TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/10 I413 2008884-4

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Veröffentlicht am 10.08.2021
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Entscheidungsdatum

10.08.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §10 Abs1
AVG §19 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §52
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch


I413 2008884-4/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des BFA, RD Steiermark Außenstelle Leoben (BFA-St-ASt Leoben) vom 06.08.2021, Zl. XXXX erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend Anthony XXXX , geb. am XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch Verein XXXX , zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs 5 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte erstmals am 29. Jänner 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, der damit begründet wurde, dass sein Vater bei einem Bombenanschlag der Boko Haram ums Leben gekommen sei. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.02.2014 wurde dieser Asylantrag als unbegründet abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.12.2015 als unbegründet abgewiesen.

2. Am 04.03.2016 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz, den er zusammengefasst im Wesentlichen mit seiner seit 2015 bestehenden Homosexualität begründete. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.05.2016 wiederum abgewiesen, die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2016, I409 2008884-2/3E, wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückgewiesen und eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 Asylgesetz nicht erteilt. Letztlich wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung nach Nigeria für zulässig erklärt. Dieses Erkenntnis wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis VfGH 13.12.2017, E 223/2017, behoben. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.05.2018 und am 29.11.2019, verkündete das Bundesverwaltungsgericht am 29.11.2019 das Erkenntnis mündlich und wies die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der erste Spruchteil des Spruchpunktes III. wie folgt zu lauten hat: „Eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wird nicht erteilt.“ Nachdem kein Antrag auf schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses gestellt wurde, wurde das Erkenntnis am 27.12.2019 verkürzt ausgefertigt (BVwG 27.12.2019, I409 2008884-2/32E).

3. Der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.03.2017 gemäß § 19 AVG und § 46 Abs 2a FPG zum Zweck der Identitätsprüfung für den 24.03.2017 vorgeladen. Einer allfälligen Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 13 Abs 2 VwGVG aberkannt. Der Bescheid wurde am 16.03.2017 zugestellt. Am 23.03.2016 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den Migrantinnenverein St. Marx, Beschwerde gegen diesen Ladungsbescheid und monierte darin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und mangelhafte Verfahrensführung der belangten Behörde. Begründend führte er an, dass es derzeit kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Abschiebung gebe. Die seitens der Behörde wiedergegebene Begründung sei ohne Begründungswert, da es sich nur um willkürlich aneinandergereihte Floskeln handeln würde, es wäre darüberhinaus auch kein konkreter Bezug zum Beschwerdeführer hergestellt oder würde ein solcher tatsächlich bestehen. Hinsichtlich seines abgelehnten Folgeantrages betreffend internationalem Schutz, erhob er unsubstatiiert Vorwürfe gegen den das Asylverfahren führenden Richter und verwies darauf, dass ihm seitens des VfGH mit Beschluss vom 15.03.2017 die Verfahrenshilfe im vollen Umfang gewährt worden sei. Es gebe außerdem starke persönliche Interessen nicht abgeschoben zu werden, da er wohlbegründet fürchte in Nigeria in seinen Grundrechten verletzt zu werden und weil ein höchstgerichtliches Verfahren anstehe. Aufgrund dieser Ausführungen gebe es keinen Raum für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und werde daher beantragt der gegenständlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, damit die belangte Behörde davon absehe, beim selben rechtlichen Sachverhalt neuerlich Ladungsbescheide zur nigerianischen Delegation zuzustellen. Darüberhinaus werden ihm grundlegende Rechte wie Freiheit und rechtliche Vertretung eingeschränkt bzw. nicht gewährt und werde es ihm notorisch verwehrt, vollständige Antworten und Erklärungen zu geben. Es werde beantragt, nach mündlicher Verhandlung und Durchführung der beantragten Beweise, den Bescheid ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass eine Amtshandlung zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes rechtswidrig wäre. Zudem werde zur Vermeidung von Grundrechtsverletzungen beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Auf Rückfrage des Bundesverwaltungsgerichts beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer zum Ladungstermin am 24.03.2017, ohne Angabe von Gründen, nicht erschienen sei, dass der Beschwerdeführer an der letzten aufrechten Meldeadresse nicht angetroffen wurde und dass eine amtliche Abmeldung, wegen unbekanntem Aufenthalt, veranlasst worden ist. Mit Erkenntnis vom 04.04.2017, I416 2008884-3/4E, wies das Bundesverwaltungsgericht diese Beschwerde als unbegründet ab.

4. Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 06.08.2021 hob die belangte Behörde den faktischen Abschiebeschutz des Beschwerdeführers gemäß § 12a Abs 2 AsylG auf, nachdem sie diesen ohne Beiziehung des Rechtsvertreters zu erteilten Vollmachten va an den Verein „ XXXX “ befragt hatte. Zugleich legte die belangte Behörde den Verwaltungsakt samt mündlich verkündetem Bescheid dem Bundesverwaltungsgericht zu Überprüfung vor.

5. Mit Telefax vom 07.08.2021, 04:20 Uhr, brachte der Verein XXXX ohne urkundlichen Nachweis einer Vertretungsvollmacht eine Beschwerde bzw Beschwerdeergänzung „gegen Vorgehen nach § 12a AsylG“ beim Bundesverwaltungsgericht ein, welcher gemäß § 17 VwGVG iVm § 6 AVG zuständigkeitshalber der belangten Behörde als Einbringungsinstanz für Beschwerden weitergeleitet wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der in Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt. Darüber hinaus werden nachstehende Feststellungen getroffen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria, Angehöriger der Volksgruppe der Igbo und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Muttersprache ist Igbo. Er spricht auch fließend Englisch und elementares Deutsch. Der Beschwerdeführer ist ledig und er hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer stammt ursprünglich aus Delta State, aus der Stadt Umunede. Er besuchte in Nigeria für sechs Jahre die Grundschule und ist des Lesens und Schreibens mächtig. Seinen Lebensunterhalt bestritt er in der Heimat als Taxifahrer. In Österreich erwarb er über viele Jahre Berufserfahrung als Verkäufer der Straßenzeitung „Megaphon“. Eine Selbsterhaltungsfähigkeit liegt nicht vor.

Im Herkunftsstaat leben nach wie vor zumindest die Mutter und eine Schwester des Beschwerdeführers. Zu diesen Personen, insbesondere zu seiner Schwester, besteht nach wie vor Kontakt.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Er hat „etwas hohen Blutdruck“, jedoch keine behandlungsbedürftigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstünden, ist nicht immungeschwächt und uneingeschränkt erwerbsfähig. Er nimmt keine Medikamente und steht auch nicht in ärztlicher Behandlung.

Er ist strafgerichtlich unbescholten.

Aktuell befindet sich der Beschwerdeführer in Schubhaft im Anhaltezentrum Vordernberg.

Der Beschwerdeführer stellte bereits am 29.02.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, der rechtskräftig abgewiesen wurde.

Nach der Abweisung seines ersten Asylantrages stellte er am 04.03.2016 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, bei dem er keine neu entstandene Fluchtgründe vorbrachte, welcher rechtskräftig als unbegründet abgewiesen wurde. Seit 29.11.2019 besteht eine aufrechte Rückkehrentscheidung; der Beschwerdeführer verblieb jedoch entgegen der Erlassung der Rückkehrentscheidung im Schengenraum und reiste nicht aus diesem aus.

Am 23.07.2021 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Folgeantrag auf internationalen Schutz, der durch Wiederholung seiner Fluchtgründe aus dem zweiten Asylverfahrens begründet wurde. Über diesen Folgeantrag entschied die belangte Behörde bislang noch nicht.

Am 06.08.2021, um 11:04 Uhr, übermittelte die belangte Behörde dem Verein XXXX als ausgewiesenen Rechtsvertreter eine mit 06.08.2021 Ladung des Beschwerdeführers zur Einvernahme im Anhaltezentrum Vordernberg, Hauptstraße 162, 8794 Vordernberg, zu erscheinen.

Der Verein XXXX hat seinen Sitz in Wien. Die Distanz zwischen Wien und Vordernberg beträgt 180,4 km; die kürzeste Anreise mit dem PKW dauert mindestens 2 Stunden und 30 Minuten.

Anlässlich der Einvernahme durch die belangte Behörde am 06.08.2021 bestand der Beschwerdeführer auf die Beiziehung eines Rechtsvertreters und sprach sich ausdrücklich gegen seine Einvernahme durch die belangte Behörde ohne Beiziehung des Rechtsvertreters aus. Die belangte Behörde ignorierte das Begehren des Beschwerdeführers und verweigerte ihm die Anwesenheit seiner Rechtsvertretung im Rahmen seiner Einvernahme am 06.08.2021.

Der Beschwerdeführer war in der Vergangenheit auch durch andere Rechtsvertreter als durch den Verein XXXX , ua auch durch die Vereine „ XXXX “ vertreten. Keine dieser Vollmachten wurden widerrufen oder aufgelöst und sind daher nach wie vor aufrecht.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die Gerichtsakten I409 2008884-2 und I416 2008884-3 samt den dort einliegenden Verwaltungsakten und Entscheidungen sowie durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt und die amtswegig zur Kontrolle vorgelegte Entscheidung.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Herkunft, seiner Staatsangehörigkeit, zu seinem aktuellen Gesundheitszustand und zu seinen Kontakten und seiner Familie in Nigeria gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde im Verfahren Zl. XXXX , sowie auf den Feststellungen des angefochtenen Bescheides und dem Inhalt des Verwaltungsaktes.

Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

Die Feststellungen zu seinen früheren, abgeschlossenen Asylverfahren ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere dem angefochtenen Bescheid, sowie dem Gerichtsakt I409 2008884-2. Dass der Beschwerdeführer einen weiteren Folgeantrag gestellt hat, ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid und erscheint – im Hinblick auf das Vorgehen der Behörde gemäß § 12a AsylG – plausibel.

Die Feststellungen zur Ladung des Beschwerdeführers und ihrer Zustellung ergeben sich aus dem Gerichtsakt (ON 1) sowie der „Beschwerdeergänzung“ des Vereins XXXX (ON 3). Aus der bescheinigten Ladung vom 06.08.2021 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer über den Verein XXXX für denselben Tag nach Vordernberg zur Befragung geladen wurde. Diese Ladung wurde per E-Mail um 11:04 Uhr der Rechtsvertretung übermittelt. Dass der Verein vertretungsbefugt ist, ergibt sich aufgrund der Ladung über den Verein sowie aufgrund der telefonischen Auskunft seitens der belangten Behörde, dass eine Vollmacht vom 28.11.2019 ausgestellt auf diesen Verein besteht. Aus dem im Internet abrufbaren Routenplaner des ÖAMTC ergibt sich glaubhaft, dass die Distanz zwischen Wien und Vordernberg zumindest 180,4 km und die Fahrtzeit zumindest 2 Stunden und 30 Minuten beträgt.

Dass sich der Beschwerdeführer dagegen ausgesprochen hat, seine Einvernahme ohne Beiziehung seiner Rechtsvertretung durchzuführen, geht unmissverständlich aus dem Einvernahmeprotokoll vom 06.08.2021 hervor. Aus dem Einvernahmeprotokoll vom 06.08.2021 geht auch hervor, dass die belangte Behörde sich dem Wunsch des Beschwerdeführers, seinen Rechtsvertreter bei der Einvernahme dabei zu haben, widersetzte („Nichtsdestotrotz werden wir, die Amtshandlung nun durchführen“, „Abgesehen davon ist die Anwesenheit Ihres Anwalts nicht erforderlich“, Einvernahmeprotokoll S 2).

Dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit auch durch andere Rechtsvertreter, ua auch durch die Vereine „ XXXX “ vertreten war, ergibt sich aus dem Gerichtsakt des Verfahrens I409 200884-2, aber auch – hinsichtlich des erstgenannten Vereins – aus dem Gerichtsakt I416 200884-3. Aus diesen Akten geht auch hervor, dass solche Vollmachten nicht aufgelöst oder widerrufen wurden, weshalb sie – im Sinne des Vertrauenstatbestandes – nach wie vor aufrecht sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 10 Abs 1 AVG können die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche Personen, die volljährig und handlungsfähig sind und für die in keinem Bereich ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt oder eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung oder Vorsorgevollmacht wirksam ist, durch juristische Personen oder durch eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Diese Bestimmungen sind sinngemäß gemäß § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden.

Der Beschwerdeführer war im Verwaltungsverfahren rechtsvertreten. Die belangte Behörde ignorierte im vorliegenden Fall den mehrfach vorgetragenen Wunsch des Beschwerdeführers, nicht ohne Anwesenheit seiner Rechtsvertretung einvernommen zu werden. Die belangte Behörde verständigte die Rechtsvertretung kurzfristig und indirekt von der Einvernahme am 06.08.2021, indem sie die Ladung des Beschwerdeführers um 11:04 Uhr (also knapp 2 h 30 min vor dem Zeitpunkt des Beginns der Einvernahme) der Rechtsvertretung in Wien zusandte. Nachdem die Einvernahme in Vordernberg stattfand, hätte die Rechtsvertretung geradezu fliegen müssen, um rechtzeitig in dem 180 km von Wien entfernt liegenden Vordernberg einzutreffen. Es war sohin von Vornherein offensichtlich, dass der Rechtsvertreter nicht bei der Einvernahme des Beschwerdeführers zugegen sein wird. Dem Vorwurf der Rechtsvertretung im E-Mail vom 06.08.2021 der verspäteten Ladung kann somit nur beigepflichtet werden. Die Vorgangsweise der belangten Behörde scheint geradezu darauf abzuzielen, den Vertreter des Beschwerdeführers von dessen Einvernahme – trotz ausdrücklichem Wunsch, dass diese Einvernahme in Gegenwart seines Rechtsvertreters erfolgen soll – auszuschließen.

Der VfGH hat in VfSlg 15.218/1998 ua auch darauf hingewiesen, dass dem rechtsschutzsuchenden Asylwerber neben dem sprachlichen grundsätzlich auch das rechtliche Verständnis der Entscheidung ermöglicht werden muss, und es ihm demnach möglich sein muss, sich "der Hilfe einer fachkundigen (wenngleich nicht notwendigerweise rechtskundigen) Person als Beistand" zu bedienen (vgl VfSlg. 18.809/2009).

Der Beschwerdeführer bevollmächtigte die den Verein XXXX mit seiner Vertretung im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Die entsprechende Vollmacht liegt der belangten Behörde vor. Sie wurde damit in der in § 10 AVG festgelegten Form nach außen wirksam zum Ausdruck gebracht. Aus dem Wesen der prozessualen Vertretung folgt, dass ein namhaft gemachter Vertreter auch effektiv die Möglichkeit haben muss, den Vertretenen vertreten zu können. Diese Möglichkeit hat die belangte Behörde im konkreten Fall dem Beschwerdeführer genommen, indem sie den Rechtsvertreter am 06.08.2021 erst knapp zweieinhalb Stunden vor dem Zeitpunkt des Beginns der Einvernahme an einem 180 km weit vom Sitz des Rechtsvertreters entfernten Ort über diese Einvernahme in Kenntnis setzte. Damit war es dem Rechtsvertreter effektiv unmöglich, seine aus dem Vollmachtsverhältnis zum Beschwerdeführer erwachsenden Vertretungsrechte wahrzunehmen und an der Einvernahme teilzunehmen. Der Beschwerdeführer bestand mehrfach auf die Beiziehung des Rechtsvertreters und auf eine Vertagung der Einvernahme, damit diese in Beisein seines Rechtsvertreters stattfinden könne. Dennoch führte die belangte Behörde die Einvernahme durch, ohne darzulegen, dass besonders dringende Gründe oder unaufschiebbare Umstände eine Vertagung der Einvernahme des Beschwerdeführers, um dessen Rechtsvertretung die Teilnahme daran zu ermöglichen, unmöglich machen würde. Die Begründung, dass „die Anwesenheit Ihres Anwalts […] nicht erforderlich [ist]“, trägt den faktischen Ausschluss des Vertreters nicht. Die Beurteilung, ob ein „Anwalt“ anwesend sein muss oder nicht, obliegt nicht der Behörde, sondern kann nur durch den Vertretenen selbst, den Beschwerdeführer, getroffen werden.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer über seinen Rechtsvertreter geladen wurde, ändert hieran nichts, da es aufgrund der Kürze zwischen der Verständigung von der Einvernahme und ihrem Zeitpunkt von Vornherein offensichtlich war, dass es nicht mit normalen Mitteln (öffentliche Verkehrsmittel oder PKW) möglich sein wird, zum Einvernahmeort in Vordernberg zu gelangen. Dieser Umstand legt nicht nahe, dass eine weitere Vertretung des Beschwerdeführers durch den gewillkürten Vertreter nicht (mehr) erwünscht sei und wurde auch durch die aktenkundigen Bemühungen des Beschwerdeführers, seinen Rechtsvertreter bei der Einvernahme anwesend zu haben, widerlegt. Es wird nicht verkannt, dass Rechtsvertreter gerade im Asylverfahren ausgefeilte Taktiken nutzen, um das Verfahren im Interesse ihrer Vertretenen zu verzögern, dennoch rechtfertigt dieser amtsbekannte Umstand nichts daran, dass es ein rechtsstaatliches Verfahren gebietet, Ladungen so auszusenden, dass eine Vertretung durch einen vom Beschwerdeführer bestimmten Rechtsvertreter unter Beachtung der einen Rechtsvertreter treffenden Sorgfalt und von einem solchen zu erwartenden Fleiß ermöglicht wird.

Zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren besteht mit VwGH 03.05.2016, Ro 2016/18/0001, zur Beiziehung von Rechtsberatern nach § 52 BFA-VG Judikatur, wonach auf Grund der aus dem rechtsstaatlichen Prinzip einerseits und den einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften andererseits resultierenden Verfahrensgarantien es auch Sache des Verwaltungsgerichtes ist, dafür Sorge zu tragen, dass das einem Asylwerber zustehende Recht auf einen Rechtsberater tatsächlich in Anspruch genommen werden kann. Zu diesem Zweck hat es in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Asylwerber das Ersuchen um Teilnahme an den Rechtsberater vor der Verhandlung gestellt hatte, diesem aber vom Rechtsberater unentschuldigt nicht entsprochen worden ist, von der Möglichkeit des § 19 Abs 1 AVG, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 17 VwGVG sinngemäß anzuwenden ist, Gebrauch zu machen und das nötige Erscheinen des Rechtsberaters durch förmliche Ladung zu bewirken (vgl auch VwGH 20.06.2017, Ra 2017/01/0060 und 14.12.2016, 2016/19/0006).

Es wird nicht verkannt, dass diese Rechtsprechung sich explizit auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren bezieht. Dennoch erscheint die Grundaussage, wonach einem Asylwerber nicht sein Recht auf einen Rechtsberater entzogen werden kann, auf das Verwaltungsverfahren vor dem BFA insofern im Ergebnis übertragbar, dass dem Beschwerdeführer, einem Asylwerber, nicht die gewillkürte Rechtsvertretung vorenthalten werden darf. Eine diesem Grundsatz widersprechende Handhabung des Verfahrensrechtes durch die belangte Behörde steht daher im Widerspruch zu einem rechtsstaatlichen Verfahren und stellt Willkür dar (vgl hierzu zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren VfGH 24.02.2020, E 2425/2019; 08.06.2021, E 3947/2020), weshalb die angefochtene Entscheidung daher schon aus diesem Grund aufzuheben ist.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt und Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im gegenständlichen Fall fehlt es, soweit ersichtlich, an einer expliziten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend, ob und in welchem zeitlichen Vorlauf eine gewillkürte Rechtsvertretung von der Einvernahme eines Antragstellers im Verwaltungsverfahren außerhalb einer mündlichen Verhandlung zu verständigen ist, damit ihr die Anwesenheit bei dieser Einvernahme möglich wird. Diese Rechtsfrage ist von Bedeutung, da sie sich über den Einzelfall hinaus in einer Vielzahl von ähnlich gearteten Fällen – auch außerhalb des Asylrechts – stellt und letztlich Frage aufwirft, ob es einer Behörde gestattet sein kann, durch kurzfristiges Anberaumen von Einvernahmeterminen die Teilnahme von (allenfalls als lästig wahrgenommenen) Rechtsvertretern bzw Rechtsanwälten an solchen Einvernahmeterminen zu unterbinden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung nicht rechtmäßig Kassation Ladungen Rechtsvertreter Verfahrensrecht Verspätung Vertretungsverhältnis Vertretungsvollmacht Vollmacht Willkür

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I413.2008884.4.00

Im RIS seit

25.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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