Entscheidungsdatum
24.09.2021Norm
BBG §40Spruch
W207 2245171-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landestelle Wien, vom 22.06.2021, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte in einem vorangegangenen Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (BBG) am 21.01.2020 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.11.2020 abgewiesen.
Dies erfolgte auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens vom 27.08.2020 (dieses basierend auf einer am 07.07.2020 erfolgten persönlichen Untersuchung), in welchem die Funktionseinschränkungen 1. „Chronische Pankreatitis, Oberer Rahmensatz aufgrund von anhaltenden Oberbauchschmerzen bei chronischer Pankreatitis und Gastritis“, bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 40 von Hundert (v.H.) nach der Positionsnummer 07.07.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, sowie 2. „Arterielle Hypertonie; Vorgegebener Rahmensatz entsprechend der Therapie“, bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 20 v.H. nach der Positionsnummer 05.01.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, sowie ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. festgestellt wurden. Hinsichtlich des Gesamtgrades der Behinderung von 40 v.H. wurde ausgeführt, dass das führende Leiden 1 durch Leiden 2 aufgrund der fehlenden funktionellen Zusatzrelevanz nicht weiter erhöht werde. Im Vergleich zum (in einem weiteren Vorverfahren eingeholten) Vorgutachten werde der Grad der Behinderung aber auf 40 v.H. erhöht aufgrund der anhaltenden deutlichen Oberbauchbeschwerden und der neu berücksichtigten Refluxerkrankung/Gastritis.
Am 01.12.2020 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde den nunmehr gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Diesem Antrag legte er einen Kurzarztbrief vom 04.11.2020, einen Operationsbericht vom 23.10.2020 und eine Aufenthaltsbestätigung vom 04.11.2020 eines näher genannten Krankenhauses bei; aus diesen medizinischen Unterlagen ergibt sich, dass beim Beschwerdeführer am 22.10.2020 eine Pankreaslinksresektion mit Splenektomie zum Zweck der Entfernung einer Pankreaszyste mit einem unauffälligen postoperativen Verlauf durchgeführt wurde.
Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung vom 06.04.2021 ein, in welchem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag sowie der vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Unterlagen Folgendes, hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben, ausgeführt wurde:
„…
Anamnese:
Antragsleiden: Chronische Pankreatitis, Pankreaslinksresektion und Splenektomie 10/2020
Siehe auch VGA vom 07.07.2020: Chronische Pankreatitis 40%, Arterielle Hypertonie
20% Gesamt-GdB 40%
Derzeitige Beschwerden:
Ich hatte jetzt am 22.10.2020 eine Operation, wo ein Teil des Pankreas entfernt worden ist
und die Milz, weil sich Steine in der Bauchspeicheldrüse gebildet haben und sich dann im
Endeffekt eine große Zyste gebildet hat. Die Zyste hat sich dort gebildet, wo die Steine die
Gänge verlegt haben. Dadurch hatte ich auch immer wieder Koliken, hatte immer wieder
Oberbauchbeschwerden. Diese Beschwerden sind im Großen und Ganzen weg, nur wenn
ich falsch esse, kann es passieren, dass ich etwas nicht vertrage, dass mir dann übel wird
und dass ich dann Durchfall bekomme. Ein Taubheitsgefühl habe ich noch im Bereich der Operationsnarbe, auch im Bereich darunter.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Kreon, Candam
Sozialanamnese:
verheiratet, 2 erw. Kinder, Beruf MA ZZ
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
LHK X vom 4. November 2020
Chronisch fibrosierende Pankreatitis der Cauda mit ausgedehnter pankreatischer Neoplasie
Low Grade
PanlN-LG (weit im Gesunden reseziert)
Z.n. Knie-Operation (Meniskus bds„ links 2003, rechts 2013)
Arterielle Hypertonie
Durchgefu?hrte Maßnahmen
Pankreaslinksresektion + Splenektomie am 22.10.2020
Mitgebrachter Befund:
Histologischer Befund vom 2.11.2020
Pankreaslinksresektat mit großer interoperativ kaudal rupturierter Retetionszyste des
Pankreaskorpus wie aus dem pankreatischen Hauptgang entstanden auf Basis duktulärer
Sekretionsstörung bzw. Lithiasis und ausgeprägter chronischer fibrosierender Pankreatitis
der Cauda. Kein Anhaltspunkt für Malignität. Ausgedehnte pankreatische intraepitheliale
Neoplasie low-grade (PanIN-LG) weit in toto reseziert. Zum Pankreaskopf hin weitgehend
gewahrtes Pankreasparenchym, 19 tumorfreie peripankreatische Lymphknoten. Lumen einengende hochgradige Arteriensklerose, weitgehend unauffällige Milz.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Gut
Ernährungszustand:
gut
Größe: 175,00 cm Gewicht: 75,00 kg Blutdruck: -/-
Klinischer Status – Fachstatus:
44 Jahre
Haut/farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, Hautbild bland
Caput: Visus: unauffällig, Hörvermögen nicht eingeschränkt
Thorax. Symmetrisch, elastisch,
Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent
Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe
Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar,
Hepar am Ribo, reaktionslose Narbe entlang des Rippenbogens, Sensibilität wird links Abdominal als vermindert angebeben. Nierenlager: Frei.
Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nacken und Schürzengriff bds
möglich, Faustschluss, Spitzgriff bds möglich. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei
beweglich.
Untere Extremität: Zehenspitzen und Fersenstand sowie Einbeinstand bds. durchführbar,
beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, freie
Beweglichkeit in Hüftgelenken und Kniegelenken, keine Ödeme
Wirbelsäule: FB 20 cm
Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen frei beweglich.
Gesamtmobilität – Gangbild:
normales Gangbild
Status Psychicus:
klar, orientiert
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Zustand nach Chronischer Pankreatitis und Pseudozyste
2 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Zustand nach erfolgreicher Pankreaslinksresektion mit Besserung der Beschwerdesymptomatik
07.07.01
30
2
Mäßige Hypertonie
Fixer Richtsatz
05.01.02
20
3
Splenektomie
Fixer Richtsatz
10.03.11
10
Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 2+3 erhöht aufgrund der fehlenden funktionellen Zusatzrelevanz nicht weiter
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten
Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Gastrische Beschwerden durch aktuelle Befunde nicht mehr belegt
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Besserung von Leiden 1. Gleichbleiben von Leiden 2 des VGA. Hinzukommen von Leiden 3
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
Absenkung des GdB um 1 Stufe
[X] Dauerzustand
[….]
Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung liegen vor, wegen:
[X] JA Erkrankungen des Verdauungssystems
GdB: 30 v.H.“
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 06.04.2021 wurde der Beschwerdeführer über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt. Dem Beschwerdeführer wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben. Das eingeholte Gutachten vom 06.04.2021 wurde dem Beschwerdeführer zusammen mit diesem Schreiben übermittelt.
Mit handschriftlichem, als „Einspruch“ bezeichneten und nicht näher begründeten Schreiben vom 20.04.2021 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er ein ärztliches Attest nachreichen werde.
Nach Ersuchen der belangten Behörde vom 07.05.2021 und vom 07.06.2021, das angekündigte Attest nachzureichen, legte der Beschwerdeführer am 10.06.2021 ein Attest einer näher genannten Ärztin für Allgemeinmedizin vom 07.06.2021 folgenden Inhaltes – hier in anonymisierter Form wiedergegeben - vor:
„ATTEST
Herr X, ein 45-Jähriger Mann, ist vergleichsweise zum präoperativen
Zustand (Attest 19.05.2020) nunmehr in etwas besserem Allgemeinzustand (weil
SCHMERZFREI!!) aber unverändert schlechtem Ernährungszustand.
Die erwähnte Verbesserung betrifft aber nur die Tatsache der Ursachen- bzw.
Schadensfindung und Behebung durch den großen operativen Eingriff:
Pankreaslinksresektion mit Splenektomie.
Allgemein bekannt und doch wichtig hierorts anzuführen ist aber die TATSACHE, daß
Herr X durch diese OPERATION, d.h. den VERLUST des Großteils seines Pankreas
und den totalen VERLUST seiner MILZ, keineswegs das Leben eines gesunden Mannes
fuhren kann; ER IST NACH WIE VOR GLEICHSTARK BEHINDERT!
Um den oben erwähnten Zustand zu verdeutlichen führe ich einige seiner quälenden
Symptome an:
- Müdigkeit, Schwäche, Energiemangel, neg. Stimmung
- Muskelschwäche, Kraftverlust, Antriebsschwäche,
- Gewichtverlust in Richtung Kachexie, Pankreasstühle (fettig, massig)
trotz genauester Diäteinhaltung
- Schmerzen im OP-Bereich
Die Spätfolgen der Spelektomie bzw. des Pankreasverlustes sind ebenfalls mannigfaltig und
es bleibt abzuwarten wann sich diese einstellen werden!
ZUSAMMENFASSUNG:
Herr X ist ein in seiner Gesundheit stark eingeschränkter Mann; sein Organismus bedarf
dauernder Unterstützung, Subsitution und Pflege.
Die Operation konnte Herrn X bis dato von seinen schwersten Pankreaskoliken befreien,
aber sie konnte NICHTS am GRUNDPROBLEM seiner Erkrankung verändern bzw.
verbessern;
Durch die absolut indizierte Operation - die Schmerzen waren untragbar und mit dem Leben
nicht vereinbar - mußte sogar ein grundlegender Nachteil in Kauf genommen werden:
Verlust des Großteils des Pankreas
Verlust seiner Milz
Das heißt sein Organismus wurde dadurch weiters geschwächt.
Das ergibt für mich, heute wie damals, mindestens gleiche Behinderungsqualität und zwar
HOCH.
Name und Unterschrift der behandelnden Ärztin“
Die belangte Behörde holte diesbezüglich eine Stellungnahme jener Ärztin für Allgemeinmedizin, die das Sachverständigengutachten vom 06.04.2021 erstellt hatte, vom 21.06.2021 folgenden Inhaltes ein:
„[…..]
Die nachgereichte Befund beinhaltet keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich noch nicht
berücksichtigter, behinderungswirksamer Gesundheitsschäden,und stehen folglich auch
nicht im Widerspruch zum aktuellen Gutachten. Maßgeblich für die Einstufung eines
behinderungsrelevanten Leidens sind anhand der klinischen Untersuchung objektivierbare
Funktionseinschränkungen unter Beachtung der vorgelegten Befunde.
In diesem Fall wurde – bei Zustand nach erfolgreicher Pankreaslinksresektion mit
Besserung der Beschwerdesymptomatik objektiviert und gemäß EVO korrekt eingeschätzt.
Darüberhinaus bewirken die angeführten, möglichen Folgeerkrankungen keinen separaten
Behinderungsgrad, da ausschließlich manifeste, behinderungsrelevante
Gesundheitsschäden,und nicht erhöhte Risken hinsichtlich zukünftiger Krankheiten,
beurteilungsrelevant sind.
Somit ergibt sich keine Änderung der bereits durchgeführten Einstufung.“
Mit Bescheid vom 22.06.2021 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 01.12.2020 auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab, da mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen nicht vorliegen würden. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die im Ermittlungsverfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, wonach der Grad der Behinderung 30 v.H. betrage. Das medizinische Sachverständigengutachten vom 06.04.2021 und die ergänzende sachverständige Stellungnahme vom 21.06.2021 wurden dem Beschwerdeführer als Beilage zum Bescheid (abermals) übermittelt.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 05.08.2021 brachte der Beschwerdeführer fristgerecht ohne Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 22.06.2021 ein, in der Folgendes, hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben, ausgeführt wird:
„[….]
Als Beschwerdegründe werden Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides und
Mangelhaftigkeit des erstbehördlichen Verfahrens geltend gemacht
Die belangte Behörde folgt dem Gutachten, wonach lediglich eine Behinderung von 30%
vorliege.
Diese Beurteilung ist für den Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar, zumal im Bescheid vom
09.11.2020 zu AZ 22321847200014 von einem Grad der Behinderung von 40% ausgegangen
wurde.
Beweis: beizuschaffender Akt der belangten Behörde zu AZ 22321847200014.
Keine der beigezogenen Sachverständigen geht von einer Besserung des Zustandes aus.
Vielmehr führt Frau Dr. F. in ihrem Attest vom 07.06.2021 aus, dass die Operation
nichts am Grandproblem der Erkrankung des Beschwerdeführers geändert hat.
Die Sachverständige beurteilt den Grad der Behinderung „mindestens“ gleich und zwar hoch.
Es ist sohin für den Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde nach einer derartigen fachlichen Einschätzung den Grad der Behinderung von 40% auf 30%
herabsetzt.
Eine medizinische Grundlage liegt hierfür jedenfalls nicht vor.
Beweis: ergänzendes Gutachten aus dem Fachgebiet Allgemeinmedizin.
Darüber hinaus wurden auch die Auswirkungen auf die Psyche des Beschwerdeführers nicht
ins Kalkül gezogen. Dem Beschwerdeführer wurden bekanntlich am 22.10.2021 die Milz und
ein Teil des Pankreas entfernt. Er ist nunmehr gezwungen, strengste Diät zu halten, da
ansonsten schwerwiegende körperliche Reaktionen zu erwarten sind.
Der Beschwerdeführer wird bei jeder Mahlzeit an seine Einschränkung und auch an den Verlust zweier Organe erinnert, was natürlich einen erheblichen Einfluss auf die psychische Gesundheit des Beschwerdeführers hat. Die Angst, die mit dem Verlust zweier Organe verbunden ist, verändert den Lebenswandel des Beschwerdeführers beträchtlich.
Beweis: PV des Beschwerdeführers.
Aufgrund der obigen Ausführungen ist aus allgemeinmedizinischer Sicht jedenfalls von einer
Behinderung von mindestens 40% auszugehen. Für eine Herabstufung des Grades der
Behinderung auf 30% gibt es wie angemerkt keine fachliche Veranlassung.
In Zusammenschau mit der psychischen Beeinträchtigung des Beschwerdeführers ist sodann in weiterer Folge jedenfalls von einem Grad der Behinderung von zumindest 50% auszugehen.
Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre dem Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses Folge zu geben gewesen.
Aus all diesen Gründen stellt der Beschwerdeführer die
ANTRÄGE
1. die belangte Behörde möge im Wege der Beschwerdevorentscheidung den
angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Antrag des Antragstellers
vom 1.12.2020 vollinhaltlich Folge gegeben wird.
in eventu
2. das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid dahingehend
abändem, dass dem Antrag des Antragstellers vom 1.12.2020 vollinhaltlich Folge
gegeben wird.
sowie jedenfalls
3. eine mündliche Verhandlung durchführen“
Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 09.08.2021 die gegenständliche Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer brachte am 01.12.2020 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.
Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:
1. Zustand nach Chronischer Pankreatitis und Pseudozyste; Zustand nach erfolgreicher Pankreaslinksresektion mit Besserung der Beschwerdesymptomatik
2. Mäßige Hypertonie
3. Splenektomie
Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 30 v.H.
Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß sowie der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 06.04.2021 sowie dessen Ergänzung vom 21.06.2021 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet ergibt sich aus den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Antragstellung, bestätigt durch eine Abfrage aus dem Zentralen Melderegister.
Die Feststellung, dass beim Beschwerdeführer zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt ein Grad der Behinderung von 30 v.H. vorliegt, gründet sich auf das oben wiedergegebene, auf einer vorhergehenden persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 06.04.2021 und auf den vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen basierenden medizinischen Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 06.04.2021 sowie dessen Ergänzung vom 21.06.2021.
Im vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachten sowie dessen Ergänzung, diese ergangen nach Vorlage des Attestes der den Beschwerdeführer behandelnden Ärztin vom 07.06.2021 durch den Beschwerdeführer, wird auf die Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß schlüssig und nachvollziehbar eingegangen. Die diesbezüglich jeweils getroffenen Einschätzungen auf Grundlage der Anlage zur Einschätzungsverordnung, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden und unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.
Mit dem oben vollständig wiedergegebenen Beschwerdevorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der von der Ärztin für Allgemeinmedizin in ihrem Gutachten vorgenommenen einzelnen Einstufungen der festgestellten Leiden ausreichend konkret und substantiiert behauptet und ist eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, ergänzt durch die Stellungnahme vom 21.06.2021, schlüsselt – unter Auflistung und Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen – konkret und nachvollziehbar auf, welche Funktionseinschränkungen beim Beschwerdeführer vorliegen bzw. objektiviert sind, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden.
Das führende Leiden 1 („Zustand nach Chronischer Pankreatitis und Pseudozyste; 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da Zustand nach erfolgreicher Pankreaslinksresektion mit Besserung der Beschwerdesymptomatik“) wurde von der beigezogenen medizinischen Sachverständigen der Positionsnummer 07.07.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet. Anders als im Vorgutachten vom 27.08.2020, auf das vom Beschwerdeführer in der Beschwerde Bezug genommen und welches eingangs des gegenständlichen Erkenntnisses dargestellt wird, erfolgte die Einstufung aber nunmehr nicht mehr nach dem höchsten Rahmensatz dieser Positionsnummer mit 40 v.H., sondern zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz, also mit 30 v.H.
Der entsprechende Regelungskomplex der Anlage zur Einschätzungsverordnung lautet wie folgt:
„07.07 Bauchspeicheldrüse
Es werden in diesem Abschnitt die exkretorischen Funktionen beurteilt. Ursächlich sind Entzündungen, gutartige Tumore, Folgezustände von Operationen. Malignome sind nach Abschnitt 13 einzuschätzen.
07.07.01 Funktionseinschränkungen leichten bis erheblichen Grades 10 – 40 %
Mit leicht bis erheblichen Beschwerden und Beeinträchtigung des Allgemein- und Ernährungszustandes
07.07.02 Funktionseinschränkungen schweren Grades 50 – 80 %
Mit starken Beschwerden, Fettstühle und deutlich ausgeprägte Herabsetzung des Ernährungszustandes, allgemeiner Kräfteverfall“
Wie die beigezogenen medizinische Sachverständige in ihrer Stellungnahme vom 21.06.2021 zutreffend ausgeführt hat, stellen die Bestimmungen dieses Regelungskomplexes maßgeblich auf mit Funktionseinschränkungen der Bauchspeicheldrüse verbundene aktuelle Beschwerden bzw. Auswirkungen auf den Allgemein- und Ernährungszustand ab. Nicht jedoch kommt es maßgeblich auf die Tatsache stattgehabter Operationen – die im Allgemeinen grundsätzlich zum Zwecke der Verbesserung des Gesundheitszustandes durchgeführt werden – oder auf die Frage des Verlustes eines Teiles des Pankreas per se an.
In dem im Vorverfahren ergangenen medizinischen Sachverständigengutachten vom 27.08.2020 wurde die damalige Einstufung des führenden Leidens 1, damals bezeichnet mit „Chronische Pankreatitis, Oberer Rahmensatz aufgrund von anhaltenden Oberbauchschmerzen bei chronischer Pankreatitis und Gastritis“, mit dem oberen Rahmensatz der Positionsnummer 07.07.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit 40 v.H. u.a. damit begründet, dass im Vergleich zu einem (in einem weiteren Vorverfahren eingeholten) Vorgutachten der Grad der Behinderung auf 40 v.H. erhöht werde aufgrund der anhaltenden deutlichen Oberbauchbeschwerden. Dieses Abstellen auf Beschwerden wurde vom Beschwerdeführer damals offenkundig nicht beanstandet.
Im gegenständlichen Verfahren ging die beigezogene medizinische Sachverständige nachvollziehbar von einer Besserung der Beschwerdesymptomatik nach der erfolgreichen Pankreaslinksresektion aus. Dies gab der Beschwerdeführer auch selbst im Zuge der persönlichen Untersuchung am 06.04.2021 ausdrücklich an, führte er doch selbst Folgendes aus: „Ich hatte jetzt am 22.10.2020 eine Operation, wo ein Teil des Pankreas entfernt worden ist und die Milz, weil sich Steine in der Bauchspeicheldrüse gebildet haben und sich dann im Endeffekt eine große Zyste gebildet hat. Die Zyste hat sich dort gebildet, wo die Steine die Gänge verlegt haben. Dadurch hatte ich auch immer wieder Koliken, hatte immer wieder Oberbauchbeschwerden. Diese Beschwerden sind im Großen und Ganzen weg, nur wenn ich falsch esse, kann es passieren, dass ich etwas nicht vertrage, dass mir dann übel wird und dass ich dann Durchfall bekomme.“
Dies wird im Ergebnis letztlich auch bestätigt durch das oben wiedergegebene Attest einer näher genannten Ärztin für Allgemeinmedizin vom 07.06.2021, in dem ausgeführt wird, der Beschwerdeführer sei vergleichsweise zum präoperativen Zustand nunmehr in etwas besserem Allgemeinzustand (weil schmerzfrei), aber unverändert in schlechtem Ernährungszustand. Letzteres ist allerdings insofern nicht plausibel, als bei einer Größe von 175 cm und einem Gewicht von 75 kg nicht von einem schlechten Ernährungszustand gesprochen werden kann. Dem entsprechend stellte die dem Verfahren beigezogene medizinische Sachverständige im Rahmen der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers einen guten Allgemeinzustand und einen guten Ernährungszustand fest.
Im gegenständlichen Fall kann daher unter Berücksichtigung der Ergebnisse der persönlichen ärztlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, seiner eigenen Angaben zur Verbesserung seiner Beschwerden und unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer vorgelegten Attestes einer näher genannten Ärztin für Allgemeinmedizin vom 07.06.2021 nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerden des Beschwerdeführers aktuell gleich stark sind wie vor der erfolgreichen Pankreaslinksresektion, und dass sich diese Beschwerden daher nicht gebessert hätten. Ausgehend davon aber ist die nunmehrige Einstufung des führenden Leidens 1 wegen Besserung der Beschwerden und gebesserten Allgemeinzustandes nach der erfolgreichen Pankreaslinksresektion unter der Positionsnummer 07.07.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz, also – anders als im Vorgutachten vom 27.08.2020, auf das in der Beschwerde Bezug genommen wird - nunmehr mit 30 v.H., nicht als rechtsunrichtig zu erkennen.
Was die als Leiden 2 und 3 berücksichtigten Funktionseinschränkungen „Mäßige Hypertonie“ und „Splenektomie“ betrifft, so werden diese Einstufungen vom Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht konkret beanstandet und ist auch von Amts wegen keine Rechtsunrichtigkeit ersichtlich.
Insofern aber in der Beschwerde erstmals – ohne Vorlage von Befunden – vorgebracht wird, die Auswirkungen auf die Psyche des Beschwerdeführers seien nicht ins Kalkül gezogen worden, in Zusammenschau mit der psychischen Beeinträchtigung des Beschwerdeführers sei von einem Grad der Behinderung von zumindest 50% auszugehen, so ist darauf hinzuweisen, dass der – nunmehr anwaltlich vertretene - Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens keine entsprechenden Befunde vorgelegt hat, die geeignet gewesen wären, das Vorliegen einer dauerhaften psychischen Erkrankung einstufungsrelevanter Intensität zu belegen. Das Vorliegen einer psychischen Störung ist daher aktuell nicht objektiviert.
Das gegenständlich eingeholte medizinische Sachverständigengutachten ist auch nicht zu beanstanden, wenn es eine besonders nachteilige wechselseitige Beeinflussung der vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen oder das Vorliegen zweier oder mehrerer Funktionsbeeinträchtigungen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen, im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung nicht gegeben sieht.
Auf Grundlage der vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten Unterlagen und der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers konnte somit gegenwärtig kein höherer Grad der Behinderung als 30 v.H. objektiviert werden.
Der Beschwerde wurden ebenfalls keine medizinischen Unterlagen beigelegt, die die vorgenommenen Einstufungen widerlegen oder diesen entgegenstehen würden. Der Beschwerdeführer ist daher dem gegenständlich eingeholten Sachverständigengutachten und dessen Ergänzung im Ergebnis nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen somit keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens der beigezogenen Ärztin für Allgemeinmedizin Sachverständigengutachten vom 06.04.2021 sowie dessen Ergänzung vom 21.06.2021. Dieses medizinische Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
…
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
…
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
…
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
…
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“
§ 3 der Einschätzungsverordnung lautet:
„Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.“
Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das Sachverständigengutachten der beigezogenen Ärztin für Allgemeinmedizin vom 06.04.2021 sowie dessen Ergänzung vom 21.06.2021 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 30 v.H. beträgt.
Die getroffenen Einschätzungen auf Grundlage der Anlage zur Einschätzungsverordnung, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden und unter Berücksichtigung der vorgelegten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten ist auch nicht zu beanstanden, wenn es im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall nicht gegeben sieht, zumal gemäß § 3 Abs. 2 der Einschätzungsverordnung Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht; letzteres ist jedoch im Hinblick auf die Splenektomie nicht ersichtlich.
Der Beschwerdeführer ist den Ausführungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, nicht ausreichend substantiiert entgegengetreten, er hat – auch unter Berücksichtigung des von ihm vorgelegten Attestes vom 07.06.2021 - kein Sachverständigengutachten bzw. keine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher ausreichend plausibel die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien und er hat auch sonst im Rahmen des Verfahrens keinerlei Unterlagen vorgelegt, die ein zusätzliches Dauerleiden belegen und damit objektivieren würden oder aber ausreichend belegte Hinweise auf eine wesentliche Änderung gegenüber den bereits im Verfahren vor der belangten Behörde berücksichtigten Leidenszuständen ergeben würden.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, sowie für die Vornahme allfälliger Zusatzeintragungen in den Behindertenpass aktuell nicht erfüllt.
Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice – allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG - in Betracht kommt.
Es war daher spruchgemäß abzuweisen.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W207.2245171.1.00Im RIS seit
25.10.2021Zuletzt aktualisiert am
25.10.2021