Entscheidungsdatum
09.08.2021Norm
BFA-VG §9Spruch
I408 2241699-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. KROATIEN, vertreten durch: Magistrat der Stadt Wien, MA 11 Amt für Jugend und Familie, Gruppe Recht, Referat Asylvertretung gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BFA-W) vom 09.03.2021, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird zu Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen.
Spruchpunkt II. wird behoben und hat wie folgt zu lauten: „Gemäß § 70 Abs.3 FPG wird Ihnen kein Durchsetzungsaufschub erteilt“
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 09.03.2021 wurde gegen den minderjährigen und in Haft befindlichen Beschwerdeführer ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und ihm ein Durchsetzungsaufschub bis zum 11.12.2021 gewährt (Spruchpunkt II.).
Diese Entscheidung wurde von der gesetzlichen Vertretung des Beschwerdeführers, Magistrat der Stadt Wien, MA11 Wiener Kinder- und Jugendhilfe mit der fristgerecht erhobenen Beschwerde vollinhaltlich bekämpft.
Am 18.06.2021 fand eine mündliche Verhandlung im Anwesenheit des Beschwerdeführers und eines Vertreters der MA11 statt.
Wie in der mündlichen Verhandlung angesprochen, legte die Wiener Kinder- und Jugendhilfe am 06.07.2021 die Schulbestätigungen der Geschwister des Beschwerdeführers vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist kroatischer Staatsbürger und wird am 11.12.2021 volljährig. Seit 24.10.2020 ist er durchgehend in Haft. Er ist in einem guten körperlichen Allgemeinzustand, nimmt aber wegen seiner Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) das Medikament Ritalin. In Obsorge Angelegenheiten ist die Wiener Kinder und Jugendhilfe zuständig. Er beherrscht sowohl die deutsche Sprache als auch jene seines Herkunftsstaates.
Der Beschwerdeführer kam im Juli 2015 im Alter von 11 Jahren mit seiner Mutter und seinen drei jüngeren Geschwistern nach Österreich. Er schaffte in Österreich weder einen Schulabschluss noch ging er hier einer Beschäftigung nach. Schon im September 2016 schritt erstmals die Wiener Kinder und Jugendhilfe ein und der Beschwerdeführer war vom 23.09.2016 bis 06.10.2016 in einem Krisenzentrum der Stadt Wien untergebracht. Im Anschluss daran wurde er wieder in den elterlichen Haushalt entlassen. Vom 30.3.2017 bis zwei 20.8.2017 war der Beschwerdeführer in Bosnien bei seiner väterlichen Großmutter, wo sich die Situation auch zuspitzte und er zu den Eltern nach Österreich zurückkehrte. Vom 30.11.2017 bis 15.01.2018 war er erneut in einem Krisenzentrum der Stadt Wien untergebracht und kann danach in eine betreute Wohngemeinschaft der Wiener Kinder und Jugendhilfe, wo er von 15.1.2018 bis 6.5.2019 aufgenommen war. Aus dieser Betreuung wurde der Beschwerdeführer entlassen, weil dessen Familie nach Bosnien zurückgekehrt war und er ihr folgte. Offenkundig kam es auch dort zu keiner Stabilisierung und der Beschwerdeführer kehrte, zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt, alleine nach Österreich zurück. Vom 25.06.2019 bis 23.08.2019 war er jedenfalls in Haft und er verblieb im Anschluss daran bei einem Freund in Wien. In dieser Zeit war er in Österreich nicht gemeldet und war kurz darauf, vom 18.09.2019 bis 17.03.2020 neuerlich in Haft. Ab 19.05.2020 war er dann in einer Wohnung der Wiener Kinder und Jugendhilfe gemeldet und wurde wegen neuerlicher Straftaten am 24.10.2020 in Untersuchungshaft genommen. Seither ist er in Haft.
Im September 2020 kehrte auch die Familie des Beschwerdeführers nach Österreich zurück. Seine Mutter ist als Reinigungskraft beschäftigt und seine drei Geschwister besuchen hier die Schule. Der Vater ist gerade dabei, seine Firma im Kroatien aufzulösen und sich gewerblich wieder auf Österreich zu konzentrieren. Seine Mutter war bei der letzten Strafverhandlung des Beschwerdeführers am 10.03.2021 dabei, ansonsten besteht aber zur Familie nur telefonischer Kontakt.
Der Beschwerdeführer weist trotz seiner Jugend fünf rechtskräftige Verurteilungen auf:
1. Am 26.02.2018 erfolgte seine erste Verurteilung wegen Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgift zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten. Er wurde am 07.02.2018 mit einem ebenfalls minderjährigen Mittäter beim Verkauf von Marihuana (7 Säckchen) aufgegriffen. (Urteil des LG f XXXX zu XXXX 2. Am 12.07.2019 erfolgte die zweite Verurteilung wegen Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften, des Diebstahls durch Einbruch, der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel und des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauches zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, 2 Monate davon unbedingt. So verkaufte er am 30.03.2018 neuerlich Suchtgiftverkauf, dieses Mal von Cannabis (10 Baggys). Am 23.08.2018 entwendete er aus einem Schließfach zwei Duftlampen im Wert von € 51,89, indem er das Opfer beim Eingeben des Codes beobachtete und dann das Schließfach öffnete und den Inhalt aneignete. Am 06.08.2018 entwendete er durch Einbruch in eine Werkstatt eine Abschleifmaschine, einen Bohrer und einen Scheinwerfer, am 19.08.2018 versuchte er auf einer Baustelle in eine Bauhütte einzubrechen, was ihm aber nicht gelang, und am 20.08.2018 nahm er einem weiblichen Opfer die Handtasche samt Mobiltelefon, Bankomatkarte und Bargeld in Höhe von € 35 weg. (Urteil des LG f XXXX zu XXXX )
3. Die nächste Verurteilung erfolge am 11.11.2019, dieses Mal wegen des Verbrechens des Raubes und der Vergehen des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauches und Entfremdung unbarer Zahlungsmittel zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, 6 Monate davon unbedingt. Am 10.09.2019 versuchte er unter Gewaltanwendung (Faustschläge gegen Oberkörper und Bauch) von seinem Opfer dessen Mobiltelefon und Bargeld zu bekommen. Am 29.08.2019 verwendete er eine gefundene Bankomatkarte zu einer kontaktlosen Zahlung von € 121,81. (Urteil des LG f XXXX zu XXXX )
4. Am 10.06.2020 erfolgte eine weitere Verurteilung wegen des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, 6 Monate davon unbedingt. Am 14.05.2020 entwendete er mit einem Mittäter zwei Fahrräder. (Urteil des LG f XXXX zu XXXX )
5. Mit 10 Mittätern wurde der Beschwerdeführer am 10.03.2021 wegen der Verbrechen des Raubes und des schweren gewerbsmäßigen Einbruchs zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, die er aktuell verbüßt. Am 20.09.2020 eignete er sich mit einem Mittäter und der Drohung „Gib her, sonst gibt`s Schläge“ eine Armbanduhr an. Am selben Tag, entwendete er noch mit dem gleichen Mittäter bei einem Verkaufsstand aus einem versperrten Kasten eine Handkassa mit € 100 und am 24.10.2020 schlug er mit zwei Mittätern die Eingangstüre eines Geschäftslokales ein und entwendete diverse Mobiltelefone, Elektrogeräte und Gutscheine für Netflix und Playstation Store in nicht mehr feststellbarem Wert und € 200 an Bargeld. Am 02.09.2020 stieg er über die Oberlichte in eine Geschäftslokal ein und entwendete mit Mittätern ein Mobiltelefon im Wert von € 200 und Bargeld in Höhe von € 30 und am 17.10.2020 schlug er mit einem Mittäter die Türe eines Handyshops ein und entwendete elektronische Geräte im Wert von € 41.150. (Urteil des LG f XXXX zu XXXX )
Laut den Berichten der Landespolizeidirektion Wien vom 12.11.2020 wurden auch weitere Verfahren wegen des Verdachtes auf Körperverletzung (Vorfall vom 13.07.2020) sowie vom 21.10.2020 wegen. des Verdachtes auf Suchtmittelgesetz § 27 Abs 1 SMG (Vorfall vom 13.10.2020) gesetzt.
Trotz aller Bemühungen der Wiener Kinder und Jugendhilfe konnte in den letzten Jahren beim Beschwerdeführer keine Verhaltensveränderung bewirken. Sowohl die strafgerichtlichen Verurteilungen als auch die Haftaufenthalte 2019 blieben ebenfalls wirkungslos. Die Familie des Beschwerdeführers hat diese Verantwortung nicht nur den Institutionen des Gastlandes überlassen, sondern ist 2019 nach Kroatien zurückgekehrt und hat sich in weiterer Folge nicht mehr um das Fortkommen und die Entwicklung Ihres Sohnes gekümmert.
In Kroatien leben Angehörige seiner Eltern, die Familie verfügt dort über ein eigenes Haus und sein Vater hat als Selbständig im Baugewerbe gearbeitet und seinem Sohn nach seiner Rückkehr 2019 auch beschäftigt. Zudem besteht in Kroatien ein Zentrum für Sozialfürsorge, welches, wenn gewollt, eine Betreuung von Minderjährigen, analog der Wiener Kinder und Jugendhilfe, übernimmt. Die Behandlung seiner Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) ist auch in Kroatien gegeben.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Inhalt des vorgelegten Behördenaktes sowie des Gerichtsaktes des BVwG.
Die Feststellungen beruhen im Wesentlichen aus den angeführten und im Akt aufliegenden Strafurteilen sowie den beiden Berichten der LPD Wien vom 21.10.2020 (OZ 14) und 12.11.2020 (O Z8), den Stellungahmen der Wiener Kinder und Jugendhilfe vom 05.06.2020 (AS 147), 03.08.2020 (AS 193) und vom 10.06.2021 (OZ 13) und der Befragung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (OZ 15). Diese Feststellungen finden zudem in den Abfragen aus Strafregister, ZMR und AJ-WEB ihre Bestätigung.
Von den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers konnte sich der erkennende Richter in der mündlichen Verhandlung selbst überzeugen, das Beherrschen der Sprache seines Herkunftsstaates ist seinen Angaben entnommen.
Der neuerliche Aufenthalt der Familie ist über die ZMR-Abfragen der Eltern und den vorgelegten Schulbestätigungen der Geschwister des Beschwerdeführers dokumentiert. Der Vollständigkeitshalber sei darauf hingewiesen, dass der Vater des Beschwerdeführers im AJ-WEB seit 31.05.2019 nicht mehr aufscheint.
Die Feststellungen zu Kroatien entsprechen den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. In Bezug auf die Betreuungsmöglichkeiten straffällig gewordener Minderjährigen wird auf die schon von der belangten Behörde eingeholte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation verwiesen (AS 209).
Aus den Stellungnahmen der Wiener Kinder und Jugendhilfe sind ihre Bemühungen, den Beschwerdeführer seit 2016 zu unterstützen, zweifelsfrei dokumentiert. Ebenso ist daraus zu entnehmen, dass die Eltern des Beschwerdeführers die Obhut der staatlichen Organisation überlassen hat. Der nur telefonisch stattfindende Kontakt mit seiner Familie wurde vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Daran ändert auch nichts, dass seine Mutter an der mündlichen Strafverhandlung am 10.03.2021 teilgenommen hat. Seit seiner Rückkehr war der Beschwerdeführer in Österreich auf sich selbst gestellt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den Beschwerdeführer als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger (§ 2 Abs 4 Z 8 FPG) zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden, so z.B. bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren (§ 67 Abs 3 Z 1 FPG).
Gegen Personen, die (z.B. durch einen fünf Jahre dauernden rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet) das Daueraufenthaltsrecht (§ 53a NAG) erworben haben, darf nur bei Vorliegen von Gründen iSd § 66 Abs 1 letzter Satzteil FPG (schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit) ein Aufenthaltsverbot erlassen werden (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0205).
Der noch minderjährige Beschwerdeführer hält sich zwar seit Juli 2015 im Bundesgebiet auf, erfüllt aber schon aufgrund seiner Haftaufenthalte nicht die Voraussetzungen für einen Daueraufenthalt, sodass der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 erster bis vierter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") zum Tragen kommt.
Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (siehe VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).
Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).
Auch unter Berücksichtigung seines jugendlichen Alters haben in den letzten Jahren weder die Bemühungen der Wiener Kinder- und Jugendhilfe noch die Haftaufenthalte beim Beschwerdeführer eine Verhaltensänderung bewirkt. Vielmehr zeigen die Strafurteile, dass sich der Beschwerdeführer in Bezug auf die Schwere der Straftaten kontinuierlich steigerte und zuletzt schon wegen der Verbrechen des Raubes und des schweren gewerbsmäßigen Einbruchs verurteilt wurde. Diese Entwicklung ist ab 2019, als er ohne seine Eltern wieder nach Österreich zurückgekehrt war, deutlich erkennbar. In all den Jahren war er aktiv in der Suchtgiftszene tätig und schreckte auch vor Körperverletzungen nicht zurück.
Dieses Verhalten stellt unbestritten eine Gefahr dar, welche die Grundinteressen der Gesellschaft iSd Art 8 Abs 2 EMRK (an der Verteidigung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, der Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, der Gesundheit und der Moral) berührt.
Da das Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreift, ist eine einzelfallbezogene gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit seinen gegenläufigen privaten Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Diese Interessenabwägung ergibt hier, dass der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben verhältnismäßig ist.
Aufgrund der schwerwiegenden kriminellen Handlungen besteht ein besonders großes öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung, sodass eine Trennung des Beschwerdeführers von seiner wieder nach Österreich zurückgekehrten Familie hinzunehmen ist, zumal ein Familienleben schon in den letzten Jahren nicht mehr gegeben war. er in dieser Zeit zum Großteil auf sich allein bzw. auf die Unterstützung der Kinder und Jugendhilfe in Österreich angewiesen war. Der Beschwerdeführer hat familiären Anknüpfungspunkte in Kroatien, wo Angehörige seiner Eltern leben, die Familie ein Haus besitzt und der Vater aufgrund seiner sozialen und wirtschaftlichen Kontakte – so lebte die Familie ab 2019 bis zu Ihrer Rückkehr 2020 wieder in Kroatien und er betrieb dort eine eigene Firma –seinen Sohn unterstützen kann. So hatte er bei seinem (kurzfristigen) Aufenthalt in Kroatien schon auf Baustellen seines Vaters gearbeitet. Unabhängig davon, dass der Beschwerdeführer in den nächsten Monaten seine Volljährigkeit erreichen wird, bestehen auch in Kroatien, analog zur Kinder und Jugendhilfe in Österreich, staatliche Unterstützungseinrichtungen, die ebenfalls in Anspruch genommen werden können. Abgesehen von der Sprache und Kontakte in der kriminellen Szene ist der Beschwerdeführer bisher in Österreich nicht angekommen, sodass es zumutbar ist, dass er in seinem Herkunftsstaat unter Beweis stellt, dass er zumindest aufgrund seines letzten Haftaufenthaltes bereit ist, Verantwortung für sein Leben zu übernehmen.
Das Aufenthaltsverbot wurde somit dem Grunde nach zu Recht erlassen.
Die wiederholte Straffälligkeit des Beschwerdeführers in Verbindung mit seinem sonstigen Verhalten (Abbruch der Schule, keine Ausbildung, keine Erwerbstätigkeit) lassen auch die fünfjährige Dauer des Aufenthaltsverbotes vertretbar erscheinen. Die Ankündigung des Beschwerdeführers, nunmehr den Schulabschluss nachholen zu wollen, ist auch im Hinblick darauf, dass die Haftaufenthalte in der Vergangenheit zu keiner Verhaltensänderung geführt haben, nicht geeignet, eine positive Zukunftsprognose zu tragen.
Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:
Gemäß § 70 Abs. 1 FPG werden die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde. Nach Abs. 3 ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Wie ausgeführt wird der Beschwerdeführer seine Volljährigkeit in Haft erreichen und es sind familiäre wie staatliche Unterstützungsmöglichkeiten in Kroatien gegeben. Verfahrensgegenständlich liegen damit die Voraussetzungen für einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat bzw. bis zu seinem 18. Geburtstag am XXXX 2021 nicht vor. Die entsprechende Adaptierung des Spruchpunktes war daher vorzunehmen.
Zur Unzulässigkeit einer Revision:
Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose, die Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG und die Bemessung der Dauer eines Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (siehe VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284, 01.03.2018, Ra 2018/19/0014 und 10.07.2019, Ra 2019/19/0186). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüberhinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.
Schlagworte
Angemessenheit Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsverbot Diebstahl Durchsetzungsaufschub EU-Bürger EWR-Bürger Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Gewalttätigkeit Gewerbsmäßigkeit Haft Haftstrafe Interessenabwägung Jugendstraftat mündliche Verhandlung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Raub Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtmitteldelikt Unionsbürger Verbrechen Vergehen Verhältnismäßigkeit Vermögensdelikt Wiederholungsgefahr WiederholungstatenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I408.2241699.1.00Im RIS seit
25.10.2021Zuletzt aktualisiert am
25.10.2021