundigen Laienrichter RR PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Oberösterreich vom 04.05.2020, Zahl: OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1.       Verfahren vor dem Sozialministeriumservice [SMS]

1.1.    Die Beschwerdeführerin stellte am 23.04.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, sowie für den Fall, dass die Aktenlage die Vornahme von Zusatzeintragungen rechtfertige, die Aufnahme der entsprechenden Zusatzeintragungen in den Behindertenpass sowie einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis) (Aktenzahl der elektronisch übermittelten Aktenteile [AZ] 2.6, 2.7). und legte dazu im Verfahren medizinische Befunde (AZ 2.8-2.13, 2.15-2.24, 2.26-2.33, 2.35-2.63, 2.69-2.73).

1.2.    Das SMS holte zunächst ein Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten der Neurologie und der Allgemeinmedizin ein. Dieses Gutachten vom 28.09.2019 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 16.09.2019 unter Einbeziehung der vorgelegten aktuellen Befunde erstattet. Als Ergebnis der Begutachtung wurden die Funktionseinschränkungen den entsprechenden Leidenspositionen nach der Einschätzungsverordnung zugeordnet und ein Gesamtgrad der Behinderung [GdB] von 40 vH, sowie die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt (AZ 2.78).

1.2.1.  Im Zuge des weiteren Ermittlungsverfahrens nahm die Beschwerdeführerin am 17.09.2019 zum Gutachten Stellung (AZ 2.9, 2.10) und das SMS holte ein weiteres Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten der Allgemeinmedizin und der Anästhesie ein. Dieses Gutachten vom 03.05.2020 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 11.03.2020 unter Einbeziehung der vorgelegten aktuellen Befunde erstattet. Als Ergebnis der Begutachtung wurden die Funktionseinschränkungen den entsprechenden Leidenspositionen nach der Einschätzungsverordnung zugeordnet und ein GdB von 40 vH sowie die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt (AZ 2.79).

1.3.    Mit Bescheid des SMS vom 04.05.2020, Zahl: XXXX , wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 23.04.2019 gemäß §§ 40, 41 und 45 BBG abgewiesen, da sie mit einem Grad der Behinderung von 40 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle (AZ 2.81).

Begründend verwies das SMS auf die Ergebnisse des Gutachtens vom 03.05.2020, welches als schlüssig erkannt wurde. Das Gutachten wurde als Beilage zum Bescheid übermittelt.

1.4.    Mit Schreiben vom 02.06.2020 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde [Bsw] gegen den Bescheid (AZ 1.2).

Darin führt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, es sei ein MRT-Befund vom 11.02.2020, insbesondere dessen dritte Seite, im Gutachten nicht berücksichtigt worden. Ihr Gesundheitszustand habe sich aufgrund der gravierenden Schmerzen im Vergleich zum ersten Gutachten verschlechtert.

2.       Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 08.10.2020 die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt in elektronischer Form vor (Ordnungszahl des gegenständlichen Gerichtsaktes OZ 1 [=AZ 1.1-1.4, 2.1 -2.81]).

2.1.    Das BVwG holte ein weiteres Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Orthopädie und der orthopädischen Chirurgie ein. Dieses Gutachten vom 22.03.2021 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.02.2021 sowie unter Einbeziehung der beiden Vorgutachten und der vorgelegten Befunde erstattet. Als Ergebnis der Begutachtung wurde die Funktionseinschränkung der entsprechenden Leidensposition nach der Einschätzungsverordnung zugeordnet und ein GdB von 40 vH festgestellt (OZ 3).

2.2.    Mit Parteiengehör vom 01.04.2021, zugestellt am 06.04.2021 im elektronischen Rechtsverkehr an das SMS sowie am 09.04.2021 per Rsa an die Beschwerdeführerin, übermittelte das BVwG den Verfahrensparteien das Sachverständigengutachten vom 22.03.2021 (OZ 3) mit dem Ersuchen um Stellungnahme und dem Hinweis, dass das BVwG beabsichtige, sich auf diese Gutachten zu stützen (OZ 5).

2.3.    Keine der Verfahrensparteien nahm dazu Stellung.

II.      Zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1.    Die Beschwerdeführerin ist in Österreich wohnhaft und stellte am 23.04.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit allfällig zustehenden Zusatzeintragungen (AZ 2.6).

1.2.    Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Chronisches Schmerzsyndrom der Hals- und Lendenwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen. Beträchtlich degenerative Veränderungen im MR mit Vorfällen C3-6 und L3-6. Foraminalstenosen L3/4re. und L5/6 li. Spondylarthrosen. Keine Spinalkanalstenose.

Geringe Bewegungseinschränkung. Radiculäre Ausfälle nicht feststellbar. Oberer RS

02.01.02

40

2

Beginnende Abnutzung beider Hüftgelenke. Leichte Bewegungseinschränkung. Im Röntgen mäßige Arthrosezeichen. Oberer RS

02.05.08

20

3

Arthrose re Kniegelenk, Gelenksersatz li Knie mit komplikationslosem Verlauf. Bds. leichte Bewegungseinschränkung, geringer Reizzustand. Oberer RS

02.05.19

30

4

Zuckerkrankheit mit Tabletten gut eingestellt

09.02.01

20

5

Depressive Verstimmung unter Medikation stabil. Bisher keine stationäre Behandlung, kein sozialer Rückzug. Eine Stufe ober unterstem RS

03.06.01

20

6

Bluthochdruck mit Tabletten gut eingestellt. Monotherapie

05.01.01

10

1.3.    Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt 40 vH.

Die Hüft- und Knieleiden (lfd. Nr. 2 und 3) haben keine Wechselwirkung auf das führende Wirbelsäulenleiden (lfd. Nr. 1) und steigern daher den GdB nicht. Die übrigen Leiden steigern den GdB wegen Geringfügigkeit nicht.

1.4.    Es handelt sich um einen Dauerzustand.

2.       Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1.    Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Auszüge aus dem Verwaltungsverfahrensakt (OZ 1), aus denen sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt. Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG insbesondere folgende Unterlagen herangezogen:

?        Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Orthopädie und orthopädischen Chirurgie vom 22.03.2021 (OZ 3)

?        Bescheid des SMS vom 04.05.2020 (AZ 2.81)

?        Beschwerde vom 02.06.2020 (AZ 1.2)

?        Einsicht in das Zentrale Melderegister (ZMR)

2.2.    Beweiswürdigung

2.2.1.  Die allgemeinen Feststellungen (Punkt 1.1.) ergeben sich aus der Antragstellung und dem ZMR und sind unstrittig (AZ 2.6, OZ 1).

2.2.2.  Die festgestellten Funktionseinschränkungen deren Ausmaß und medizinische Einschätzung sowie deren Dauer und der Gesamtgrad der Behinderung ergeben sich aus dem Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Orthopädie und orthopädischen Chirurgie vom 22.03.2021 (OZ 3). Die Feststellungen im Gutachten sind nachvollziehbar, schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Das Gutachten basiert auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, berücksichtigt die beiden Vorgutachten sowie Befunde der Beschwerdeführerin aus den Jahren 2017-2020 und steht mit diesen auch nicht in Widerspruch (vgl. dazu VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004).

2.2.3.  Den Einwendungen der Beschwerdeführerin in der Beschwerde wurde durch Einholung des Gutachtens vom 22.03.2021 (OZ 3) Rechnung getragen. Ergänzend ist festzuhalten, dass für eine höhere Einschätzung der Wirbelsäulenbeschwerden (mit 50 vH) neben radiologischen Veränderungen und maßgeblichen Einschränkungen im Alltag zusätzlich auch klinische Defizite erforderlich wären, welche jedoch nicht vorliegend sind.

Den Feststellungen jenes Gutachtens sind weder die Beschwerdeführerin noch das SMS entgegengetreten (OZ 3).

3.       Entfall der mündlichen Verhandlung

3.1.    Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

3.2.    Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der sich aus dem Akteninhalt ergebende Sachverhalt basiert zur Gänze aus den der Beschwerdeführerin bekannten vorliegenden Aktenteilen und ist in den entscheidungswesentlichen Punkten weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig (vgl. dazu VwGH 19.09.2018, Ra2018/11/0145).

4.       Rechtliche Beurteilung

4.1.1.  Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Senat ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 45 Bundesbehindertengesetz [BBG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das SMS im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

4.1.2.  Die dagegen erhobene Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig (§§ 7, 9 VwGVG).

4.1.3.  Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten auszugsweise:

§ 1. (2) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen […].

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) […] Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn […] ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt (Z3).

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird. [...]

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

§§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt (Teilstrich 1) oder zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen (Teilstrich 2).

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

4.2.    Abweisung der Beschwerde

4.2.1.  Die bei der Beschwerdeführerin festgestellten Funktionseinschränkungen sind nicht nur vorübergehend, weshalb eine Behinderung im Sinne des § 1 BBG vorliegt. Der Grad der Behinderung ist im verfahrensgegenständlichen Fall gemäß § 40 und § 41 Abs. 1 BBG unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen (VwGH 21.06.2017, Ra201 7/11/0040).

4.2.2.  Das vom SMS eingeholte Sachverständigengutachten vom 22.03.2021 ist (wie bereits im Zuge der Beweiswürdigung dargelegt) richtig, vollständig und schlüssig und die aktuellen Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin wurden gemäß der Einschätzungsverordnung eingestuft. Der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt somit zum Entscheidungszeitpunkt 40 vH und sie erfüllt somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 vH ein Behindertenpass auszustellen ist.

4.2.3.  Da die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses somit nicht vorliegen, ist die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

4.3.    Im Hinblick auf den gestellten Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises wird der Vollständigkeit halber angemerkt, dass der angefochtene Bescheid ausschließlich die Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses zum Gegenstand hatte, und der Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises daher nicht Gegenstand des Verfahrens des Bundesverwaltungsgerichtes ist.

III.    ad B) Unzulässigkeit der Revision:

Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf eine umfangreiche und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum BBG. Die angewendeten Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind (soweit für den vorliegenden Fall maßgeblich) eindeutig. Zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage (trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) etwa VwGH 28.05.2014, Ro2014/07/0053. Zur Schlüssigkeit von Gutachten VwGH 27.06.2018, Ra2018/09/0079; 28.06.2017, Ra2017/09/0015; zur Form der Auseinandersetzung mit dem Gutachten insbesondere VwGH 26.02.2016, Ro2014/03/0004. Zum rechtlichen Interesse an einer Feststellung des Grads der Behinderung VwGH 11.11.2015, Ra2014/11/0109.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L511.2235857.1.00

Im RIS seit

25.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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