Entscheidungsdatum
29.09.2021Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W200 2244516-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Mag. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien vom 16.06.2021, Zl. 79575991800030, betreffend die Abweisung des Antrags auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Vorverfahren:
Der Beschwerdeführer ist seit 08.01.2019 in Besitz eines Behindertenpasses.
Der Entscheidung zugrunde gelegt wurde ein Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin, wonach beim Beschwerdeführer ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 von 100 vorliegt. Dieser setzt sich wie folgt zusammen:
„Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Degenerative Wirbelsäulen- und Gelenksveränderungen.
Oberer Rahmensatz dieser Positionsnummer, da mäßiggradige Funktionseinschränkungen im Bereiche der Hals- und Lendenwirbelsäule, sowie geringe Funktionseinschränkungen, z.T. Adipositas-bedingt im Bereiche der Hüftgelenke, der Knie- und Sprunggelenke, sowie degenerative Fußskelettveränderungen.
02.02.02
40
2
Morbus Crohn.
Unterer Rahmensatz dieser Positionsnummer, da bei nachweislich chronischen Schleimhautveränderungen rezidivierende Beschwerdesymptomatik und Durchfallneigung bei jedoch gutem Ernährungszustand.
07.04.05
30
3
Schlafapnoe-Syndrom.
Unterer Rahmensatz, da mittelschwere Form und Notwendigkeit einer nächtlichen Sauerstoffzufuhr nicht belegt ist.
06.11.02
20
4
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit Überlappung zu Asthma bronchiale.
Oberer Rahmensatz dieser Positionsnummer, da Notwendigkeit einer inhalativen Medikation, jedoch nur geringe Einschränkung der pulmonalen Funktion.
g.Z. 06.06.01
20
5
Mäßiger Bluthochdruck.
Fixposition.
05.01.02
20
6
Diabetes mellitus Typ II.
Mittlerer Rahmensatz dieser Positionsnummer, da ausreichende Einstellung mittels oraler Medikation.
09.02.01
20
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
weil der GdB der führenden Gesundheitsschädigung 1 infolge eines ungünstigen Zusammenwirkens im Hinblick auf den Gesamtleidenszustand durch die übrigen Gesundheitsschädigungen noch um 1 Stufe erhöht wird.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Die Hypothyreose nach Schilddrüsenoperation erreicht bei medikamentöser Substitution keinen Grad der Behinderung.“
Im Jahr 2019 stellt der Beschwerdeführer auch einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“. Über diesen Antrag wurde negativ entschieden.
Gegenständliches Verfahren:
In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass unter Anschluss diverser Auszüge aus dem E-Journal des AKH Wien, Universitätsklinik für Innere Medizin III sowie eines undatierten chirurgischen Arztbriefes. Das eingeholte allgemeinmedizinische Gutachten vom 07.03.2021 gestaltete sich wie folgt:
„Anamnese: (…)
Keine relevante Zwischenanamnese.
Derzeitige Beschwerden:
Herr XXXX gibt an, dass bei ihm seit längerer Zeit ein Morbus Crohn bekannt ist und dass deshalb auch Behandlungen erforderlich sind. Bekannt ist aber auch eine Hypertonie. Wegen seiner Rückenschmerzen sei die Mobilität eingeschränkt und deshalb wird eine Zusatzeintragung in den Behindertenpass urgiert.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Blopress, Blopress plus, Nebivolol, Oleovit, Paracetamol, Pentasa, ThrmboASS, Thyrex.
Sozialanamnese: Pensionist, ledig, keine Kinder.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Orthopädische Befundnachreichung - Dr. XXXX - 7.1.2021: Cervikalsyndrom, Lumbalgie, Dorsalgie, Cephalea, Claudicatio spinalis, VD Vertebrostenose.
Chiturg. Befund Dr. XXXX : ISG-Arthrose bilat., Diskopathie HWS und LWS, V. card. Dekomp.- Infiltrationsbehandlung.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: Normal. Ernährungszustand: Adipös.
Größe: 181,00 cm Gewicht: 122,00 kg Blutdruck: 145/85 Klinischer Status - Fachstatus:
Kopf/Hals: Haut und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, Visus (Staroperationen bds. - Lesen mit Brille) und Gehör altersentsprechend unauffällig, unauffällige Halsorgane.
Thorax/Herz/Lunge: inspektorisch und auskultatorisch unauffällig, Nichtraucher seit 20 Jahren, keine Atemauffälligkeiten.
Abdomen: deutlich über TN, unauffällige Organgrenzen, keine Inkontinenz, keine Druckempfindlichkeit.
Extremitäten: frei beweglich, kein Tremor, keine Ödeme, keine sensomotorischen Defizite.
Wirbelsäule: unauffällig strukturiert, ausreichend frei bewegliche HWS, BWS/LWS - FBA im Stehen: 15 cm.
Gesamtmobilität - Gangbild: frei, sicher, unbehindert.
Status Psychicus: voll orientiert, Stimmung und Antrieb unauffällig, kooperativ.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Degenerative und überlastungsbedingte Wirbelsäulenveränderungen
2
Morbus Crohn
3
Schlaf-Apnoe-Syndrom
4
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
5
Hypertonie
6
Diabetes mellitus
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Es ist keine Änderung eingetreten.
Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?
Nein.
Gutachterliche Stellungnahme:
Öffentliche Verkehrsmittel sind zumutbar, da weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten und der Wirbelsäule, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vorliegen. Eine kurze Wegstrecke kann unter Berücksichtigung der erhobenen Befunde aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden. Die vorliegenden dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht auf die Möglichkeit des sicheren Ein- und Aussteigens und auf die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen aus.“
Im dazu gewährten Parteiengehör führte der Beschwerdeführer aus, dass der behandelnde Facharzt für Orthopädie eine limitierte Gehstrecke beim Beschwerdeführer festgestellt hätte. Auch laut seinem behandelnden Chirurgen sei er nur eingeschränkt mobil bzw. bewegungsfähig. Auch allein aufgrund des vorliegenden Morbus Crohn sei die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel unzumutbar.
Das Sozialministeriumservice holte zu diesem Vorbringen sowie dem vorgelegten Befund eine Stellungnahme des befassten Allgemeinmediziners ein, die sich wie folgt gestaltete:
„Herr XXXX wurde am 13.1.2021 im SMS, Landesstelle Wien, nach Anamneseerhebung untersucht und dabei wurde festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.
Zu den Einwendungen zum Parteiengehör und Befundnachreichungen ist eine Stellungnahme abzugeben.
Einwendungen RA Dr. XXXX : Aus dem Befund von Herrn Dr. XXXX , Facharzt für Orthopädie, vom 7.1.2021 ergibt sich, dass mein Mandant sehr bewegungseingeschränkt ist ("limitierte Gehstrecke"). Laut ebenfalls beiliegendem Befund von Herrn Dr. XXXX geht hervor, dass mein Mandant eingeschränkt mobil bzw. bewegungsfähig ist. Zudem geht selbst aus dem von Ihnen eingeholten Sachverständigengutachten vom 13.1.2021 hervor, dass mein Mandant auch unter anderem unter Morbus Crohn leidet, sodass daraus eindeutig hervorgeht, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung für ihn unzumutbar ist
Befundnachreichung: Es werden zum Einwand Befunde/Schreiben nachgereicht -
1) Befund Dr. XXXX : ISG-Arthrose bil., Discopathie HWS und LWS. Vd. card. Decomp. - auf Grund obiger Diagnosen ist der Patient eingeschränkt mobil bzw. bewegungsfähig.
2) Befund Dr. XXXX - 7.1.2021: Cervicalsyndrom, Lumbalgie, Vertebrostenose, Dorsalgie, Cephalea, Claudicatio spinalis, Vd. Vertebrostenose.
Gutachterliche Stellungnahme:
Das Schreiben des RA wird zur Kenntnis genommen. Der AW wurde korrekt antragsrelevant untersucht und beurteilt. Es wurden alle einschätzungsrelevanten Gesundheitsschädigungen korrekt beachtet.
Schlussfolgerung: Es wird abschließend festgehalten, dass aus gutachterlicher Sicht nach neuerlicher Durchsicht des vorliegenden Aktenmaterials eine Änderung der getroffenen Beurteilung nicht vorgeschlagen wird, da die relevanten aktuellen objektivierbaren Gesundheitsschädigungen und Funktionsbehinderungen nach dem BBG und ihre Auswirkungen auf die Zumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel korrekt berücksichtigt und auch ausführlich begründet wurden. Objektiv beweisende gegenteilige Befunde liegen nicht vor.
Öffentliche Verkehrsmittel sind zumutbar, da weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten und der Wirbelsäule, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten / Funktionen vorliegen. Eine kurze Wegstrecke kann unter Berücksichtigung der erhobenen Befunde aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden. Die vorliegenden dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht auf die Möglichkeit des sicheren Ein- und Aussteigens und auf die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen aus.“
Mit Bescheid des Sozialministeriumsservice vom 16. Juni 2021 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ wegen Dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung „in den Behindertenpass“ abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten samt Stellungnahme verwiesen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde war der Beschwerdeführer der Ansicht, dass ein Allgemeinmediziner die von ihm vorgelegten fachärztlichen Befunde nicht „ablehnen“ könne.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 von Hundert.
1.2. Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Klinischer Status - Fachstatus:
Allgemeinzustand: Normal. Ernährungszustand: Adipös.
Größe: 181,00 cm Gewicht: 122,00 kg Blutdruck: 145/85
Klinischer Status - Fachstatus:
Kopf/Hals: Haut und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, Visus (Staroperationen bds. - Lesen mit Brille) und Gehör altersentsprechend unauffällig, unauffällige Halsorgane.
Thorax/Herz/Lunge: inspektorisch und auskultatorisch unauffällig, Nichtraucher seit 20 Jahren, keine Atemauffälligkeiten.
Abdomen: deutlich über TN, unauffällige Organgrenzen, keine Inkontinenz, keine Druckempfindlichkeit.
Extremitäten: frei beweglich, kein Tremor, keine Ödeme, keine sensomotorischen Defizite.
Wirbelsäule: unauffällig strukturiert, ausreichend frei bewegliche HWS, BWS/LWS - FBA im Stehen: 15 cm.
Gesamtmobilität - Gangbild: frei, sicher, unbehindert.
Status Psychicus: voll orientiert, Stimmung und Antrieb unauffällig, kooperativ.
Funktionseinschränkungen: - Degenerative und überlastungsbedingte Wirbelsäulenveränderungen, - Morbus Crohn, - Schlaf-Apnoe-Syndrom, - Chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Hypertonie, - Diabetes mellitus
1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Es liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten und der Wirbelsäule, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vor.
Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 200 - 300 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen.
Die vorliegenden dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht auf die Möglichkeit des sicheren Ein- und Aussteigens und auf die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen aus.“
Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist ausreichend möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend. Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus ist zumutbar.
Beim Beschwerdeführer liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.
Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
2. Beweiswürdigung:
Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten vom 07.03.2021 samt Stellungnahme zu nachgereichten Befunden vom 31.05.2021 eingeholt worden.
Der Gutachter beschreibt einerseits eine völlig freie Beweglichkeit des Beschwerdeführers (Extremitäten: frei beweglich, kein Tremor, keine Ödeme, keine sensomotorischen Defizite. Wirbelsäule: unauffällig strukturiert, ausreichend frei bewegliche HWS, BWS/LWS - FBA im Stehen: 15 cm.) sowie das Gangbild als frei, sicher und unbehindert.
Auch im Gutachten vom 07.01.2019 (GdB) wird das Gangbild mit behäbig, breitspurig, ohne Hilfsmittel, ohne eingeschränkte Mobilität beschrieben - in der Beschreibung der Funktionsbeeinträchtigungen wird auch darauf hingewiesen, dass die mäßiggradigen Funktionseinschränkungen z.T auch Adipositas bedingt seien.
Wenn vom Beschwerdeführer eingewendet wird, dass seine behandelnden Ärzte eine limitierte Gehstrecke und eine eingeschränkte Mobilität festgestellt hätten und es sich dabei um Fachärzte handle, während der Gutachter nur Allgemeinmediziner sei, so ist ihm entgegenzuhalten , dass § 90 KOVG keine Regelung enthält, aus der geschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung bestünde, dies deshalb weil es grundsätzlich nur auf die Begründung und die Schlüssigkeit des Gutachtens ankommt und es daher ohne Bedeutung ist, ob dasselbe von einem praktischen Arzt oder einem Facharzt bestimmter Richtung erstellt worden ist (Hinweis E 24.4.1961, 2411/59, E 15.6.1967, 30/67, E 6.2.1968, 1061/67 und E 11.6.1976, 2216/75). VwGH vom 10.12.1976, GZ 1871/76)
Dass der beim Beschwerdeführer unstrittig vorliegende Morbus Crohn eine Auswirkung auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel hat, wird vom befassten Gutachter verneint und ist insbesondere unter Zugrundelegung des adipösen Ernährungszustandes bzw. Körperbaus plausibel und nachvollziehbar.
Die festgestellten Leiden führen somit laut Gutachten nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Insbesondere wurden auch alle vorgelegten Unterlagen einer Beurteilung unterzogen und die vorliegenden Leiden mitberücksichtigt.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten. Diese wurden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).
Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:
Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:
Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Beim Beschwerdeführer liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus (Schuheinlagen, Gehstock, Stützkrücke, orthopädische Schuhe) ist - da die Funktionalität der oberen Extremitäten beim Beschwerdeführer völlig gegeben ist - zumutbar und bedingt kein relevantes Hindernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Es ist beim Beschwerdeführer von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen, die vorgebrachte Einschränkung der Gehstrecke konnte nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwert.
Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar." rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)
Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG)
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Zur Klärung des Sachverhaltes waren von der belangten Behörde ein allgemeinmedizinisches vom 07.03.2021 samt Stellungnahme zu den vorgelegten medizinischen Unterlagen eingeholt worden. In den vorzitierten Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt und das Nichtvorliegen der Voraussetzungen – konkret das Nichtvorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen – für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung festgestellt.
Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde das Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre – wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet darzutun, dass eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorliegt, und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Eine solche wurde auch nicht beantragt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W200.2244516.1.00Im RIS seit
25.10.2021Zuletzt aktualisiert am
25.10.2021