TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/5 I417 2177689-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.07.2021
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Entscheidungsdatum

05.07.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


I417 2177689-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Friedrich Johannes ZANIER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. KAMERUN, vertreten durch RA Dr. Joachim RATHBAUER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom 31.10.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.06.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer stellte am 18.01.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit Verfolgung aufgrund seiner anglophonen Sprachgruppenzugehörigkeit begründete. Er sei verhaftet worden und habe die Todesstrafe befürchtet.

2.       In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 16.10.2017 gab er an, seit 2013 in Garoua gelebt und gearbeitet zu haben. Bei einer Polizeikontrolle auf seinem Weg nach Bamenda sei er beleidigt worden und habe als Trotzreaktion angegeben, beim Streik der englischsprachigen Bevölkerung mitmachen zu wollen. Er habe gewusst und in Kauf genommen, verhaftet zu werden. Mit einer Anklage als Terrorist und der Todesstrafe habe er aber nicht gerechnet. Nach einigen Tagen in einem Privatgefängnis sei er mit Unterstützung eines Polizisten freigekommen und habe ein anderer Mann seine Ausreise organisiert.

3.       Mit dem Bescheid vom 31.10.2017, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Kamerun (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Kamerun zulässig ist (Spruchpunkt III.). Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

4.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 21.11.2017 (bei der belangten Behörde eingelangt am selben Tag). Der Beschwerdeführer habe glaubhaft dargelegt, dass er aufgrund seiner Zugehörigkeit zur anglophonen Minderheit beleidigt worden sei und seine „Trotzreaktion“ daher nachvollziehbar und verständlich sei. Auch die Freilassung sei glaubwürdig, da es sich um einen Schulfreund gehandelt habe, der dem Polizisten die Anweisung gegeben habe. Er werde bei einer Rückkehr nach Kamerun jedenfalls weiter Unterdrückung, Gewalt und Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur englischsprachigen Bevölkerung und der Separationsbewegung ausgesetzt sein und wäre ihm daher der Status des Asylberechtigten bzw. des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

5.       Mit Parteiengehör vom 05.06.2020 wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit geboten, zum aktuellen Länderinformationsblatt für Kamerun Stellung zu nehmen. Überdies möge er bekannt geben, ob hinsichtlich seiner persönlichen und privaten Verhältnissen in Österreich oder seines Gesundheitszustandes seit der letzten Einvernahme vor der belangten Behörde Änderungen eingetreten sind. Binnen der gesetzten 14-tägigen Frist langte keine Stellungnahme ein.

6. Mit Erkenntnis vom 16.07.2020 zu I417 2177689-1/7E wie das BVWG die Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet ab.

7. Gegen dieses Erkenntnis vom 16.07.2020 erhob die beschwerdeführende Partei durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter Revision an den VwGH. Mit Erkenntnis des VwGH vom 29.03.2021 zu XXXX der VwGH das bezogene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

8. Am 14.06.2021 fand in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG statt. Im Zuge dieser mündlichen Verhandlung wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die Möglichkeit geboten, binnen 14 Tagen zu den Länderberichten der Staatendokumentation, welche ihm in Kopie während der mündlichen Verhandlung ausgehändigt worden waren, schriftlich Stellung zu nehmen. Diese Möglichkeit wurde vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nicht wahrgenommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer war traditionell verheiratet und hat mit seiner –nunmehr geschiedenen - Ehefrau zwei erwachsene Kinder und mit zwei weiteren Frauen je ein weiters Kind. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Kamerun, gehört der Volksgruppe der Meta an, spricht Englisch, Französisch und Meta und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer reiste Mitte Jänner via Flugzeug aus Kamerun aus und gelangte spätesten am 18.01.2017 nach Österreich. Er hält sich seither im Bundesgebiet auf.

Die Eltern des Beschwerdeführers sind bereits verstorben, es leben noch drei Geschwister, seine geschiedene Ehefrau, seine vier Kinder und einige weitere Verwandte wie Cousins und Cousinen in Kamerun. Der Beschwerdeführer hat eine langjährige Schulbildung absolviert, zwei Jahre eine Universität besucht und seinen bzw. den Unterhalt seiner Familie als Lastwagenfahrer und Kakaoplantagenbesitzer verdient. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung in Kamerun hat er eine Chance, auch hinkünftig am dortigen Arbeitsmarkt unterzukommen.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.

Er bezog zunächst Leistungen von der staatlichen Grundversorgung in XXXX . Aktuell bezieht er keine staatlichen Leistungen, ist nicht erwerbstätig und verfügt seit 24.11.2017 über keine Krankenversicherung mehr. Es kann nicht festgestellt werden, wie der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt in Österreich bestreitet bzw. welche Mittel er dafür aufwendet. Er hat seinen Wohnsitz in XXXX .

Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass er in Kamerun aufgrund der Zugehörigkeit zur anglophonen Minderheit eine individuelle Verfolgung zu befürchten hätte.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Kamerun:

COVID-19

Derzeit sind die Grenzen Kameruns gemäß Weisung des Staatspräsidenten aufgrund der Covid-19-Pandemie bis auf Weiteres geschlossen; zudem ist ein negativer COVID19-Test, der nicht älter als drei Tage bei Einreise sein darf, erforderlich (AA 17.8.2020; vgl. FD 12.4.2021), auch für Kleinkinder (FD 12.4.2021); danach muss eine 14-tägige Selbstquarantäne zu Hause absolviert werden (BMEIA 12.4.2021). Aktuell wird das Land von einer zweiten Welle getroffen (BAMF 12.4.2021).

Kamerun hat seine Landesgrenzen geschlossen. Die Einreise per Flugzeug, Schiff oder Fahrzeug ist nur sehr eingeschränkt möglich. Ausnahmen bestehen für die Einfuhr von Versorgungsgütern (AA 12.4.2021; vgl. FD 12.4.2021). Die Einreise nach Kamerun ist derzeit nur kamerunischen Staatsangehörigen und Ausländern mit bestehendem Daueraufenthaltsrecht („Carte de Séjour“) gestattet (AA 12.4.2021; vgl. BMEIA 12.4.2021). Kamerun ist weiterhin als Risikogebiet eingestuft (AA 12.4.2021).

Da die Möglichkeiten der medizinischen Versorgung in Kamerun sehr begrenzt sind, ist es unerlässlich, die Präventivmassnahmen genauestens zu respektieren: Versammlungsorte sollten vermieden werden (FD 12.4.2021). Am 11.4.2021 erhielt Kamerun die erste Lieferung von 200.000 Impfstoffdosen, die landesweit verteilt werden (BAMF 12.4.2021).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (12.4.2021): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise
(Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kamerun-node/kamerunsicherheit/208874, Zugriff 12.4.2021

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (17.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun (Stand: Juli 2020),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2037145/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Kamerun_%28Stand_Juli_2020%29%2C_17.08.2020.pdf, Zugriff 5.11.2020

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (12.4.2021): Briefing Notes, Kamerun, COVID-19-Pandemie, Zugriff 16.4.2021

-        BMEIA - Bundesministerium Europäosche und internationale Angelegenheiten (12.4.2021): Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kamerun/, Zugriff 12.4.2021

-        FD - France Diplomatie (12.4.2021): Dernière minute, Infection pulmonaire – Coronavirus Covid-19 (01/02/2021), https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/cameroun/, Zugriff 12.4.2021

Politische Lage

Kamerun ist eine Präsidialdemokratie. Das Land wird seit 1966 von der Partei „Rassemblement Démocratique du Peuple Camerounais“ (RDPC, bis 1985 „Union Nationale Camerounaise“) regiert. Staatspräsident Paul Biya (87 Jahre) regiert seit 1982 (AA 17.8.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Er wurde bei den Präsidentschaftswahlen am 7.10.2018 erneut in seinem Amt bestätigt. Nach Einführung des Mehrparteiensystems fanden 1992 zum ersten Mal Parlaments- und Präsidentenwahlen statt. Diese und nachfolgende Wahlen verliefen nicht völlig frei und fair. Die seit 1996 geltende Verfassung ist eine Präsidialverfassung nach französischem Vorbild. Der in der Verfassung vorgesehene Verfassungsrat (Conseil Constitutionel) wurde im Jänner 2018 eingerichtet. Das politische System Kameruns ist auf den Präsidenten ausgerichtet, der geschickt die verschiedenen politischen, ethnischen und regionalen Kräfte im Lande so an der Macht beteiligt, dass sie in einer austarierten Balance verharren. Bemühungen zur Dezentralisierung wurden von der kamerunischen Regierung bislang nur halbherzig durchgeführt, auch das am 24.12.2019 unterzeichnete neue Gesetz zur Dezentralisierung sieht zwar Regionalparlamente vor, die aber nicht durch direkte Wahlen besetzt werden (AA 17.8.2020).

Am 9.2.2020 fanden unter hohen Sicherheitsvorkehrungen Parlaments- und Kommunalwahlen statt (BAMF 10.2.2020; vgl. DW 9.2.2020; JA 9.2.2020). Die große landesweit aktive Oppositionspartei Mouvement pour la Renaissance du Cameroun (MRC) sowie die Separatisten in den beiden englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest hatten zu einem Wahlboykott aufgerufen (BAMF 10.2.2020; vgl. DW 9.2.2020). Die militante Separatistengruppe Ambazonia Defence Force (ADF) befahl der Bevölkerung eine Ausgangssperre für den Zeitraum 7. bis 12.2.2020 und drohte zudem jeden als Feind anzusehen und so zu behandeln, der ihre Anordnung nicht befolge (BAMF 10.2.2020; vgl. TNH 6.2.2020). Die anhaltende Gewalt behinderte die Wahlen (DW 9.2.2020) und die Wahlbeteiligung blieb niedrig (JA 9.2.2020). Der Wahltag wurde durch schwere Unruhen in der SW-Region geprägt (GIZ 12.2020a).

Am 7.4.2020 gab der Verfassungsrat bekannt, dass die Regierungspartei Cameroon Peoples Democratic Movement (CDPM) bei den am 20.03.20 erfolgten Parlamentsnachwahlen in den beiden anglophonen Regionen Südwest und Nordwest alle noch zu vergebenden 13 Parlamentssitze gewonnen hat. Damit verfügt die CDPM in der Nationalversammlung über 152 von 180 Sitzen (BAMF 20.4.2020; vgl. AA 17.8.2020; GIZ 12.2020a).

Am 26.3.2020 wurden Senatswahlen turnusgemäß durchgeführt, die von der Regierungspartei RDPC mit überwältigender Mehrheit gewonnen wurden. 87 von 100 Senatoren werden von der RDPC gestellt, sieben von der größten Oppositionspartei, Front Social Démocrate (SDF) und die restlichen sechs von mehreren kleineren Parteien. Senatspräsident bleibt der 85-jährige Marcel Niat Njifendji, Ex-Vizepremierminister (AA 17.8.2020).

Die über 200 Parteien bieten kaum politische Alternativen zur RDPC. Die größte im Parlament vertretene Oppositionspartei ist der SDF. Wie in der Regierungspartei RDPC, sind die Parteigründer oft gleichzeitig ewige Vorsitzende (in einigen Fällen inzwischen deren Söhne) und führen ihre Partei im autokratischen Stil, gestützt auf eine regionale Hochburg (meist der Herkunftsort des Vorsitzenden). 13 ihrer 18 Parlamentssitze errang die SDF in der anglophonen Region North West, aus der Parteigründer und Vorsitzender John Fru Ndi (78 Jahre) stammt. Die bisher sichtbarste Oppositionspartei war der Mouvement pour la renaissance du Cameroun (MRC). Ihr Vorsitzender Maurice Kamto und rund 100 Aktivisten wurden Monatelang wegen der Teilnahme an nicht genehmigten Versammlungen inhaftiert und Verhandlungen wurden durch Militärtribunale vorgenommen. Im Rahmen einer Amnestie des Staatspräsidenten, wurden insgesamt mehr als 300 sogenannte „politische Gefangene“ von den Anschuldigungen freigesprochen (AA 17.8.2020).

In den englischsprachigen Regionen North-West und South-West hatten sich nach der Unterdrückung friedlicher Proteste im Jahr 2016, die sich gegen die empfundene Benachteiligung durch die Regierung gerichtet hatten, Gruppen bewaffneter Separatisten gebildet (AI 16.4.2020), was eine schwere humanitäre Krise ausgelöst hat die weiter andauert (AA 12.2.2020a). Sowohl die Separatisten als auch die Sicherheitskräfte waren weiterhin für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Vom 30.9.2019 bis zum 4.10.2019 fand ein "umfassender nationaler Dialog" statt, bei dem die grundlegenden Ursachen der Krise thematisiert und Lösungen für Frieden und Versöhnung gefunden werden sollten (AI 16.4.2020). Der "Grand Dialogue National" in Yaoundé wurde eher als Monolog der Regierungsvertreter gesehen und die Wünsche der Separatisten nach Gesprächen außerhalb Kameruns und mit Beteiligung ausländischer Mediatoren wurden von der Regierung abgelehnt (GIZ 12.2020a). Der nationale Dialog und die Verabschiedung eines Gesetzes zur Dezentralisierung haben die Grundforderung der anglophonen Bevölkerung nach politischer Mitsprache und Wiederherstellung des Föderalstaats bisher jedoch nicht berücksichtigt (AA 12.2.2020a). Das führte zum Boykott des Treffens durch wichtige Rebellenvertreter. Es wurden zumindest einige Vorschläge formuliert und der Oppositionspolitiker Maurice Kamto sowie weitere MRC-Aktivisten amnestiert. Im Juli 2020 trafen kamerunische Regierungsvertreter zum ersten Mal zu Waffenstillstandsgesprächen mit einer der wichtigsten Rebellengruppen zusammen, währenddessen dreht sich die Gewaltspirale weiter (GIZ 12.2020a; vgl. BAMF 6.7.2020).

Eigentlich hätten die Wahlen schon 2018 angestanden, wurden aber aufgrund der Unruhen in den anglophonen Regionen zweimal verschoben, bis sie am 9.2.2020 stattfinden konnten. Die Wahlen 2020 standen unter keinem guten Stern. Schon im Vorfeld der Regionalwahlen im Feber hatten die anglophonen Separatisten Gewalt gegenüber all jenen angedroht, die sich an der Wahl beteiligen würden und folglich gab es schon vor dem eigentlichen Wahltag Einschüchterungen, Brandstiftung und Kidnapping gegenüber Menschen, die sich für die Durchführung der Wahlen positionierten (HRW 13.1.2021; vgl. GIZ 12.2020a). Daraufhin wurden die kamerunischen Streitkräfte in der SW- und NW-Region deutlich erhöht. In der Nordregion Kameruns wurden die Wahlen durch verstärkte Aktivitäten von Boko Haram beeinträchtigt und auch die Oppositionspartei MRC (Bewegung für die Wiedergeburt Kameruns) von Maurice Kamto rief den Wahlboykott aus. Der Wahltag selbst wurde durch schwere Unruhen in der SW-Region geprägt. Das offizielle Wahlergebnis zeigt einen überragenden Sieg der Regierungspartei, mit dem Gewinn von letztendlich 153 Sitzen von 180, die Opposition versinkt damit in der Bedeutungslosigkeit (GIZ 12.2020a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun (Stand: Juli 2020),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2037145/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Kamerun_%28Stand_Juli_2020%29%2C_17.08.2020.pdf, Zugriff 5.11.2020

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.2.2020a): Kamerun – Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kamerun-node/innenpolitik/208914, Zugriff 5.11.2020

-        AI - Amnesty International (6.2.2020): Cameroon: Rise in killings in Anglophone regions ahead of parliamentary elections, https://www.ecoi.net/de/dokument/2024259.html, Zugriff 10.2.2020

-        AI - Amnesty International (16.4.2020): Kamerun 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2038610.html, Zugriff 19.4.2021

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (6.7.2020): Briefing Notes, Kamerun, Anglophone Krise: Gespräche über Waffenstillstand zwischen Regierung und Separatisten, Zugriff 29.3.2021

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (20.4.2020): Briefing Notes, Kamerun, CDPM gewinnt Parlamentsnachwahlen in anglophonen Regionen, Zugriff 25.8.2020

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (10.2.2020): Briefing Notes, Zugriff 11.2.2020

-        DW - Deutsche Welle (9.2.2020): Kamerun wählt neues Parlament, https://www.dw.com/de/kamerun-w%C3%A4hlt-neues-parlament/a-52309243, Zugriff 10.2.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 29.3.2021

-        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043533.html, Zugriff 29.3.2021

-        JA - Jeune Afrique (9.2.2020): Cameroun : journée d’élections législatives et municipales sans suspense mais sous tension, https://www.jeuneafrique.com/893838/politique/cameroun-journee-delections-legislatives-et-municipales-sans-suspense-mais-sous-tension/, Zugriff 10.2.2020

-        RW - ReliefWeb (30.1.2020): Cameroon: Key Message Update: Recrudescence des exactions de Boko Haram dans l’Extrême-Nord et persistance du conflit dans les régions Anglophones, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Cameroon%20-%20Key%20Message%20Update_%20Thu%2C%202020-01-30.pdf, Zugriff 11.2.2020

-        TNH - The New Humanitarian (ehemals: IRIN News) (6.2.2020): Briefing: Cameroon's intensifying conflict and what it means for civilians, http://www.thenewhumanitarian.org/news/2020/02/06/Cameroon-elections-anglophone-separatist-insurgency-Ambazonia, Zugriff 10.2.2020

-        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 20120 - Cameroon, https://www.ecoi.net/en/document/2048145.html, Zugriff 12.4.2021

Sicherheitslage

Die allgemeine Sicherheitslage ist durch zunehmende Gewaltkriminalität, vor allem in den Städten bzw. auf den Überlandstraßen, gekennzeichnet (GIZ 12.2020a).

Der Konflikt zwischen Sicherheitskräften auf der einen Seite und den Separatisten im anglophonen Nordwesten und Südwesten Kameruns auf der anderen Seite hat sich weiterhin verschärft, was zu zahlreichen Toten und Vertreibungen geführt hat (FH 3.4.2020).

Im ganzen Land besteht das Risiko von Anschlägen durch terroristische Gruppierungen. In den Regionen Nord und Extrême-Nord haben wiederholte Anschläge Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 29.3.2021).

In der Region Südwest wurde der Bürgermeister der Stadt Mamfe, Ashu Prisley Ojong am 10.5.2020, im Zuge eines Anschlages getötet. Laut Angaben des staatlichen Rundfunks (CRTV), wurde der Autokonvoi des Bürgermeisters von bewaffneten anglophonen Separatisten angegriffen. Reuters berichtete unter Berufung auf einen hohen Militär aus der Region, dass bei dem Anschlag auch zwei Soldaten getötet worden sein sollen. Ojong war am 25.2.2020 als Kandidat der Regierungspartei Rassemblement démocratique du Peuple Camerounais (RDPC) zum Bürgermeister von Mamfe gewählt worden. Er ist einer der ersten höherrangigen gewählten Vertreter des Staates, der im Rahmen des in den beiden englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest andauernden Konflikts zwischen der Armee und den bewaffneten Milizen der Separatisten getötet worden ist (BAMF 11.5.2020).

Die Sicherheitslage bleibt in der gesamten Sahelzone kritisch, einschließlich der Subregion des Tschadsees und im ganzen Land besteht das Risiko von Anschlägen durch terroristische Gruppierungen (EDA 29.3.2021). Im Jahr 2020, nahmen die Angriffe und Überfälle der islamistischen bewaffneten Gruppe Boko Haram in der Region Extrême-Nord zu, mit fast täglichen Tötungen, Entführungen, Diebstählen und Zerstörung von Eigentum (HRW 13.1.2021; vgl. EDA 29.3.2021; FCO 29.3.2021). Die Boko Haram Kämpfer sind auch weiterhin im Grenzgebiet zu Nigeria aktiv (EDA 29.3.2021; vgl. FCO 29.3.2021), vor allem in der Region Extrême-Nord, wie auch die Terrororganisation Islamic State West Africa (ISWA) (FCO 29.3.2021). In den Regionen Nord und Extrême-Nord haben wiederholte Anschläge Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 29.3.2021).

Im April 2020 kam es in der Region Extrême-Nord zu zwei Selbstmordanschlägen mit Todesopfern. Es wird bei beiden Anschlägen davon ausgegangen, dass die Täter der islamistischen Terrororganisation Boko Haram angehörten (BAMF 20.4.2020).

Am 10.6.2020 wurde nach Zusammenstößen zwischen Regierungssoldaten und Separatisten eine Granate in den Hof des Distriktkrankenhauses in Bali in der Nord-West-Region gefeuert, was zum Tod eines Herzpatienten führte. Mindestens vier weitere Personen wurden verletzt. Am 30.6.2020 beschädigten Sicherheitskräfte in der Nord-West-Region eine Gesundheitseinrichtung und verhafteten am 6.7.2020 willkürlich sieben Mitarbeiter des Gesundheitswesens in der Süd-West-Region, wegen angeblicher Zusammenarbeit mit Separatisten (HRW 13.1.2021).

In der Nacht vom 1.8.2020 zum 2.8.2020 attackierten laut Angaben des Bezirksbürgermeisters im Norden Kameruns Bewaffnete das Lager für Binnenflüchtlinge beim Dorf Nguetchewe (Mayo Tsanaga Division, Region Extrême-Nord). Zwischen 15 und 18 Menschen wurden dabei getötet sowie mehrere verletzt. Für den Angriff wird die in der Gegend aktive dschihadistische Terrororganisation Islamic State West Africa Province (ISWA) verantwortlich gemacht (BAMF 3.8.2020).

Aufgrund der angespannten Sicherheitslage in die englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest (AA 29.3.2021; vgl. BMEIA 29.3.2021; EDA 29.3.2021), kommt es immer wieder zu politisch bedingten Unruhen, vor allem in Bamenda. Gewaltsame Zusammenstöße zwischen Demonstranten und den Sicherheitskräften sowie bewaffnete Überfälle auf Sicherheitskräfte dauern in beiden Regionen an und haben wiederholt Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 29.3.2021). Die Straße zwischen Bamenda und Bafoussam darf laut Anordnung der kamerunischen Sicherheitskräfte nur noch im Konvoi mit bewaffneter Eskorte zu festgelegten Zeiten befahren werden (AA 29.3.2021)

Die prekäre Sicherheitslage in der Zentralafrikanischen Republik wirkt sich auch auf das Grenzgebiet zu Kamerun aus. Es besteht ein hohes Risiko von Überfällen durch gewalttätige Straßenräuber sowie die Gefahr von Entführungen zwecks Lösegelderpressung (EDA 29.3.2021).

Zudem muss aufgrund der allgemein sehr schwierigen Lebensbedingungen der Bevölkerung mit Straßenprotesten gerechnet werden. Ausschreitungen und gewalttätige Zusammenstöße kommen vor. Zum Beispiel sind Ende Jänner 2019 bei politischen Protesten in Douala mehrere Personen durch Schüsse verletzt worden (EDA 29.3.2021).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deuschland] (29.3.2021): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kamerun-node/kamerunsicherheit/208874, Zugriff 29.3.2021

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (11.5.2020): Briefing Notes, Kamerun, Mamfe: Bürgermeister von Separatisten getötet, Zugriff 10.11.2020

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (20.4.2020): Briefing Notes, Kamerun, Boko Haram: Anschläge in Nordkamerun, Zugriff 10.11.2020

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.8.2020): Briefing Notes, Kamerun, ISWAP: Angriff auf Flüchtlingslager, Zugriff 10.11.2020

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (29.3.2021): Reiseinformation Kamerun, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kamerun/, Zugriff 29.3.2021

-        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (29.3.2021): Kamerun - Reisehinweise, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/kamerun/reisehinweise-kamerun.html, Zugriff 29.3.2021

-        FCO - Foreign, Commonwealth & Development Office [Vereinigtes Königreich] (29.3.2021): Cameroon, Foreign travel advice, Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/cameroon/safety-and-security, Zugriff 29.3.2021

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom House: Freedom in the World 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030844.html, Zugriff 10.11.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 29.3.2021

-        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043533.html, Zugriff 29.3.2021

Rechtsschutz / Justizwesen

Das Rechtssystem Kameruns ist uneinheitlich. Neben der traditionellen Rechtsprechung, die für jede Volksgruppe spezifisch ist, existiert das moderne Recht, das bis vor kurzem, sowohl von der britischen (common law) als auch von der französischen Rechtskultur (Code Napoléon) bestimmt worden war, bis das Parlament 2006 eine Harmonisierung des Strafgesetzbuchs verabschiedete. Moderne Gerichte gibt es auf Arrondissements-Ebene (tribunal de première instance) und Départements-Ebene (tribunal de grande instance), Berufungsgerichte auf Provinzebene (cour d´appel) (GIZ 12.2020a). Militärgerichte können auch die Zuständigkeit für Zivilpersonen wegen Straftaten ausüben (USDOS 30.3.2021).

Die Verfassung und das Gesetz sehen eine unabhängige Justiz vor, was aber in der Praxis nicht immer der Fall ist. In einigen Fällen schien der Ausgang von Prozessen von der Regierung beeinflusst zu werden, insbesondere in politisch heiklen Fällen. Die Behörden respektierten und vollstreckten Gerichtsbeschlüsse nicht immer (USDOS 30.3.2021). Die Justiz ist dem Justizministerium unterstellt und politischer Einfluss und Korruption schwächen die Gerichte (FH 4.3.2020). Die Verfassung und das Gesetz sehen das Recht auf eine faire und öffentliche Verhandlung vor. Es gilt die Unschuldsvermutung. Aber die Behörden respektieren dies nicht immer. Angeklagte haben das Recht einen Anwalt ihrer Wahl zu konsultieren, aber dieses Recht wird in den meisten Fällen nicht respektiert; insbesondere in Fällen von Komplizenschaft mit Boko Haram oder anglophonen Separatisten (USDOS 30.3.2021).

Die Einmischung der Exekutive kann das Gerichtsverfahren beeinflussen. Staatsanwälte wurden unter Druck gesetzt, die Verfolgung von Korruptionsfällen gegen einige hochkarätige Beamte einzustellen, während Kritiker behaupten, dass mit Korruptionsvorwürfen Beamte bestraft wurden, die beim Regime in Ungnade gefallen sind (FH 4.3.2020). Probleme bereiten der absolute Mangel an Gerichten, die Bestechlichkeit von Richtern (AA 17.8.2020; vgl. GIZ 12.2020a), die Konzentration der Rechtsanwaltsbüros auf Douala und Yaoundé, die mangelnde Unabhängigkeit der Gerichte von der Exekutive und die Blockierung der Gerichte in Douala und Yaoundé aufgrund von Richtermangel (GIZ 12.2020a). Sippenhaft ist nicht vorgesehen. Der Justizapparat in Kamerun ist schwerfällig und zeigt wenig Einsatzbereitschaft; dies gilt auch bei Ermittlungen zu Menschenrechtsverletzungen (AA 17.8.2020).

Trotz der partiellen Unabhängigkeit der Justiz von der Exekutive und der Legislative ist der Präsident zur Ernennung zahlreicher Posten in der Justiz berechtigt - einschließlich des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, und er kann dort Personal nach Belieben entlassen. Das Gerichtssystem ist dem Justizministerium unterstellt, das wiederum dem Präsidenten untersteht. Die Verfassung legt weiters fest, dass der Präsident für die Unabhängigkeit der Rechtsordnung garantiert. Er ernennt alle Richter auf Anraten des Obersten Justizrats (USDOS 30.3.2021; CIA 7.4.2021).

Die gravierenden Schwächen des Rechtssystems betreffen alle Bürger gleichermaßen und sind vor allem in Korruption, mangelhafter Aus- und Fortbildung sowie Überlastung begründet. Das Justizsystem ist überlastet; manche Richter und Staatsanwälte sind unterqualifiziert und/oder bestechlich. Rechtsstaatliche Verfahren sind nicht durchgängig gewährleistet. Allerdings hat sich der Justizminister in den vergangenen Jahren mit Informationskampagnen und Fortbildungsseminaren um die Weiterbildung der Richter bemüht. In der Praxis wird das neue Strafprozessrecht jedoch von den Behörden zumeist nur angewendet, wenn die Betroffenen dies einfordern. Dies setzt einen gewissen Kenntnisstand der Gesetzeslage voraus, den jedoch nur eine Minderheit der Bevölkerung aufweist (AA 17.8.2020).

Die vor allem in den ländlichen Gegenden praktizierte Justiz traditioneller Autoritäten ist weder verfassungsrechtlich legitimiert, noch unterliegen die daraus folgenden Entscheidungen und Handlungen einer staatlichen Kontrolle. Dieses traditionelle Rechtssystem benachteiligt vor allem Frauen und Kinder. Häufig gibt es Machtmissbrauch der traditionellen Autoritäten (Clanchefs usw.). Im Norden des Landes unterhalten einige „Könige“ („Lamido“) Privatgefängnisse, in denen mutmaßliche Kriminelle bis zum Abtransport in staatliche Gefängnisse in Haft genommen und dabei mitunter misshandelt werden. Diese „Könige“ sind zudem traditionelle Gerichtsherren, die auch eine körperliche Bestrafung anordnen können (AA 17.8.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun (Stand: Juli 2020),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2037145/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Kamerun_%28Stand_Juli_2020%29%2C_17.08.2020.pdf, Zugriff 5.11.2020

-        CIA - Central Intelligence Agency [USA] (7.4.2021): The World Factbook - Cameroon, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/cameroon/#military-and-security, Zugriff 12.4.2021

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030844.html, Zugriff 23.7.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 29.3.2021

-        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/en/document/2048145.html, Zugriff 12.4.2021

Sicherheitsbehörden

Die Gendarmerie Nationale hat militärischen Charakter und ist Teil der Streitkräfte. Sie interveniert im nichtstädtischen Bereich. Dagegen untersteht die Police Nationale dem Innenministerium (GIZ 12.2020a). Verhaftungen werden von der Gendarmerie und den verschiedenen Untergliederungen der Polizei ausgeführt: allgemeine Polizei (Sécurité publique), Inlandsgeheimdienste (Renseignements Généraux, Surveillance du Territoire), Kriminalpolizei (Police Judiciaire), Grenzpolizei (Police des Frontières) sowie von der Spezialeinheit GSO (Groupement Spécial d'Opérations) (AA 17.8.2020). Letztere ist eine Eliteeinheit der Polizei. Es gibt auch Spezialeinheiten zur Bekämpfung von Straßenräubern, wie die im März 1998 gegründete Brigade Anti-Gang (auch: Groupement Mobile d’Intervention GMI, unités antigangs), das 2000 gegründete Commandement Opérationnel (CO, auch: Special oder Operational Command) oder die seit 2006 im Einsatz befindliche Brigade d'Intervention Rapide (BIR) (GIZ 10.2020a). Auch die Militärpolizei darf Verhaftungen durchführen, wenn sie im Rahmen von Unruhen eingesetzt wird. Der Auslandsgeheimdienst - Direction Générale de la Recherche Extérieure (DGRE), der auch im Inland eingesetzt wird, nimmt in Einzelfällen ebenfalls Verhaftungen vor (AA 17.8.2020).

Probleme der Polizeikräfte sind zunehmende Gewalt und Banditentum auf der einen, Korruption, willkürliche Verhaftungen und Folter auf der anderen Seite (GIZ 12.2020a). Die Sicherheitskräfte sind zum Teil schlecht ausgebildet, bezahlt und ausgerüstet (AA 17.8.2020). Zudem haben zivile Behörden zeitweise keine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte, einschließlich der Polizei und der Gendarmerie (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun (Stand: Juli 2020),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2037145/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Kamerun_%28Stand_Juli_2020%29%2C_17.08.2020.pdf, Zugriff 5.11.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 29.3.2021

-        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/en/document/2048145.html, Zugriff 12.4.2021

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz vom 10.1.1997 hat den Straftatbestand Folter mit Todes- oder Gesundheitsfolgen in das Strafgesetzbuch eingeführt (Art. 132 ff.). Unmenschliche und erniedrigende Strafen sind weder im Strafgesetzbuch vorgesehen, noch werden sie verhängt bzw. vollstreckt (AA 17.8.2020).

In der Praxis kommen Misshandlungen (AA 17.8.2020) und Folter (USDOS 30.3.2021) vor. Dabei handelt es sich meist um Schikanen durch Gefängniswärter, Polizisten oder Angehörige der Geheimdienste und der Gendarmerie (AA 17.8.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). In schwer verifizierbaren Einzelfällen soll es zu Misshandlungen zwecks Erpressung von Geständnissen gekommen sein. Über ein derartiges systematisches Vorgehen der Sicherheitsbehörden oder des Gefängnispersonals liegen keine Erkenntnisse vor (AA 17.8.2020). Nach anderen Angaben sind die katastrophalen Zustände in den Gefängnissen berüchtigt, Folter und Misshandlung durch die Sicherheitskräfte sind üblich. In einem Bericht der kamerunischen Menschenrechtsorganisation ACAT (Action des Chrétiens pour l'abolition de la Torture) wird Folter und Misshandlung in Polizeigewahrsam als "Routine" bezeichnet (GIZ 12.2020a).

Es kommt zu willkürlicher und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte. Übergriffe der Sicherheitskräfte werden in der Regel weder angemessen untersucht noch verfolgt (USDOS 30.3.2021). Immer stärker geraten auch kamerunisches Militär und BIR in die Kritik von Menschenrechtsorganisationen. So wurde von Amnesty International über systematische Folter von mutmaßlichen Boko Haram-Anhängern berichtet (GIZ 12.2020a). Auch wenn die Regierung einige Schritte ergriffen hat, um Täter zu verfolgen und zu bestrafen, so agieren diese weiterhin meist ungestraft (USDOS 30.3.2021).

Die soziopolitische Krise, die Ende 2016 in den Regionen Nordwest und Südwest begann, entwickelte sich zu einem bewaffneten Konflikt zwischen Regierungstruppen und separatistischen Gruppen. Der Konflikt führte zu schweren Menschenrechtsverletzungen und Misshandlungen durch Regierungstruppen und anglophone Separatisten (USDOS 30.3.2021).

Bewaffnete Gruppen und Regierungskräfte begingen im Jahr 2020 in den anglophonen Regionen Kameruns weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen, darunter außergerichtliche oder summarische Hinrichtungen und Massentötungen. Die Sicherheitskräfte reagierten mit harter Hand auf die Angriffe der Separatisten. Als Vergeltung für separatistische Angriffe auf Wahllokale zerstörten Sicherheitskräfte im Jänner 2020, im Zuge einer Militäroperation, in der Nord-West-Region über 50 Häuser und töteten mehrere Zivilisten, darunter zwei Männer mit geistiger Behinderung. Im Feber töteten Regierungstruppen und bewaffnete ethnische Fulani 21 Zivilisten, darunter 13 Kinder und eine schwangere Frau, in der Nord-West-Region. Gemäß Human Rights Watch habe der Angriff der Bestrafung von Zivilisten gedient, die verdächtigt wurden, separatistischen Kämpfern Unterschlupf zu gewähren. Die Regierung bestritt den Angriff zunächst, aber auf internationalen Druck hin, setzte Präsident Biya im März eine Untersuchungskommission ein. Im April 2020 bestätigte die Regierung, dass ihre Sicherheitskräfte eine gewisse Verantwortung für die Tötungen tragen und kündigte Verhaftungen an. Es kam auch zu Angriffen, Tötungen, Folter, Entführungen durch bewaffnete Separatisten. Im Vorfeld der Regionalwahlen im Feber 2020, nahmen bewaffnete Separatisten diejenigen ins Visier, die an den Wahlen teilnehmen wollten, sei es als Kandidaten, Wahlhelfer, Aktivisten oder Bürger, entführten über 100 Menschen und zerstörten Eigentum (HRW 13.1.2021).

Soldaten zwangen Zivilisten in Mozogo, im äußersten Norden, Nachtwache vor Ort zu halten, um das Gebiet vor Angriffen von Boko Haram zu schützen. Von Mitte März bis Ende April schlugen oder bedrohten die Soldaten jene, die sich weigerten (HRW 13.1.2021).

Auch im Rahmen des Kampfes gegen Boko Haram werden den kamerunischen Sicherheitskräften massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (AA 17.8.2020; vgl. FH 4.3.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun (Stand: Juli 2020),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2037145/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Kamerun_%28Stand_Juli_2020%29%2C_17.08.2020.pdf, Zugriff 5.11.2020

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030844.html, Zugriff 5.8.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2020a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 5.11.2020

-        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043533.html, Zugriff 29.3.2021

-        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/en/document/2048145.html, Zugriff 12.4.2021

Korruption

Seit Ende der 90er-Jahre erscheint Kamerun immer wieder an prominenter Stelle in Berichten von Transparency International. 1998 und 1999 galt Kamerun als korruptestes Land der Welt. In den letzten Jahren wurde Kamerun durch andere Länder von dieser Stelle verdrängt (GIZ 12.2020a). 2020 lag Kamerun am Korruptionswahrnehmungsindex auf Platz 149 von 179 (TI 1.2021; vgl. GIZ 12.2020a).

Korruption ist allgegenwärtig, z.B. bei Polizei, Justiz, in der Verwaltung, an Schulen und Universitäten, in der Privatwirtschaft (GIZ 12.2020a; vgl. USDOS 30.3.2021). Es herrscht systematische Korruption. Bestechung ist in allen Sektoren und Ebenen gängig. Der Justiz steht es nicht immer frei, Korruptionsfälle unabhängig zu untersuchen und zu verfolgen (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 30.3.2021).

Zwar gibt es Gesetze gegen Korruption, diese werden aber weder effektiv noch einheitlich umgesetzt (USDOS 30.3.2021). Korruption bzw. deren Bekämpfung bleibt nach wie vor Thema in Kamerun. Die nach diversen Anti-Korruptionskampagnen 2006 gegründete Commission Nationale Anti-Corruption (CONAC) tut ihre Arbeit und veröffentlicht in unregelmäßigen Abständen ihre Berichte (GIZ 12.2020a). Die Initiativen zur Korruptionsbekämpfung bleiben jedoch unzureichend. Obwohl eine Reihe ehemaliger hochrangiger Regierungsbeamter erfolgreich wegen Korruption verfolgt und inhaftiert wurden (FH 4.3.2020). Darüber hinaus, wurde die CONAC, durch das Fehlen eines Gesetzes, das sie zur Korruptionsbekämpfung ermächtigt, eingeschränkt; und Beamte, die zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, wurden nicht immer aufgefordert, unrechtmäßig erworbene Gewinne abzugeben (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun (Stand: Juli 2020),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2037145/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Kamerun_%28Stand_Juli_2020%29%2C_17.08.2020.pdf, Zugriff 5.11.2020

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030844.html, Zugriff 28.7.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2020a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 30.3.2021

-        TI - Transparency International (1.2021): Corruption Perceptions Index 2020, Cameroon, https://www.transparency.org/en/countries/cameroon, Zugriff 30.3.2021

-        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/en/document/2048145.html, Zugriff 15.4.2021

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Es existiert eine Vielzahl von unabhängigen kamerunischen Menschenrechtsorganisationen (AA 17.8.2020; vgl. USDOS 30.3.2021), die jedoch zumeist am finanziellen Tropf der internationalen Geber hängen (AA 17.8.2020; vgl. FH 4.3.2020).

Gesetzlich sind Organisationen nicht zulässig, die sich gegen die Verfassung, die Gesetze, die Moral richten; oder sich gegen die territoriale Integrität, die nationale Einheit, die nationale Integration oder die Republik stellen (USDOS 30.3.2021). Die Bestimmungen zur Gründung einer NGO sind komplex und nicht alle Antragsteller werden gleich behandelt. Daher entscheiden sich die meisten Menschenrechtsorganisationen für die Gründung gemeinnütziger Vereine, wodurch sie sich in einer rechtlichen Grauzone bewegen (AA 17.8.2020). Organisationen, die sich für die Rechte sexueller Minderheiten einsetzen, wurden auch schon von Strafverfolgungsbehörden ins Visier genommen: Mitglieder der NGO AJO, die sich für Prostituierte und Angehörige sexueller Minderheiten engagiert, wurden wegen Homosexualität verhaftet und eine Woche festgehalten, bevor die Anklage wieder fallen gelassen wurde. Die Regierung hat auch die Arbeit internationaler NGOs eingeschränkt; im April 2019 verweigerte sie einem HRW-Rechercheur die Einreise ins Land (FH 4.3.2020).

Internationale Menschenrechtsbeobachter können weitgehend unabhängig agieren und ermitteln. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) konnte seiner Tätigkeit im Land nach den üblichen Standards nachgehen und auch unangekündigte Besuche in Gefängnissen durchführen (AA 17.8.2020). NGO-Vertreter berichteten wiederholt von Drohungen, willkürlichen Verhaftungen, vereinzelt auch von Folter und menschenunwürdiger Behandlung (AA 17.8.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Die Regierung kritisierte die Berichte von internationalen Menschenrechtsorganisationen (USDOS 30.3.2021).

Menschenrechtsverteidiger beklagen, dass Sicherheitskräfte nicht auf Anzeigen (z. B. wegen Drohungen, Einbrüchen) reagieren (AA 17.8.2020).

Im Jahr 2010 hat sich mithilfe der EU-Mitgliedstaaten ein Netzwerk zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern zusammengeschlossen, im Jahr 2011 konnte dieses Netzwerk weitere Mitglieder gewinnen und sich auch regional stärker vernetzen. In Kamerun besteht ein zentraler Bedarf an Aufklärung über Menschenrechte, insbesondere bei Frauen und Kindern, die sich ihrer Rechte oft gar nicht bewusst sind (AA 17.8.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun (Stand: Juli 2020),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2037145/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Kamerun_%28Stand_Juli_2020%29%2C_17.08.2020.pdf, Zugriff 5.11.2020

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030844.html, Zugriff 5.8.2020

-        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/en/document/2048145.html, Zugriff 15.4.2021

Ombudsmann

Die Nationale Kommission für Menschenrechte und Freiheiten (CNDHL - Comité National des Droits de l'Homme et des Libertés) verfolgt Menschenrechtsverletzungen und prangert Haftbedingungen an. Im Rahmen ihres begrenzten Spielraums veröffentlicht sie einen jährlichen Bericht (AA 17.8.2020). Im Juni 2019 verabschiedete die Regierung ein Gesetz zur Einrichtung der Menschenrechtskommission Kameruns (CHRC) als Ersatz für die bestehende CNDHL. Die CHRC ist eine nominell unabhängige, aber von der Regierung finanzierte Institution. Mit dem Gesetz zur Einrichtung der CHRC wurde ihr Auftrag zum Schutz der Menschenrechte erweitert, indem die Bestimmungen der Artikel 2 und 3 des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe aufgenommen wurden. Die Menschenrechtskommission nahm ihre Arbeit im Laufe des Jahres nicht auf, da der Präsident ihre Mitglieder noch nicht benannt hatte. Das CNDHL setzte seine Arbeit an seiner Stelle fort (USDOS 30.3.2021).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun (Stand: Juli 2020),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2037145/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Kamerun_%28Stand_Juli_2020%29%2C_17.08.2020.pdf, Zugriff 5.11.2020

USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/en/document/2048145.html, Zugriff 15.4.2021

Allgemeine Menschenrechtslage

Bewaffnete Gruppen und Regierungstruppen begingen im Jahr 2020 weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen, darunter außergerichtliche oder summarische Hinrichtungen und Massentötungen in den anglophonen Regionen Kameruns (HRW 13.1.2021). Im Verlauf eines seit Ende 2016 andauernden regionalen Konfliktes zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten separatistischen bzw. kriminellen Gruppierungen hat sich die Menschenrechtslage in den beiden anglophonen Regionen Kameruns South West und North West weiter verschlechtert. Die Situation in der Region Extrême Nord ist weiterhin geprägt durch häufige gewaltsame Übergriffe terroristischer Gruppen (Boko Haram, ISWAP) auf die Zivilbevölkerung. Der nationale Dialog (Grand Dialogue National) hat bisher keine konkreten Lösungsmöglichkeiten für die dem Konflikt zugrundeliegenden Probleme (historisch, ethnisch, sprachlich, gesellschaftspolitisch, wirtschaftlich) hervorgebracht. Die Regierung strebt weiterhin eine rein militärische Lösung an. Ein Hauptproblem des Landes ist ein korruptes, unterfinanziertes und ineffizientes Justizsystem (AA 17.8.2020).

Die Verfassung von 1996 garantiert die Grundrechte im Sinne der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948), der Charta der Vereinten Nationen (1945) und der Banjul Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (1981). Kamerun ist den folgenden zentralen Menschenrechtskonventionen und Fakultativprotokollen der Vereinten Nationen beigetreten:

?        Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1966, ratifiziert 1971);

?        Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1966, ratifiziert 1984);

?        Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966, ratifiziert 1984);

?        Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1979, ratifiziert 1994); und Fakultativprotokoll (ratifiziert 2005);

?        Übereinkommen über die Rechte des Kindes (1989, ratifiziert 1993);

?        Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (1984, ratifiziert 1986); (AA 17.8.2020).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme im Land sind Folter und Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte, vor allem von Häftlingen; Mangel an fairen und schnellen Gerichtsverfahren und lebensbedrohliche Haftbedingungen. Es kommt auch zu anderen bedeutenden Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Festnahmen, überlange Untersuchungshaft und Verstöße gegen die Privatsphäre. Die Regierung belästigt Journalisten und Separatisten und schränkt die Bewegungs-, Meinungs- und Pressefreiheit ein (USDOS 31.3.2021).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun (Stand: Juli 2020),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2037145/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Kamerun_%28Stand_Juli_2020%29%2C_17.08.2020.pdf, Zugriff 5.11.2020

-        HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043533.html, Zugriff 30.3.2021

-        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/en/document/2048145.html, Zugriff 15.4.2021

Meinungs- und Pressefreiheit

Obwohl das Gesetz Meinungs- und Pressefreiheit vorsieht, schränkt die Regierung diese Freiheiten ein. Regierungsbeamte schikanieren Einzelpersonen oder Organisationen, die Kritik ausüben oder Ansichten äußerten, die im Widerspruch zur Regierungspolitik stehen. Personen, die die Regierung öffentlich oder privat kritisieren, sehen sich häufig mit Vergeltungsmaßnahmen konfrontiert. Bei mehreren Gelegenheiten berief sich die Regierung auf Gesetze, die Genehmigungen oder die Benachrichtigung der Regierung über öffentliche Proteste vorschreiben, um den Diskurs zu unterdrücken (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 17.8.2020). Kritische Berichterstattung zum Vorgehen der Sicherheitskräfte in den anglophonen Regionen wird vermehrt durch Strafverfahren erschwert (AA 17.8.2020).

Im kamerunischen Strafrecht findet sich bei bestimmten Straftatbeständen ein für Journalisten verschärftes Strafmaß, das aber selten zur Anwendung kommt. Ein systematisches Vorgehen des Staates gegen die Pressefreiheit ist nicht festzustellen (AA 17.8.2020). Unabhängige und kritische Journalisten sehen sich im Zusammenhang mit ihrer Arbeit Druck und dem Risiko der Inhaftierung oder Verhaftung ausgesetzt. Das Committee to Protect Journalists (CPJ) berichtete, dass Ende 2019 sieben Journalisten inhaftiert wurden. Verleumdung ist nach wie vor ein Straftatbestand und der Nationale Kommunikationsrat (CNC), ein Medienregulierungsorgan, hat in der Vergangenheit Journalisten und Verkaufsstellen schikaniert (FH 4.3.2020).

Einschüchterungsversuche sind schwer einer Person oder Institution zuzuordnen, werden aber von den Betroffenen häufig im Umfeld der Regierungspartei RDPC oder im Präsidialamt verortet. Bei der Berichterstattung über bestimmte Themen, etwa Spekulationen über den Gesundheitszustand des Präsidenten oder seine sexuelle Orientierung, laufen Journalisten Gefahr, wegen Diffamierung vor Gericht gebracht zu werden (AA 17.8.2020). Journalisten berichten von Selbstzensur, die Behörden haben Medienschaffenden ein Klima der Angst und Selbstzensur aufgezwungen (USDOS 30.3.2021).

Die kamerunische Medienlandschaft ist vielfältig. Regierungskritische und oppositionelle Meinungen werden veröffentlicht. Der staatliche Rundfunk und die über 44 lokalen privaten Radiosender sind von vorherrschender Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung. In den großen Städten laufen drei von insgesamt 24 privaten Fernsehsender dem staatlichen Fernsehsender CRTV den Rang ab. Sie befassen sich zunehmend mit sensiblen Themen wie Korruption und Arbeitslosigkeit, bei denen Versäumnisse der Regierung deutlich werden. Zeitungen haben in Kamerun einen geringeren Einfluss auf die öffentliche Meinung, erreichen jedoch Multiplikatoren wie Journalisten, Funktionsträger und Intellektuelle (AA 17.8.2020).

Die Regierung überwachte laut vereinzelten Berichten die private Online-Kommunikation ohne entsprechende rechtliche Befugnisse. Die Regierung unterbrach gelegentlich den Zugang zum Internet (USDOS 30.3.2021). Die Behörden haben auch regelmäßig den Zugang zu sozialen Netzwerken blockiert oder verlangsamt, um Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen und die Mobilisierung von Oppositionskräften zu verhindern. Im Oktober 2018, als die Regierung bereit war, die Wahlergebnisse bekannt zu geben, wurde der Zugang zu Social Media Plattformen wie Facebook, Twitter und WhatsApp durch Internet Service Provider verlangsamt (FH 4.3.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.8.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun (Stand: Juli 2020),
https://www.ecoi.net/en/file/local/2037145/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Kamerun_%28Stand_Juli_2020%29%2C_17.08.2020.pdf, Zugriff 5.11.2020

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2030844.html, Zugriff 5.8.2020

-        USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 - Cameroon, https://www.ecoi.net/en/document/2048145.html, Zugriff 15.4.2021

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Die durch die Verfassung geschützte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird in der Praxis immer wieder eingeschränkt (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 17.8.2020; FH 4.3.2020). Die Versammlungsfreiheit ist erheblichen Einschränkungen unterworfen (FH 4.3.2020). Versammlungen werden zum Teil nicht genehmigt bzw. gewaltsam aufgelöst (AA 17.8.2020).

Die Regierung nutzt ein Gesetz, welches Genehmigungen für Demonstrationen vorschreibt. Viele Organisationen der Zivilgesellschaft und der Politik berichteten von erhöhten Schwierigkeiten bei der Einholung der Genehmigung öffentlicher Versammlungen (USDOS 30.3.2021). Es kommt mitunter zu Verboten oppositionsnaher Veranstaltungen mit der Begründung, dass diese eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellten. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu vorübergehenden Festnahmen (AA 17.8.2020).

Im Rahmen der anglophonen Krise kommt es zu massiven Einschränkungen der Versammlungsfreiheit (AA 17.8.2020; vgl. FH 4.3.2020). Ende Juli 2019 kam es zu Aufständen anglophoner Separatisten in den Gefängnissen von Buea und Yaoundé und im August 2019 wurden mehrere führende Separatisten zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt (GIZ 12.2020a).

Die Regierung geht auch hart gegen die von Maurice Kamto geleitete Oppositionspartei Cameroon Renaissance Movement (CMR) vor: 2019 wurden Veranstaltungen verboten und es kam landesweit zu gewaltsamen Auflösung von Kundgebungen (FH 4.3.2020).

Im Juni 2019 veranstaltete CRM landesweite Kundgebungen, um die Freilassung von Kamto und anderen Parteifunktionären zu fordern, die Ende Jänner 2019 verhaftet worden waren. Die Polizei reagierte mit Gewalt, setzte Tränengas und Gummigeschosse ein, um die Kundgebungen aufzulösen, wobei mindestens zwei Teilnehmer verletzt und über 350 weitere im ganzen Land verhaftet wurden. Im November verbot die Regierung Treffen in den Städten Yaoundé, Douala und Ebolowa. Die Polizei griff mindestens 10 Demonstranten an und verhaftete insgesamt 33 Personen, die sich dem Verbot in Yaoundé widersetzten (FH 4.3.2020).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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