TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/16 I416 2165111-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.06.2021
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Entscheidungsdatum

16.06.2021

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I416 2165111-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL über die Beschwerde des XXXX , StA. Tunesien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH – BBU, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.05.2021, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 18.12.2015 von Ungarn kommend illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 21.12.2015 wurde über den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft verhängt und dieser mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 04.02.2016 zu XXXX erstmalig wegen schwerem Diebstahl in Tateinheit mit Urkundenunterdrückung rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Am 07.02.2016 wurde der Beschwerdeführer von der Behörde niederschriftlich hinsichtlich der Erlassung eines Schubhaftbescheides sowie einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahme stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Bei seiner Erstbefragung zu seinem Antrag auf internationalen Schutz durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 07.02.2016 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen an, dass es in Tunesien verschiedene Milizen gäbe, die an die Macht wollen würden. Diese hätten ihn als Selbstmordattentäter rekrutieren wollen und sei er nach seiner Weigerung mit dem Tod bedroht worden. Zwei seiner Freunde seien schon von diesen Milizen getötet worden, weshalb er in die Türkei geflohen sei. Im Falle seiner Rückkehr fürchte er den Tod durch die Milizen. Hinweise darauf, dass ihm bei seiner Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen würden oder er mit Sanktionen zu rechnen habe, gäbe es nicht.

3.       Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG vom 10.02.2016 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Dublin-Zuständigkeit von Ungarn vorliegen würde. Mit Schreiben vom 11.03.2016 wurde den ungarischen Behörden mitgeteilt, dass sie gemäß Art. 25 (2) der Dublin III-VO infolge Verfristung für die Führung des Asylverfahrens zuständig seien. Mit Schreiben vom 14.03.2016 erfolgte eine Verständigung der ungarischen Behörden, dass um Erstreckung der Transferfrist ersucht werde, da der Asylwerber flüchtig sei.

4.       Am 16.04.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verdachts der Begehung des gewerbsmäßigen Diebstahls, Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung, der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel und Urkundenunterdrückung festgenommen und mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 08.06.2016 zu XXXX zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt.

5.       Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 27.07.2016, Zl: 1100629800-160188620, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Antrages bei Ungarn liege. Gleichzeitig wurde die Abschiebung nach Ungarn angeordnet. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom 05.08.2016 wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.05.2017, Zl. W105 2132436-2/6E, stattgegeben und der Bescheid behoben. Begründend wurde angeführt, dass sich die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren damit auseinanderzusetzen haben wird, ob in Ungarn systematische Mängel vorliegen würden und daher das Selbsteintrittsrecht Österreichs zur Vermeidung einer Grundrechtsverletzung nach Art. 3 EMRK geboten wäre.

6.       Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 28.09.2016 zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen schweren Raubes nach § 142 Abs. 1, § 143 Abs. 1 2.Fall und § 143 Abs. 2 1.Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt, wobei die Strafhöhe nach Berufung der Staatsanwaltschaft XXXX mit Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX vom 25.04.2017 zu XXXX auf sieben Jahre und neun Monate hinaufgesetzt wurde. Dieses Urteil ist seit 02.05.2017 rechtskräftig.

7.       Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 12.06.2017 gab der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass es im Jahr 2007 Terrorismus in Tunesien gegeben habe und Männer zu ihm gekommen seien. Er führte aus, dass er einen Selbstmordanschlag auf den Präsidenten Ben Ali hätte verüben sollen, wogegen er sich jedoch geweigert habe und nach Italien geflohen sei. Auf Nachfrage führte er aus, dass diese Gruppe keinen Namen habe, aus 24 Mitgliedern bestehen würde und sich auf einem Berg verstecken würde. Befragt, wann dies gewesen sei, gab er an: „Im Jahr 2007.“ … „Danach bin ich nach Italien geflüchtet.“ Gefragt, ob er Namen oder weitere Details zum Rekrutierungsversuch angeben könne, führte er einerseits 19 Vornamen an und erzählte, dass sie ihm einen Gurt anziehen haben wollen.

8.       Mit Bescheid vom 23.06.2017, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Tunesien (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen „gemäß § 57 AsylG“ nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung „gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.) und keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt V.). Außerdem stellte die belangte Behörde den Verlust des Aufenthaltsrechtes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ab dem 04.02.2016 fest (Spruchpunkt VI.). Zuletzt erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).

9.       Der gegen den Bescheid vom 23.06.2017 erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.07.2017, Zl. I416 2165111-1/3Z, die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt und wurde die Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.12.2017, Zl. I416 2165111-1/8E, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass es in Spruchpunkt III. (erster Teil) zu lauten hat: „Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ gemäß § 57 AsylG 2005 wird nicht erteilt.“.

10.      Am 01.04.2021 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Strafhaft den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes führte er befragt zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen aus, dass er mit seiner Frau und deren krimineller Familie in Tunesien Probleme habe. Außerdem werde ihm in Österreich das Medikament „Mitadol“ für seine Nerven- und Gelenkschmerzen verabreicht, welches er in Tunesien nicht bekomme und könne er nur in Österreich eine Therapie machen. Gefragt, was er befürchte, wenn er nach Tunesien zurückkehren müsse, gab er wörtlich an: „Das ich dort gesundheitlich nicht betreut werde.“ Hinweise darauf, dass ihm bei seiner Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen würden oder er mit Sanktionen zu rechnen habe, gäbe es nicht.

11.      Mit Verfahrensanordnung vom 06.04.2021 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 2 Z 4 AsylG mit, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da die belangte Behörde davon ausgehe, dass entschiedene Sache vorliege.

12.      Am 15.04.2021 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte er, dass er während seinem Gefängnisaufenthalt verschiedene Krankheiten erlitten hätte und daher Methadon und drei weitere Medikamente einnehmen müsse. Zudem sei er seit seiner Einreise im Jahr 2015 drogenabhängig und habe vorwiegend Kokain konsumiert. Er habe nunmehr ein Problem mit den Brüdern seiner Ex-Frau, da diese gegen die Scheidung gewesen seien und gewollt hätten, dass der Beschwerdeführer bei seiner Frau geblieben wäre. Sie hätten dem Beschwerdeführer mit dem Tod gedroht und habe er dies ernst genommen, da sie bereits verurteilt worden seien. Daher sei er auch im Jahr 2005 nach Italien geflüchtet. Auf Nachfrage der belangten Behörde habe die konkrete Bedrohung durch die Brüder im Jahr 2004 stattgefunden, als er von den Brüdern zuhause mit großen Messern gesucht worden und vom Dach aus zu anderen Häusern geflüchtet sei. Er habe sich nicht an die Polizei gewandt, da die Brüder der Polizei bekannt gewesen seien und die Polizei nichts gemacht hätte. Aufgrund seiner Drogenabhängigkeit und einer verabreichten Spritze im Jahr 2016 habe er diese Umstände im ersten Asylverfahren vergessen, weshalb er erst jetzt einen neuen Asylantrag stellen würde. Bei einer Rückkehr nach Tunesien würde er Probleme bekommen und würden ihn die Brüder seiner Ex-Frau mit dem Messer bedrohen, da sie bereits andere Personen mit dem Messer verletzt hätten. Zudem benötige er eine Therapie wegen seiner Drogensucht. Auf die Mitteilung der belangten Behörde, dass beabsichtigt sei seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, erklärte der Beschwerdeführer wörtlich: „Ich brauche eine Therapie gegen Methadon, weil ich in Tunesien keine Behandlung bekomme. Nach einer erfolgreichen Therapie könnte ich ohne Probleme nach Tunesien zurückkehren.“

13.      Am 19.04.2021 wurden der belangten Behörde von der Justizanstalt Wien-Josefstadt eine nervenfachärztliche Stellungnahme sowie die Medikationsdokumentation aus dem Jahr 2016 der Stellvertreterin des ärztlichen Leiters übermittelt.

14.      Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 10.05.2021 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 01.04.2021 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

15.      Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 25.05.2021 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren, eine unschlüssige Beweiswürdigung und in Folge dessen eine unrichtige rechtliche Beurteilung.

16.      Beschwerde und Verwaltungsakt langten am 28.05.2021 in der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird zum maßgeblichen Sachverhalt erhoben und wird ergänzend festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Tunesien und damit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b AsylG. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig. Er wurde in Österreich bereits drei Mal strafgerichtlich verurteilt und befindet sich gegenwärtig in Strafhaft.

Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2015 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte erstmalig am 07.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 23.06.2017, Zl. 1100629800/160188620, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Tunesien als unbegründet ab. Zugleich wurde gegen den Beschwerdeführer unter anderem eine Rückkehrentscheidung sowie ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Tunesien zulässig ist.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.12.2017, Zl. I416 2165111-1/8E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass es in Spruchpunkt III. (erster Teil) zu lauten hat: „Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ gemäß § 57 AsylG 2005 wird nicht erteilt.“. Diese Entscheidung erwuchs mangels Erhebung eines Rechtsmittels in Rechtskraft.

Am 01.04.2021 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Folgeantrag und begründete diesen einerseits mit einer Bedrohung durch die Brüder seiner Ex-Frau aus dem Jahr 2004 sowie andererseits mit mangelnden Möglichkeiten einer Teilnahme an einer Suchttherapie zur Bekämpfung seiner Drogenabhängigkeit. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 10.05.2021 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Zwischen der rechtskräftigen Erledigung des Vorverfahrens und der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 10.05.2021 ist keine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten, welche geeignet wäre, einen neuen Grund für die Gewährung von Asyl oder internationalen Schutz darzustellen.

Der Beschwerdeführer brachte im gegenständlichen Asylverfahren keine entscheidungsrelevanten neuen Fluchtgründe vor, welche nach dem rechtskräftigen Abschluss seines Erstverfahrens entstanden wären. Auch amtswegig hat sich kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt ergeben.

Der Beschwerdeführer leidet zudem nicht an einer lebensbedrohlichen oder dauerhaft behandlungsbedürftigen Gesundheitsbeeinträchtigung und fällt nicht unter die Risikogruppe gemäß der COVID-19-Risikogruppe-Verordnung. Seine nunmehr im Folgeverfahren erstmals geltend gemachten Suchtprobleme stellen keinen entscheidungsrelevant geänderten Sachverhalt dar.

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände kann nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Tunesien für den Beschwerdeführer eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Der Beschwerdeführer wird im Falle seiner Rückkehr nach Tunesien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 10.05.2021 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Tunesien (Stand 19.03.2021) zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden und wurde darüber hinaus seitens des Beschwerdeführers den Länderberichten auch nicht substantiiert entgegengetreten, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und zu den seinen erhebt.

Zudem zählt Tunesien zu den sicheren Herkunftsstaaten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der unter Punkt I. dargelegte Verfahrensgang sowie die weiteren Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Zudem wurde Einsicht genommen in das rechtskräftige und zudem Amtswissen darstellende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.12.2017, GZ: I416 2165111-1/8E.

Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung der angefochtenen Bescheide die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen. Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in seiner Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt und somit entscheidungsreif ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

2.2. Zu den Asylverfahren des Beschwerdeführers:

Mangels der Vorlage von identitätsbezeugenden Dokumenten konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht zweifelsfrei festgestellt werden.

Seine Staatsangehörigkeit sowie sämtliche Feststellungen zum ersten Asylverfahren des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den vorliegenden Akteninhalten sowie dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.12.2017, GZ: I416 2165111-1/8E.

Die Folgeantragstellung samt den nunmehr vorgebrachten Fluchtgründen des Beschwerdeführers wurden dem vorliegenden Behördenakt sowie insbesondere dem darin befindlichen Erstbefragungsprotokoll zum Folgeantrag auf Asyl vom 01.04.2021 sowie dem Protokoll zur niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde vom 15.04.2021 entnommen.

Vom Bundesverwaltungsgericht ist im gegenständlichen Verfahren zu prüfen, ob zwischen der Rechtskraft des vorangegangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.12.2017 und der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 10.05.2021 eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist.

Eine solche wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage ist nicht erkennbar. Das nunmehrige Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers bezieht sich einerseits auf Bedrohungen durch die Brüder seiner Ex-Frau, mit welchen der Beschwerdeführer zuletzt im Jahr 2004 konfrontiert gewesen sei. Diesem Fluchtvorbringen mangelt es jedenfalls an der notwendigen Aktualität. Dahingehend ist festzuhalten, dass es sich dabei um ein Vorbringen handelt, welches dem Beschwerdeführer bereits bei seiner ersten Asylantragstellung am 07.02.2016 bekannt gewesen ist. Er hätte derartige Bedrohungssituationen somit bereits im vorangegangen Asylverfahren vor dessen rechtskräftigem Abschluss vorbringen müssen.

Soweit der Beschwerdeführer erklärend ausführte, dass er diese Bedrohungen aufgrund einer Spritze in der Justizanstalt im Jahr 2016 sowie seinem Drogenkonsum vergessen habe, kann dem nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer wurde im ersten Asylverfahren sowohl von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes als auch der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen und bot sich ihm im Rahmen der Beschwerde eine weitere Möglichkeit, die Bedrohungssituationen durch die Brüder seiner Ex-Frau anzugeben. In diesen Einvernahmen war es ihm jedoch – trotz einer nicht näher deklarierten Spritze sowie seinem Drogenkonsum – schon möglich, ein anderes Fluchtvorbringen zu schildern. Des Weiteren ist festzuhalten, dass im gegenständlichen Verwaltungsakt eine Medikationsliste aus dem Jahr 2016 sowie eine Stellungnahme von der Stellvertreterin des ärztlichen Leiters der Justizanstalt Wien-Josefstadt datiert mit 16.04.2021 enthalten ist, wonach aus der Anfrage der belangten Behörde sowie der Bezeichnung des Beschwerdeführers nicht hervorgeht, um welche verabreichte Spritze es sich handeln sollte. Der Beschwerdeführer spezifizierte die erwähnte Spritze auch im gegenständlichen Beschwerdeschriftsatz nicht und tätigte auch keine weiteren näheren Angaben, sodass auf dieses unsubstantiierte Vorbringen nicht näher einzugehen war. Nachvollziehbare Gründe für sein bisheriges Verschweigen dieser Fluchtgründe konnten damit nicht glaubhaft gemacht werden.

Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein Asylwerber eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, nicht ungenützt vorübergehen lassen würde (vgl. VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250) und widerspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Beschwerdeführer derart wesentliche Teile seiner Fluchtgründe im Rahmen seines ersten Asylverfahrens vollkommen unerwähnt lässt. In diesem Zusammenhang ist überdies darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde selbst zu Protokoll gab, dass er bei Erhalt eines Therapieplatzes gegen Methadon in Tunesien ohne Probleme zurückkehren könnte (AS 132).

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen leidet, ist hauptsächlich der nervenfachärztlichen Stellungnahme (AS 155) sowie der Behandlungsmitteilung der JA Graz-Karlau (AS 113), aber auch seinen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde zu entnehmen. Die einliegenden Unterlagen sowie Angaben des Beschwerdeführers vermögen aus folgenden Gründen keine lebensbedrohlichen Erkrankungen darzustellen: So wurden seit der rechtskräftigen Asylentscheidung im Jahr 2017 die Diagnosen eines Abhängigkeitssyndroms, einer sonstigen nichtorganischen psychotischen Störung, er bösartigen Neubildung: Harnblase, nicht näher bezeichnet/mehrere Teilbereiche überlappend, der Atherosklerose der Aorta sowie der Krankheit der Harnblase aufgestellt. Dass es sich dabei um Krankheiten handelt, welche einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und wurden keine entsprechenden weiterführenden Unterlagen vorgelegt. Im Einklang mit dieser Annahme steht überdies seine Angabe in der Erstbefragung, wo er die Frage nach Beschwerden oder Krankheiten, welche in weiterer Folge das Asylverfahren beeinträchtigen könnten, verneinte (AS 19). Erst im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 15.04.2021 gab er an, an Diabetes und Nierenschmerzen sowie Herz- und Schlafproblemen zu leiden. Seine angegebenen Krankheiten decken sich weitestgehend mit den im Akt einliegenden medizinischen Unterlagen aus der Justizanstalt, jedoch handelt es sich dabei zumeist um Erkrankungen, welche bereits zur Zeit des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben und nicht lebensbedrohlich sind. Eine maßgebende Verschlechterung bestehender Krankheiten wurde außerdem nicht behauptet.

Des Weiteren steht der Beschwerdeführer in psychiatrischer Behandlung und erhält eine Substitutionsbehandlung mit Methadon, wobei die Beendigung bei einem unproblematischen Verlauf im November 2021 vorgesehen wäre und zu diesem Zeitpunkt eine ausreichende psychische Stabilisierung gegeben sein solle. Auch seien derzeit keine Anzeichen für eine akute schizophrene-psychotische Störung diagnostizierbar. Insbesondere befindet sich der Beschwerdeführer nach wie vor in Strafhaft und wurde das errechnete Strafende mit 15.10.2023 (bzw. der errechnete Zeitpunkt einer Entlassung nach § 46 StGB mit 15.12.2021) festgelegt. Die Substitutionsbehandlung wäre zum Entlassungszeitpunkt somit abgeschlossen, sodass die Notwendigkeit des Erhalts eines Therapieplatzes in Tunesien entsprechend der derzeitigen Ausgangslange nicht mehr notwendig wäre. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass die damit einhergehende gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers bei seiner Haftentlassung weggefallen sein wird.

Zudem ergeben sich auch keinerlei Hinweise medizinischer Indikationen für die Zuordnung des jungen, nicht an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidenden Beschwerdeführers zur COVID-19-Risikogruppe entsprechend der COVID-19-Risikogruppe-Verordnung. Weder hat der Beschwerdeführer im Sinne dieser Verordnung entsprechende Vorerkrankungen vorgebracht, noch wurde bei ihm eine sonstige schwere Erkrankung mit funktionellen oder körperliche Einschränkungen diagnostiziert (vgl. § 2 Abs. 2 der COVID-19-Risikogruppe-Verordnung), welche einen ebenso schweren Krankheitsverlauf wie die unter § 2 Abs. 1 gelisteten Krankheitsbilder annehmen lassen würden. Die im Beschwerdeschriftsatz lediglich angedeutete Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer eine Risikoperson darstellen könnte, vermag die tatsächliche Annahme der Zugehörigkeit seiner Erkrankungen zur COVID-19-Risikogruppe nicht.

Somit kamen im gegenständlichen Verfahren in einer Gesamtschau keine Anzeichen dafür hervor, dass der Beschwerdeführer an einer schweren psychischen Störung und/oder schweren oder ansteckenden Krankheit leiden würde und dass eine allgemeine medizinische Versorgung in Tunesien nicht gewährleistet sein sollte. Außerdem handelt es sich überwiegend um ein Vorbringen, welches dem Beschwerdeführer bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren bekannt gewesen war, schließlich führte er vor der belangten Behörde aus, dass er bereits seit 2015, dem Jahr seiner Einreise nach Österreich, drogenabhängig sei und an den angeführten Krankheiten seit seinem Gefängnisaufenthalt leiden würde (AS 129).

Zumal der Beschwerdeführer nicht an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidet und er sich im erwerbsfähigen Alter befindet, war auch die Feststellung zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers zu treffen, wobei sich auch aus dem unstrittigen Verwaltungsakt keine gegenteiligen Hinweise ergeben.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers in Österreich sind im aktuellen Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich ersichtlich und ergibt sich aus dem ZMR-Auszug sowie der im Akt einliegenden Vollzugsinformation (AS 101) der gegenwärtige Verbleib des Beschwerdeführers in Strafhaft.

In einer Gesamtschau brachte der Beschwerdeführer damit - wie die belangte Behörde zutreffend feststellte - keine neuen asylrelevanten Fluchtgründe vor.

Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt auch nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sondern verweist auf seine bisherigen Aussagen vor der belangten Behörde. Zudem ist weder den Einvernahmeprotokollen noch den Ausführungen im Rahmen der Beschwerde zu entnehmen, warum es sich im gegenständlichen Fall um keine „entschiedene Sache“ handeln sollte, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Bei Folgeanträgen sind die Asylbehörden auch dafür zuständig, mögliche Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus des Antragstellers einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 15.05.2012, 2012/18/0041). Eine Änderung der Situation in Tunesien seit Rechtskraft der Vorentscheidung wurde in der Beschwerde nicht behauptet und entspricht dies auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes.

Eine umfassende inhaltliche Prüfung konnte daher vom Bundesverwaltungsgericht aus den genannten Gründen unterbleiben.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Tunesien samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der verwendeten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen. Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine wesentlichen Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

Dass Tunesien einen sicheren Herkunftsstaat darstellt, ergibt sich zweifelsfrei aus § 1 Z 11 HStV.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Zur Rechtslage:

Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Letzteres betrifft die amtswegige oder aufsichtsbehördliche Bescheidänderung oder -aufhebung. Die §§ 69 und 71 AVG normieren die Rechtsinstitute der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die hier nicht zur Anwendung kommen.

Der tragende Grundsatz der Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt (vgl VwGH vom 24. Mai 2016, Ra 2016/03/0050, Rz 7). "Sache" einer rechtskräftigen Entscheidung ist dabei stets der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei ihrem Bescheid gestützt hat (vgl. VwGH 17.11.2020, Ra 2018/07/0487).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, stellen keine Änderung des Sachverhalts dar, sondern können lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens darstellen. Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt (vgl. VwGH 23.09.2020, Ra 2020/14/0175).

Tatsachen, die bereits zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über den ersten Asylantrag vorlagen, sind nicht geeignet, einen maßgeblich geänderten Sachverhalt im Sinn des § 68 Abs. 1 AVG zu begründen (vgl. VwGH 18.09.2019, Ra 2019/18/0263; 27.5.2019, Ra 2018/14/0292; 13.5.2019, Ra 2018/18/0506; 29.3.2019, Ra 2018/20/0539).

Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30.05.1995, 93/08/0207).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Die Anwendbarkeit des § 68 AVG setzt gemäß Abs. 1 das Vorliegen eines der "Berufung" nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides, dh eines Bescheides, der mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht (mehr) bekämpft werden kann, voraus. Diese Voraussetzung ist hier gegeben, da das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.12.2017, GZ: I416 2165111-1/8E, zum vorangegangenen Asylverfahren in formelle Rechtskraft erwachsen ist.

Auf Grund des Umfanges des Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ist in der gegenständlichen Rechtssache der Umstand relevant, ob vor der belangten Behörde neue, mit einem glaubwürdigen Kern versehene Tatsachen vorgebracht wurden, die eine andere Entscheidung sowohl im Hinblick auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch der subsidiär Schutzberechtigten indizieren können.

Die belangte Behörde hat - wie in der Beweiswürdigung zusammengefasst - völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass entschiedene Sache vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich dieser Auffassung an, dass die Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren nicht geeignet sind, eine neue inhaltliche Entscheidung zu bewirken und dass darin kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann.

So stützt der Beschwerdeführer seinen neuen Antrag zur Gänze auf ein Vorbringen, welches bereits zum Zeitpunkt des ersten Antrages auf internationalen Schutz bestanden hat. Vielmehr drängt sich damit der Eindruck auf, dass der Beschwerdeführer mit der Stellung seines Folgeantrages das Ziel verfolgt, seine anstehende Abschiebung nach der Entlassung aus der Strafhaft zu verzögern bzw. zu verhindern.

Da weder in der maßgeblichen Sachlage und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist bzw. in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden konnte.

Auch im Hinblick auf Art 3 EMRK ist nicht erkennbar, dass die Rückführung des Beschwerdeführers nach Tunesien zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und er bei einer Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihm jedwede Lebensgrundlage fehlen würde. Es gibt keine Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse).

Eine Änderung der Lage in Tunesien wurde auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet und setzt die Gewährung eines Status nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 voraus, dass die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit eine Verletzung des Art. 3 EMRK aufgezeigt wird (vgl. VwGH 23.03.2017, Ra 2016/20/0188); die bloße Möglichkeit einer Existenzbedrohung kann diese Schwelle nicht erreichen.

Zu prüfen sind aber auch etwaige Änderungen in der Person der Beschwerdeführer, welche eine neue Refoulement-Prüfung notwendig machen könnten. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass der Beschwerdeführer an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen leidet, es in Tunesien eine medizinische Grundversorgung gibt und der Beschwerdeführer arbeitsfähig ist. Dem wurde vom Beschwerdeführer in der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegengetreten.

Im Allgemeinen hat kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind (Urteil des EGMR vom 13.12.2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 189 ff). Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (VfGH 06.03.2008, B2400/07 - B2418/07 ua). Die Erkrankungen des Beschwerdeführers stellen jedoch feststellungsgemäß keine lebensbedrohlichen Krankheiten dar, welche der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Tunesien per se entgegenstehen würde.

Auch in Bezug auf die wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers sind nach wie vor keine Umstände ersichtlich, die im Falle seiner Rückkehr eine Situation herbeiführen würden, die als unmenschlich oder erniedrigend iSd Art. 3 EMRK anzusehen wäre. Es ist ihm jedenfalls zumutbar, seinen Lebensunterhalt in Tunesien durch eigene Arbeit, notfalls auch durch die Annahme von diversen Hilfstätigkeiten, zu bestreiten. Dies spricht insgesamt vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid deutlich gegen die Annahme eines Abschiebehindernisses nach Art. 3 EMRK.

Es ist daher auch in Bezug auf die Frage des Status des subsidiär Schutzberechtigten keine Änderung des Sachverhalts gegenüber den rechtskräftigen Vorentscheidungen eingetreten.

Die Zurückweisung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG erfolgte daher zu Recht und war die Beschwerde somit abzuweisen.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass zum angenommenen Asylausschlussgrund im rechtskräftigen Verfahren zur GZ: I416 2165111-1 vom Beschwerdeführer keinerlei Vorbringen erstattet wurde und es dahingehend – aufgrund der bereits festgestellten mangelnden Sachverhaltsänderung in seinem Fluchtvorbringen – im gegenständlichen Verfahren keiner näheren Ausführungen bedarf.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).

Da der verfahrenseinleitende Antrag zurückzuweisen war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung – trotz einem Antrag des Beschwerdeführers - gemäß § 21 Abs. 7 bzw. § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylverfahren entschiedene Sache Folgeantrag Identität der Sache real risk reale Gefahr Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata subsidiärer Schutz unzulässiger Antrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I416.2165111.2.00

Im RIS seit

25.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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