TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/29 W141 2243136-1

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Veröffentlicht am 29.09.2021
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Entscheidungsdatum

29.09.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W141 2243136-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard HÖLLERER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Stephan WAGNER sowie den fachkundigen Laienrichter
Robert ARTHOFER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX ,
geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 21.04.2021, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Die Beschwerdeführerin hat am 11.01.2021 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.

2.1.    Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von einem Facharzt für Augenheilkunde, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 03.03.2021, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung mit 40 vH bewertet wurde.

2.2.    Mit bei der belangten Behörde am 12.04.2021 einlangten Schreiben bringt die Beschwerdeführerin eine schriftliche Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme ein.

Unter Vorlage eines Befundes wurde von der Beschwerdeführerin zu den im Sachverständigengutachten festgestellten Leiden Stellung genommen. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass sie aufgefordert worden wäre, sich von einem anderen Facharzt für Augenheilkunde untersuchen zu lassen. Desweiteren sei die Beschwerdeführerin rassistisch behandelt worden. Weiters sei die Beschwerdeführerin nicht einverstanden mit dem festgestellten Grad der Behinderung. Sie beantrage eine weitere Untersuchung.

2.3.    Zur Überprüfung der schriftlichen Stellungnahme wurde von der belangten Behörde eine Stellungnahme vom 21.04.2021 desselben Facharztes für Augenheilkunde, mit dem Ergebnis eingeholt, dass eine Verschlechterung der zentralen Sehschärfe sowie eine Gesichtsfeldeinschränkung am rechten Auge nicht objektiviert werden könne. Die Erblindung des linken Auges wäre der Beschwerdeführerin ordnungsgemäß für den Grad der Behinderung angerechnet worden.

2.4.    Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.04.2021 hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH festgestellt.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass ein Grad der Behinderung von 40 vH vorliegen würde.

In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.

3.       Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben.

Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, dass sie sich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht einverstanden erkläre.

4. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 08.06.2021 vorgelegt.

5. Am 17.06.2021 wurde ein Verbesserungsauftrag gem § 13 Abs. 3 AVG erteilt.

6. Am 30.06.2021 wurde dem Verbesserungsauftrag nachgekommen.

Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, dass sie mit dem linken Auge überhaupt nicht sehen könne und es mit dem rechten Auge schwierig sei zu sehen. Die Behandlungsärzte und die Hilfsgemeinschaft hätten ihre Behinderung von mehr als 50% bestätigt. Der Sachverständigengutachter hätte sie rassistisch behandelt. Er habe den Befund ihres arabischen Facharztes nicht akzeptieren wollen und habe sie aufgefordert einen österreichischen Facharzt zu besuchen. Auch die Dolmetscherin der Beschwerdeführerin hätte bemerkt, dass der Sachverständigengutachter sie rassistisch behandle und einen Missbrauch der Amtsgewalt zeige. Die Beschwerdeführerin hätte sich von drei österreichischen Fachärzten untersuchen lassen, die eine Behinderung von mehr als 50% festgestellt hätten.

7. Zur Überprüfung der Einwände der Beschwerdeführerin wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten von einer Fachärztin für Augenheilkunde, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 06.08.2021 und unter Beiziehung eines Dolmetschers, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung mit 40 vH bewertet wurde.

8. Mit beim Bundesverwaltungsgericht am 22.09.2021 einlangten Schreiben bringt die Beschwerdeführerin eine schriftliche Stellungnahme und einen weiteren Befund zum Ergebnis der Beweisaufnahme ein und verzichte ausdrücklich auf eine mündliche Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1.    Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

1.2.    Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 vH.

1.2.1.  Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Ergebnis der persönlichen Untersuchung:

Visus rechts -11,0sph 0,1p GI b n ; add +2,5sph Jg 8
Refraktometer -12,0sph +1,5cy 170°
Links -10,5sph Pupille reagiert auf Licht!
Strabismus divergens links
Beide Augen: VBA reizfrei, Hornhaut klar
Cat cort ant et post incip rechts, dichte Cat cort links
Fundus rechts ( Mydr ) myope gut gefärbte und begrenzte Papille, zentral gering unregelmäßig,
mittlere Peripherie unauffällig
links durch Cat sehr schlechter Einblick Papille erscheint rel unauffällig, zentral Narbe
Die Beschwerdeführerin gibt an, auf Mydriaticum tagelange Kopfschmerzen zu bekommen — da eine genauere Fundusuntersuchung anders nicht möglich ist, willigt sie ein, das rechte Auge einzutropfen
Augendruck palp normal
links bei prakt. Blindheit nicht geprüft

Es liegt eine Minderung der zentralen Sehschärfe rechts auf 0,4 und praktische Blindheit links vor.

1.2.2.  Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

1

Hochgradige Kurzsichtigkeit beidseits, dichter Grauer Star und zentrale Netzhautnarbe links

mit prakt. Blindheit, geringe Linsentrübungen und Pigmentunregelmäßigkeit in der Netzhautmitte

rechts mit Sehverminderung auf 0,4

11.02.01

40 vH

Gesamtgrad der Behinderung

40 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 vH.

1.3.    Der gegenständliche Antrag ist am 13.01.2021 bei der belangten Behörde eingelangt.

2. Beweiswürdigung:

Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).

Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“.

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen und des Gesamtgrades der Behinderung der Beschwerdeführerin gründen sich - in freier Beweiswürdigung - auf die vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, aus den vorgelegten medizinischen Beweismitteln sowie der Aktenlage.

Das durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die befasste Sachverständige fasst die vorgelegten Beweismittel nachvollziehbar wie folgt zusammen:

?        Dr Kelani vom 12.10.20: Anamnese: Zust n Ablatio ret links vor 18J, Visus rechts -11,0sph -0,5cy1150° 0,4, Links -12,5sph Handbewegung, Strabismus divergens links, Beide Augen: VBA oB, Fundus rechts hochgradige Myopie mit NH Mitte Veränderungen, links alte NH Abhebung, Augendruck bds 17nnmHg, Gesichtsfeld vom 21.12.20: rechts vz kleine unspezif Skotome, sonst unauffällig, links Totalausfall

?        Dr Stelzer vom 8.4.21: Visus rechts -10,25sph 0,1, Links -10,25sph keine Lichtempfindung, Beide Augen: Cat sen incip re, Cat subcaps Ii, Fundus rechts mac PEV, NN anliegend, links alte NH Abhebung, Augendruck 17/19mmHg, Gesichtsfeld rechts Ausfall der oberen Hälfte, konzentr Einengung unten auf 10°-20° ( falsch neg Fehlerquote 50% ), Links Totalausfall

Die vorgelegten medizinischen Beweismittel, mit Ausnahme des augenärztlichen Befundes vom 17.08.2021 welches dem Neuerungsverbot unterliegt, sind in die Beurteilung eingeflossen und die befasste Sachverständige hat sich im Rahmen der Gutachtenserstellung damit auseinandergesetzt. Die angeführten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein höheres Funktionsdefizit beschrieben, als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.

Die Sachverständige führt nachvollziehbar aus, dass die Beurteilung des Leidens, hochgradige Kurzsichtigkeit beidseits, dichter Grauer Star und zentrale Netzhautnarbe links

mit prakt. Blindheit, geringe Linsentrübungen und Pigmentunregelmäßigkeit in der Netzhautmitte rechts mit Sehschärfeverminderung auf 0,4, unter der Richtsatzposition 11.02.01 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH erfolgt. Sie erklärt klar und schlüssig, dass keine maßgebliche Änderung zum Vorgutachten vom 03.03.2021 objektivierbar ist.

Die Sachverständige nimmt sehr ausführlich zu den Einsprüchen der Beschwerdeführerin Stellung. Es wird erläutert, dass die angegebene Minderung der zentralen Sehschärfe rechts von 0,4 im März 2021 auf 0,1 bei der heutigen Untersuchung, sowie der Gesichtsfeldtotalausfall rechts nur bei geringer Linsentrübungen und Netzhautveränderungen nicht objektivierbar ist. Abklärende Befunde (OCT von Sehnerv und Macula) liegen nicht vor und wurden auch nicht nachgereicht, daher wird das Sehvermögen laut Vorgutachten zur Einschätzung herangezogen (Minderung der zentralen Sehschärfe rechts auf 0,4 und Blindheit links)

Die befasste Sachverständige hält nachvollziehbar fest, dass der Gesamtgrad der Behinderung mit 40 vH zu bewerten ist.

Die bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Gesundheitsschädigungen wurden somit in dem eingeholten Sachverständigengutachten dem Ausmaß der Funktionseinschränkungen entsprechend beurteilt und unter die entsprechenden Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung eingeschätzt.

Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten somit nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden. Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind. Das Beschwerdevorbringen war somit nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH vorliegt, zu entkräften.

Das Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Auch ist die Beschwerdeführerin dem - nicht als unschlüssig zu erkennenden – Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

Zu 1.3.) Der Antrag der Beschwerdeführerin weist am Eingangsvermerk der belangten Behörde das Datum 13.01.2021 auf.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Gemäß § 54 Abs. 18 BBG tritt § 46 BBG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 mit 1. Juli 2015 in Kraft.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungs-gerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache:

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 35 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988 idgF, bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1.       in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2.       in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

–        Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

–        Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

–        In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 1 sowie § 41 Abs. 1 und 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft.

Da im gegenständlichen Fall der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses am 11.01.2021 gestellt worden ist, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung zu beurteilen.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 46 beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Der von der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs vorgelegte und am 22.09.2021 im Bundesverwaltungsgericht eingelangte Befund von Dr. Tamman Kelani mit Datum 17.08.2021 konnte gemäß § 46 BBG bei der Beurteilung nicht mehr berücksichtigt werden.

Da ein Grad der Behinderung von 40 vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher vom Bundesverwaltungsgericht ein ärztliches Sachverständigengutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, volständig und schlüssig erachtet. Das eingeholte Gutachten wurde der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt. Die Beschwerdeführerin brachte keine Einwände ein, sondern ersuchte um umgehende Ausstellung einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes sowie verzichtete sie ausdrücklich auf die durchführung einer mündlichen Verhandlung. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W141.2243136.1.00

Im RIS seit

25.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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