TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/18 95/20/0648

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Veröffentlicht am 18.12.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des M in S, geboren am 1. November 1960, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. September 1995, Zl. 4.347.161/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger und reiste am 30. August 1995 in das Bundesgebiet ein. Am 6. September 1995 beantragte er die Gewährung von Asyl. Bereits anläßlich der fremdenpolizeilichen Behandlung auf Grund des versuchten illegalen Grenzübertrittes zur Bundesrepublik Deutschland gab der Beschwerdeführer vor dem Gendarmerieposten Wals am 31. August 1995 an, sein Vater habe mit ihm gemeinsam eine gut gehende Firma besessen, die Milchprodukte vertrieben habe. Auf Grund des Embargos gegen den Irak sei seine Firma einfach verstaatlicht worden und er selbst, weil er Christ sei, habe auch noch zwei Monate ins Gefängnis gemußt. Auf Grund der politischen und wirtschaftlichen Situation habe er beschlossen, mit seiner Frau und seinen beiden Kindern den Irak zu verlassen. Daran anschließend schilderte er die näheren Umstände seiner Flucht.

Anläßlich seiner am 8. September 1995 im Asylverfahren erfolgten niederschriftlichen Befragung durch das Bundesasylamt gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen wie folgt an:

"Die allgemeine politische und wirtschaftliche Lage im Irak ist bekanntermaßen sehr schlecht. Das war einmal ein Grund von zu Hause fortzugehen.

Außerdem gehöre ich als Christ Bürgern zweiter Klasse an. Anfang Juli 1994 wurde ich für zwei Monate grundlos verhaftet und warf man mir vor, daß ich meine Molkereiprodukte im Schwarz- bzw. Schleichhandel verkaufe. Meine Molkerei heißt "W". Die Molkerei liegt im Stadtteil Z in Bagdad.

Das war nur ein Trick mit meiner Verhaftung. Saddam hatte damit einen Vorwand meinen Betrieb zu verstaatlichen. Viele andere, im Besondern aber auch Lebensmittelerzeuger und -verkäufer wurden unter diesem Vorwand liquidiert um zu deren Vermögen zu kommen. Mein Betrieb hatte vier-fünf Ägypter und die Familie als Angestellte.

Als mein Betrieb verstaatlicht wurde saß ich im Gefängnis. Dann kam ich frei und mußte sogar noch für alle möglichen Delikte, die ich ja gar nicht begangen habe, eine Menge Geld zahlen. Mir und meiner Familie blieb gar nichts, nur das Haus. Das mußte ich dann verkaufen, damit ich wegkonnte.

Das war schon schwer für mich. Am schlimmsten war es aber für mich, daß die Sicherheitsbeamten nachdem man mich freigelassen hatte noch immer nicht in Ruhe ließ und in meinem Haus unsere Frauen belästigten.

Mit einer Molkerei hat man natürlich eine gewisse wirtschaftliche Unabhängigkeit, jetzt habe ich gar nichts mehr. Die Lage ist so schlimm geworden, daß manchen mißliebigen Personen die Ohren und Hände abgehackt wurden. Das traf auch die Händler.

Über Befragen was ich zwischen dem Juli 1994 und meiner begonnenen Flucht gemacht habe, so gebe ich an, daß ich in der Zwischenzeit alles was ich noch hatte verkauft habe, um wegzukommen.

Ich habe aber auch versucht meine Molkerei wiederzubekommen. Ich habe Schmiergelder und Geschenke an einflußreiche Personen gegeben, damit sie für mich ein gutes Wort einlegen und mir helfen. Das hat aber alles nicht genutzt.

Mit blieb nur mehr übrig mein Haus zu verkaufen, damit ich das Land verlassen kann.

Andere Fluchtgründe habe ich nicht. Ich bin weder politisch interessiert noch da in irgendeiner Form tätig gewesen, ich will nichts erfinden, es war so wie ich gesagt habe.

Die Nachteile als Christ, die ich vorher geschildert habe, haben mich nicht unmittelbar betroffen, es ist eben allgemein so, daß unsere Glaubensgruppe benachteiligt wird. Wir werden einfach ausgelacht und muß der Priester zuerst Saddam lobpreisen, bevor wir unser Kreuz schlagen können. Über Befragen gebe ich an, daß ich keine kirchliche Funktion ausübte. Ich bin einfach Christ, habe aber meine Religion nicht besonders aktiv ausgeübt. Ich gehe halt in die Kirche."

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. September 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, ihm Asyl zu gewähren, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid eine in arabischer Sprache und Schrift verfaßte Berufung, die - nach der amtswegig eingeholten Übersetzung - folgenden Inhalt hat:

"Ich habe den negativen Bescheid bezüglich meines Asylansuchens erhalten. Ich habe im Gefängnis in Bagdad zwei Zähne verloren, das kann ich beweisen.

Es herrscht im Irak Anarchie, es gibt weder Gesetze, noch Gerichte und die Saddam-Leute treten die Häuser ein und niemand kann mit ihnen sprechen.

Ich habe eine Frau, die von dieser Situation betroffen ist. Sie wissen, daß ich Christ bin, wie soll ich als Christ in diesem Land bleiben, in dem meine Eltern und mein Bruder starben.

Ich bin in einem europäischen Land, in dem Menschen respektiert und die Menschenwürde respektiert wird. Ich will wissen, was nun mit mir passiert und was mit meiner Frau ist."

(Der Beschwerdeführer befand sich bis zu diesem Zeitpunkt in Schubhaft).

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und begründete dies nach Wiedergabe des Verfahrensganges sowie der von ihr in Anwendung gebrachten Rechtslage im wesentlichen dahingehend, das Asylrecht schütze nur solche Personen, gegen die mit staatlichen Maßnahmen von erheblicher Intensität in Verfolgungsabsicht vorgegangen werde. In diesem Sinne gelte als Verfolgung nur zielgerichtetes Handeln des Heimatstaates, das sich direkt gegen den Einzelnen wende und in dessen Leib, Leben, Freiheit oder psychische Integrität eingreife. Nicht als Verfolgung gelte aber ein Nachteil, der sich aus der allgemeinen Situation ergebe und jedermann treffen könne, der dort lebt, zumal es dann an der unabdingbaren individuellen Verfolgungskomponente fehle. Gebe der Beschwerdeführer an, daß die allgemeine wirtschaftliche und politische Lage im Irak schlecht sei und sei dies der Grund gewesen, von zu Hause wegzugehen, so sei dazu auszuführen, daß dieser allgemeine Hinweis auf die politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Nachteile im Heimatstaat des Beschwerdeführers nicht ausreiche, um Verfolgung aus einem der in § 1 Z. 1 AsylG genannten Gründe glaubhaft zu machen, vielmehr hätten konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungsmaßnahmen geltend gemacht werden müssen. Zu den Ausführungen, daß die in seinem Besitz befindliche Molkerei unter Anwendung einer zu Unrecht über ihn verhängten zweimonatigen Haftstrafe verstaatlicht worden sei, sei dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, daß diese für ihn sicherlich mit schweren wirtschaftlichen Nachteilen verbundene Zwangsmaßnahme nicht nur ihn, sondern alle im Besitz eines Unternehmens befindlichen Bürger seines Heimatstaates in gleicher Weise getroffen hätten und wirtschaftliche (Zwangs-)Maßnahmen kein geschütztes Rechtsgut im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. des Asylgesetzes 1991 darstellten, daher die Anerkennung als Flüchtling nicht rechtfertigte, zumal ihm der legale Erwerb der notwendigen Existenzgrundlage nicht verwehrt worden sei. Darüber hinaus sei festzuhalten, daß er diese Umstände lediglich behauptet habe. Darüber hinaus müsse die wohlbegründete Furcht bis zur Ausreise andauern, was beim Beschwerdeführer jedoch nicht der Fall gewesen sein könne, da er von Juli 1994 bis zum Verlassen seines Heimatlandes im März 1995 keine Umstände habe glaubhaft machen können, die die Annahme gerechtfertigt hätten, daß die (behauptete) Furcht bis zum Verlassen seines Heimatlandes angedauert habe und wohlbegründet sei. Zudem sei seinen Angaben zu entnehmen gewesen, daß er nach Verstaatlichung seines Betriebes zunächst gar nicht die Absicht gehabt habe, den Irak zu verlassen, sondern zuerst versucht habe, durch Zahlung von Bestechungssummen seinen Betrieb wiederzuerlangen. Erst als dies erfolglos geblieben sei, habe er sich entschlossen, sein Heimatland zu verlassen, was folglich den Schluß aufdränge, daß die mit Verlust der Molkerei eingetretene prekäre wirtschaftliche Situation der wahre Grund für das Verlassen seines Heimatlandes gewesen sei, welche allein die Anerkennung als Flüchtling jedoch nicht rechtfertige. Auch der allgemeine Hinweis, daß der Beschwerdeführer als Christ Bürger zweiter Klasse sei, und seine Glaubensgruppe benachteiligt sei, reiche für die Glaubhaftmachung einer konkret gegen ihn selbst gerichteten Verfolgung nicht aus, weil er nach seinen eigenen Angaben von den Diskriminierungen nicht unmittelbar betroffen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der in der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensrüge, insbesondere der Rüge der von der belangten Behörde zu Unrecht nicht aufgegriffenen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens erster Instanz, ist entgegenzuhalten, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Ermittlungspflicht der Verwaltungsbehörde durch § 16 Abs. 1 VwGG bestimmt ist, der eine Konkretisierung der Bestimmung des § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG darstellt. Danach wird eine amtswegige Ermittlungspflicht der Behörde lediglich dann ausgelöst, wenn aus den Angaben des Asylwerbers konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen asylrechtlich relevanter Umstände zu entnehmen sind. Die Ermittlungs- bzw. Anleitungspflicht der Behörde geht jedoch nicht soweit, Asylgründe zu ermitteln, die der Beschwerdeführer nicht behauptet hat oder ihn dahingehend anzuleiten, wie er sein Vorbringen zu gestalten habe, damit Asylgewährung erreicht wird (vgl. hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0800 bis 0803, und die daran anknüpfende Judikatur). Derartige konkrete Anhaltspunkte waren den erstinstanzlichen Angaben des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen. Mängel des Ermittlungsverfahrens erster Instanz wurden aber auch nicht in der Berufung geltend gemacht, weder durch Verfahrensrüge noch (implicite) durch eine "ergänzende" Darstellung der Fluchtgründe, die auf eine ungenügende Protokollierung oder Übersetzung der erstinstanzlichen Angaben hätten schließen lassen. Bestand aber unter dem Gesichtspunkt der Berufungsausführungen für die belangte Behörde kein Anlaß, einen der Fälle des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 als gegeben zu erachten, ist sie zu Recht vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Intanz gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. ausgegangen. Auf dieser Sachverhaltsgrundlage aber erweist sich auch die von der belangten Behörde vorgenommene rechtliche Beurteilung als mit der Rechtslage in Einklang stehend. Insbesondere ist die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde zutreffend, die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Zwangsenteignung im Juli 1994 stünde zu seiner Ausreise im März 1995 in keinem ausreichenden zeitlichen Zusammenhang mehr, weil dem Vorbringen des Beschwerdeführers eine in diesen Zeitraum fallende, konkrete, dem Heimatstaat des Beschwerdeführers zurechenbare (weitere) Verfolgungshandlung nicht entnommen werden konnte und auch die Berufung keine deutlichen Hinweise, insbesondere keine näheren Angaben darüber enthielt, welcher Art und Intensität die "Belästigungen" der Ehefrau des Beschwerdeführers, bzw. durch wen sie erfolgt waren. Daß die subjektive Furcht des Beschwerdeführers möglicherweise durch diesen Zeitraum hindurch angedauert hat, ändert an der rechtlichen Beurteilung nichts, da es grundsätzlich nicht auf die subjektive Furcht, sondern deren objektive Begründetheit ankommt (vgl. hg. Erkenntnis vom 12. September 1996, Zl. 95/20/0429).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200648.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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